Was ist neu

Der Baum meiner Nachbarin

Mitglied
Beitritt
18.10.2003
Beiträge
18

Der Baum meiner Nachbarin

Also ich hab da so eine Nachbarin, die hab ich nicht wirklich, aber manchmal glaube ich, ich hätte sie ganz gerne.
Ich meine, wer hätte sie nicht gerne, meine Nachbarin?
Wer hätte nicht gerne eine hübsche, blonde Frau mit zwei Beinen die, unter anderem, bis zum Boden reichen, als Nachbarin,
deren Angewohnheit es ist, wenn das Wetter nur irgendwie mitspielt,
einzig mit einem Top und einem String bekleidet, die Blumen zu gießen?

Also ich schon.

Ich würde den ganzen Tag am Fenster verbringen und wie zufällig würde mein Blick auf ihren Balkon schweifen, auf dem sie gerade mal wieder ihrem liebsten Hobby nachginge,
der Blumenpflege und ich würde sie schön grüßen, vielleicht das ein oder andere Gespräch über ihren Benjamini oder ihre Rosen führen, ihr noch einen schönen Tag wünschen, das Fenster schließen und eine lange kalte Dusche nehmen.

Zum Glück zahle ich das Wasser nicht extra, die Mieten in Köln sind ohnehin schon teuer genug, da könnte ich mir eine extra Wasserrechnung bei so einer Nachbarin nicht leisten.
Aber da ich sie ja gar nicht habe, müsste ich eigentlich umziehen, und wer weiß, dort müsste ich wahrscheinlich das Wasser extra zahlen, diese Frau treibt mich noch in den Ruin!

Aber zum Glück habe ich gar keine solche Nachbarin und zahle Wasser nicht extra.
Wie langweilig diese Welt doch ist!

Sie hat einen Fikus, meine Nachbarin. So einen von der Sorte, die gleich anfangen zu heulen und ihre Blätter von sich zu schmeißen wenn man sie schief anguckt, oder am falschen Platz stehen hat oder mal zwei Wochen nicht gießt.
So eine richtige Mimose also, die nur unter den optimalsten Bedingungen gedeiht.
Und er ist schwul!

Er muss schwul sein, ansonsten würde er nicht diese für einen normalen Fikus völlig unnatürliche vielblättrige Grünlichkeit ausstrahlen.

Ich meine, wäre ich ein Bäumchen,
noch dazu so eine absolute Mimose die bei der falschen Wandfarbe aus dem Topf kippt,
und ich wäre männlich,
ich stünde auf einem Frauenhaushaltsbalkon, schön ordentlich und angenehm eingerichtet, soweit man das von einem Balkon sagen kann,
und ich würde, sobald es das Wetter zulässt, von einem blonden Wesen, dass sich mir nur mit einem Top und einem String bekleidet nähert, gehegt und gepflegt werden,
einem Wesen das mich mit der größten Sorgfalt behandelt, mir die, sehr wenigen, braunen Blättchen behutsam abzupft, die übrigen, die grünen, mit einem weichen Tuch abstaubt und mich zärtlich gießt,

ich würde durchdrehen!

Ein kleines Bäumchen nur, nichts weiter! Keinerlei Ventil um das täglich Erlebte zu verarbeiten, keine kalte Dusche zur Hand wenn man sie bräuchte. Und immer wieder aufs neue diese abscheulich, wunderbare Gestalt die mich damit quält vor mir rumzutanzen, mich zu versorgen als sei ich ihr Liebster und mir immer wieder erzählt wie einsam sie doch sei. Ich würde alle meine Blätter von mir schmeißen und mich tot stellen, auf das sie mich schweren Herzens an den Müll stellt, weg von ihrem verführerischen Selbst.

Mich ihren besten Freund den Benjamini.

Ja, dieser Benjamini dort auf dem Balkon muss schwul sein. Oder können Pflanzen masturbieren?
Was weiß ich, ich bin schließlich kein Biologe. Nein, Das bin ich wirklich nicht, es würde bei mir wahrscheinlich nicht mal zum Garten-und-Landschaftsbau-Aushilfsarbeiter reichen, so viele Benjaminis wie mir schon eingegangen sind.

Moment.

Was haben meine Benjaminis immer gemacht?

Sie haben alle Blätter von sich geschmissen und sich möglichst-, und auf eine sehr realistische Art und Weise, tot gestellt!
Und was hab ich gemacht?

Ich hab es provoziert,
bin in Unterhose durch die Wohnung gerannt, manchmal sogar nackt! Habe überall meine Unterwäsche rumliegen gelassen,
ohne jegliches Schamgefühl habe ich in der Wohnung getanzt,

ja ich hatte sie sogar in meinem Schlafzimmer stehen!

Alle meine Benjaminis waren schwul und sind aus Verzweiflung an meinem Sexappeal zugrunde gegangen.

Soll ich mich jetzt schuldig oder benutzt fühlen?

Es ist schon nicht leicht als Pflanze zu überleben, vor allem nicht als hetero sexueller, männlicher Benjamini auf dem Balkon meiner Nachbarin.

 

Moin Liederwurm,

Erstmal herzlich willkommen auf KG.de

Deine Geschichte hat mir eigentlich ganz gut gefallen. Schön, wie dein Protagonist sich seine eigene Gedankenwelt schafft und immer neue Theorien aufbaut. Aus "hätte und wäre" wird "habe und ist" und damit wird eine sehr schöne Gedankenwelt aufgebaut, die eben noch Gedachtes schnell als Tatsache hinnimmt und so den Faden weiterspinnt.

Allerdings ist deine Geschichte (die mMn eigentlich keine ist, sondern eher ein Gedankengang) ziemlich arm an Höhepunkten. Es ist einfach nur eine Reihe von Gedanken, die hintereinander gesponnen werden. Das ganze ist ganz nett und augenzwinkernd präsentiert, aber irgendwie fehlt mir der letzte Kick - es gibt keine Handlung, keine Protagonisten, keine Pointe, auf die das Ganze zusteuert.
Auch deinen Satzbau fand ich zwar ziemlich interessant, aber an manchen Stellen unheimlich verwirrend. Endlos lange Kettensätze winden sich über mehrere Zeilen hinweg (du hast manchmal auch wirre Zeilenumbrüche drin) und an ihrem Ende wußte ich oft nicht mehr, wie der Satz angefangen hat. Da würde ich auf jeden Fall ein wenig entwirren. Auch glaube ich, daß du manchmal mit den Kommas durcheinandergekommen bist. Da ich da selbst nicht so sicher bin (besonders bei solchen Bandwurmsätzen), solltest du da aber nicht auf mein Urteil vertrauen ;)

Alle meine Benjaminis waren schwul und sind aus Verzweiflung an meinem Sexappeal zugrunde gegangen.
Der Satz hat mir ziemlich gut gefallen - für mich der Höhepunkt der Geschichte.

insgesamt ein ganz netter Text, dem es mMn ein wenig an Höhepunkten und einem wirklichen Plot fehlt.

 

Lieber Liederwurm,

ich finde deine Geschichte sehr gut geschrieben. Da hast du dir was Feines ausgedacht, und ich habe absolut nichts zu meckern. Den Schluss habe ich allerdings nicht ganz verstanden, schreibst du in einer Doppelrolle?? Und der Titel passt wohl auch nicht ganz, es geht doch die ganze Zeit um einen Benjamini?

Lächelnde Grüße! Marion

 

Hey,
vielen Dank für eure konstruktive Kritik.

Marion, es freut mich sehr , dass dir meine kleine Geschichte gefällt. Sowas baut auf. :o)
Ich schreibe aber nicht in einer Doppelrolle, sondern als einzelne Person. Wie kommst du darauf?
Und zu deiner zweiten Frage, ein Benjamini ist doch ein Baum, oder? Wie gesagt, es würde bei mir nicht mal zum Garten-und-Landschaftsbau-Aushilfsarbeiter reichen. ;o)

Gnoebel:

Auch dir vielen Dank! Du hast recht, mit den Pointen tuhe ich mich immer schwer.
Die Sache mit dem fehlenden Plot, ich weiß nicht genau was ich davon halten soll. Auf der einen Seite stimme ich dir zu, auf der anderen Seite haben Gedanken keinen Plot und keinerlei Handlung der sie sich unterziehen. Sie kommen einfach so auf. Am Frühstückstisch, in der Badewanne oder beim Blick aus dem Fenster rüber zum Balkon der Nachbarin.

Das ich mich mit Kommas (oder heißt das Kommata?) hin und wieder verhaspel ist kein Geheimnis und ich finde es schön hier einmal jemanden zu treffen, dem das auch so geht und der es zugibt. ;o)

Also, immer her mit Kritik, ich möchte mich schließlich noch verbessern! ;o)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom