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Der Bettler und der König

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10.06.2013
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Der Bettler und der König

Der Bettler und der König
Es war einmal ein alter Bettler, der im Land umherzog. Außer seinem zerlumpten Gewand, das ganz zerrissen und schäbig aussah, besaß er nicht viel. Ein Hut bedeckte seinen Kopf und war sein ganzer Stolz. So wanderte er, einen Spazierstock aus Holz in der Hand, durch das Land.
Eines Tages kam er in ein Königreich mit einem riesigen Schloss, das wirklich sehr beeindruckend aussah. Der Bettler dachte, dass es ihm in diesem Land doch gut gehen müsse, denn wenn es dort ein so prunkvolles Schloss gab, dann würde es dem König dieses Reiches und seinen Untertanen wohl an nichts fehlen.
Als der Bettler in die Stadt mit dem großen Schloss kam, erschrak er sehr, denn den Untertanen ging es gar nicht gut. Er schlich durch die Straßen, und an jeder Ecke erblickte er traurige Gesichter. Die Untertanen mussten hart arbeiten, das erkannte er daran, dass die Stadtwachen Befehle erteilten, was zu tun war. Überall aber fehlte es an Essen und einer guten Unterkunft. Die Häuser hatten Löcher in den Dächern, und alles schien sehr verwahrlost zu sein. Der Tonfall der Stadtwachen war herrisch und böse. Die Untertanen wurden also als Arbeiter benutzt, damit der König in seinem prunkvollen Schloss leben konnte und es ihm an nichts fehlte.
Voller Bitterkeit spazierte der Bettler zum Schloss hinauf und wollte den König sprechen.
Doch die Wache am Tor hielt ihn auf. „Halt, wo lang?“
„Ich möchte eine Audienz beim König!“, antwortete der Bettler.
Die Wache lachte nur. „So ein zerlumpter Bettler wie du wird nie eine Audienz beim König bekommen! Also verschwinde, bevor ich dich noch einsperren lasse!“
Der Bettler schlurfte von dannen, versprach aber, so lange jeden Tag wieder vor dem Schloss zu erscheinen, bis er eine Audienz beim König erhalte.
Der Bettler hielt Wort und stand am nächsten Tage wie angekündigt wieder vor dem Tor. Aber die Wache ließ ihn nicht passieren.
So vergingen viele Wochen. Jeden Tag stand der Bettler vor dem Schloss, doch eine Audienz beim König erhielt er nie.
Eines Tages fand das traditionelle Schlossfest statt, an dem auch das gemeine Volk teilnehmen durfte. Auch an diesem Tag stand der Bettler vor dem Schlosstor und bat um eine Audienz, wurde aber wie jedes Mal abgewiesen.
In diesem Augenblick trat der König aus dem Schloss, um zum Fest zu schreiten.
Der Bettler nutzte die Chance und klammerte sich an des Königs Füße. „Herr König, Euren Untertanen geht es sehr schlecht! Ich bitte darum, gebt ihnen Speis und Trank und helft ihnen, ihre Unterkünfte winterfest zu machen, damit niemand erfrieren muss!“
Der König schüttelte ihn unwillig ab und wandte sich an eine Wache. „Wer ist dieser heruntergekommene, alte Mann, der es wagt, den König anzusprechen?“
„Dies ist nur ein lausiger Bettler, der schon seit Wochen jeden Tag vor dem Schlosstor steht und um eine Audienz bei Euch, mein Herr, bittet!“
Der König begann zu lachen. „So, so, du bittest also um eine Audienz bei deinem König? Du wagst es, in deiner kümmerlichen Aufmachung darum zu bitten? Da aber heute unser Schlossfest stattfindet, will ich gnädig sein und dir morgen eine Audienz bei mir gewähren!“ Immer noch lachend zog der König weiter.
„Ich nehme Euch beim Wort, König!“, flüsterte der Bettler ihm nach.
Am nächsten Tage war es dann endlich soweit. Der Bettler zog wieder zum Schloss hinauf und hoffte, mit seinem Anliegen etwas für des Königs arme Untertanen bewirken zu können. Er wollte gerade das Schlosstor durchschreiten, als ihn die Wache anbrüllte.
„Halt! Wo lang?“
„Ich habe eine Audienz beim König“, antwortete der Bettler. „Lasst mich durch!“
Die Wache machte ein überhebliches Gesicht und grinste. „Du alter, zerlumpter Bettler! Dachtest du wirklich, der König würde dir eine Audienz gewähren? Dies war ein Scherz von ihm, und ich habe strikte Anweisungen, niemanden zu ihm vorzulassen!“
Da wurde der Bettler sehr wütend. „Sage deinem König, dass ich morgen wiederkommen und meine Audienz einfordern werde!“, rief er. „Sollte ich sie nicht erhalten, so wird es der König bitter bereuen!“
Aber die Wache lachte nur noch lauter. „Ha, ha, ha! Verschwinde jetzt, du alter Mann, und rede nicht so einen Unfug! Wenn du nochmals kommst, dann werfen wir dich in den Kerker!“
Am Abend berichtete die Wache dem König von diesem unglaublichen Vorfall. Der König befahl daraufhin, den Bettler sofort zu verhaften, sollte er noch einmal erscheinen, denn er dulde keine aufmüpfigen Menschen.
Der nächste Morgen brach an, und der Bettler zog wieder zum Schlosstor hinauf.
Die Wache brüllte: „Halt, hiermit bist du verhaftet!“
„Ich will doch nur meine Audienz beim König einfordern!“
„Nichts da, du Unruhestifter!“, antwortete die Wache unwirsch. „Jetzt kommst du in den Kerker und auf deine Audienz beim König kannst du für alle Zeit warten!“
Der Bettler seufzte tief. „So soll es also sein!“
Im gleichen Augenblick hob der Bettler seine Arme und streifte seine alten, zerlumpten Kleider ab. Darunter trug er ein strahlend weißes Gewand, das die Wache furchtbar blendete. Ein großer Sturm zog auf, und die Wolken wurden finster und verdichteten sich. Es begann so stark zu schneien, dass man die Hand vor den Augen nicht mehr sehen konnte. Die Temperaturen sanken ganz schnell weit unter den Gefrierpunkt, sodass alles sofort einfror. Häuser, Bäume und alle Menschen, die im Schloss und in der Stadt lebten, erstarrten zu Eis.
Auf einmal war alles still, und trotz der eisigen Kälte schneite es unaufhörlich weiter. So etwas hatte zuvor noch niemand erlebt oder gesehen.
Der Bettler, der dieser eisigen Kälte trotzte, schritt in seinem weißen Gewand ins Schloss hinein. Als er den Thronsaal betrat, saß der König im Warmen noch auf seinem Thron und war nicht eingefroren.
„Ich wollte eine Audienz bei Euch“, begann der Bettler, „doch ich bekam sie nicht. Jetzt zeige ich meine wahre Gestalt. Ihr, mein König, wart schlecht! Ihr ließet Euer Volk verhungern und erfrieren und lebtet selbst im Überfluss. So darf ein König nicht regieren! Ich gebe Euch ein Jahr Zeit, dann komme ich wieder und möchte eine Antwort auf die Frage: Warum solltet ausgerechnet Ihr König sein?“
Die Zeit verging und hinterließ auch beim König ihre Spuren. Alles Schöne, was er besaß, war eingefroren, und auch er selbst sah nur mehr wie ein armer Bettler aus. Seine Kleider waren zerrissen, sein Bart war lang und ungepflegt, und seine Haare waren zerzaust. Er hatte keine Diener mehr, die ihn bedienten, und auch keine Untertanen mehr, die dafür sorgten, dass er alles bekam, was er zum Leben brauchte. Das Eis nützte er zum Trinken und als Nahrung dienten ihm Nüsse, die er mit Eisblöcken aufschlug. Das war nicht mehr das schöne Leben, welches er gewohnt war.
Nach einem Jahr kam der Bettler wieder ins Schloss. „Mein König, welche Antwort habt Ihr für mich?“
Der König dachte nicht lange nach, hatte er doch ein ganzes Jahr Zeit zum Grübeln gehabt. „Ich entstamme einer adligen Blutlinie, die Jahrhunderte zurückreicht“, begann er, „und da ich edlen Geschlechtes bin, verdiene ich den Thron!“
Der Bettler hörte sich dies an und schüttelte den Kopf. „Ihr habt nichts gelernt, mein König! Darum gebe ich Euch ein weiteres Jahr, um nachzudenken, warum ausgerechnet Ihr König sein solltet!“ Mit diesen Worten verschwand der Bettler wieder und ließ den König ein weiteres Jahr in seinem zugefrorenen Schloss zurück.
Nach einem Jahr kam er wieder und fragte abermals: „Mein König, welche Antwort habt Ihr für mich?“
„Ich will mich bemühen, dass mein Königreich wieder blüht und dass es mir und meinen Untertanen gut geht!“
„Mein König, Ihr seid auf dem richtigen Weg“, meinte der Bettler, „aber Ihr habt immer noch nicht verstanden, was einen König ausmacht! Ich gebe Euch ein weiteres Jahr zum Nachdenken.“ So schnell wie er gekommen war, verschwand der Bettler und ließ den König verwirrt für ein weiteres Jahr zurück.
Der König dachte nach. Welche Antwort erwartete der Alte nur? Ich will doch alles tun, damit es meinen Untertanen gut geht. Dies werde ich ihm sagen, mehr ist mir nicht mehr möglich.
Ein weiteres Jahr verging, und der Bettler kam zurück. „Mein König, welche Antwort habt Ihr für mich?“
„Ich habe lange nachgedacht“, antwortete der König leise. „Alles, was ich tun kann, ist zu sehen, dass es meinen Untertanen gut geht und wir das Königreich wieder in ein blühendes Land verwandeln können und die Menschen, die darin leben, weder hungern noch frieren müssen.“
Der Bettler hörte aufmerksam zu. „Gut so, mein König!“, sagte er, hob seine Arme, und in diesem Moment war alles wieder so, wie es einmal war. Dann wandte er sich dem Ausgang zu.
„Halt!“, rief ihm der König nach. „Eine Frage noch: Wer bitte seid Ihr?“
Der Bettler blieb stehen und sprach ganz langsam. „Ich bin die Vernunft, die in uns allen steckt! Bleibt auf diesem Weg, König, den Ihr mir versprochen habt, und Ihr werdet für immer ein guter und zufriedener König sein!“
Und so kam es auch. Das Königreich blühte wieder auf, und das Volk bewunderte seinen guten und gerechten König, der dafür sorgte, dass es niemandem in seinem Land an etwas fehlte. Und wenn er nicht gestorben ist, dann regiert er auch noch heute.

 

Hey Seidl,

und Willkommen bei KG.de.

Vorab, wenn Du Werbung für Dein Märchenbuch machen möchtest, nutze bitte dein Profil dafür. In den Geschichten-Rubriken geht es nur um die Geschichte selbst. Textarbeit, nicht Marketing ist der Schwerpunkt des Forums ;).

Nun aber :)

Ich habe das Märchen gern gelesen. Allerdings ist mir der Bettler am Ende als personifizierte Vernunft etwas zu dick aufgetragen. Die Holzkeulenmoral, auf die jedes gute Kinderbuch, jede gute Geschichte heutzutage verzichtet, weil die Geschichte oder in diesem Fall das Märchen für sich sprechen sollte. Und warum die Frage - Wer bist Du? - nicht offenlassen, und die Kinder selbst die Antwort suchen lassen. Sie ist dann vielleicht nicht "Vernunft", sondern, das gute Herz, die Liebe, da geht ja einiges an Möglichkeiten, was jedoch auch alles okay wäre. Die Vernunft geht ja im realen Leben auch manchmal seltsame Wege ;).

Sprachlich zwei, drei kleine Anmerkungen, allerdings nur Vorschläge aus meinem Empfinden heraus. Also, nicht wirklich Kritik, sondern eben Anmerkungen.

Es war einmal ein alter Bettler, der im Land umherzog. Außer seinem zerlumpten Gewand, das ganz zerrissen und schäbig aussah, besaß er nicht viel.

Hier wiederholst Du Dich in einem Satz. Zerlumpt bedeutet ja schäbig und zerrissen. Von daher könnte ein Passus raus:
Außer seinem zerlumpten Gewand besaß er nicht viel.
Außer seinem Gewand, das ganz zerrissen und schäbig aussah, besaß er nicht viel.

Die Untertanen wurden also als Arbeiter benutzt, damit der König in seinem prunkvollen Schloss leben konnte und es ihm an nichts fehlte.

Auch dieser Satz ist moralisch erklärend. Damit sprichst Du den Kindern ab, selbst werten zu können und sich ein Urteil zu bilden.

„Ich möchte eine Audienz beim König!“, antwortete der Bettler.
Die Wache lachte nur. „So ein zerlumpter Bettler wie du wird nie eine Audienz beim König bekommen! Also verschwinde, bevor ich dich noch einsperren lasse!“

Ausrufezeichen im Überfluss. Wird hier wirklich jeder Satz geschrien? Sätze die in Geschichten auf ! Enden, lese ich automatisch als so kraftvoll, dass sie geschrien werden. Schau mal in dein Bücherregal, in die Bücher, die Dir wichtig sind. Schau mal, wie oft da tatsächlich ein ! das Ende des Satzes bildet. Auch im weiteren des Textes.

Eines Tages fand das traditionelle Schlossfest statt, an dem auch das gemeine Volk teilnehmen durfte. Auch an diesem Tag stand der Bettler vor dem Schlosstor und bat um eine Audienz, wurde aber wie jedes Mal abgewiesen.

Lese die beiden Sätze mal laut, und höre Dir an, wie unglücklich die beiden "auch" da in der Wiederholung klingen.

Die Temperaturen sanken (ganz schnell) weit unter den Gefrierpunkt, sodass alles (sofort) einfror. Häuser, Bäume und alle Menschen, die im Schloss und in der Stadt lebten, erstarrten zu Eis.

Lese den Satz mal ohne die Klammerworte. Verliert der Satz irgendetwas an Inhalt?
Jetzt zeige ich meine wahre Gestalt. Ihr, mein König, wart schlecht! Ihr ließet Euer Volk verhungern und erfrieren und lebtet selbst im Überfluss.

Oha, der König ist schlecht, wenn er das Volk erfrieren lässt, die Vernunft dagegen darf das ... tse, tse, tse :).

Er hatte keine Diener mehr, die ihn bedienten, und auch keine Untertanen (mehr), die dafür sorgten, dass er alles bekam, was er zum Leben brauchte.

Der Bettler hörte sich dies an und schüttelte den Kopf. „Ihr habt nichts gelernt, mein König! Darum gebe ich Euch ein weiteres Jahr, um nachzudenken, warum ausgerechnet Ihr König sein solltet!“ Mit diesen Worten verschwand der Bettler wieder (und ließ den König ein weiteres Jahr in seinem zugefrorenen Schloss zurück).

Jau, sagt er ja vorher.

„Mein König, Ihr seid auf dem richtigen Weg“, meinte der Bettler, „aber Ihr habt immer noch nicht verstanden, was einen König ausmacht! Ich gebe Euch ein weiteres Jahr zum Nachdenken.“ So schnell wie er gekommen war, verschwand der Bettler (und ließ den König verwirrt für ein weiteres Jahr zurück.)

Dito.

Ist witzig. Ich habe auch unlängst ein Bettler-König-Märchen geschrieben. Auch mein Bettler hatte magische Fähigkeiten. Irgendwie scheint dies ein beliebtes Motiv zu sein ,).
Doch, gern gelesen.

Beste Grüße Fliege

 

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