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Der Biss des Tigers

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29.01.2004
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Der Biss des Tigers

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Der Biss des Tigers

Als ich ihn sechzig Jahre später einmal nach der Geschichte fragte, faltete sich
ein warmes Lächeln in das Gesicht des Inders. Am meisten, sagte er, habe ihn ge-
wundert, wie sehr ein Elefant hinter den Ohren stinkt.

Er war dürr und seine dunklen Augen sahen eigentlich immer ängstlich aus, wenn
man ihn im Dorf traf, aber jetzt hatte der Junge eine so große Panik, dass seine
Füße kaum auf dem Boden blieben: Vor ihm war irgendwo das riesige Tier, hinter
ihm lachten ihn die anderen aus und schoben ihn viel zu schnell vorwärts, und die
feuchte Hitze machte die Luft so dick, dass er nicht atmen konnte und der Schweiß
an seinem ganzen Körper klebte. Der Pfad war eher eine Pfütze als ein Weg. Dor-
nen und kleine Äste schnitten sich durch seine kurzen Beine, es juckte und schmerz-
te, aber er konnte nicht sehen ob er blutete, denn an seinen Waden klebte zu viel
Schlamm. Seit Nagaur waren sie ein oder zwei Stunden gegangen, und sein Hass
auf die anderen war während des Weges unerträglich geworden.

Das Tuch um seine Hüften hatte sich mit seinem Schweiß vollgesogen und rutschte,
sonst trug er nichts. Er wusste nicht, wie er seinen Eltern nachher alles erklären
sollte, sein Vater war so streng, dass er unmöglich die Wahrheit sagen konnte.
„He, Paiuk, Du verlierst Reis!“
„He, ich kann deinen Hintern sehen!“
„He Paiuk, Du hast ja nichts zwischen den Beinen, bist Du ein Mädchen?“
Wütend krallte er die Hände in das rutschende Tuch, er wollte sie ins Gesicht
schlagen, alle fünf, oder wenigstens anschreien, aber wusste nicht, was er schrei-
en sollte. Eigentlich liebte er den indischen Dschungel über alles, auch in den
feuchten Sommermonaten, sogar jetzt, im unerträglich heißen August, aber heute
ekelte es ihn, dass sie mit ihm durch den Wald gingen, plötzlich war es nicht
mehr sein Dschungel.

„Und vergiss nicht, in Poku ist letztes Jahr einer dabei gestorben“ höhnte Kmbali.
„Ja, der war genau so ein Riese wie Du“ , fügte Ako hinzu.
Die fünf Jungen machten immer Witze über seine kleine Größe. Ako kam neben
ihn.
„Sooo groß war der!“ wiederholte er und hielt seine Hand nur zwei Ellen über den
Boden. Paiuk konnte nichts erwidern, seine Stimme würde flattern, und so schluck-
te er nur, und Tränen mischten sich zum Schweiß in seine Augen. Wenn er fest
nach vorne blickte, würde keiner merken, dass er heulte, aber Ako spürte, dass
seine Worte wirkten:
„Weißt Du, nur weil Du dir einen Zahmen ausgesucht hast, ist es nicht leichter.
Die aus Bingash haben es letztes Jahr auch mit diesem Elefanten probiert –
wenn Du erst vor ihm stehst, wird er ganz genau wissen, was Du vorhast, und
dann hast Du keine Chance mehr“.

Paiuk musste daran denken, dass Elefanten ein gutes Gedächtnis haben; heute
würde dieses Tier zu seinem Feind werden und es für immer bleiben.

Sie waren da. Der Dschungel löste sich auf und ging in einen Platz über, der un-
gefähr einen Steinwurf breit war. Hier begannen die Reisfelder, und dahinter konn-
te man die südlichen Gipfel der Ghat-Berge erahnen. Normalerweise konnte man
sie klarer sehen, aber heute waren sie nur eine blasse Zeichnung am Horizont.
Ein Haus stand links von ihnen, es gehörte zu dem Ort Pakuk, die Tür war ge-
schlossen. Neben dem Haus war ein Elefant angebunden, der sich jetzt langsam
zu ihnen drehte und die Ohren abstellte. Nach Pakuk hatten ihn seine Eltern öfter
mitgenommen, denn sie arbeiteten dort auf dem Markt, aber auf diesem Platz war
er noch nie gewesen; nur eineinziges mal hatte er sich nachts hierher geschlichen,
als die anderen ihn gezwungen hatten, sich den Elefanten auszusuchen.

Die anderen blieben hinter ihm stehen und flüsterten. Er schritt aus dem feuchten
Schatten des Dschungels mitten in die Hitze über dem Platz. Heute gab es über-
haupt keinen Wind, die Luft klebte reglos am Boden, und die Sonne brannte auf
seine schwitzende Haut. Der Elefant drehte sich zu ihm und sah ihn an, die beiden
mächtigen Stoßzähne zeigten genau auf den Jungen. Die dunklen Augen des
Tieres standen so schräg zur Seite ab, dass er kaum den Eindruck hatte, er würde
in ein Gesicht blicken. Der Elefant machte einen Schritt auf ihn zu und starrte
weiter.
„Hallo“ sagte Paiuk, und sein Herz fiel nach unten, als er hörte, wie leise seine ei-
gene Stimme war; er war so aufgeregt, dass er nur noch hauchen konnte. Die an-
deren lachten über seinen Versuch, mit dem Tier zu reden, und sie gaben sich Mühe,
so laut zu lachen, dass er es hören konnte. Seine Stimme erinnerte ihn daran, wie
klein er war, seine Füße blieben vor Angst kaum auf dem Boden, aber konnte nicht
wegrennen, seine aufgeregten Knie würden beim ersten Schritt umknicken. Der
Elefant vor ihm stand wie ein Gebäude auf festen Pfeilern, blickte auf den Knaben
und rührte sich nicht.

Plötzlich schoss ein Schmerz durch seinen Rücken, er drehte sich um und sah, dass
die anderen Steine auf ihn schmissen; ein kleiner Stein traf ihn wuchtig am Hals
und er fiel mit dem Gesicht in den Staub, sein Adamsapfel schmerzte und er röchelte.
Die anderen jubelten, als ein faustgroßer Kiesel vor seinen Augen in den Lehmboden
schlug. Verzweifelt raffte er sich auf und begann zu rennen, der vierte Stein traf
ihn genau in der Kniekehle, er knickte ein, stützte sich mit den Händen ab und lief
weiter, genau auf den Elefanten zu, der ihn weiter anstarrte und nun den Mund öff-
nete – und offen ließ.

Er bekam Angst, denn er hatte noch nie gesehen, dass ein Elefant so etwas macht,
er hatte überhaupt noch nie so nah an so einem Tier gestanden. Vor ihm stand eine
graue Mauer aus dicker Elefantenhaut, die sich bedrohlich mit jedem Atemzug
hob und senkte. Jetzt war er nur noch fünf Meter vom Tier entfernt, aber er ging
weiter, noch vier Meter, drei Meter, zwei Meter, noch ein Meter. Paiuk konnte ihn
fast berühren, als die riesige graue Wand sich plötzlich bewegte: Der Elefant machte
einen halben Schritt nach vorne, und sein riesiger Mund war immer noch bedrohlich
offen. Nach dem Schritt ließ das Tier ein Vorderbein in der Luft, genau vor Paiuks
Augen, aber es bewegte sich nicht. Er sah nach oben; das Tier war so stark wie
fünfhundert erwachsene Männer und groß wie ein Berg, das, was die anderen von
ihm verlangten, war absolut unmöglich. Er reckte zaghaft seine Hand Richtung Kopf,
aber bevor er sich ganz gestreckt hatte, lachten die anderen im Gebüsch über seinen
Versuch– er war viel zu klein, er hätte doppelt so groß sein müssen, um den Kopf zu
berühren. Der Elefant bewegte sich plötzlich, setzte den Fuß auf und schlug mit seinen
Stoßzähnen nach ihm, Paiuk zuckte zurück, fast hätte ihn das Tier in zwei Stücke
gerissen. Die anderen johlten noch immer, und Tränen quollen in seine Augen, er
hatte sich noch nie so allein gefühlt: Das Tier konnte ihn jederzeit töten und seine
einzigen Freunde lachten ihn aus.

Plötzlich hörte er Stimmen von Erwachsenen, es waren mehrere, und sie klangen laut
und verärgert. Er sah alles nur noch verschwommen und hatte ein bitteres Gefühl in
seinem Mund. Er ging um das Tier herum, um nicht gesehen zu werden; für das, was
er tat, konnte man ihn ins Gefängnis stecken. Der Elefant machte einen Schritt nach
hinten, Paiuk wich aus und Haare von der Schwanzspitze streiften seine Stirn. Auf der
anderen Seite des Tieres stand eine kleine Trittleiter. Er sprang ohne nachzudenken
hinauf, doch immer noch war der Rücken des Tieres viel zu hoch für ihn. Das Tier zuckte,
schnaufte und machte einen Schritt zur Seite und hätte ihn mitsamt der Leiter fast umge-
worfen – der Elefant war so nah, dass er mit seiner Brust den faltigen Bauch berührte
und er mit seinen Zehen an den Rand der Plattform auf der Leiter zurückgehen musste,
um nicht zu fallen. Die Stimmen wurden lauter. Das Tier zuckte wieder und warf ihn
fast hinunter und er versuchte verzweifelt, sich an den Falten in der Haut festzuhalten,
und plötzlich zuckte der Bauch wieder. Er hörte die anderen johlen und wusste, warum
das Tier zuckte: Sie warfen wieder Steine.

In diesem Moment sah er, dass der Rücken des Tieres voll mit Narben war, die es offen-
bar von seinem Führer bekommen hatte, schwarz verkrustete Furchen zogen sich über
den Rücken. Das Tier zuckte wieder und machte einen Schritt in seine Richtung, er verlor
das Gleichgewicht und kippte nach hinten; mit aller Kraft stieß er sich von der Leiter ab
und krallte sich an den Narben im Rücken des Tieres fest. Das Tier schrie, seine rechte
Hand bohrte sich in das Fleisch, offenbar hatte er in eine frische Narbe gegriffen, mit aller
Kraft zog er sich nach oben und riss die Wunde weiter auf, das Tier schrie lauter und drehte
sich. Mit der linken Hand packte er die borstigen Haare auf dem Rückgrat des Elefanten,
und das Tier bäumte sich auf und brüllte. Nie hatte Paiuk so ein schreckliches Brüllen
gehört, er fand den Gedanken grauenvoll, dass seine Hand in dem Fleisch des Tieres
steckte und dass das Tier wegen ihm so schrie. Seine Hände rutschten ab, gleich würde
er fallen und unter den riesigen Füßen zu Brei getrampelt werden, als sich der Koloss
wieder aufbäumte; das Tier schleuderte ihn durch die Luft und er klammerte sich mit sei-
ner Rechten so fest in das Fleisch, dass die Hand schmerzte.

Als der Elefant wieder auf seine Vorderfüße fiel, prallte Paiuk mit seinem Magen so
heftig auf den Rücken des Tieres, dass er nicht mehr atmen konnte. Er zog sich eine
gute Armlänge nach vorne und erreichte den Hals. Ihm war übel und seine Kraft war weg,
er konnte sich nicht mehr halten, aber wenn er jetzt loslassen würde, wäre er tot. In den
Ohren toste sein eigener Puls, trotzdem hörte er, dass die Stimmen der Erwachsenen
näher gekommen waren.
„Scheißkerl!“, schrie jemand,
„man wird Dich hängen!“
Der Mann stand beim Kopf des Tieres, das jetzt noch lauter brüllte und sich wieder auf-
bäumte. Als der Rücken senkrecht war, blieb Paiuk mit seinem rechten Fuß in einer
Wunde hängen, sonst wäre er gefallen. Das Tier setzte wieder auf, und wieder presste
der Ruck die Luft aus seinen Lungen, so dass ihm schwarz wurde. Der Führer schrie
etwas zu seinem Tier, Paiuk sah durch seine verklebten Augen das wütende, rote Män-
nergesicht, und dahinter erkannte Paiuk seinen eigenen Vater, mitten auf dem Platz.

Der Führer fasste das Tier am Rüssel, aber der Elefant schlug mit seinen Stoßzähnen
um sich und warf den Mann zu Boden, Paiuk verlor den Halt und rutschte vom Hals.
Sein Tuch hatte sich gelöst und ein Ende baumelte hinter das rechte Ohr des Elefanten,
das Tier machte einen Schritt rückwärts und wedelte mit dem riesigen Ohr, um das Tuch
abzuschütteln. Als der flache Fleischlappen gegen Paiuks nackte Schulter klatschte,
ließ er den Hals los und ergriff mit beiden Händen das dicke Leder, krallte sich daran
fest und rutschte nach unten, er hing jetzt nur noch an dem riesigen Ohr. Er biss seine
kleinen Zähne mit aller Kraft in das daumendicke Fleisch, der Elefant raste vor Schmerz
und richtete sich in die Höhe, Paiuk stürzte mit dem Kopf zuerst nach unten, ein wahn-
sinniger Ruck ging durch seine Zähne, sein Nacken knackte und sein Kopf riss beinahe
ab. Dann schlug er auf den Boden, Schmerzen rammten sich in seine Schulter, nur
unscharf sah er über sich den Elefanten, daneben den Tierführer, der krumm auf dem
Boden lag, und seinen Vater, der über den Platz zum Führer rannte. In seinem Mund
schmeckte er warmes Blut und kalte Borsten. Das Tier über ihm donnerte wieder auf
den Boden, einer der riesigen Vorderfüße zerschmetterte fast seine Hüfte, er flüchtete
auf Händen und Füßen. Sein Tuch rutschte von seinen Hüften ab, denn ein Ende
klemmte unter dem Elefantenfuß, und er rannte wankend weg, das eklige, bittere Leder
behielt er immer noch im Mund.

Er war zu Tode erschöpft. Er rannte splitternackt über den Platz, der Führer des Ele-
fanten humpelte ihm nach, sein Vater schrie etwas; er hatte Wunden und Kratzer am
ganzen Körper, Staub klebte an seiner verschwitzten Haut und er konnte nur schwan-
kend auf die anderen zulaufen.

Als er sie erreichte, spuckte er das Stück Tierhaut in seine Hand. Er hatte den Biss des
Tigers geschafft, er hatte ein Stück aus dem Ohr eines Elefanten herausgebissen – jetzt
war er einer von ihnen.

 

Hallo Gernot,

eine wundervolle Geschichte über die Unsinnigkeit von Mutproben, die Qual die man anderen damit antut, und die Bestätigung, die man sich selbst damit ergaunert.
Paiuk sieht dabei entsetzt die Folgen von Tierquälerei, und doch ist er scheinbar machtlos gezwungen, das Tier selbst zu quälen, um Halt zu finden.
Das indische Lokalkolorit scheint mir gut getroffen, allerdings war ich noch nie dort, sondern kenne es auch nur von Kipling oder aus Spielfilmen. Ich kann es also nicht wirklich beurteilen.
Die Geschichte habe ich wirklich gern gelesen.

Einige fragende Anmerkungen habe ich noch:

Wütend krallte er die Hände in das rutschende Tuch, er wollte sie ins Gesicht
schlagen, alle fünf,
dich oder dir, sie oder ihnen?
Für mein Gefühl eher "ihnen", aber da du sonst so sicher schreibst, bin ich verunsichert. ;)
nur eineinziges mal hatte er sich nachts hierher geschlichen
ein einziges Mal
seine Füße blieben vor Angst kaum auf dem Boden, aber konnte nicht wegrennen,
aber er konnte
sein Adamsapfel schmerzte
Adamsapfel bei einem Kind? Meines Wissens prägen die sich erst später aus.
Versuch– er war viel zu klein
Versuch - er
quollen in seine Augen
auch hier bin ich unsicher, aber quellen Tränen nicht eher aus Augen?

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim!

Danke für die Anregungen! Ich glaube, man kann sowohl jemanden als auch jemandem ins Gesicht schlagen. Aber wahrscheinlich hast Du recht: "er wollte ihnen ins Gesicht schlagen, allen fünf" liest sich flüssiger. Was die Tränen betrifft, so wollte ich sagen, dass sie von den Tränendrüsen in die Augen quollen und sich dort mit Schweiss und Dreck mischten - mir fällt nicht ein, wie ich's anders sagen könnte.

Alle anderen Anregungen sind völlig richtig, werde ich umbauen.

Ich will mit dieser Geschichte übrigens absolut gar nix ausdrücken - weder Sinnlosigkeit von Mutproben, noch irgendetwas über Tierquälerei. Ich hatte einfach Lust auf einen Indienurlaub, und nur ein Autor kann übers Wochenende in das Indien der 40er Jahre verreisen.

Übrigens bezieht sich diese Geschichte nicht auf die Sinnlosigkeit von Mutproben, sondern eher auf den (im damaligen Kontext) Sinn von Mutproben. Meiner Meinung nach ist aus dem kleinen, verschrekten, gehänselten Jungen dann, sechzig Jahre später, ein gestandener, weiser, zufriedener Mann geworden, zu dessen Lebensentwicklung diese Heldentat fest dazugehört. Allerdings ist das nur ein Nebenaspekt, wie gesagt, diese Geschichte will nicht mehr als den Leser unterhalten und nach Indien entführen. Schien mir nötig, nach "Adrenalinfinger" hat's Kritik gehagelt, weil die Story zu heftig war.

Gernot

 

Auf Gernots Wunsch von Alltag nach Spannung verschoben.

(Hab noch selten so eine lieb formulierte Bitte um Verschiebung bekommen... "Willst Du heut mein Helferl sein ..." :lol: :) )

Allerdings sind da Zeilenumbrüche drin, die da nicht hingehören, könntest Du die bitte noch rausnehmen? ;)

 

Hallo Häferl!

Hab' die Zeilenumbrüche in der Verzweiflung eingefügt, die hier geposteten Texte irgendwie Romanähnlicher zu machen. Ich bin beruflich u.a. Typograf (Ein Knilch, der Schriften designt) und für mich ist es ein Greul, eien liebevoll formulierte Geschichte in Arial 10pt mit unglaublich langen Zeilen zu lesen, die sich über die ganze Breite des Bildschirms erstrecken... Kann man da nix machen? Gibt es keine Möglichkeit, die Geschichten irgendwie anders zu formatieren? Anderer Font? Weniger Breite?

Zur Zeit lese ich die meisten Geschichten, in dem ich sie in Word einfüge und dann umformatiere, weil sich die Absätze dann besser lesen lassen.

Bin für jeden Tipp dankbar!

Gernot

 

Dann hast Du wahrscheinlich einen dementsprechend großen Bildschirm, denn bei mir ergeben Deine Zeilenumbrüche dieses Bild:

Plötzlich hörte er Stimmen von Erwachsenen, es waren mehrere,
und sie klangen laut
und verärgert. Er sah alles nur noch verschwommen und hatte ein
bitteres Gefühl in
seinem Mund. Er ging um das Tier herum, um nicht gesehen zu
werden; für das, was
er tat, konnte man ihn ins Gefängnis stecken. Der Elefant machte
einen Schritt nach
hinten, Paiuk wich aus und Haare von der Schwanzspitze streiften
seine Stirn. Auf der
anderen Seite des Tieres stand eine kleine Trittleiter. Er sprang
ohne nachzudenken

...und das ist ja sicher nicht das, was Du wolltest, oder? Die Breite hier paßt sich an Deinen Bildschirm an (vielleicht kannst Du da mit der Auflösung was machen, ich kenn mich da nicht so aus). ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo liebe Häferl,

Hast du eine 800 zu 600 Auflösung? Bei der habe ich in dieser Geschichte auch den Effekt. Bei einer Auflösung von 1024:768 wird sie allerdings sowohl auf dem Notebook, wie auch auf dem PC (17 Zoll Monitor) normal angezeigt.

Hallo Gernot,

die Schwierigkeit von Forensoftware liegt tatsächlich darin, dass Eigenformatierungen von Zeilenumbrüchen durch die angepasste Bildschirmbreite je nach Auflösung des Betrachters immer anders aussehen.

Kommen wir aber noch mal zu deiner Geschichte.
Es tut mir Leid, wenn ich da überinterpretiert habe. Ich schreibe Geschichten auch eher nach Plot, als nach innerer Aussage, um die ich mir im Zweifelsfall vielleicht bei der Korrektur Gedanken mache. Deinem Kontest nach kann ich deinem Übrigens übrigens sofort zustimmen. ;)
In erster Linie habe ich sie auch als gut unterhaltene Geschichte eines kindlichen Abenteuers gelesen.

Lieben Gruß noch mal, sim

 
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Der Biss des Tigers <2. Version>

Als ich den hageren Inder sechzig Jahre später einmal nach der Geschichte fragte, faltete sich ein Lächeln in das warme Gesicht. Am meisten, sagte er, habe ihn gewundert, wie sehr ein Elefant hinter den Ohren stinkt.

„Und nachher schmeißt Du diesen Krempel weg, sonst verbrenne ich das Zeug!“
Die Worte bellten immer noch in Paiuks Ohren. Sein Vater war immer in Eile und es kam oft vor, dass er einen seiner Söhne schlug, ohne zu sagen, warum. Der Junge stolperte durch das Dickicht, am liebsten wäre er weit weg, weder hier im Dschungel, noch zuhause.
„Und wenn Du nicht vor Sonnenuntergang die Sachen vom Feld geholt hast, schlage ich Dich tot!“
Man traf den Jungen nur selten im Dorf, obwohl er mitten darin wohnte, und wenn man ihn traf, sahen seine schwarzen Augen immer verschreckt aus.
Vor ihm wartete irgendwo das riesige Tier, hinter ihm lachten die anderen über ihn und schoben ihn viel zu schnell vorwärts, und die feuchte Hitze machte die Luft so dick, dass er nicht atmen konnte und der Schweiß an seinem ganzen Körper klebte. Der Pfad war eher eine Pfütze als ein Weg. Dornen und kleine Äste schnitten sich durch seine kurzen Beine, es juckte und schmerzte, aber er konnte nicht sehen ob er blutete, denn an seinen Waden klebte zu viel Schlamm. Seit Nagaur waren sie ein oder zwei Stunden gegangen, und sein Hass auf die anderen war während des Weges unerträglich geworden.

Das Tuch um seine Hüften hatte sich mit seinem Schweiß vollgesogen und rutschte, sonst trug er nichts. Er wusste nicht, wie er seinen Eltern nachher alles erklären sollte.
„He, Paiuk, Du verlierst Reis!“
„He, ich kann deinen Hintern sehen!“
„He Paiuk, Du hast ja nichts zwischen den Beinen, bist Du ein Mädchen?“

Wütend krallte er die Hände in das rutschende Tuch, er wollte ihnen ins Gesicht schlagen, allen fünf, oder sie wenigstens anschreien, aber wusste nicht, was er hätte schreien sollen.

Eigentlich liebte er den indischen Dschungel über alles, auch in den feuchten Sommermonaten, sogar jetzt, im unerträglich heißen August, aber heute ekelte es ihn, dass sie mit ihm durch den Wald gingen, plötzlich war es nicht mehr sein Dschungel.

„In Poku ist letztes Jahr einer dabei gestorben“ höhnte Kmbali.
„Ja, der war genau so ein Riese wie Du“. Ako kam neben ihn.
„Sooo groß war der!“ wiederholte er und hielt seine Hand nur zwei Ellen über den Boden. Paiuk konnte nichts erwidern, seine Stimme würde flattern, und so schluckte er nur, und Tränen mischten sich zum Schweiß in seine Augen. Wenn er fest nach vorne blickte, würde keiner merken, dass er heulte. Ako wusste, dass seine Worte wirkten:
„Nur weil Du dir einen Zahmen ausgesucht hast, ist es nicht leichter. Die aus Bingash haben es letztes Jahr auch mit diesem Elefanten probiert – wenn Du erst vor ihm stehst, wird er ganz genau wissen, was Du vorhast“.
Paiuk musste daran denken, dass Elefanten ein gutes Gedächtnis haben; heute würde dieses Tier zu seinem Feind werden und es für immer bleiben.

Sie waren da. Der Dschungel hatte sich aufgelöst und war in Gestrüpp und hohes Schilfgras übergegangen, das trocken aus dem Boden stakte. Der modrige Waldgeruch war verschwunden und hatte sich in etwas Fremdes verwandelt.

Vor ihnen lag der Platz, eine Fläche aus rotem Lehm. Auf der anderen Seite, einen Steinwurf entfernt, trennte ein Fluss den Platz von den Zuckerfeldern, die endlos groß waren und sich erst im Horizont verloren. Das war ungewohnt für Paiuks Augen, denn sein Dorf lag tief im Dschungel.

Der Fluss hatte kein richtiges Ufer, es war eine braune Brühe, die sich nackt am Platz entlang schleppte, seine Farbe unterschied sich kaum vom Lehmboden. An wenigen Stellen sah man zerknicktes Schilf, das aber keine vier Meter groß war, wie Paiuk es aus dem Süden kannte. Am Fluss lag eine Lehmhütte, ihre Türen und Fenster waren verschlossen, daneben stand der Elefant, zwischen Haus und Ufer. Einer seiner Füße war mit einer Kette an einen Baumstumpf gebunden.

Er war hier noch nie gewesen, aber seine Eltern gingen oft nach Pakuk. Nur ein einziges Mal hatte er sich nachts auf diesen Platz geschlichen, als die anderen ihn gezwungen hatten, sich einen Elefanten auszusuchen.

Die anderen blieben hinter ihm stehen und flüsterten. Er schritt aus dem feuchten Schatten in die Hitze auf dem Platz. Heute gab es überhaupt keinen Wind, die Luft klebte reglos am Boden, und die Sonne brannte auf seine schwitzende Haut. Der Elefant drehte sich zu ihm und sah ihn an, und zeigte mit seinen beiden Stoßzähnen genau auf den Jungen. Die dunklen Augen des Tieres standen so schräg zur Seite ab, dass Paiuk kaum den Eindruck hatte, er würde in ein Gesicht blicken. Der Elefant machte einen Schritt auf ihn zu und starrte weiter.

„Hallo“ sagte Paiuk, aber seine Kehle war so trocken, dass nur ein Krächzen aus seinem Mund kam. Die anderen lachten über seinen Versuch, mit dem Tier zu reden, und sie gaben sich Mühe, so laut zu lachen, dass er es hören konnte.

Seine Stimme hatte ihn daran erinnert, wie klein er war. Der Elefant stand vor ihm wie ein Gebäude auf festen Pfeilern, blickte auf den Knaben und rührte sich nicht. Der Platz war so heiß, dass Paiuks nackte Füße kaum auf dem Boden blieben, aber er konnte nicht wegrennen, seine weichen Knie würden beim ersten Schritt umknicken. Plötzlich schoss ein Schmerz durch seinen Rücken, er drehte sich um und sah, dass die anderen Steinen auf ihn schmissen.

Ein kleiner Kiesel traf ihn wuchtig am Hals und er fiel mit dem Gesicht in den Staub, seine Kehle schmerzte und er röchelte. Die anderen jubelten, und ein faustgroßer Stein schlug vor seinen Augen in den Lehmboden. Verzweifelt raffte er sich auf und rannte, der vierte Stein traf ihn genau in der Kniekehle, er knickte ein, stützte sich mit den Händen ab und lief weiter, genau auf den Elefanten zu, der ihn weiter anstarrte und nun den riesigen Mund öffnete – und offen ließ.

Er hatte noch nie gesehen, dass ein Elefant so etwas macht; er hatte überhaupt noch nie so nah an so einem Tier gestanden. Vor ihm stand eine graue Mauer aus Elefantenhaut, die sich bedrohlich mit jedem Atemzug hob und senkte. Jetzt war er nur noch fünf Meter vom Tier entfernt, aber er ging weiter, noch vier Meter, drei Meter, zwei Meter, noch ein Meter. Paiuk konnte ihn fast berühren, als die riesige Wand sich bewegte: Der Elefant machte einen halben Schritt nach vorne, sein Mund war immer noch bedrohlich offen. Nach dem Schritt ließ das Tier ein Vorderbein in der Luft, genau vor Paiuks Nase, und setzte es nicht wieder auf. Das Tier war so stark wie fünfhundert erwachsene Männer und groß wie ein Berg.

Er reckte zaghaft seine Hand nach oben, aber bevor er sich ganz gestreckt hatte, lachten die anderen im Gebüsch schon wieder.
Der Elefant schnaubte, setzte den Fuß auf und schlug mit seinen Stoßzähnen nach ihm, Paiuk zuckte zurück, einer der Zähne streifte sein Lendentuch. Fast hätte ihn das Tier in zwei Stücke gerissen. Tränen quollen in seine Augen, er fühlte sich allein. Das Tier konnte ihn jederzeit töten und seine einzigen Freunde lachten ihn aus.

Plötzlich hörte er Stimmen von Erwachsenen, es waren mehrere, und sie klangen verärgert. Er sah alles nur noch verschwommen und hatte ein bitteres Gefühl in seinem Mund. Er ging um das Tier herum, damit sie ihn nicht sahen; für das, was er tat, konnte man ihn ins Gefängnis stecken. Der Elefant machte einen Schritt nach hinten, Paiuk wich aus und Haare von der Schwanzspitze streiften seine Stirn. Auf der anderen Seite des Tieres stand eine kleine Trittleiter. Er sprang hinauf, doch immer noch war der Rücken des Tieres viel zu hoch für ihn. Das Tier zuckte und warf ihn fast mitsamt der Leiter um.

Der Elefant war so nah, dass Paiuk seinen faltigen Bauch berührte und er mit seinen Zehen an den Rand der Plattform auf der Leiter zurückgehen musste, um nicht zu fallen. Die Erwachsenen kamen näher und wurden lauter, und Paiuk erkannte die Stimme seines Vaters. Das Tier zuckte wieder und drückte Paiuk von der Leiter, er versuchte verzweifelt, sich an den Falten in der Haut festzuhalten. Jetzt hörte er die anderen johlen und wusste, warum das Tier zuckte: Sie warfen wieder Steine.

In diesem Moment sah er, dass der Rücken des Tieres voll mit Narben war, die es offenbar von seinem Führer bekommen hatte, schwarz verkrustete Furchen zogen sich über den Rücken. Das Tier zuckte wieder und machte einen Schritt in seine Richtung, er verlor das Gleichgewicht und kippte nach hinten; mit aller Kraft stieß er sich von der Leiter ab und krallte sich an den Narben im Rücken des Tieres fest. Das Tier schrie, seine rechte Hand bohrte sich in das Fleisch, offenbar hatte er in eine frische Narbe gegriffen, mit aller Kraft zog er sich nach oben und riss die Wunde weiter auf, das Tier schrie lauter und drehte sich. Mit der linken Hand packte er die borstigen Haare auf dem Rückgrat des Elefanten, und das Tier bäumte sich auf, die Kette rasselte, und der Platz und der Fluss drehten sich unter Paiuk.

Er wollte seine Hand aus dem Fleisch herausziehen, weil er das schmerzvolle Gebrüll nicht mehr hören konnte, aber um nicht zu fallen, musste er noch tiefer in die Wunde greifen. Seine Hände hatten nicht genug Kraft, gleich würde er fallen und unter den riesigen Füßen zu Brei getrampelt werden, als sich der Koloss wieder aufbäumte; das Tier schleuderte ihn durch die Luft, Paiuk wusste nicht, wo oben und unten waren, um ihn herum war nichts als Himmel, es sein Magen drückte sich aus seinem Hals heraus, und jetzt sah er durch seine verschmierten Augen die beiden Männer auf den Elefanten zurennen, einer davon war sein Vater.

Der Elefant donnerte wieder auf seine Vorderfüsse, und Paiuk prallte mit seinem Magen auf das scharfe Rückgrat des Tieres, so dass er nicht mehr atmen konnte. Er zog sich eine gute Armlänge nach vorne und erreichte den Hals. Ihm war übel, er begann seitlich vom Tier zu rutschen, aber wenn er jetzt loslassen würde, wäre er tot. In den Ohren brauste sein Puls, trotzdem hörte er, wie sie ihn anschrieen.
„Scheißkind!“, schrie sein Vater, und eine andere Stimme rief:
„Man wird Dich hängen!“
Der andere Mann stand beim Kopf des Tieres, das jetzt noch lauter brüllte und sich wieder aufbäumte. Als der Rücken senkrecht war, blieb Paiuk mit seinem rechten Fuß in einer Wunde hängen, sonst wäre er gefallen. Das Tier setzte wieder auf, und wieder presste der Ruck die Luft aus Paiuks Lungen, so dass ihm schwarz wurde. Der Führer schrie etwas zu seinem Tier, Paiuk sah durch seine verklebten Augen das wütende, rote Männergesicht, dahinter stand sein Vater nahe beim Haus und suchte etwas.

Der Führer packte das Tier am Rüssel, aber der Elefant schlug mit seinen Stoßzähnen um sich und warf den Mann zu Boden, Paiuk verlor den Halt und rutschte vom Hals. Sein Tuch hatte sich gelöst und ein Ende baumelte hinter das rechte Ohr des Elefanten, das Tier machte einen Schritt rückwärts und wedelte mit dem riesigen Ohr, um das Tuch abzuschütteln. Als der flache Fleischlappen gegen Paiuks nackte Schulter klatschte, ließ er den Hals los und ergriff mit beiden Händen das dicke Leder, krallte sich daran fest und rutschte nach unten, er hielt sich nur noch an dem riesigen Ohr. Er biss seine kleinen Zähne mit aller Kraft in das daumendicke Fleisch, der Elefant röhrte vor Schmerz und richtete sich in die Höhe, Paiuk stürzte.

Ein wahnsinniger Ruck ging durch seine Zähne, sein Nacken knackte und sein Kopf riss beinahe ab. Dann spritze Wasser, er war im Fluss gelandet, Schmerzen rammten sich in seinen Hinterkopf, nur unscharf sah er über sich den Elefanten, daneben den Tierführer, der krumm auf dem Boden lag, und seinen Vater, der über den Platz zum Führer rannte. In seinem Mund schmeckte er warmes Blut und kalte Borsten. Das Tier über ihm donnerte wieder auf den Boden, einer der riesigen Vorderfüße zerschmetterte fast seine Hüfte, er flüchtete auf Händen und Füßen. Sein Tuch rutschte von seinen Hüften ab, denn ein Ende klemmte unter dem Elefantenfuß, und er rannte wankend weg, das bittere Leder behielt er immer noch im Mund.

Er war zu Tode erschöpft. Er rannte splitternackt über den Platz, der Führer des Elefanten humpelte ihm nach, sein Vater schrie etwas; er hatte Wunden und Kratzer am ganzen Körper, Staub klebte an seiner verschwitzten Haut und er konnte nur schwankend auf die anderen zulaufen.

Als er sie erreichte, spuckte er das Stück Tierhaut in seine Hand. Er hatte den Biss des Tigers geschafft. Er hatte ein Stück aus dem Ohr eines Elefanten herausgebissen – jetzt war er einer von ihnen.

 

Hallo Kollegen!

Habe soeben, wie ihr seht, eine zweite Version gepostet. U. A. folgende Veränderungen:

"Show, don't tell!" - ich habe alle albernen "er war aufgeregt" herausgenommen.

Ich habe versucht, am Anfang schnelles Tempo, dann langsames, dann wieder schnelles Tempo umzusetzen.

Sein Vater ist direkter beschrieben.

Un viele kleine Änderungen.

 

Hi Gernot,
ich muss sagen, dass auch ich deine Geschichte gern gelesen habe. Und durch diese Lektüre hier werde ich mir deinen Namen wohl mal merken und in die ein oder andere Geschichte von dir auch mal reinschauen.

Grüße...
morti

 

Danke, morti!

genau das wollte ich erreichen: Etwas leicht lesbares schreiben, das einmal nicht von Tod, Sex, Psychosen oder Kriegen handelt...

Gernot

 

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