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Der Avatar
Kommandantin X betrat die Brücke und sah sich um. Ozonhaltige Luft, kleinere Lichtbögen zwischen verschiedenen Konsolen und kein Holo, das länger als eine Sekunde ohne Interferenzen stabil blieb. Genauso hatte sie sich die Situation vorgestellt, nachdem das feindliche Schiff mehrere Wirkungstreffer auf der Schiffshülle anbringen konnte. Kommandantin X seufzte theatralisch und schickte sich dazu an, durch die von verbrannter Isolierung und Dampfschwaden geschwängerte Luft zu schreiten um nachzusehen, ob da noch etwas zu retten war. Nur schaffte sie es nicht, den dafür notwendigen Optimismus aufzubringen. Die Crewman lagen bewusstlos am Boden – einige waren sicherlich schon tot – und ganz allgemein hatte die einst so fröhliche Zentrale ziemlich leiden müssen. So ziemlich alles, was nicht niet- und nagelfest mit den eher festen Bestandteilen verbunden gewesen war, lag nun am Boden… Handfeuerwaffen, Multifunktionsarmbänder, Aldi-Tüten…
„Cut! Verdammt…. Das reicht für heute.“, brüllte eine aggressiv veranlagte Stimme aus dem Hintergrund. Und der Effekt war erstaunlich. Die Todgeglaubten fanden zu neuem Leben, standen auf und streckten sich erleichtert, das einst vollkommen ausgeleuchtete Areal des Sets wurde mit einem Schlag fast dunkel und das gesamte Leben der Brücke in Form von blinkenden und piepsenden Apparaturen ohne wirklichen Sinn erlosch von einem Moment auf den anderen.
„Der Kaffee… vor unser aller Nasen!“, spottete dieselbe Stimme, die Augenblicke zuvor noch eine extrem ungehaltene Färbung besessen hatte. Das verhaltene Kichern ignorierend, schob sich die leicht untersetzte Gestalt regelrecht mühsam aus ihrem Klappstuhl und lief bedächtig auf die einstige Kommandantin X zu.
„Mathilda…“
„Jochen? Wenn du so ankommst, willst du irgendwas!“, las die angesprochene Frau aus der Frage heraus. Jochen, das war der Regisseur der bescheidenen Filmcrew, welcher in dieser eher zweitklassigen Sci-Fi Produktion sein Sprungbrett nach oben witterte. Entsprechend viel Einsatz legte er auch an den Tag und verlangte dies ebenso von seinen Studenten und Filmschmieden-Praktikanten, die man ihm zähneknirschend zur Verfügung gestellt hatte.
„Wie soll ich’s sagen…?“, begann Jochen seine Lobrede, fand jedoch keine in seinen Augen passenden Worte. Die Schauspielerin registrierte seine Bemühungen jedoch nur beiläufig. Zu jeder passenden Gelegenheit versuchte der untersetzte Regisseur, sich bei ihr durch mehr oder weniger geschickt angebrachte Schmeicheleien einzukratzen, jedoch mit eher zweifelhaftem Erfolg. Doch als angehende Frau von Welt – wie Jochen sie immer wieder betitelte – wusste sie schon länger mit derartigen, schmalspurigen Versuchen umzugehen. Und außerdem witterte Mathilda die Chance, etwas sehr Wichtiges in ihre Tagesplanung einzuschieben:
„Lass gut sein… Ich will den frühen Drehschluss ausnutzen um einige… Wege zu erledigen.“
„Aber…“
„Ich weiß schon: Ich war großartig und hab die anderen an die Wand gespielt… Jochen, ich bin länger in dem Business als du aus der Pubertät raus. Also tu professionell und kümmere dich um die Anderen. Bis morgen dann!“
Sie ließ einen recht unschlüssigen Regisseur zurück, der noch einige Minuten damit zubrachte, stur auf die Tür zu starren, durch welche sie soeben das Set verlassen hatte. Doch Mathilda dachte schon nicht mehr daran. In ihrer Vorstellung begann sich abzuzeichnen, wie der Tag weiterhin genutzt werden müsse. Das hieß, dass der vermeidlich langweilige Abend zu Hause und die unumgängliche Berieselung mit hinterwäldlerischen Unterhaltungsprogrammen ausfallen würde.
Ein Wink des Schicksals? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Denn nachdem sich praktisch die ganze Filmcrew als koffeinabhängig präsentiert hatte, war es nur noch eine Frage der Zeit gewesen, bis eines Tages einmal der Nachschub an Kaffe ausgehen würde. So wie an diesem Morgen… man hatte wahrlich eine Stunde damit zugebracht, die echte Fälschung kubanischen Kaffees, die jemand am Vortag bei Aldi eingekauft hatte, zu suchen. Und jetzt, kurz vor der Mittagspause, nachdem schon alles schief gegangen war, was an einem Set eben schief gehen konnte, tauchte die verfluchte Tüte rein zufällig mitten in der Kulisse wieder auf.
Mathilda musste lachen. Menschen. Sie hatte sich bisher erfolgreich vor all den kleinen Giften des Alltags wehren können, zu denen neben Koffein auch noch Alkohol oder gar Nikotin noch viele andere Dinge zählen konnten. Es war kein Garant dafür, Sympathien am Fließband zu ernten, wenn man einen geflissentlichen Bogen um Raucher machte, nie in der Kaffeeküche anzufinden war und sich stets gegen den freundschaftlichen Umtrunk am Wochenende in gemütlicher Runde wehrte. Dennoch achtete man die geheimnisvolle Frau obgleich ihres Fachwissens und überhaupt… Jeder Mann am Set war fasziniert von ihr. Selbst nachdem „Kommandantin X“ im Zuge eines Unfalls ihre einst volle Mähne hatte einbüßen müssen. Die neue Frisur – wenn man die Glatze so nennen konnte – hatte durchaus ihre Vorteile.
Mathilda machte sich erst gar nicht die Umstände, sich umzuziehen oder gar abzuschminken. Mit rußgeschwärzter Bordkombination und einer klaffenden Wunde an der Stirn sprang sie mehr als alles andere in ihren Wagen und kürzte der Einfachheit halber über die nächste Rasenfläche ab. Leisten konnte sie es sich ja… die nicht gerade bescheidene Gage vorangehender Produktionen hatte es ihr erlaubt, einen angenehmen Lebensstandart zu leisten. Das, und die Honorare, die sie sich mit futuristischen Bildchen verdiente, hatten dazu geführt, dass die Schneeglöckchen auf der Wiese nun von den breiten Reifen eines Volvo XC 90 geplättet wurden.
Rasant, aber dennoch StVo-konform, bahnte sich der Geländewagen anschließend seinen Weg durch das dem Filmgelände nahe Städtchen. Nach einer beispiellosen Grünen Welle, die fast den Eindruck erweckt, nur auf das Fahrzeug gewartet zu haben, und der Rekordzeit von zwei Minuten lag das Städtchen auch schon wieder hinter dem Fahrzeug. Mit Kurs auf die nahe Autobahn plante die Fahrerin schon eifrig den Tag zu Ende.
Denn seit dem frühen Morgen hatte Mathilda eine Erregung gepackt, die ihr sonst gänzlich fremd war. Und all das nur wegen einer E-Mail, deren Inhalt sich für sie als unerwartet bedeutungsschwer herausgestellt hatte. So oder so – nach Drehschluss wäre sie losgestürmt, und wenn es bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages gedauert hätte… Glücklicherweise, und das bewog sie zu einem sanften Lächeln, hatten die Menschen am Set ihr eine großartige Gelegenheit gegeben, ihren inneren Schweinehund ausgiebig zu füttern. Die ganzen Set-Patzer, der nicht vorhandene Kaffe, das verschwundene Drehbuch – alles hatte so wunderbar dazu beigetragen, die Laune auf ein Niveau zu senken, auf welchem ein jeder nur noch an den Feierabend denken konnte.
Die Filmcrew war bei aller zur Schau gestellter Professionalität doch eben nur eine Ansammlung von Anfängern, die alle mit noch viel zu wenig Herzblut bei der Sache waren und sich leicht von stupiden Rückschlägen entmutigen ließen.
So in Gedanken versunken, hatte sich der Wagen in den steten Strom an Fahrzeugen gedrängelt, die um diese Uhrzeit alle komischerweise in dieselbe Richtung fahren mussten. Doch auch das hatte Mathilda ins Kalkül einbezogen. Stets auf der Überholspur fahrend, drängelte sie alles, was nicht rechtzeitig genug beschleunigen konnte, geradezu rücksichtslos auf die rechte Spur. Das bedrohliche Bild des nun nicht gerade kleinen Fahrzeuges trug sein übriges dazu bei. Und auch, wenn ein Geländewagen fast genau so windschnittig ist wie eine böhmische Schrankwand, ist er doch keiner der Verkehrsteilnehmer, bei dessen Herstellung man mit der Motorleistung unnötig gespart hat.
Mehr oder weniger also über die Autobahn fliegend, huschte Mathilda bei einer günstigen Gelegenheit wieder zurück auf die rechte Fahrspur und driftete mehr als das sie rollte die Abfahrt herab. Schon wenige Minuten Landstraße später, bremste sie abrupt und bog in einen Feldweg ab, der zwar „nur“ land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen vorbehalten war, aber praktisch nie von diesen benutzt wurde. Es sprach Mathildas Weltanschauung nach also nichts dagegen, diese Abkürzung zu benutzen. Und dem einsamen Förster, der sie einmal mit schelmischem Blick nach dem „Wohin“ gefragt hatte, hatte sie etwas von Naturverbundenheit erklärt und sich mindestens genauso schelmisch grinsend tiefer in den hiesigen Wald entfernt. Mochte der sich seinen Teil denken.
Heute war niemand in dem ausgedehnten Waldgebiet unterwegs. Zumindest kein Mensch. Mathilda atmete tief durch und ließ den Wagen langsam ausrollen. Gemächlich, ja fast vorsichtig kletterte sie heraus und versuchte sich, an markanten Landmarken zu orientieren. Wobei „versuchen“ so gesehen direkt falsch war. So oft, wie Mathilda schon hier gewesen war, fand sie sich fast im Schlafe zureckt. Über viel genutzte Pfade, vorbei an steinalten Steineichen und ähnlichem Gewächs, bahnte sie sich ihren Weg durch das Unterholz, das hier zum Glück nicht so dicht war wie anderswo. Hätte sie Zeit gehabt, wären ihre Blicke vielleicht an der erwachenden Natur hängen geblieben, die sich überall langsam aus ihrem Winterschlaf erhob. Von den obligatorischen Blumen abgesehen, wiesen auch erste, übereifrige Bäume und Sträucher schon Bestrebungen auf, für die Jahreszeit viel zu zeitig zu neuem Leben zu erwachen.
Gar nicht so viel Zeit später hatte Mathilda dann endlich den Ort erreicht, zu dem sie sich seit den frühen Morgenstunden hingezogen fühlte. An und für sich gab es hier nichts Spektakuläres. Ein paar Bäume… ein paar Sträucher… ein paar Ameisen… den einen oder anderen Vogel, vielleicht auch ein Eichhörnchen, das sich in den Baumwipfeln verbarg und eine kleine, kreisrunde, von allen Pflanzen gemiedene Fläche am Boden.
Aber genau dieser Ort war Mathildas Ziel gewesen. Mit einem aufmerksamen Blick maß sie die nähere Umgebung und stellte sich anschließend genau in die aller Vegetation bare Fläche. Ein unauffälliger Druck auf die Armbanduhr später war dieser Teil des Waldes wieder menschenleer… gewissermaßen keine Veränderung des Zustandes.
Einige Dutzend Meter tiefer tauchte Mathilda unverändert wieder auf. Ihre Umgebung jedoch hatte sich mehr als verändert. Wo zuvor noch Natur in Reinkultur gewesen war, reihten sich jetzt Gegenstände dich aneinander, die selbst hoch dekorierten Professoren jeder nur denkbaren Profession Kopfzerbrechen bereitet hätten.
Mathilda jedoch ging zielsicher durch Gänge, deren bloße Beschreibung jeden Ufologen in himmlische Extase versetzt hätte, durchschritt Portale, die kein Mensch jemals in vernünftigen Zeiträumen hätte öffnen können ohne die nähere Umgebung zu vaporisieren und stand letzten Endes äußerlich ungerührt, aber innerlich vor Neugier fast berstend vor einem Ding, das zu beschreiben menschliche Geister so schnell nicht in der Lage sein würden. Für sie war es jedoch nichts besonders, sodass die einzige, äußerlich erkennbare Regung eine gute Menge an Ungeduld war.
Und doch nahm es keine Minute in Anspruch, bis sich innerhalb des äußerlich ach so unverständlichen Dinges, das bei einfacherer Betrachtung nichts weiter als ein fortschrittlicher Computer war, etwas tat. Schemen formten sich, bildeten organische Klumpen, wuchsen zusammen und schufen den Avatar. Dieser schob sich scheinbar mühelos durch die massiven, aber transparenten Strukturen des Rechners und trat in Form eines unförmigen, aber zweifellos humanoiden Oberkörpers daraus hervor.
„Herrin! Ihr seid verwundet! Was…“
„Ruhig… das ist Maskerade!“, beschwichtige Mathilda den Körper vor ihr, den empfindliche Menschen am ehesten mit „unheimlich fett“ beschrieben hätten. Doch beruhigen ließ sich der Avatar des Bordrechners, der mit fast mütterlichem Eifer über den Gesundheitszustand seiner Herrin wachte, davon nicht:
„Aber welchen Grund könntet ihr haben, euch so zu… verunglimpfen?“
„Im Rahmen meiner Tarnexistenz schaffe ich Kultur in Form audiovisueller Geschichten.“, erklärte die Herrin ihrem Rechner, darauf bedacht, ihre Aussagen so zu formulieren, dass sie die KI auch verstehen konnte.
„Was immer ihr sagt, Herrin!“, lenkte der Avatar geradezu kleinlaut ein. Schließlich nannte er die Herrin nicht umsonst so.
„Nun spann mich nicht auf die Folter! Zeige, was du gefunden hast!“, forderte Mathilda nach der einsetzenden Pause ein wenig ungeduldig.
„Es täte mir nie in den Sinn kommen, euch zu foltern, Herrin!“, versicherte das scheinbar extrem fettleibige Wesen sogleich mit drängendem Unterton, was Mathilda seufzend zur Kenntnis nahm. Ihr Aufenthalt unter Menschen hatte leider auch die eine oder andere Redewendung zu ihrem Sprachschatz hinzugefügt, die von dem logischen Rechner nicht gedeutet werden konnte. Ja, ihre Observationsmission hatte so weit geführt, dass sie sich nur noch in der Sprache der Einheimischen mit ihrer Schiffs-KI unterhielt.
„Den Inhalt deiner Nachforschungen, Avatar!“, verlangte Mathilda und war zum ersten Mal fast neidisch auf diese Menschlein und ihre armselige Technik. Deren Computer neigen wenigstens nicht dazu, alles zu hinterfragen. Aber sie produzierten Fehler am Fließband…
„Natürlich Herrin!“ Sekundenbruchteile später entstand quasi aus dem Nichts ein Hologramm – ein echtes Hologramm, keine nachträglich produzierte Computeranimation wie in Jochens Serie. Bilder von geheimen, militärischen Akten wechselten sich ab, zeigten Dinge, die außer einer Hand voll wichtiger Personen niemand auf der Welt wissen sollte.
„Es sind Fortschritte bei der Datenverschlüsselung gemacht worden, Herrin…“, erklärte der Avatar plötzlich kleinlaut. Mathilda lauschte auf.
„Definiere Fortschritte!“, forderte die Herrin deshalb vergleichsweise barsch. Der KI war der Tonfall egal; dennoch klang sie ein bisschen geknickt, als sie berichtete:
„Man hat 1024 Bit genutzt… ich habe ganze drei tausendstel Sekunden für die Entschlüsselung gebraucht!“
„Was du nicht sagst… Zustände sind das hier – untragbar!“
„Ich bitte um Vergebung Herrin, ich…“ Mathilda winkte ab:
„Vergiss, was ich gerade gesagt habe… Dir fehlt die Möglichkeit, die subtilen, sprachlichen Mittel der Menschen hier zu definieren. Das gerade war… Sarkasmus. Nichts weiter als eine Form von Humor und – wie ich sagen muss – durchaus ein praktikables Mittel um diverse Dinge zum Ausdruck zu bringen.“
„Ich glaube, ich verstehe nicht…“, gab der Avatar vorsichtig zu und formte eine unvergleichlich hässliche Visage, die Unverständnis zum Ausdruck bringen sollte. Mathildas hingegen amüsierte sich köstlich, als sie den Ausdruck zu deuten versuchte:
„Wie würden die kleinen Menschen sagen… OMG!“
„OMG?“
„Eine halbwegs gebräuchliche Kurzform, die Erstaunen zum Ausdruck bringen soll…“ Währenddessen hatte sie sich durch die Masse an Bildern und Texten gearbeitet und sich einen groben Überblick darüber verschafft, was die KI dazu veranlasst hatte, ihr eine E-Mail über einen fiktiven Absender zukommen zu lassen, deren Inhalt nicht weiter als höchste Dringlichkeit verhieß.
„Das ist brisant! Wurden diese Informationen schon weitergereicht?“
„Nein, Herrin… das uns am nächsten stehende Glied der Relaiskette ist ausgefallen und noch nicht ersetzt worden. Der Krieg…“
„Ja ja… der Krieg. Ich weiß Bescheid, Avatar. Ein Wunder, dass die andere Partei diesen Planeten noch nicht entdeckt hat… dabei strahlt er seit ausreichend langer Zeit wie ein Leuchtfeuer.“
Mathilda seufzte abermals, diesmal aber wirklich bedeutungsschwer.
„Avatar. Setz Kurs zur Nachrichtendienstzentrale.“
„Es ist ein Stück bis zum Galaxiekern…“
„Die zwei Stunden hab ich auch noch. Denke an meine Aufgabe, Avatar. Und gib den Alliierten hier Bescheid, sie mögen die Menschen mit ein paar Kornkreisen und UFO-Sichtungen ablenken. Bisher hatten sie recht viel Spaß dabei gehabt.“
„Natürlich Herrin… Bitte begebt euch in die Reisezelle!“
Mit diesen Worten verschwand der unförmige Körper wieder innerhalb des massiven KI-Kerns und löste sich in seine Bestandteile auf, während Mathilda, in Gedanken versunken, auf halben Wege zur Brücke inne hielt und herzlich über ihren letzten Gedankengang lachen musste.
Menschen eben… unfähig, eindeutige Hinweise in althergebrachten Überlieferungen Richtung zu deuten – von einigen Ausnahmen einmal abgesehen – und unheimlich stolz auf ihre bescheidenen Erfolge in der interplanetaren, unbemannten Raumfahrt, schafften sie es immer wieder, derart weit aus der galaktischen Norm auszubrechen, dass man einfach mit ihnen sympathisieren musste. Denn sonst hatte es niemand in der weiten Galaxie bisher so gut verstanden, die besten KIs des bekannten Universums so oft in die Irre zu leiten, wie sie. Mit ihren Redewendungen, umgangssprachlichen Eigenheiten, ihren zig hundert verschiedenen Sprachen und Textfärbungen, die eben jenen Recheneinheiten mehr Kopfzerbrechen bereiteten, als sie es einem minder begabten Kind dieses Volkes getan hätten.
Man könnte Geheimnisse so einfach verschleiern, indem man sie umgangssprachlich formulierte… aber nein, man verschlüsselt sie mit lächerlichen 1024 Bit. Auch, wenn die gesamte Rechenkapazität der Erde Jahrtausende an solch einer Sicherheitsvorkehrung knabbern würde – mindestens genauso lang würde sich der KI-Avatar darüber wundern, was in mancher E-Mail an widersprüchlichem Text zu finden ist. Und die 1024 Bit… Mathilda hatte schon wieder vergessen, wie viel Bruchteile von einem Sekundenbruchteil die KI gebraucht hatte, um sie zu entschlüsseln.
Ein wenig abwesend ließ sich die Forscherin von einem Planeten mit unaussprechlichem Namen in der Reisezelle nieder. Was hatte sie bei den Menschen gelernt? Relax! Alles „Shiny“! Und spontan war so ein Bericht darüber, dass die Menschheit praktisch gerade eine Entwicklungsstufe übersprungen hatte, viel emotionaler vorzutragen. Und Emotionen pflegten Eindruck zu machen bei ihren Vorgesetzten.
So zückte Mathilda alias Xarphinalopanetikulmande ein eigens für solche Anlässe deponierten Bogen Papier und begann, den Energiekern des Schiffes zu skizzieren. Was man in ihrer „Internetkolumne“ als unheimlich kreativ befand, war nichts weiter als Teil der Ausbildung im technischen Zeichen zu Hause gewesen.
Und niemand auf der Erde bemerkte, dass sich ein 200 Meter großes Schiff aus der exklusiv dafür geschaffenen Kaverne im Waldboden teleportierte und kurz außerhalb des effektiven Schwerkraftfeldes der Erde einen zweistündigen Flug zum Kern der Milchstraße startete. Was man aber sehr wohl bemerkte, war das diskusförmige Flugobjekt, das – von sich am Boden vor Lachen kringelnden Außerirdischen ferngesteuert – gerade über einer großen Stadt seine Runden drehte.