Der Balkon
Peter stand auf seinem Balkon und fragte sich, was sein Nachbar da wohl machte. Willi hieß die zerlumpte Gestalt, die da im Garten auf und ab hüpfte, sich die seit Jahren nicht mehr gewaschenen und gekämmten Haare raufte und seltsame heulende Geräusche von sich gab. Jetzt begann er sogar damit, trockene Zweige vom Boden aufzuheben und zu essen. Dann ein paar Rollen vorwärts und einem der freilaufenden Hühner den Kopf abgebissen. Peter zündete sich eine Zigarette an. Das war seine erste seit vier Monaten, eigentlich wollte er aufhören. Das merkwürdige an der Sache war, Willi Mayer war ein reicher Mann. Gerade kam sein Butler aus der Villa, strich sich den Anzug glatt und reichte ihm eine Tasse Kaffee auf einem silbernen Tablett. Willi Mayer nahm die Tasse, gab ein glucksendes Geräusch von sich und kippte sich den Inhalt in die Haare. Peter kam der Gedanke irgendetwas gegen diesen Mann unternehmen zu müssen. "He du Penner, verschwinde aus meiner Nachbarschaft!", rief er. Dann holte er sein Luftgewehr. Er zielte sorgfältig und drückte ab. "Peng!" Das ging ins Auge. Im wahrsten Sinne des Wortes. Herr Mayer brüllte fürchterlich und presste beide Hände vor das Gesicht. Peter mußte nun doch grinsen. Er zündete sich noch eine Zigarette an und lud erneut durch. Sein Nachbar rannte derweil mit dem Kopf mehrmals gegen einen Baum, sein Geschrei war nicht leiser geworden. Vera, Peters Frau kam auf den Balkon. "Was tust du? Bist du übergeschnappt,dass du auf unseren Nachbarn schießt?", fragte sie. "Nein, er ist verrückt. Du weißt doch, wie er sich verhält.", antwortete er. "Verschwinde du Penner!" Vera rannte zurück ins Haus. "Peng!" Der Schuß ging leider daneben. Ein stechender, unglaublich heftiger Schmerz durchfuhr Peter. Seine Frau hatte sich von hinten angeschlichen und ihm das rechte Ohr abgeschnitten. Das Blut tropfte auf den Boden. "Irgendwie muß man dich ja stoppen! Sowas bescheuertes, auf unseren Nachbarn zu schießen." Wili Mayers Butler kam mit einem Benzinkanister und einem Feuerzeug auf Peters Haus zugerannt, der den Boden nach seinem Ohr absuchte. "Vielleicht kann man es ja wieder annähen.", dachte er sich. "Übrigens," begann seine Frau, "ich habe ein Verhältnis mit Wili und werde mich von dir scheiden lassen." "Das ist nicht dein Ernst!" Peter war entsetzt und schoß dem Butler in die Nase, der gerade versuchte mit dem Kanister zwischen den Zähnen den Balkon heraufzuklettern. Der verlor den Halt und fiel auf den Rücken. Ein Schwall Benzin landete auf seinem Anzug und das Feuerzeug flog direkt zu Herrn Mayer, der die Gelegenheit nutzte und seinen Bediensteten kichernd anzündete. Dann kam die Polizei, stürmte den Garten und das Haus und verhaftete alle Beteiligten. Ein Artikel darüber kam in die Zeitung und daher habe ich auch diese Geschichte. Merkwürdig, nicht?