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Der beste Freund des Menschen
Der beste Freund des Menschen...
Als meine Mutter uns mit der Nachricht eines Hundekaufs erfeute, waren mein kleiner Bruder und ich aus dem Häuschen. Es war schon lange unser Wunsch gewesen, einen Hund zu bekommen.
Meine Mutter meinte aber, dass es zu viel Aufwand wäre, einen Welpen großzuziehen und hatte deshalb einen ausgewachsenen Hund gekauft. Ich persönlich hätte lieber einen Welpen gehabt, aber ich war nicht gerade der, dessen Tipps in diesem Haus ernst genommen und bedacht wurden. Mit meinen zwölf Jahren fehlte mir noch einiges an Mitspracherecht, wenn ich das hier so als Fußnote erwähnen dürfte. Die Hunderasse war auch nicht meine Idee, ich meine, Bernhadiner sind doch was für Snobs oder amerikanische Vorstadtfamilien, oder nicht? Aber unsere Diktatorin für Arme war da etwas anderer Ansicht.
Aber letztendlich war es mir egal, dafür kann man mit einem so großen Hund viel besser spielen. So dachte ich jedenfalls. Aber es war ein absolut lieber Hund. Ich konnte ja nicht ahnen, wie verspielt er war...
Es war zwei Wochen nach der frohen Botschaft, als sich dies als riesengroßer Fauxpas entpuppen sollte. Meine Eltern waren auf einem Elternabend und ich war in meinem Zimmer, als ich plötzlich meinen Bruder hörte, wie er im Nebenzimmer schrie: "Andi, komm schnell, ich glaub mit DaVinci (der werte Name unseres Hundes) stimmt was nicht. Andi, bitte!" Ich nahm das Ganze nicht allzu ernst, da mein Bruder ehrlich gesagt eine unglaubliche Heulsuse war. Als mein Bruder aber anfing zu kreischen und nur noch vom Bellen des Hundes unterbrochen wurde, sprang ich auf und betrat das Zimmer meines Bruders. Fast...
Bevor ich die Tür öffnen konnte, hörte ich einen letzten Schrei und es war verdächtig ruhig, als es plötzlich an der Tür kratzte. Ich hörte noch ein schwaches Stöhnen: "Andreas." Dann ein lautes Bellen und nichts mehr. Ich sah durch das Schlüsselloch und erkannte den Hund. Ich schrak zurück und fiel zu Boden. Dieser Hund schäumte aus seinem Maul. Aus seinem blutverschmierten Maul! Ich schloss so leise es ging ab und flüchtete zu meinem Fenster.
Ein lauter Schlag erschütterte alles um mich herum. Der Hund musste sich gegen die Tür geworfen haben. Wollte er jetzt mich? Hatte er meine Fährte aufgenommen? War das Tollwut? Ich hatte keine andere Erklärung. Noch ein Schlag. Und ein Fiepen. Ich war in meinem Zimmer ohne Ausweg. Keine andere Tür nach draußen und das Fenster war zu klein für mich und meinen dicken Bauch. Oft hatten mir meine Eltern gesagt, ich solle weniger naschen, es könnte schlimme Folgen haben. Hatten sie diesen Hund auf mich angesetzt? Während ich mir diese etwas rhetorische Frage stellte, gab es einen weiteren Schlag, der mich zusammenzucken ließ.
Dieser Hund war mein Todesurteil. Dessen war ich mir nun sicher. Er wollte mich. Warum auch immer. Noch heute hatte ich meinen Eltern gesagt, dass er eine kleine Wunde an seiner rechten Vorderpfote hatte, aber sie meinten das wäre nichts Schlimmes, das passiert Hunden nun einmal. Als ich ihnen die Möglichkeit aufzeigte, er könnte gebissen worden sein, winkten sie ab und sagten nur noch: "Wir lassen ihn bald impfen, versprochen."
Bumm. Ich glaubte, "bald" war zu spät. Ich rief meine Eltern an, um sie um Hilfe zu bitten, aber die Vodafonegesellschaft war mein einziger Gesprächspartner. Nur war jetzt mein Akku leer. So viel Pech auf einmal. So hätte ich wenigstens die Polizei verständigen können. Unglaublich. Ich suchte mein Ladegerät und versuchte es anzuschließen als plötzlich der letzte Schlag die Tür zum Zerbersten brachte.
Ich nahm das einzige was mir in diesem Moment als Waffe brauchbar schien. Meinen Zirkel. Ich flüchtete auf mein Hochbett und versuchte, mich zu verschanzen. Es gab nur noch einen Weg für das Biest und der führte über meinen Schreibtisch und das Regal. Als ich aus dem Zimmer blickte, sah ich meinen Bruder und musste mich übergeben. Sollte mir das auch blühen? Ich würde das verhindern. Der Hund lief noch etwas ratlos vor meinem Bett hin und her und bellte mich an. Plötzlich sprang er auf den Schreibtisch und versuchte, direkt auf das Bett zu springen. Ein Fehler. Als er sich schon zur Hälfte auf meinem Bett befand, stieß ich den Zirkel genau in Richtung Auge. Ich verfehlte es und fiel kopfüber vom Bett hinunter auf den Boden. Der Hund war aber noch auf dem Bett.
Ich nahm meine Chance wahr und rannte davon. Über meinen entstellten Bruder springend wurde mir klar: Gleich hat er mich und dann ist Feierabend. Den Zirkel mit beiden Händen umklammernd, versteckte ich mich nun auf der Toilette, als ich ein Auto halten hörte. Ich wusste, dass sich nur unser Renault so anhören kann. Zusammengekauert auf der Kloschüssel, wartete ich auf mein sicheres Ende. Denn die Tür unseres Klos war nicht halb so widerstandsfähig, wie die meines Zimmers. Mir blieb nur die Hoffnung auf die Verletzung, die er sich zugezogen hatte. Aber hatte ich nicht gelernt, dass der Hund in einem solchen Rauschzustand wie der Tollwut keinen Schmerz mehr spürt? Ein weiterer Schlag sorgte für einen neuen Adrenalinstoß.
Aber es war viel zu leise, es muss die Autotür gewesen sein. Ich schrie nur noch. Ich ging nun zur Tür um dem Biest, sobald es (bumm) es durch die Tür geschafft hat, den Zirkel in den Rücken zu rammen. Da öffnete sich die Tür und der beste Freund des Menschen sprang mich an. Ich fiel zu Boden und riss in letzter Sekunde den Zirkel hoch. Ich traf es und, wie um sicher zu gehen, stach ich zu und stach und stach. Ich konnte nicht mehr aufhören, mein ganzer Hass auf dieses Tier entlud sich.
Ich weiß nicht wie lange ich zugestochen hatte, bis der Hund endlich in sich zusammensackte. Er fiel genau auf mich. Da sah ich, wie sich seine müden Augen nochmal öffneten. Ich hörte einen Schuss und das Tier glitt tot von mir ab. Den Geruch von Blut in meiner Nase stapfte ich weinend die Treppe hinunter.
Meine Mutter im Hintergrund schreien hörend, umarmte ich meinen Vater.