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Der Aufstand

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04.01.2004
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Der Aufstand

Der Aufstand

Über dem Altersheim Seeblick lag an jenem Tag ein besonderer Frieden, fand Anne-Kathrin, als sie dieses Erlebnis ihrer besten Freundin erzählte.
Doch der Schein trog, die Pensionäre führten etwas im Schilde. In der ersten Juliwoche hatten sie alles ganz genau besprochen. Ihre Aktion sollte in der Nacht vom achten auf den neunten Juli starten, abends um zweiundzwanzig Uhr dreißig, nachdem die Nachtschwester Anne-Kathrin ihren Dienst angetreten hatte.

“Revolution im Altersheim! Das wäre doch gelacht, wenn uns der Aufstand nicht gelingen würde,” bemerkte Karl Gärtner, ein alter Mann hoch in den Achtzigern, der Rädelsführer dieses Aufstandes. Schließlich hatte er als junger Mann einschlägige Erfahrungen gesammelt. Sie würden Anne-Kathrin an Händen und Füßen fesseln, auf ihrem Stuhl festbinden, und wenn sie ihren Mund nicht halten würde, eine Einlage hineinstopfen. Bis zum nächsten Morgen um sechs hätten sie genug Zeit, um die Eingangstür und die Fenster im Erdgeschoß zu vernageln.
Um sechs, wenn die Oberschwester käme, würde sie einen Brief vor dem Eingang finden. Auf seinem Umschlag würde ‚persönlich’ und ‚sofort öffnen’ stehen. Spätestens, wenn sie bemerken würde, daß ihr Schlüssel die Tür nicht öffnet, würde sie den Brief lesen und erfahren, daß es eine Revolution gegeben hätte. “Sie solle bitte zum nächsten Telefon gehen, um weitere Anweisungen entgegenzunehmen,” würde die Anweisung lauten.
Am Heimtelefon würde Arthur sitzen, um ihr die Bedingungen vorzulesen, unter denen er und seine Leidensgenossen bereit wären, miteinander zu verhandeln: Sie wünschten, ihre Finanzen selber zu verwalten, die Hausordnung zu bestimmen und das Personal auszuwählen. Kurzum, sie wollten ihre Angelegenheit in die eigenen Hände nehmen und ihre Zukunft selbst gestalten. Das war das Ergebnis ihrer Überlegungen, die sie gemacht hatten, als sie darüber nachdachten, ob sie lieber tot oder lebendig begraben werden wollten. Einige bekamen feuchte Augen und erinnerten sich an ihre Jugend. Sie schrien: “Nieder mit der Bourgeoisie!” Karl meinte sich zu erinnern, daß dieser Schlachtruf zur Französischen Revolution gehörte. Doch schließlich war es egal, was sie riefen, Hauptsache, sie waren gemeinsam stark.

Bis zum Fesseln der Nachtschwester verlief alles reibungslos, doch dann passierte allerlei Unerwartetes. Erna schien verwirrt und wollte wissen, wann ihr Sohn endlich käme. Henry hatte vergessen, warum er aufstehen sollte und weigerte sich, sein warmes und gemütliches Bett zu verlassen. Elsbeth hatte Durchfall. Die halbblinde Lieselotte und die ängstliche Margarete versuchten, das Mißgeschick wegzuputzen. Herbert hielt den Gestank nicht aus und rief: “Ich verlasse mein Zimmer erst, wenn die Luft rein ist.”
Um fünf Uhr dreissig waren alle wach und einige ziemlich durcheinander. Zum Türen- und Fenstervernageln blieb keine Zeit mehr. Karl und Arthur befreiten schweren Herzens Anne-Kathrin. Sie schämten sich und fühlten sich ganz erbärmlich in ihrer Rolle als Aufständische, denen kein leibhaftiger Feind begegnet war. Sie hatten ihre Revolution selbst niedergeschlagen. Anne-Kathrin war empört und fand dieses Erlebnis gar nicht komisch. Eine gefesselte Nacht hinterläßt Spuren. Doch die Nachtschwester hatte ein großes Herz. Nachdem der erste Ärger verflogen war, verstand sie den Kummer der Pensionäre und versprach, der Oberschwester nichts von der ereignisreichen Nacht zu berichten.

“Bist du verrückt!” Unterbrach ihre beste Freundin die Erzählung, “das kannst du doch nicht machen. Die Alten müssen bestraft werden.”
“Ich bin ganz und gar nicht verrückt,” lächelte Anne-Kathrin ihre Freundin an. “Abgesehen davon, daß die Angelegenheit schon ein Jahr zurückliegt und Karl, der Anführer, längst gestorben ist, meine ich, in dieser Nacht etwas verstanden zu haben.”
Seit dieser Nacht nämlich hatten sich die Pensionäre und Anne-Kathrin viel zu erzählen. Es waren Geschichten vom Leben, von der Liebe, vom Schmerz, von der Hoffnung und vom Abschied.

 

Hallo,
auch dir herzlich Willkommen auf kg.de
Deine Geschichte ist recht amüsant erzählt, du hast es dir nur mit der verwendeten Erzählzeit selbst schwer gemacht. Kurzum, ich fands recht lustig, aber dennoch ernst (jetzt mal ganz ohne Widerspruch;))
Hier noch ein paar Verbesserungen, ich weiß aber nicht, ob ich alles gesehen habe:

Über dem Altersheim Seeblick lag an jenem Tag ein besonderer Frieden, fand Anne-Kathrin, als sie dieses Erlebnis ihrer besten Freundin erzählte.
ungeschickt, so bedeutet es, dass an dem Tag des Erzählens ein besonderer Frieden über dem Heim lag.
das eine Revolution ist
es eine Revolution gegeben hätte
die sie machten
gemacht hatten
haben sich die Pensionäre
hatten
Es sind Geschichten
waren

Gruß
Arthuriel

 

Hallo Arthuriel
Vielen Dank für deine Rückmeldung. Ein externer Leser hat den nötigen Abstand. Habe deine Korrekturen übernommen, obwohl die Zeit im letzten Absatz durchaus Gegenwart sein könnte, denn Anne-Kathrin ist immer noch Nachtschwester und erzählt sich immer noch Geschichten.
Januar

 

Hallo Januar,
zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu deiner ersten hier geposteten Geschichte. Ich wünsche dir weiterhin viele so gute Ideen, wie die, die du hier gehabt hast.

Was mir an der Geschichte aufgefallen ist, ist dass mir die Perspektive unklar ist. Wird aus der Sicht der Heiminsassen oder aus der Sicht der Nachtschwester erzählt? Generell ist es günstig (zumal in Kurzgeschichten) eine einheitliche Perspektive beizubehalten. Außerdem sollte der Protagonist ein "Handelnder" sein, denn in allen guten Geschichten treibt der Held die Handlung voran. Eine Nachtschwester, die am Anfang der Story gefesselt und später - ohne ihr zutun - freigelassen wird, ist deshalb als Prot. ungünstig. Versuch doch mal, dich in einen der Heimbewohner hineinzuversetzen, und die Geschichte aus seiner Sicht zu erzählen. was weiß er über die Handlung? Was erfährt er von Anderen? Was tut er?

Gut ist auch, wenn die Handlung auf einen Höhe- oder Wendepunkt zuläuft. Hier wäre das der Punkt, an dem die Revolution stagniert und man sich zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts entschließt. Versuch das Denken und Handeln deiner Figuren langsam auf diesen Punkt zulaufen zu lassen. Und nimm dir Zeit, den Konflikt zu schildern, in dem sich deine Helden kurz vor dem Höhepunkt befinden. Der Leser soll den Konflikt verstehen. Z. B.: Legen Sie Feuer in der Küche? Lassen Sie sich einen Fluchtwagen bereitstellen? Oder binden Sie die Nachtschwester los und geben auf?

Wohlgemerkt: Deine Geschichte ist jetzt schon nicht schlecht. Aber wenn du es schaffst, noch etwas Stringenz hineinzubringen, könnte sie richtig gut werden.
Beste Grüße
knagorny

 

Ich finde die unklare Perspektive gar nicht so schlimm. Es könnte ja ein allwissender Erzähler sein, der rückblendend erzählt, aus Anne-Kathrins Sicht wäre es auch in der Tat relativ langweilig.

 

hallo kanagorny, hallo ArthurielRubenstein

Es freut mich, dass meine Geschichte eure Gedanken inspiriert und zu Rückmeldungen beflügelt. Ich finde es spannend, das für und wider, das zuviel, das zuwenig, dem Suchen nach dem Optimalen nachzugehen. Und es gefällt mir sehr, wenn eine Geschichte Fragen aufwirft, auf die es viele Antworten geben kann.
In diesem Sinn danke ich euch, und freue mich auf den weiteren Austausch.
Herzlichst Januar

 

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