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Der blinde Anthropologe

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21.06.2015
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Der blinde Anthropologe

I.
Die Sonne brennt heiß an diesem Nachmittag über Berlin. Wolfgang sitzt in kurzen Adidassporthosen und einem Feinrippunterhemd auf seinem Sofa. 70er Plattenbauchique, inmitten von Berlin Marzahn.
Die Luft ist dick um ihn herum, der Schweiß auf Wolfgangs Haut scheint zu dampfen und der Liquor in seinem Kopf kocht wohl schon seit Stunden.
Doch nicht nur die Hitze in dieser unsäglich trostlosen Wohnung ist der Grund, warum sie für Wolfgang schon seit geraumer Zeit eine Art Vorhof zur Hölle darstellt: Die beiden Söhne, seit geraumer Zeit schon ausgezogen, kommen bloß noch zu Weihnachten und vielleicht zu Geburtstagen vorbei. Für Wolfgang jedoch nicht das große Problem, bringt es ihn doch immer wieder nur zur Weißglut, die Scham in ihren Augen zu sehen, wenn sich die feinen Herren die Ehre geben, ihre Alten zu besuchen.
Dann ist da auch Heike, Wolfgangs Ehefrau. Verheiratet seit 1978, hat sich die Ehe in den letzten Jahren (oder vielleicht doch Jahrzehnten) dahingehend entwickelt, dass beide sich von Ehegatten hin zu zwei Verlorenen verwandelt haben, die irgendwie zu zweit, aber eben doch nicht gemeinsam versuchen, sich durch das Leben zu schleppen.
Für Wolfgang offensichtlich, dass Heike an dieser Misere einen Großteil der Verantwortung trägt. So erlebt sie in letzter Zeit eine Art zweiten Frühling, dritten Sommer, oder wohl doch eher , wie er selbst es gerne ausdrückt, ein letztes Abendmahl.
Oft geht sie mit Freundinnen Cocktails trinken, lacht wie eine pubertierende Teenagerin, wenn eine ihrer Freundinnen mal wieder ein furchtbar albernes Video auf ihr Handy schickt und zeigt keinerlei Interesse an Wolfgang, der doch immer für sie da gewesen ist.
Und ganz zu schweigen von ihrer Kleidung: So trägt sie Klamotten, die Wolfgang ganz und gar nicht angemessen für ihre 57 Jahre hält. Violett, Pink, Knallrot, recht knapp und ziemlich eng. Heike scheint offensichtlich nicht zu bemerken, dass ihr neuer Kleidungsstil nicht über ihre nun schon 3 Rettungsringe hinwegtäuscht, welche sich um ihren Bauch spannen. Und überhaupt, was soll diese neue Frisur mit den blonden Strähnchen, mit der sie eher wie eine polnische Putzfrau aussieht, die auf der Suche nach einem reichen Deutschen ist?
Oftmals, wenn sie wieder mal für einen ihrer Mädelstage ausgeht, so wie heute auch, gehen beide im Streit auseinander. Das stört Wolfgang jedoch nicht so sehr. Warum sollte er ihr nicht sagen, wie unangebracht er ihr ganzes Gehabe findet? Und außerdem gibt es ihm jedes Mal in gewisser Weiße Genugtuung und ein Gefühl des Triumphs, sie mit dem Wissen ziehen lassen, dass sie sich mal wieder böse Worte um den Kopf geschlagen haben. Soll sie doch mit diesem Gefühl ihre Treffen genießen.
Er selbst sieht sich nach wie vor als recht adrett an, oder altersangemessen, wie man so schön sagt. Gut, sein Unterhemd ist nach gut zwei oder doch drei Tagen tragen schon etwas fleckig, auch sein Körper sieht nicht mehr ganz nach dem Astralkörper aus, der ihn früher ausgezeichnet hat. Doch nach wie vor sieht man ihm seiner Meinung nach die stolze Statur eines Hauptmannes der NVA an, welcher er bis zur Wende gewesen ist. Diese verdammte Wende, welche sich irgendwelche zwielichtigen Politiker in Hinterzimmern hinter verschlossenen Türen ausgedacht haben, hat seine ganze Karriere zerstört. So hat er doch kurz vor seiner Beförderung zum Major gestanden, hat in den höchsten Kreisen diniert und muss sich jetzt als Arbeitsloser mit einer Tüte Flips der Marke „ja!“, einer Dose Bier „Ratskrone“ (Premiumpils) und „Mitten im Leben“ auf RTL vergnügen. Manchmal fühlt sich Wolfgang, als ob sich die ganze Welt gegen ihn verschworen hat.

II.
Um 3 muss Wolfgang los, er hat mal wieder eine Meldeaufforderung vom Jobcenter Marzahn-Hellersdorf bekommen. Welch perfider Euphemismus für einen trostlosen Ort wie diesen. Jobcenter, das klingt nach Service,Fortschritt, Aufbruch, frisch und modern. In Wahrheit jedoch ist es elende Warterei, Demütigung durch unangemessene „Angebote“ (Erntehelfer, Lagerist, interessantes Praktikum mit Übernahmechance bei einer Spedition) und eine Ansammlung verlorener Seelen, die nur durch ihr elendes Schicksal vereint sind. Friss oder Stirb!
Doch trotz allem möchte Wolfgang dort schick erscheinen. Er zieht sich eine braune Cordhose an und findet im Schlafzimmer noch ein letztes, halbwegs tragbares Kurzarmhemd. Es sieht zwar schon etwas getragen aus und riecht nicht unbedingt frisch gewaschen, doch alles in allem gefällt er sich, wie er sich so vor dem Spiegel sieht. Aus einem Küchenschrank kramt er noch eine Pennytüte, denn er möchte auf dem Rückweg noch bei der Trinkhalle um die Ecke vorbeischauen, und das letzte Hemd hat bekanntermaßen keine Taschen für Dosenbier.
Die 15 Minuten zum Jobcenter bringt Wolfgang, wie sonst auch immer, zu Fuß hinter sich. Er hat es noch nie wirklich in Betracht gezogen, sich mit den ganzen Obdachlosen, halbstarken Ausländern und dem sonstigem gesellschaftlichen Bodensatz gemeinsam in ein Fahrzeug zu setzen. Ein Auto besitzt er schon länger nicht mehr.
Nach einer schier endlos langen Zeit des Wartens inmitten von Personen, denen es gleichgültig erscheint, ob sie hier auf den Zahnarzt, Henker oder Sachbearbeiterin Nr. 13 warten, wird Wolfgang endlich in ein kleines Abteil inmitten eines Großraumbüros gerufen.
Zu seinem Entsetzen sitzt dort bereits Frau Dreher, welche auf Wolfgang mit ihren geschätzten 80 Kilo und ihrem verzogenen Mund wie eine aufgerichtete, vollgefressene Speikobra wirkt, die nur darauf wartet, Gift und Galle zu spucken. Nur zu gut kann sich Wolfgang vorstellen, dass abends niemand zu hause auf sie wartet, niemand da ist, um mit ihr zu reden. Warum sonst sollte sie so garstig und herabwürdigend sein?
„Herr Seibert, ich habe mir nochmal Ihren Lebenslauf angeschaut, an dem wir jetzt schon seit einiger Zeit arbeiten. Ich muss Ihnen leider sagen, dass er immer noch lückenhaft ist. Warum sollte sich denn ein Arbeitgeber für Sie interessieren, wenn Sie noch nicht einmal alle Schulen namentlich angeben, die Sie besucht haben. Und die Angabe 'Studium' für sich alleine ist auch zu wenig, da sollte schon eine Fachrichtung dabei stehen. Wenn Sie etwas an Ihrer Lage ändern wollen, müssen Sie schon irgendwann mal in die Gänge kommen.“ Zwar ist Wolfgangs Körper anwesend, doch seine Gedanken sind weit weg während des gesamten Gesprächs. Warum sollte er diesem unzufriedenen Drachen zuhören, ist es doch immer dieselbe Leier mit ihr. Ein aufgesetztes Lächeln hat bisher auch immer gereicht.
Erntehelfer, Lagerist &CoKG, so wie immer. Irgend eine höhere Macht muss doch etwas gegen ihn haben.

III.
Nach der ca. halbstündigen Sitzung – wie es so schön genannt wird - mit Frau Dreher kann er sich nun endlich auf dem Weg zur lokalen Trinkhalle machen. Nicht, dass Wolfgang ein Trinkproblem hätte, wie Heike schon das ein oder andere Mal angedeutet hat. Für ihn sind die ein, zwei (oder drei) Bier am Tag einfach nur eine gute Möglichkeit, dem ganz normalen Wahnsinn zu entkommen, in welchem er sich tagtäglich befindet.
Horst, der Trinkhallenbetreiber und er kennen sich nach all den Jahren natürlich schon beim Namen. Seine fünf Bier und den Klopfer Korn stellt er schon auf den Tresen, ohne dass Wolfgang schon ganz an der Trinkhalle angekommen ist. Schön, wenn Routine nach all den Jahren auch einmal hilfreich sein kann. Mit Eike – ein weiterer Stammgast an der Trinkhalle – ärgert er sich noch schnell über die Flut an Asylanten, welche diesen Sommer über das Land hereinbricht und kein Ende kennt. Dann bricht er , schon etwas besser gelaunt, wieder auf, entschließt sich jedoch, gegen seine Gewohnheit, einen kleinen Umweg zu machen. Er kommt an einem kleinen Café vorbei, welches sich schon seid gefühlt 100 Jahren an der selben Stelle befindet und welches er und Heike in besseren Tagen frequentiert haben.
Wolfgang betrachtet die Gäste, welche auf der Veranda an kleinen Tischen sitzen. Jüngere und ältere Menschen, welche alle vereint darin sind, vorzutäuschen, das Leben zu genießen, obwohl sie doch genau wissen, dass das alles hier zum Himmel stinkt. So sitzen sie hier in ihrer Selbstgefälligkeit, die Studenten, die Arbeitskollegen, die Liebespaare...und dann rutscht ihm sein Herz in die Hose. Heike, tief im Gespräch mit einem anderen Kerl versunken, welcher ihre Hände dabei hält, sie sogar noch etwas streichelt.
Hass flackert in seinen Augen, Wut flammt in seinem Herzen auf und noch viele andere Dinge, die er schon lange nicht mehr verspürt hat. Am Liebsten würde er sofort auf den Tisch springen, Heike anschreien, diesem Kerl auf die Nase schlagen und dem Kaffeekranz hier zeigen, was er von dieser ganzen Farce hält.
Doch schnell übermannt ihn Frust und die Gewissheit, dass sich hier im Moment sowieso nichts ändern lässt. Das kann auch bis heute Abend warten, denkt Wolfgang sich. Er dreht sich um, um doch noch einmal an der Trinkhalle vorbeizugehen und denkt sich dabei, dass er nun endlich Gewissheit hat. Hier hat sich einfach jeder gegen ihn verschworen. Dafür hat er sich den zweiten Korn doch wohl wirklich verdient.

 

Hallo wassergeist,

da dies Dein erster Beitrag ist, sollte ich Dich bei den Wortktiegern willkommen heißen. Aber es klingt mir seltsam, denn Du bist ja schon seit fünf Monaten dabei. Ich hoffe, Du hast Dich in dieser Zeit von anderen Texten inspirieren lassen. Deshalb möchte ich Dir etwas verraten: An diesem Forum teilzunehmen bedeutet: Texte lesen, Texte kommentieren, eigene Texte schreiben und Kritiken umsetzen - auch vom zeitlichen Aufwand her durchaus in dieser Reihenfolge.

70er Plattenbauchique ... Liquor
Ich habe bei diesen unüblichen Worten sofort den Eindruck - Studen(in) oder mindestens Intelligenzler(in) - und ich hofffe, dieses Bild beeinflusst nicht meine weiteren Gedanken zum Text.

eine Art Vorhof zur Hölle
statt eine Art würde ich schreiben seinen - denn es ist ja nicht irgendeine Art aus dem Katalog, sondern sein Höllenvorhof.

Die beiden Söhne ... kommen bloß noch zu Weihnachten und vielleicht zu Geburtstagen vorbei.
Wessen beiden Söhne? Ich denke doch Seine - dann würde ich das auch schreiben um unnötiges Grübeln zu vermeiden. Ebenso bei den Geburtstagen. Der Pural deutet für mich darauf hin, dass in dieser Wohnung mehrere Geburtstage im Jahr gefeiert werden - wohnt da also noch jemand? Ich sehe, da kommt später noch eine Bewohnerin hinzu.

Für Wolfgang jedoch nicht das große Problem, bringt es ihn doch immer wieder nur zur Weißglut,
Es gibt also ein größeres Problem und ich harre gespannt der Erläuterung/Auflösung. Da ich mich mit Cholerikern eigentlich recht gut auskenne, frage ich mich: was kommt nach der Weißglut? die Explosion? die Zerstörung der Wohnung?


Dann ist da auch Heike
Da Du den vorigen Satz mit "..ihre Alten ... " beendest, wäre es sinnvoller, die zweite Alte jetzt entsprechend einzuführen: Denn da ist auch Heike (mit passenderen Worten ausgedrückt)

Verheiratet seit 1978, hat sich die Ehe in den letzten Jahren (oder vielleicht doch Jahrzehnten) dahingehend entwickelt, dass beide sich von Ehegatten hin zu zwei Verlorenen verwandelt haben, die irgendwie zu zweit, aber eben doch nicht gemeinsam versuchen, sich durch das Leben zu schleppen.
Solche Bandwurmsätze sind schwer zu lesen und am Ende des Satzes frage ich mich: Welche Informationen habe ich bekommen? Eigentlich inhaltlich nur eine: Zerrüttete Ehe ...

Für Wolfgang offensichtlich, dass Heike an dieser Misere einen Großteil der Verantwortung trägt. So erlebt sie in letzter Zeit eine Art zweiten Frühling, dritten Sommer, oder wohl doch eherohne Leerzeichen, wie er selbst es gerne ausdrückt, ein letztes Abendmahl.
Wenn es für Wofgang offensichtlich ist, für wen denn nicht? Für Heike?
Das So suggeriert, dass auch noch ein andererseits folgt. Statdessen schließt die Vergleichskette mit dem letzten Abendmahl statt des dritten Herbstes. Der wäre logisch. Das letzte Abendmahl passt für mich da nicht hinein. Ich verstehe auch nicht, was es hier aussagen soll. Erwartet Heike ihr persönliches Golgotha?

Oft geht sie mit Freundinnen Cocktails trinken, lacht wie eine pubertierende Teenagerin, wenn eine ihrer Freundinnen mal wieder ein furchtbar albernes Video auf ihr Handy schickt und zeigt keinerlei Interesse an Wolfgang, der doch immer für sie da gewesen ist.
Die beiden ersten Satzteile scheinen zu unterschiedlichen Zeiten und Orten zu spielen (in der Bar und zu Hause?) Woher weiß er das mit den Videos? Da sie ja keinerlei Interesse an ihm zeigt, wird sie ihm diese doch offensichtlich nicht vorspielen. Auch bei dem Schluss des Satzes scheint die Logik Urlaub zu haben: Heike zeigt jetzt keinerlei Interesse an Wolfgang, der in der Vergangenheit für sie da war. Also zeigt Wolfgang jetzt Interesse für Heike und sie war in der Verganheit für ihn nicht da? Oder doch nicht? Ich bin verwirrt.

Ich höre jetzt mal auf.

Hier hat sich einfach jeder gegen ihn verschworen.
schreibst Du am Ende. Und ich möchte mich zwar nicht zu diesen jeden dazuzählen, aber Deine Geschichte besteht aus vielen Allgemeinplätzen, die zu umständlichen Sätzen zusammengestrickt wurden. Wolfgang fühlt sich in seinem angesäuselten Selbstmitleid recht wohl und ist nicht einmal mehr in der Lage, anständige Eifersucht hervorzubringen. Die beiden Ehepartner leben nebeneinander her und der Leser sitzt recht hilflos dabei. Da ist kein Leben drin, die Figuren bleiben konturlos und schwammig. Würde Wofgang Tagebuch führen, stände am Ende dieses von*Dir geschilderten Tages dort: "Wie immer nichts los." Und das ist für eine Geschichte eigentlich zu wenig.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo wassergeist!

Netter Nick. Du möchtestst Feedback? Kommt gleich. Ob ich dich inspirieren kann, weiß ich nicht. Und den Lerneffekt wirst du eher erzielen, wenn du Texte kommentierst, nicht, wenn du sie nur liest.

Ich wurde durch Fragen, die sich mir beim Lesen deines Textes gestellt haben, inspiriert, dir einen Kommentar zu schreiben. Und natürlich erwarte ich nun, dass du mir diese Fragen auch beantwortest.

Okay, erstmal möchte ich wissen, was diese Worte bedeuten sollen: Plattenbauchique und Liquor.

Dann gehe ich zurück zum ersten Satz: "Die Sonne brennt heiß an diesem Nachmittag über Berlin." => Ich weiß, was du sagen willst, aber man liest: "an diesem Nachmittag über Berlin" (Der Nachmittag (oder der Protagonist) ist über Berlin? Hä?) und nicht "Die Sonne brennt heiß über Berlin".

"Adidassporthosen" => Ist die Marke wichtig oder wirst du für Werbung bezahlt?

"70er" => Meinst du die Siebziger Jahre? (Das würde die Sporthosenmarke erklären.) Oder hat dieses "70er Plattenbauchique" irgendsonsteine Bedeutung, die ich nicht verstehe?

"trostlosen Wohnung ist der Grund, warum sie für Wolfgang schon seit geraumer Zeit eine Art Vorhof zur Hölle darstellt: Die beiden Söhne, seit geraumer Zeit schon ausgezogen, kommen bloß noch zu Weihnachten und vielleicht zu Geburtstagen vorbei."
=> Die Wiederholung "seit geraumer Zeit" ließe sich ganz einfach vermeiden, wenn du den Nebensatz nach den Söhnen einfach streichst. Denn es ist ja vollkommen klar, dass die Söhne ausgezogen sein müssen, wenn sie nur noch zu Weihnachten ... kommen.
=> Außerdem verstehe ich nicht, warum die Wohnung ein "Vorhof zu Hölle" sein soll, wenn die Söhne nur ein, zwei Mal im Jahr zu Besuch kommen.

"Verheiratet seit 1978"
=> Dann also doch nicht siebziger Jahre? Wenn ein Leser schon beim dritten Satz nur Bahnhof versteht, ist das nicht gut, wassergeist.

"So erlebt sie in letzter Zeit eine Art zweiten Frühling, dritten Sommer, oder wohl doch eher , wie er selbst es gerne ausdrückt, ein letztes Abendmahl."
=> Was willst du mit "letztes Abendmahl" sagen? Verstehe ich das bloß nicht, weil ich Atheist und in Religionsfragen ziemlich ungebildet bin?

"zeigt keinerlei Interesse an Wolfgang, der doch immer für sie da gewesen ist."
=> Behauptet Wolfgang, bzw. der Erzähler. Glaube ich ihm das? Nein.

"So trägt sie Klamotten, die Wolfgang ganz und gar nicht angemessen für ihre 57 Jahre hält."
=> Hilfe, Heike, schick Wolfgang zum Teufel! Sie soll nur machen, was er für angemessen hält? So weit kommt es noch!

"3 Rettungsringe"
=> Zahlen in literarischen Texten bitte ausschreiben.

"gehen beide im Streit auseinander. Das stört Wolfgang jedoch nicht so sehr."
=> Meiner Meinung nach ist Wolfgang ein Arschloch. Verlasse ihn, Heike, schnell.

"in gewisser Weiße" => Weise, nicht weiß.

"Genugtuung und ein Gefühl des Triumphs,"
=> Ich habe ja schon gesagt, was Wolfgang meiner Meinung nach ist. Möchtest du ihn wirklich so zeigen, wassergeist? Falls ja, muss ich dir sagen, dass ich deinen Text nicht weiterlesen würde (Ich habe keine Lust, einem ... zuzusehen, bzw. über ihn zu lesen), wäre ich nun nur am Lesen interessiert, nicht am Kommentieren.

"dass sie sich mal wieder böse Worte um den Kopf geschlagen haben."
=> Ich sehe nur ihn schlagen.

"Er selbst sieht sich nach wie vor als recht adrett an,"
=> Ja, er sich. Ist das satirisch gemeint, siehe Sporthosen und Feinripp?
"Gut, sein Unterhemd ist nach gut zwei oder doch drei Tagen tragen schon etwas fleckig"
=> Das muss satirisch gemeint sein. Dann würde ich aber dem gesamten Text einen satirischen Anstrich geben, das nicht nur so punktuell machen.

"Doch trotz allem möchte Wolfgang dort schick erscheinen"
=> Dreht sich die geamte Geschichte nur darum, wie sich Leute kleiden? Ich finde das äußerst langweilig.

"und riecht nicht unbedingt frisch gewaschen"
=> Hat Heike ihn schon verlassen oder sagt sie bloß: "Mach deine Wäsche gefälligst selbst, du tust ja sonst nichts, du faule Couchpantoffel!" (Bravo, Heike!)

"Speikobra"
=> Gibt es so ein Tier wirklich? Muss ich gleich mal herausfinden.

"Speikobra wirkt, die nur darauf wartet, Gift und Galle zu spucken."
=> Haben Schlangen Gallen? Noch eine interessante Frage.

"Warum sonst sollte sie so garstig und herabwürdigend sein?"
=> Weil sie einen Ehemann hat, der der Zwillingsbruder von Wolfgang sein könnte?

"der ca. halbstündigen"
=> Bitte keine Abkürzungen in literarischen Texten.

"den Klopfer Korn"
=> Verrätst du mir, was ein Klopfer ist? Ich trinke keinen Alkohol, bin also auch auf diesem Gebiet total ungebildet.

"vorzutäuschen, das Leben zu genießen, obwohl sie doch genau wissen, dass das alles hier zum Himmel stinkt."
=> Ich fragte mich schon die ganze Zeit, was eigentlich der Titel mit dem Text zu tun hat. Vermutlich meinst du es so, dass dieser Wolfgang, der zu allen Menschen eine (schlechte) Meinung hat, einen Anthropologen darstellen soll, aber das Ganze natürlich satirisch, also "der blinde Anthropologe".
=> Wie schon gesagt, für eine Satire ist mir der Text nicht satirisch genug (es fehlt ja auch das entsprechende Stichwort). Und ansonsten gibt der Text leider nicht viel her. Es passiert nichts (weil dein Protagonist ja (vermutlich satirsich gemeint) total passiv ist).
=> Ist halt nichts Halbes und nichts Ganzes, sorry.

Grüße,
Chris

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zusammen,

vielen Dank für die Begrüßung und die Rückmeldungen. Zur langen Abstinenz nach meiner Anmeldung muss ich sagen, dass ich privat viel zu tun hatte und deshalb das Forum einige Monate nach meiner Anmeldung nicht nutzte.
Zu den angesprochenen Bandwurmsätzen: Dieses Problem ist mir leider selbst auch schon aufgefallen und habe versucht, sie weitestgehend zu vermeiden, sind wohl aber leider meiner beruflichen Tätigkeit geschuldet.
Zu den Fragen von Chris, welche ich hoffentlich komplett beantworte und dabei keine Frage auslasse:
- Speikobras gibt es, Schlangen haben dazu auch noch Gallen
- als Klopfer werden kleine Gläser bezeichnet, in die Alkohol (normalerweise Schnaps) abgefüllt wird
- mit Plattenbauchique meinte ich in etwa eine, nach typisch deutschen Ästhetikvorstellungen, eingerichtete Wohnung, Liquor ist die Flüssigkeit, in der sich das Hirn befindet
- mit der Erwähnung der Marke Adidas wollte ich etwas Leben in die Geschichte bringen, werde das nächste Mal jedoch Puma als Marke verwenden, um den Verdacht der Schleichwerbung zu widerlegen
- "letztes Abendmahl": meine Intension hier war, dass Wolfgang Heikes Verhalten als letztes Aufbäumen vor der unumgänglichen Tatsache des Alterns sieht, sie dies aber nicht wahrhaben will
- Zu Wolfgang als Charakter: hier muss ich dir wohl recht geben, habe bei der Beschreibung seiner Art wohl zu dick aufgetragen
Insgesamt muss ich dir wohl auch zustimmen, dass der satirische Charakter der Geschichte etwas zu kurz gekommen ist, das nächste Mal werde ich zumindest das passende Stichwort dazu angeben, damit es nicht zu Verwirrungen kommt

Danke für die Kritiken und bis zum nächsten Mal!

wassergeist

 

Hallo Wassergeist,

abgesehen von ein paar Kleinigkeiten und den schon angemeckerten Floskeln ist das Hauptproblem dieses Textes: Da entstehen überhaupt keine Szenen im Kopf, die Geschichte ist wie tot. Es liest sich eher wie eine grobe zweiseitige Zusammenfassung, die man dann als roten Faden für eine fünfzehnseitige Kurzgeschichte nimmt.

Der ganze Text ist ein einziges Beispiel, aber um mal klar zu machen, was ich meine:

Die beiden Söhne, seit geraumer Zeit schon ausgezogen, kommen bloß noch zu Weihnachten und vielleicht zu Geburtstagen vorbei.

Das ist Plot. Den bringst du rüber mit Story. Die könnte sein:

Das Telefon klingelte. Mike war dran. Der Erstgeborene. Er wollte vorbeikommen. Einen Moment lang war Wolfgang sicher, er habe sich verhört. Seinen Geburtstag hatte er dieses Jahr bereits hinter sich gebracht, und Weihnachten war noch längst nicht, da brauchte man sich nur draußen in die Sonne zu stellen.
"Was willst du denn?", entfuhr es ihm.
"Euch besuchen", sagte Mike.
"Aber warum?"
"Ich muss was bereden. Was Wichtiges."
Wolfgang zögerte. Was mochte jetzt noch dringend sein? Sein Erspartes war längst verbrannt, das Jobcenter hatte drauf bestanden.


Das muss nicht genau so sein und ich sag auch nicht, dass das gut so ist, nur vom Prinzip her: Dialog/Szene = Ein bisschen mehr Leben in der Bude.

Thema zwei wäre: Was schreiben/weglassen? Dein Einstieg ist so ein Klassiker: Hans Meier saß in einer blauen Hose, braunen Sandalen und grünem Hemd auf einem gelben Stuhl an einem roten Tisch aus Holz. Ich meine: Selbst wenn das wichtig ist, dass ein Prot eine halblange Jogginghose trägt - was ich mir jedes Mal sehr genau überlegen würde - gibt es bedeutend elegantere Wege, das rüberzubringen. Zum Beispiel könnte er in der Hitze dösend in einem inneren Monolog noch einmal die Vorzüge dieser labberigen und dadurch so bequemen Hose loben, die ihn fast die Ehe gekostet hätte, weil seine Frau meint, dass er darin aussehe wie die Penner, die immer vor der Trinkhalle rumlungern. Aber oh Gott, dieses Ding war Textil gewordene Freiheit, ließ beim Gehen seine Hoden zwischen den Beinen baumeln fast so, als wäre er nackt, und was sonst wollte man bei diesem Wetter sein, wenn nicht nackt?

Jo. Grundlagen für Szenen hast du genug: Die Alte beim Jobcenter, mit dem Saufkumpan auf Flüchtlinge schimpfen, das Kotzen kriegen beim Anblick von Menschen, die zufrieden mit sich scheinen. Dann jetzt mal Butter.


Beste Grüße
JC

 

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