Er geht bedächtig zu der Stelle, an welcher ihn alle sehen.
Das ist ungeschickt formuliert, pantoholli, um nicht zu sagen, eine physikalische Unmöglichkeit, um nicht zu sagen, ein Paradoxon.
Wenn ihn alle an einer bestimmten Stelle sehen, heißt das nichts anderes, als dass er sich an jener Stelle befindet. Und wenn er sich an jener Stelle befindet, kann er nicht gleichzeitig zu der Stelle hingehen.
Vermutlich meintest du:
Er geht bedächtig zu der Stelle, an welcher ihn alle sehen können.
Die unteren Lider sind feucht und zittern ein wenig. Die Nase bewegt sich im Rhythmus des Atems. Die Lippen zusammengepresst. Die Mundwinkel zucken leicht nach unten. Der Adamsapfel bewegt sich, als würde er einen Kloss [Kloß] runterschlucken.
Ich nehme mal an, du wolltest ein zweimalige Verwendung des Hilfsverbs „
sind“ vermeiden und hast deshalb diese prädikatlose Ellipse gewählt.
So sehr ich nun Ellipsen als Stilmittel schätze und sie auch selber gerne benutze, so sehr bin ich mir auch bewusst, wie präzise und bedacht man sie einsetzen muss, damit sie nicht mit den üblichen Lesekonventionen kollidieren. Und diese Lesekonventionen - zumindest meine - sind nun mal so, dass man eine prädikatlose Ellipse im Kopf erst mal automatisch mit dem Prädikat des vorangegangenen Satzes ergänzt. Wenn das - wie in diesem Fall - weder inhaltlich sinnvoll klingt noch grammatikalisch (Singular/Plural) zusammenpasst, gibt’s beim Lesen einen - wenn auch winzigen - Holperer. Und gerade in so einem kurzen Text sollte man solche Irritationen tunlichst vermeiden. Da sollte wirklich jedes Wort und jede Formulierung passen. So gesehen finde ich auch die Wortwiederholung (
bewegt sich, bewegt sich) nicht besonders attraktiv.
Apropos Wortwiederholung:
.. jeden Schritt
leicht verfolgen,
Auf seiner Stirn bilden sich
leichte Falten.
Die Mundwinkel zucken leicht nach unten
(Setz das mal in Verhältnis zur Wortanzahl des Textes.)
Die Arme hängen an den Schultern.
Auch das ist von dir vermutlich bewusst so formuliert, vielleicht um die Marionettenhaftigkeit der Figur zu vermitteln. Für mich klingt es aber nur unfreiwillig komisch.
Die Arme hängen herab, fände ich allemal ausreichend.
Die Augen schließen sich einen Moment und als sie sich öffnen[,] sind die Konturen des Lächelns zu erkennen.
Bis der Pastor kommt und mit der Totenandacht die Stille beendet.
Ich bin mit den religiösen Riten kein bisschen vertraut, schicke ich voraus. Unter Totenandacht allerdings verstehe ich die … äh, die ganze Veranstaltung quasi, die gesamte Totenfeier eben. (Und die vorangegangene Pantomime war ja offenbar Teil dieser Totenfeier). Aber du stellst es hier dar, als wäre "
die Totenandacht" eine spezielle Ansprache des Pastors.
Soviel mal zu den sprachlichen Unstimmigkeiten, pantoholli.
Darüber hinaus sehe ich in dem Text allemal eine kleine Geschichte, nicht aber ein Experiment im Sinne der Rubrik. (Deren Zweck in meinen Augen darin besteht, mit der Schriftsprache herumzuspielen, Außergewöhnliches auszuprobieren, mit Buchstaben, der Syntax, der Grammatik, der Interpunktion oder allem gleichzeitig zu experimentieren, unser vertrautes Sprach- und Leseverständnis sozusagen herauszufordern. All das kann ich in deinem Text aber überhaupt nicht erkennen. Schau dir das mal an.)
Ob es nun als Geschichte für mich funktioniert? Nun ja, im Grunde ist es nicht mehr als eine Pointengeschichte sozusagen, in der erst durch das Lesen der letzten Sätze das Geschehen davor einen Sinn erhält.
Aber viel Geschehen ist da halt nicht: schlicht eine kurze Szene aus einer Begräbnisfeier.
Also nicht unbedingt ein Leseerlebnis, das mich an den Fingernägeln kauen ließ. Oder soll ich sagen: Experiment misslungen?
offshore