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Der Billardtisch
"Abend mein Süßer. Was ist los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."
Arthur blickte von seiner Tasse kalt gewordenen Kaffees auf und sah seiner Frau in die Augen. Er war tatsächlich kreidebleich.
"Nein...ich habe etwas anderes gesehen."
Jasmin warf ihre Handtasche auf den Küchentresen und setzte sich auf seinen Schoß. Instinktiv spürte sie, dass etwas schlimmes passiert sein musste.
"Was hast du gesehen Schatz?"
Arthur holte tief Luft und griff nach der Tasse, ließ sie dann aber doch auf der Tischplatte stehen. Er zitterte am ganzen Körper.
"Ich habe heute meinen Vater gefunden." - Jasmin, die ihm sanft über sein Haar gestreichelt hatte, verharrte in ihrer Bewegung.
"Was?", quietschte sie grell.
"Ich habe heute Nachmittag den Wandschrank im Keller entsorgen wollen. Ich wollte dich eigentlich mit einem Billardtisch überraschen, da hätte das alte Ding im Weg gestanden, weisst du?", stammelte er. - "Und dann hab ich sie gefunden. Hinter der Schrankwand. Eine Tür, von der ich überhaupt nicht wusste, das es sie gibt. Was soll ich groß sagen, ich habe sie geöffnet und dahinter befindet sich eine kleine Kammer, mit einem Tisch und einem Stuhl darin, so ein ganz antikes Ding aus massivem Holz. Auf dem hat er gesessen und tut es noch immer. Ich habe ihn an seiner goldenen Uhr erkannt, die an seinem Armgelenk baumelt."
Für einen Augenblick herrschte Stille. Dann stand Jasmin von seinem Schoß auf und nahm den Riesling aus dem Kühlschrank.
"Auch etwas zu trinken?"
"Nein, ich möchte nichts."
"Also, ich brauche jetzt eine ganze Menge", sagte sie knapp und ließ fast die Hälfte des Weines in sich hineinlaufen. Sie stieß laut auf und zog sich dann einen der Küchenstühle heran, ehe sie zu einem weiteren, kräftigen Schluck ansetzte.
"Was machen wir denn jetzt?", wollte sie anschließend von ihm wissen.
"Ich habe keine Ahnung...ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung."
Er machte eine kurze Pause.
"Hast du ihn umgebracht und da unten versteckt?", fragte er dann plötzlich.
Jasmin fuhr wütend von ihrem Stuhl hoch. - "Wie kannst du das denken? Ich habe das Arschloch genauso gehasst wie du, aber ich bin keine verfluchte Mörderin! Wenn du sowas von mir denkst, dann kannst du mich mal!"
Arthur stand auf und nahm sie fest in den Arm. - "Entschuldige bitte, dass ich gefragt habe. Aber ich kann mir auf diese Sache einfach keinen Reim machen, und wenn wir jetzt zur Polizei gehen, denken die doch, dass wir beide etwas damit zu tun haben. Jeder weiss, wie sehr ich diesen Schweinehund verabscheut habe. Wir haben kein Wort miteinander gesprochen, auch nicht, als er damals dieses Haus hier gekauft hat und nur ein paar Kilometer von uns entfernt wohnte. Der Mann hatte Geld und zwar eine ganze Menge. Niemand wird uns diese bizzare Situation abkaufen. Die denken doch, wir haben uns die Erbschaft erschlichen."
Jasmin begann zu weinen. Wie konnte ein vollkommen normaler Tag nur so plötzlich zu solch einem Albtraum werden?
"Was hat er denn bloß da unten gemacht? Glaubst du, er wurde ermordet?"
"Ich weiss es einfach nicht." - Er verstärkte seinen Griff noch und hielt sie ganz fest. Auch Arthur begann jetzt zu weinen.
***
"So viele Jahre mein Sohn. Ich habe so unendlich viel falsch gemacht. Morgen werde ich mich mit dir versöhnen." - Herbert hatte sich in den kleinen Raum zurückgezogen und studierte jetzt fast schon zwei Stunden lang seine Rede ein. Er hatte mit seinem Sohn seit nunmehr acht Jahren kein Wort mehr gewechselt und wenn er morgen vor seiner Haustür stehen würde, musste alles auf Anhieb klappen. Er nahm einen weiteren Schluck Rum. Die Flasche war beinahe leer. Heute wollte er trinken und morgen wieder all die Fehler ins Reine bringen, die er als Vater begangen hatte. Niemals zuvor in seinem Leben war Herbert so entschlossen gewesen wie jetzt.
Hier unten hatte er seine Ruhe. Kein Telefax, das ablenkte. Kein nervendes Telefon.
Es war später Nachmittag, als er die Flasche vollends geleert hatte und betrunken einschlief.
"Jetzt lass das Ding da stehen und komm. Der Mann wollte es in den Keller haben und da steht es jetzt."
Gerhard kratzte sich am Hintern.
"Und was ist mit der Tür?"
"Na, der Kerl wird das Ding schon dahinstellen, wo er es haben will. Soll er es halt von der Kammer selbst wegschieben. Wir sollten es bloß nach unten schaffen und das ist erledigt. Los jetzt, wir fahren zur Bude, ich hab´ Hunger. Die Schlüssel kannst du oben in den Briefkasten schmeißen."
Ein letztes Mal sah Gerhard zu dem Schrank. Hatte er gerade ein Geräusch gehört? Nein, sicher nicht.
"Na denn mal los."