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Serie Der Barkley-Clan und das 25. Jahrhundert. Die Ankunft

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10.09.2015
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Der Barkley-Clan und das 25. Jahrhundert. Die Ankunft

Afrikanische Luft war anders. Als einer der ersten verliess er das Flugzeug und schon am Ausgang umspülte ihn die flirrende Hitze des tropischen Nachmittags. Rasch lief er die Treppe hinab und Sorglosigkeit zog in ihn ein. Es war angekommen.
Karanda erwartete ihn wie angekündigt.
„Das erste Mal in Botswana?“ frage er zur Begrüssung.
„Das erste Mal in Afrika. Ich kenne nicht viel in der Welt.“
Sie verliessen das Gebäude und setzten sich in einen der bereitstehenden Wagen.
„Die Fahrt wird eine Stunde dauern, vielleicht etwas länger.“ sagte Karanda. Beinahe lautlos rollte das Gefährt über den Asphalt. Hektor schaute auf die Villen, die sie passierten. Es waren schöne und grosszügige Häuser, oft mit grossen Fenstern und Veranden. Die Grundstücke wurden von kniehohen Zäunen umrandet, in den Gärten spielten die Kinder. Es war die perfekte Idylle.
Roboter waren häufig. Sie liefen mit Einkaufstaschen in den Händen am Strassenrand, mähten den Rasen, pflanzten Blumen, putzten Fenster. Und sie bevölkerten die zahlreichen Baustellen. Es waren fast alles Roboter der Aleph-Baureihe, Androiden, wie sie in Europa nur selten zu finden waren. Grosse, hagere Maschinen, die sehr menschenähnlich wirkten. Alle mit markanten, etwas dümmlichen Gesichtszügen und einer tadellosen weissen Haut.
Normale Häuser, wie er es aus Europa kannte, gab es hier kaum. Das Leben schien von heiterem Protz und Verschwendung beherrscht zu sein. Die Sonne brannte und die Villen hörten nicht auf. Es waren sehr viele. An den Rändern dieser grossen und nahezu formlosen Siedlung fuhren sie an vielen Baustellen vorbei. Grosse Populationen von Robotern arbeiteten hier, Menschen waren nicht mehr anzutreffen.
Seit Geld keine Rolle mehr spielte, war Raum eine wichtige Ressource geworden. Die Menschen wollten Platz haben und schön leben. Manche gingen nach Sibirien, doch mehr noch zog es nach Afrika, vor allem in den dünn besiedelten Süden. Botswana hatte seine Bevölkerung während des 24. Jahrhunderts verdreifacht.
Sie fuhren jetzt durch den landwirtschaftlichen Gürtel, der die Siedlung umgab. Rinder- und Ziegenherden liefen über die Steppe, gehütet und weitergetrieben von Androiden. Immer wieder sahen sie blühende Gärten.
Hektor fiel auf, wie viele Roboter es hier gab. Er sah Gruppen von ihnen zu den Ladestationen pilgern, wo sie in aller Seelenruhe ihre Batterien wechselten. Sie bewegten sich wie Menschen.
„Die Robots scheinen hier sehr zahlreich zu sein.“ bemerkte er.
„Aber ja.“ entgegnete Karanda. „Wir haben hier eine Ratio von eins zu drei, eine der höchsten der Welt. Auf unsere zwanzig Millionen Menschen kommen fast fünfundsechzig Millionen Maschinen.“
„Bemerkenswert.“
„Ja. Es gab hier nie irgendwelche Robotergesetze. Afrika ist kein Ort für Bedenkenträger. Man mag hier die Kopfschmerzen-Gedanken nicht. Es läuft alles so, wie es eben läuft.“
„Die Mentalität scheint robuster zu sein.“
Hektor schaute auf die Steppe hinaus. Er öffnete das Fenster und hielt seine Hand in den Fahrtwind. Er wirkte konzentriert, doch heiter. Nach einem längeren Schweigen setzte Karanda seine Erklärungen fort.
„Die Robots“ sagte er. „Sind hier nicht nur Arbeiter. Sie sind auch ein Scherz. Fast alle sehen sie aus wie Europäer. Weisse, die für Schwarze arbeiten müssen. Die Wiederkehr des Rassismus als Witz.“
Hektor zuckte mit den Schultern. „Dass so etwas noch eine Rolle spielt. Rassismus ist langweilig. Das ist kein wirkliches Thema.“
„Für Sie nicht.“
„Für niemanden.“
Hektor sah vor seinem inneren Auge die drei Gene erscheinen, welche die Hautfarbe bestimmten. Er meditierte sich durch die Sequenzen und verweilte bei den hochkonservierten Positionen. Es war tatsächlich nicht sehr interessant.
Wenig später fuhren sie in Orapa ein, Hektors zukünftigem Wirkungsort.
„Das Institut ist am Stadtrand.“ bemerkte Karanda. „Wollen Sie es heute noch besichtigen?“
„Ich bin für alles offen.“
„Ich denke, Sie werden es noch oft und lange genug sehen. Ich schlage vor, dass wir zuerst etwas essen gehen und ich Sie dann zu Ihrem Haus fahre.“
„Hunger habe ich zumindest. Durst noch mehr.“
Sie liessen sich zu einem Restaurant navigieren und stellten das Auto unweit davon an einem Parkplatz ab. Es war noch immer sehr heiss, doch ein leichter Wind linderte die Hitze.
Viele Menschen waren in der Stadt unterwegs. Hektor schaute auf die Frauen in ihren bunten, traditionellen Gewändern. Es gefiel ihm.
Das Restaurant befand sich in einem etwas abseits gelegenen Garten. Sie liessen sich in die Korbsessel nieder und fanden sich von Blumen umgeben und einem Strohdach geschützt.
Die Bedienung war menschlich. Eine Frau mittleren Alters. Die beiden Männer stiessen an und tranken das kalte und dünne lokale Bier. Die erste Flasche leerten sie, während sie, über die Speisekarte gebeugt, die möglichen Mahlzeiten diskutierten. Am Ende entschieden sie sich für einen gemischten Salat mit gegrilltem Fleisch.
Von Zeit zu Zeit sprachen sie miteinander. Die Chemie zwischen ihnen stimmte von Anfang an. Sie konnte minutenlang schweigen und dann übergangslos einen Gesprächsfaden wieder aufnehmen, den sie eine halbe Stunde zuvor abgebrochen hatten.
„Woran arbeiten Sie gerade?“ fragte Hektor.
„Ich promoviere über die Inklusion von de novo Genen in Primaten und deren humane Perspektiven.“ Karanda erklärte ausgiebig seine Forschungen. Es ging dabei um die Schaffung von neuartigen Genen, welche für Proteine kodierten, die es bisher noch nicht gab. Diese wurden dann oft in Schimpansen- oder Gorillagenome integriert um die Auswirkungen dieser neu erfundenen Eiweisse zu erforschen. Karanda untersuchte nun die Möglichkeiten, solche Inklusionen auf den Menschen zu übertragen. Das war für die offizielle Wissenschaft ein ziemliches Neuland, weil solche Forschungen bis zur Kündigung der Verträge strikt verboten waren. Man konnte zwar die umfangreichen Veröffentlichungen der ‚Dark Science‘ nutzen, diese unterlagen aber keiner anerkannten Kontrolle und selbst wenn man ihre Illegalität nicht anerkannte, blieb der wissenschaftliche Status dieser Forschungen unklar.
Die Nacht brach dann rasch herein. Die Luft wurde mild, die geschwundene Hitze zur Erinnerung. Die Trommeln setzten ein und belebten die Dunkelheit. Sie spielten nur für sich und verbreiteten ihr Gesetz, ein Gesetz der Ewigkeit.
Auf dem Rückweg zum Auto, umfangen von der Musik der Stille und des Lebens wurde Hektor von etwas angeweht, was er bisher noch nicht kannte: dem Atem der Geschichte. Der Mensch, das war nicht nur dieses schlecht konzipierte Stück Natur, das schlecht und immer schlechter in die Zeit passte und dringend einer Generalüberholung bedurfte. Der Mensch war auch etwas, was es schon sehr lange gab, zusammengehalten von einer inneren Verbundenheit, die sehr tief reichte und vielleicht unzerstörbar war.
Sie fuhren zu seiner Villa.
„Wie wird unsere Zusammenarbeit aussehen?“ fragte Hektor.
„Ich werde Ihr persönlicher Assistent sein.“ meinte Karanda. „Sie bei allem unterstützen, was Sie brauchen. Ihnen die Hindernisse auf dem Weg räumen.“
„Und nebenbei promovieren.“ vervollständigte Hektor. „Vielleicht werden Sie später zu meinem Vorgesetzten.“
Karanda grinste amüsiert. „Das glaube ich kaum. Jeder weiss, dass Sie keine Zeit für so etwas haben.“
Hektors Haus lag etwas ausserhalb der Stadt, in einem luftigen Gebiet mit freiem Blick auf die Savanne. Ein paar Baustellen im Umkreis kündigten zwar an, dass die Gegend nicht für immer so bleiben würde, doch im Augenblick war die Ruhe hier traumhaft.
„Sie werden von den Vögeln geweckt.“ meinte Karanda.
Die Villa war grosszügig, um die dreihundert Quadratmeter. Der gesamte erste Stock war von einer wunderschönen Veranda umgeben, es gab einen sehr grossen Salon und etwas abgelegen ein einladendes Studierzimmer. Die Küche war wohnlich, mehrere Bade-, Schlaf- und Studierzimmer rundeten das alles ab.
„Das ist ja für einen ganzen Clan und nicht für einen Einzelnen.“ bemerkte Hektor.
„Vielleicht wird es ja auch einer.“ sagte Karanda. „Der Barkley-Clan. Afrika ist wie eh und je sehr sozial. Kaum jemand bleibt hier lange allein.“
Nachdem sie ihren Rundgang beendet hatten, erklärte Karanda: „Sie haben hier drei Robots zu Ihrer persönlichen Verfügung. Einer ist für den Garten und bestimmte Sachen am Haus zuständig. So eine Art Hausmeister. Der zweite für die Wohnung. Er macht sauber, kauft ein, wäscht, den ganzen Kram halt. Und er kocht auch gut. Der dritte ist Ihr persönlicher Assistent – neben mir halt. Der ist von der intelligenteren Sorte.“ Er hielt kurz inne, dann rief er: „Sklaven!“
Kurz darauf waren Schritte zu vernehmen. Die Androiden erschienen, sie reihten sich vor Hektor auf und standen stramm. Sie waren unterschiedlich gross und auch sonst gut voneinander zu unterscheiden.
„Sie haben noch keine Namen“ meinte Karanda. „Sie können sie nennen, wie Sie wollen.“
Hektor musterte sie kurz.
„Ich will sie nicht.“ sagte er dann.
„Sie wollen keine Robots?“
„Nein. Sie sollen sich zum Teufel scheren.“
„Keine Robots? Wie stellen Sie sich das vor?“
„Sie interessieren mich nicht. Ich will mich nicht mit Dingen umgeben, die mich nicht interessieren. Der Rest geht Sie nichts an.“
„OK. Kein Problem. Jeder mag seinen Spleen haben.“
Er hatte seine Fassung wieder.
„Mr. Barkley.“ sagte er, professionell geworden „Möchten Sie heute noch zum Institut?“
„Nein. Ich bleibe zu Hause und bereite den morgigen Tag vor.“
„Guten Abend, Mr. Barkley.“ Karanda reichte ihm zum Abschied die Hand. „Und einen guten Start morgen.“
-
Das FoGI, Future of Genetics Institut lag am Stadtrand von Orapa, ungefähr drei Kilometer von Hektors Wohnung entfernt. Hektor nahm keinen Wagen, er lief. Noch in der Dunkelheit stand er auf, trank seinen Morgenkaffee auf der Veranda und lauschte in die noch dunkle Stille. Die Wanderung tat ihm gut. Er war vom Zwitschern der Vögel umgeben, die Savanne erwachte, der Tag brach an.
Das FoGI selbst war ruhig gelegen und recht gross. Mehr als tausend Menschen arbeiteten hier, fast alles Wissenschaftler. Ein Android brachte Hektor zu seinem Labor. Es war luftig und hell, viele Maschinen standen auf den Tischen. Sein Team bestand aus fünfundzwanzig Menschen, aus vielen verschiedenen Ländern. Die meisten waren jung und selbst noch nicht lange hier.
Sie begrüssten ihn, reserviert, doch freundlich. Hektor begutachtete die Maschinen. Am besten gefiel ihm ein neuartiger Kompilator, der die Forschungspipeline erheblich verkürzte. Man konnte beliebige DNA-Sequenzen laden und als Ergebnis erhielt man wahlweise die damit kodierten Proteine in beliebiger Anzahl oder die sofortige Integration dieses Gens in eine angedockte Keimzelle eines Lebewesens. Und das alles innerhalb von einer Stunde. Das Ganze in bis zu hundertfacher Parallelität.
Karanda, der bis jetzt in seinem Büro vergraben schien, kam schliesslich und hiess Hektor willkommen.
„Es ist langsam Zeit, ins Auditorium zu gehen.“ sagte er. „Unser Team ist zwar noch klein, aber viele Augen sind darauf gerichtet. Ich vermute, dass viele Menschen zu Ihrer Eröffnungsansprache kommen werden.“
„Die kurz sein wird.“ entgegnete Hektor. Sie gingen zu dem Saal, Hektor wurde von vielen Wissenschaftlern begrüsst wie eine Koryphäe. Er fand das zwar gerechtfertigt, wunderte sich aber doch. Schliesslich war er sehr jung, kaum fünfundzwanzig und hatte eigentlich keine Reputation. Veröffentlicht hatte er praktisch gar nichts. Zog man dazu noch die Eitelkeit der Wissenschaftler in Betracht, war dieser ihm entgegengebrachte Respekt merkwürdig. Aber es war ein gutes Zeichen. Es zeigte an, dass man hier nach Veränderungen hungerte und auf Traditionen schiss.
Hektor ging an sein Pult, nahm das bereitstehende Glas in die Hand und trank langsam das gut gekühlte Wasser. Es wurde still.
„Der Mensch hat 46 Chromosomen.“ begann er, ohne eigentliche Begrüssung.
„Die meisten davon haben Nummern. Zwei haben Buchstaben, das X und das Y. Das ist die Situation zum heutigen Zeitpunkt. Dabei wird es nicht bleiben.“
Er schwieg kurz, schaute in die Runde, dann fuhr er fort.
„Ich bin hergekommen, um die Entwicklung eines neuen menschlichen Chromosoms zu leiten und dieses dann auch einzuführen. Es wird das Z-Chromosom genannt werden. Z kommt nicht nur nach dem Y, es ist zugleich der letzte Buchstabe des Alphabets. Es markiert die letzte Entwicklungsstufe des Menschen und schlägt die Bücke zum Übergang. Der Übergang zu einer höheren Art.“
Wieder eine kurze Pause. Hektor liebte die Kraft der Stille. Wenn Gedanken und Schweigen sich gegenseitig durchdrangen.
„Bisher wurde an dem bestehenden Erbmaterial manipuliert, um es besser zu machen. Jeder weiss, wieviel Minderwertiges sich dort befindet. Und die Möglichkeiten, auf dieser Grundlage etwas wirklich Gutes zustande zu bringen, sind sehr begrenzt. Wir arbeiten als Therapeuten und können doch Konstrukteure sein. Das Wissen von Jahrhunderten steht uns zur Verfügung. Um es tatsächlich so zu nutzen, wie es die wissenschaftliche Ehre erfordert, brauchen wir ein offenes Feld, ein Raum, der uns gehört. Und das kann nur ein neues Chromosom sein. Ein Chromosom, das nicht durch blinde Naturprozesse entsteht, sondern durch die Weitsicht eines kollektiven Konstrukteurs, der die gesamten Erkenntnisse der Wissenschaft eines halben Jahrtausends einbindet.“
Es war still.
„So viel zum Ziel. Jetzt zur Methode. Wir werden alles Wissen benutzen, auf das wir zugreifen können. Und damit meine ich auch alles illegale Wissen, auch Wissen, das von verbotenen, von verbrecherischen Organisationen erzeugt wurde. Wenn das Wissen darauf beruht, dass Menschen zu Tode gekommen sind, dass der Tod oder die Schädigung von Menschen billigend in Kauf genommen wurde: Wir werden dieses Wissen verwenden. Ich bin auch nicht bereit, in meinem Team ethische Diskussionen zuzulassen. Ich respektiere jede Art von Überzeugung und Moral und empfehle denjenigen, die abweichende Überzeugungen vertreten, mein Team zu verlassen oder ihm gar nicht erst beizutreten.“
Es war noch stiller als zuvor, doch für Hektor nicht ganz klar, wie dies zu deuten war.
„Zum Abschluss noch eine Frage der Perspektive. Es geht mir darum, dem Menschen sein biologisches Fundament zurückzugeben. Seit mindestens fünfzig Jahren wird die biologische Integrität des Menschen immer mehr aufgeweicht. Die Bedeutung der Nanobots nimmt rasant zu. Der Mensch ist nur noch ans Internet angedockt, ein Appendix der künstlichen Intelligenz. Er lässt die künstliche Intelligenz für sich denken und deren Berechnungen direkt wieder in seine Neuronen einspeisen. Die Menschen des Z werden Menschen ohne Nanobots und ohne integrierte Chips sein. Sie werden auf Genen und Proteinen beruhen und nur auf diesen.
Damit ist das Wichtigste gesagt. Lasst uns mit der Arbeit beginnen.“

 

Hallo wohinmituns,

bist Du sicher, dass das eine Kurzgeschichte ist? Oder handelt es sich vielleicht eher um das erste Kapitel eines Romans? Du hast das zwar als Serie gekennzeichnet, aber ich bin nicht sicher, ob dieser Text der Definition entspricht:
http://www.wortkrieger.de/faq.php?faq=new_faq_item#faq_serien

Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass die Geschichte in sich abgeschlossen ist. Wenn sie es doch sein soll, weckt sie keine Begeisterung in mir.

Grüße vom Holg...

 

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