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Der Arabische Frühling

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27.05.2012
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Der Arabische Frühling

Rechts links, wieder rechts, jetzt der Zaun, klettern und springen, jetzt nur nicht aufgeben, nur nicht zurückblicken. Er spürte wie dutzende Gewehrläufe auf ihn gerichtet waren, wie die Soldaten vielleicht in diesem Moment den Abzug ihrer Schnellfeuerwaffen betätigten.
Doch diesmal würde er entkommen, er musste einfach entkommen. Die Welt um ihn herum schien den Atem anzuhalten und zu verharren, er war der Erhabene. Nichts als Söldner waren die Soldaten in seinem Nacken, gefühllose Maschinen, dazu bestimmt, Unschuldige zu töten. Aber nicht ihn, nicht heute, nicht in dieser Nacht.
Seine geschärften Sinne und das Adrenalin, das durch seinen Körper jagte ließen ihn seine Umgebung wie in Zeitlupe wahrnehmen.

Er sah wieder alles vor sich, klarer als er es jemals gesehen hatte. Da war diese Kammer, grau, spartanisch, trostlos. Ein Tisch, lustlos in die Mitte des Raumes gestellt, Stapel von Papier darauf, gegenüber der Tür Ketten an der Wand, dunkle Flecken darunter. Ein Verlies? Eine Folterkammer? Nein, das konnte nicht sein! Er verharrte auf der Schwelle, ein Stoß von hinten, der Boden raste auf ihn zu, Schwärze, in weiter Ferne das Zuschlagen einer Tür.

Schlagartig kehrte er zurück in die Gegenwart, als das dumpfe Dröhnen der Maschinengewehre ertönte. Nein, so durfte es nicht enden!

Schlagartiges Erwachen, ein Schwall Wasser traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht, vor ihm drei Stiefelpaare, blankgeputzt und poliert. Er wurde von zwei Armen gepackt und hochgerissen.

Da rechts, der Felsen, er würde ihm Schutz bieten. Zwei Meter, ein gewagter Hechtsprung, Die Kugeln schwirrten über ihn hinweg. Plötzlich aggressives Summen, Hubschrauber! Lichtkegel, akkurat, beinahe pedantisch den Boden absuchend.
Er musste hier weg, nicht um seinetwillen.
Die Bilder rauschten vor seinem inneren Auge vorbei.
Die Ketten schlossen sich um seine Handgelenke, gleißend weißes Licht, geblendet kniff er die Augen zusammen.
Ein wohltuender Schatten, auf ihn zu rasend, Dunkelheit. Unsanftes Erwachen, schmerzendes Gesicht, um ihn herum, alles weiß, das Licht verschlang alle Details. Schemenhafte Gestalten an der Tür, eine schneidende, tiefe Stimme riss ihn aus seinen Gedanken: „Sagen Sie uns, wo sie ist!“
Die Kugeln prasselten ununterbrochen gegen den Stein, die Lichtkegel bewegten sich auf ihn zu. Er war nicht länger sicher. Zu seiner linken lag sein Ziel: Der Fluss.
60 Meter offenes Gelände: zu gefährlich!
Verharren: zu gefährlich!
Eine Baumgruppe vor ihm, 15 Meter, dazwischen: Lichtkegel, hastig, wild suchend.
Sie! Hatte sie sich retten können? Hatte sie es zum Treffpunkt geschafft? Er würde sie nicht verraten. „Das hier ist alles vorbei, wenn Sie kooperieren!“ Nein, er würde schweigen. Er hatte gesehen, wozu die fähig waren, er würde keinen Menschen an sie ausliefern.
Die Tür fiel zu, Stille. Oder nicht, irgendwo tropfte Wasser, unerbittlich, beständig, trocken.
Er musste es versuchen, 15 Meter, er war ein guter Sprinter. Licht, er war entdeckt. Adrenalin jagte durch seine Adern. Er lief los, ein Gewitter brach über ihm los, tödliche Blitze begleitet von tosendem Donner. Dort, die Baumgruppe, man hatte ihn verloren, er musste weiter. Er umklammerte ihre Akte fester. 50 Meter bis zum Fluss.
Schlaflos, seit über 70 Stunden, er hatte aufgehört zu zählen. Wurde das Licht dunkler? Er schloss die Augen, aber das Schreien des Wassers ließ ihn nicht einschlafen.
Plötzlich, so laut wie der Start eines Kampfflugzeuges, wurde die Tür aufgerissen.
Schreie: „Nein!, Hilfe!“, alles war ihm egal, er wollte nur noch schlafen. Doch plötzlich war sie da, plötzlich stand sie vor ihm. Kastanienbraunes Haar, dunkelbraune Augen, eine Schönheit der Natur und doch furchtbar. Fürchterlich hatte man sie zugerichtet. Völlig ausgetrocknet, ermüdet. Blaue Flecken an allen Stellen, ganze Haarbüschel fehlend, die linke Augenbraue versengt. Wie lange war sie schon in Gewahrsam, wer hatte ihr das angetan?
Und doch: ein Lächeln in ihrem Gesicht,als sie ihn sah. Ihre Lippen formten stumm Worte der Dankbarkeit.
Er rannte los, er musste die Öffentlichkeit informieren, musste sie retten. Noch 40 Meter. Gleißend helles Licht, er wurde unwillkürlich an seine Zelle erinnert. Erneut ein Gewitter aus Blei. Man wollte ihn um jeden Preis aufhalten. Der Boden raste unter seinen Füßen hinweg. Noch 20 Meter, in einer Sekunde würde er den Fluss erreichen. Schon setzte Er zum Sprung an, presste ihre Akte an sich und spürte die Wogen über ihm zusammenschlagen.
Wie Sternschnuppen zischten die Kugeln an ihm vorbei. Er musste auftauchen, er hatte keine Wahl. Ihre Akte war vom Wasser zerstört, er hatte versagt.
Oder doch nicht? Hatte er seine Peiniger am Tag zuvor nicht belauscht, wie sie über landesweite Aufstände sprachen? Ausgelöst durch ihn? Sein Volk, das sich gegen die Diktatur auflehnte. Nein, er hatte nicht versagt. Schon bald würde man ihn und sie als Helden feiern. Und während vor seinem inneren Auge Bilder vorbei rauschten, begann er aufzutauchen. Da sah er sie wieder, in ihrer alten Schönheit, er sah die Schreckensherrschaft seiner Regierung, er sah seine Festnahme, er sah wie sie vor ihm stand in seiner dunkelsten Stunde und ihm ein Lächeln schenkte, beinahe konnte er sogar die Menschenmassen sehen, die in eben jenem Moment die Regierungsgebäude stürmten.
Nein, er brauchte den Tod nicht zu fürchten. Man hatte ihn in den vergangenen Wochen durch Folter erniedrigt, seiner Würde beraubt und zu einem Tier gemacht.
Doch trotz allem war er immer ein freier Mann gewesen. Niemand hatte ihn dazu zwingen können, die gewünschten Informationen herauszurücken, niemand hatte ihn seiner Freiheit berauben können. Er war stets Erhaben gewesen und das erfüllte ihn mit Stolz.
Er tauchte auf. Die Kugeln prasselten wie Hagel auf ihn nieder. Er wurde getroffen, ins Bein, in die Brust, in den Bauch. Das Wasser färbte sich blutrot, doch er spürte keinen Schmerz. Auf seinem Gesicht breitete Sich ein Lächeln aus. Niemand würde ihm jemals wieder seine Freiheit rauben.

 

Hallo,

den Text hier könnte man nehmen und ihm durch eine andere Überschrift einen komplett anderen historischen Kontext geben: "Flucht aus dem Nazi-Lager, Flucht aus dem Gulag, Flucht aus den Fängen von Saddam, Flucht vor Idi Amin" und in 10 Jahren könnte man ihn unter einer anderen Überschrift wieder posten.

Nichts an dem Text ist speziell auf den arabischen Frühling ausgerichtet, der Text ist total generisch, wie ein Stück Lehm, das man notdürftig bearbeitet hat, so dass man kaum erkennen kann, ob es einen Mann, eine Frau oder einen Traktor darstellen soll.

Wenn ich einen Text "Der arabische Frühling" nenne, finde ich schon, dass man als Autor den Auftrag hat, sich mit dem Thema in irgendeiner Form auseinander zu setzen. Dass man wenigstens mal Dokumentationen gesehen hat zu dem Thema, dass man ein, zwei neue Ideen zu dem Thema hat, bestimmte Winkel sieht und betonen möchte, von denen man denkt: Darüber könnte mal gesprochen werden, das wird mir hier zu kurz behandelt.

Es ist völlig okay, einen "generischen Hintergrund" zu nehmen, um irgendeine Geschichte zu erzählen: Vor dem Hintergrund der Nazi-Diktatur wurden zig Geschichten erzählt, die nur in 2. Linie etwas mit den speziellen Eigenheiten dieser Zeit zu tun hatten.
Aber einen Text "Der arabische Frühling" zu nennen und dann einen so allgemeinen Text zu posten, das finde ich nicht gut.
Wie gesagt: Man ändert 2 Sätze und die Überschrift und es geht hier um einen Meldereiter im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, so austauschbar ist der Text geschrieben. So "blass" und so voller stehender, bekannter Wendungen. Die Figuren sind keine Figuren, sondern Schablonen. Der Hintergrund der Handlung ist kein Umfeld, sondern eine Kulisse.
Das merkt man Texten einfach an, wenn man das Gefühl hat: Der Autor hätte sich vor dem Schreiben mehr Gedanken machen müssen.
Was du hier hast ist eine Szene aus einem Film und sie läuft genau so ab, wie es jeweils die erste Möglichkeit ist, die dem Erzähler in den Sinn kommt.

Hier sind die 2 Sätze, die man ändern müsste, damit die Geschichte mit anderer Überschrift in jedes andere Szenario passen würde:

Hatte er seine Peiniger am Tag zuvor nicht belauscht, wie sie über landesweite Aufstände sprachen? Ausgelöst durch ihn?
Hier müsste die Geschichte ansetzen, das müsste ausgeführt werden.

Und damit es eine starke Geschichte wird, müsste man Phrasen aus dem Text streichen, und der Text besteht leider nur aus Phrasen. Wie färbt sich das Wasser? Blutrot. "Er musste die Öffentlichkeit informieren" - das ist Pressesprecherdeutsch. Das Licht ist "gleißend hell" und man erinnert sich "unwillkürlich", ein Gewitter ist aus "Blei", man will etwas "um jeden Preis", man setzt "zum Sprung an", spürt Wogen "über sich zusammenschlagen". Das ist ein Absatz und jede Wendung ist bekannt und eine Phrase. Das sind alles feste Fügungen und es sind nicht mal sonderlich gute.
Es ist extrem schwer, so zu schreiben und irgendeine Wirkung damit zu erzielen. Das gilt auch nicht nur für literarische Texte, sondern auch für journalistische. Mit festen Wendungen kann man eigentlich nur behördlichen Briefverkehr bestreiten.
Ab und an geht das ja mal, aber immer ... nee. Hier: "Wie Sternschnuppen zischten die Kugeln an ihm vorbei" - das ist keine Phrase, das ist gleich auch mal ein frisches Bild - man denkt da natürlich an ein Comic, und so toll ist das Bild beim näheren Hinsehen nicht, aber wenigstens ist es keine Phrase. Das ist schon viel wert.

Gruß
Quinn

 

Hallo Manuel,

ich kann Quinn nur beistimmen. Ich musste mich letztes Jahr intensiv mit dem arabischen Frühling auseinandersetzen und war entsprechend auf deinen Text gespannt.
In die austauschbare Kriegssituation bringst du innerhalb weniger Sätze noch eine Frau.

Doch plötzlich war sie da, plötzlich stand sie vor ihm. Kastanienbraunes Haar, dunkelbraune Augen, eine Schönheit der Natur und doch furchtbar.
Dieser Satz ist heftig. Erstens passt er nicht in den Kontext und zweitens frage ich mich, was du mit "furchtbar" sagen wolltest.

Man merkt deinem Text an, dass er aus Gemeinplätzen zusammengestrickt ist. Das ist keiner kriegerischen Auseinandersetzung hilfreich, denn du bedienst dich der Misere, ohne mit deiner Schreibe etwas in Bewegung zu setzen.

Grüße, bernadette

 

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