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Der Autofahrer
Mit dem Motivationscoach, der Tasse Kaffee in meiner Linken, betrat ich meinen Balkon. Es war ein wunderbarer Morgen. Nicht zu warm, nicht zu kalt. Noch keine nervigen Kinder auf der Straße, die anstatt des Lachens immer undefinierbare Töne von sich gaben, sich anhörten als ob sie immer kurz vor dem Absterben wären und dann doch nur ein paar Grasflecken auf der Jeans hatten. Wenn ich so darüber nachdachte, mochte ich die kleinen Scheißer eigentlich. Sie brachten etwas Leben in dieses Dreckskaff, das meinem Erachten nach nur dazu erbaut worden war, um alte Leute so sterben zu lassen, dass es niemand mitbekam.
Als ich mich so ans Geländer lehnte, hörte ich links von mir ein Plätschern. Der alte Toni wusch seinen BMW, mal wieder. Was sollte man auch sonst zu tun haben am frühen Morgen, mit der eigenen Frau halbnackt im Bett liegend. Apropos, ich schaute auf mein Handy. Fast acht, Sarah würde vermutlich bald aufwachen. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass der morgendliche Koitus vermutlich nur ein paar Minuten weit entfernt war. Früher musste ich mich anstrengen, um es überhaupt dazu kommen zu lassen, heute würde mich meine Freundin gar nicht mehr ohne aus dem Haus lassen. Ich verfolgte wieder die kreisenden Handbewegungen vom alten Toni. Er machte alles so sanft, so vorsichtig. Als ob das Auto mit Dynamit vollgestopft wäre. Toni war einer der Nachbarn, die man einfach so umlegen und im eigenen Garten liegenlassen könnte, ohne dass es jemanden interessieren würde. Nicht einmal die eigene gottverdammte Frau. Beinahe zwanzig Jahre kannte ich dieses Ehepaar jetzt schon. Früher hatten sie sogar einen kleinen Sprössling. Die Frau schien ihn sehr zu lieben, wie es sich für eine anständige Mutter nun mal gehörte. Toni wiederum…nun ja, sagen wir einfach ich hege eine gewisse Abscheu gegen „Autoliebhaber“ wie ihn. Sein Auto zu respektieren war die eine Sache, doch der Fehler in den Gehirnen der meisten Autofanatiker war, dass sie ihr Auto wie ihr Kind und ihr Kind wie ihr Auto behandelten. So war es natürlich auch bei Toni, Scheiße, mein Vater war genauso. Mir hat das nur nie viel ausgemacht, ich konnte mich verteidigen, doch das arme Kind der beiden tat mir damals ziemlich leid. „Scheiß Benzinlecker“, dachte ich, als ich einen weiteren Rat meines Motivationscoachs nahm. Als ich so zurückdachte, fiel mir ein, dass es bei den meisten Streitereien mit seiner Frau um seinen BMW ging. Wenn er zwischen den Beinen nur halb so eine Maschine hätte, wie vor seiner Garage, dann hätte er sich so einiges an Stress ersparen können. Gleich würde seine Frau aufstehen und ihm ein Frühstück zaubern, das er keineswegs verdient hätte. Er würde sich setzen, sich alles wie ein Schwein hineinstopfen, wieder hinausgehen und seine Frau könnte daraufhin den Abwasch erledigen. Ein echter Gentleman halt. Der einzige richtige Verkehr, den solche Leute haben, findet auf der Straße statt, und ich meine damit keine Blowjobs während des Fahrens.
Ein Wunder, dass jemand wie er überhaupt mal zum Schuss kommt. Ein „Kumpel“ von mir hatte mir vor kurzem erzählt, dass er 300€ fürs „Aufmotzen“ seines neuen BMW (Die Marke scheint verflucht zu sein) geblecht hatte. Er hätte ein Sechstel davon in einen neuen Haarschnitt oder eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio investieren sollen, denn seine letzte Freundin gab ihm schon nach einem Monat den Laufpass.
„Sie werden schon zufrieden sein“, dachte ich, trank meinen Kaffee aus und ging nach oben zu meiner Freundin, die vermutlich gleich aufwachen würde. Auf sie warteten ein fertiges Frühstück und eine noch bessere Vorspeise.