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Der Apokalyptische Reiter - Der Tragödie (vorerst) einziger Teil
Der Apokalyptische Reiter
(Eine Endzeit-Novelle für Kinder und recht infantile Erwachsene)
Eines Morgens, als mich ein gülden treffender Sonnenstrahl, neben einem leisen Gezwitscher einiger nicht näher definierbarer, beschnabelter Wesen sacht zu wecken vermochte, fasste ich, friedlich verschlafen die Augen einem jungen Tage öffnend, den Entschluss der Menschheit ihren Untergang zu bescheren und jegliches menschliches Leben auszulöschen.
Selbstverständlich kommt niemand, und gerade nicht meine Person grundlos und unverhofft auf solch fatale Gedanken und so sollte dieser, mit einigem Ehrgeiz verfolgte Entschluss nur den effektiven Abschluss einer Kette von Überlegungen sein, welche in der gestrigen Nacht meine Vernunft beschäftigten, als mein geschätzter Herr Nachbar eine üppige Soirè feierte dessen akustischen Folgen nicht nur an Umfang und Volumen einnahmen und schlafraubend, sondern zu recht später Stunde auch noch völlig unangebracht waren. Außerdem frage ich mich ernsthaft, ob das spätere Verteilen diverser Mageninhalte auf meinem Wagen seitens der Gäste der Feier, wirklich den erhofften Erfolg der Festivität darstellte.
Wie dem auch sei, ich ging also mit der bereits bekannten Absicht in aller Frühe aus dem Haus und wollte den Menschen schrittweise ihre Vernichtung bringen.
Als erstes führte mich mein Weg in meine bevorzugte Konditorei, wo ich mir eine Cremeschnitte erstand. Nach Aushändigung des zu entrichtenden Betrages, kam ich mit der Geschäftsführerin ins Gespräch. Da die Wahlen kurz bevor standen, drehte sich die Unterhaltung natürlich um Politisches wobei sich die voluminöse Frau immer mehr in ihrem Zorn auf die Regierung ereiferte und das, der guten Frau unverständliche, System aufs übelste beschimpfte.
Ich hingegen wies ihre Beschuldigungen und Beschimpfungen zurück brachte zwar haltlose doch anscheinend eindrucksvolle Argumente vor, dass unsere derzeitige politische Landschaft ausgeglichen und gerecht sei und ich mit unserer Regierung und überhaupt unserem ganzen politischen System nicht nur einverstanden, sondern sogar in höchstem Maße zufrieden sei.
Ohne weitere Worte verließ ich den Laden der raumeinnehmenden Konditorin und stadtbekannten Klatschtante und sie ließ, sprachlos vor Erstaunen, dass ein unbescholtener und recht reinlich wirkender Bürger nur zu solch einer absurden Meinung wie der meinen kam, es sich nicht nehmen, sofort herumzutelefonieren und jeder ihr bekannten Person, von meiner nicht zu leugnenden Geisteskrankheit zu erzählen. Auch erzählte es sie jedem, der es wissen wollte (oder auch nicht), Hauptsache er betrete ihren Laden, denn ihr Umfang war für überschwengliche Bewegungen doch zu beträchtlich.
Als ich am späten Nachmittage das Wahllokal betrat, füllte ich, noch immer von der vormittäglichen Cremeschnitte träumend, die Stimmzettel aus, kreuzte alles zur Wahl stehende an und schrieb als kleine Anmerkung darunter: IHR SEID ALLE SUPER! VIEL GLÜCK!
Befriedigt verließ ich das Wahllokal und verabschiedete mich freundlich vom Wahlpersonal welches am Wahltag die meistgehasste Minderheit neben den anderen Minderheiten darstellt und dessen meistgehörte Worte am heutigen Tag folgende sind: „Scheinwahlen“, „Ist doch eh schon alles entschieden“, „Demokratie? Demokratie am Arsch!“, „Verräter“ und „He, mein Stimmzettel ist ja schon angekreuzt!“
Bei der späteren Auszählung fiel mein Stimmzettel natürlich sofort auf und da ich ihn in Schönschrift signiert habe, hatten diese armen, sozial ausgegrenzten Teufel, endlich ein salonfähiges Gesprächsthema.
So kam es, dass bald die ganze Stadt über mich, den zufriedenen Verrückten, sprach und so wunderte es mich nicht als spät abends zwei freundliche Herren der Geheimpolizei an meiner Tür standen, mich bewusstlos knüppelten und mich fortschleiften.
Während meiner komaartigen Bewusstlosigkeit hatte ich viel verpasst, denn obgleich mich meine Mitmenschen für einen Ja-Sagenden, geistesgestörten Irren hielten, bewegte sie meine rigorose Zufriedenheit zum Nachdenken. Sie versuchten das Positive in unserer, doch etwas rechtsgerichteten Regierung zu sehen und als die Partei nach der erwarteten Regierungsübernahme, sofort die Steuern um 50% erhöhte murrten meine Landsleute ganz gegen ihre Gewohnheit kein einziges Mal. Das ist wiederum auf die beleibte Konditorin zurückzuführen, die sich nun noch stundenlange Ferngespräche gönnte, nur um den, ihr fremden Menschen unseres Landes von mir zu erzählen. So wurde ich binnen eines Tages zu einem, der derzeit einflussreichsten Irren unserer Nation.
Ich erwachte mit einem gewaltigen Schädelbrummen bedacht, auf dem Boden des Bürgermeisterbüros.
Der Bürgermeister saß hinter einem prunkvollen Schreibtisch und glotzte meinen vermutlich von Fesseln schmerzenden Körper an. Ich richtete mich auf und als ich meinen Blick auf den interessierten Herrn zu fokussieren suchte, begrüßte er mich freundlich.
Doch als ich ihn auf diese meine gewaltsame Entführung ansprach sagte er nur, er wisse nichts von irgendwelchen Entführungen. Sofort begann ein verhörartiger Dialog. Was ich mir denn dabei denke, ob ich ein gewissenloses Monster sein, ich sei ein Volksverhetzer, ein Aufrührer.
Ich, der ich angesichts dieser Anschuldigungen ruhig geblieben war, antwortete, dass ich mich nur mit dieser unserer Regierung und dem gesamten System als zufrieden erkläre und ich nie die Absicht gehegt hätte, mich ihr entgegenzustellen geschweige denn ihr zu schaden. Baff vor Erstaunen als hätte er eine solche Antwort nicht erwartet, schwieg unser Bürgermeister vorerst. Nach einigen Sekunden hatte er sich wieder soweit gefasst, dass er mit oberster Stelle telefonieren konnte, nickte mir kurz zu ich erwiderte es freundlich und schon fuhr der altbekannte Knüppel von hinten auf meine Kopf hernieder.
Abermals wurde ich bewusstlos fortgeschleift und verpasste eine Reihe, von der Regierung entworfener Pläne.
Diese waren die Folge einer langen Beratungsnacht die die Regierung abhielt und bei der man einstimmig zum Entschluss kam, man habe das Volk, von einer neuerlichen Abfindungswelle ergriffen, wirtschaftlich wie seelisch ausgelaugt und um eine Revolte oder gar eine Revolution vorzubeugen müsse man Maßnahmen ergreifen. Ein umfassender Maßnahmenkatalog kam am selben Morgen in die Zeitung.
Ich erwachte aus der Bewusstlosigkeit und fand mich auf dem Boden meiner Küche und zufällig lag eine aktuelle Zeitungsausgabe auf meinem Tisch. Auf der Titelseite war besagter Maßnahmenkatalog zu lesen. Dieser sah unter anderem vor:
1. Der Steuersatz wird auf 10% Prozent gesenkt und diese sind auf freiwilliger Basis zu entrichten
2. Eventuelle Korruptionsaffären sind umgehend einzustellen und werden gnadenlos, doch nachsichtig geahndet
3. Die Diäten von Politikern entsprechen nunmehr unter 1% des Bruttosozialprodukts unserer schönen Heimat
4. Eventuelle wirtschaftspolitische Maßnahmen zugunsten der einzelnen Politiker sind ab sofort untersagt.
5. Die mittelalterlichen Foltermethoden werden modernisiert
Leider hatten diesen Maßnahmen nicht den gewünschten Effekt. Die Bürger, vormals noch mit dem politischen System halbwegs abgefunden, wurden durch diese geplanten Maßnahmen misstrauischer den zuvor. Sie vermuteten, dass ihr Land pleite sei und auf diese Weise versuche die Bürger vor einer Massenpanik zu bewahren. Dies schlug sich auch auf die Börse nieder. Ausländische Investoren zogen jegliche Investitionen aus dem Land zurück, da alle Zeichen auf Bankrott und Anarchie standen. So verlor unsere Währung stetig an Wert, bis sie gegen Mittag rund drei viertel weniger galt. Um die Preise für den Export noch zu retten, kippte man, von oberster Stelle angeordnet, tonnenweise Lebensmittel ins Meer. Doch das Volk hatte Hunger und zog gegen Nachmittag ,(nunmehr ein Pöbel),
um seine Marende beraubt, plündernd und mordend durch die Strassen.
International galt unsere Nation, einstmals eine Wirtschaftsmacht, am späten Nachmittag als Entwicklungsland, als Brutstätte für den Terrorismus und dazu noch als bitterböser Umweltverschmutzer.
Da sich unsere Regierung nicht bereiterklärt hatte, einen mutmaßlichen Terroristen (Theodor Halmich, ein unschuldiger Wurstverkäufer und zufälligerweise besagter Nachbar) auszuliefern, erklärte uns die Supermacht, wider der Entscheidung des Ältestenrats und ganz gegen den Willen unserer Regierung, den Krieg. Schon um halb sechs explodierten die ersten Bomben auf Staatsgebiet doch unsere Soldaten, vom nachmittäglichen Hunger gepeinigt, waren machtlos. Das Establishment hatte keine Freunde auf internationaler Ebene, unsere Verbündeten wandten sich von uns ab; kurzum unserem Land war die Niederlage gewiss.
Doch dann intervenierte der Ältestenrat, die feindlichen Truppen zogen ab, die Bürger kamen aus ihrer Deckung hervor, ein letzter Bombenhagel; Die Friedensverhandlungen begannen.
Man verhandelte und verhandelte, fast wäre uns ein unbezahlbarer Kriegstribut aufgebürgt worden doch das beste Argument unseres Botschafters, nämlich, dass wir eigentlich nichts getan hätten, war Hieb- und Stichfest. Das Blatt hatte sich gewendet. Die nachfolgenden Verhandlungen würden nur noch die Summe der an uns zu bezahlenden Schadenersatzforderung bestimmen doch als sich plötzlich ein beherzter Bürger im Verhandlungssaal in die Luft sprengte, hatten die Verhandlungen einen toten Punkt erreicht. Wortwörtlich.
Als „offensive Provokation“ bezeichneten es die Supermacht und ihre Verbündeten und nahmen damit die Angriffe wieder auf. Doch der größte Teil des Ältestenrats hielt zu uns da wir ein so genannter „Mitleidsfall“ wären.
Ein blutiger Krieg entbrannte.
Ich sitze hier am Fenster, schreibe diese Zeilen und esse ein letztes Butterbrot. Unten in der Stadt, oder was davon übrig geblieben ist, schweigen die Waffen. Die letzten Soldaten und Bürger sind gefallen, Brände überall und hie und da ein Blitz 300mal heller als die Sonne und doch fehlt mir etwas. Obwohl ich alles erreicht habe, was ich mir heute Morgen vorgenommen habe, bin ich doch von einer inneren Leere ergriffen. Vielleicht ist es mein Gewissen das mir zu schaffen macht, oder mein Nachbar der trotz des weltweiten Todes und Zerstörung nicht nur überlebt, sondern seine Feierlichkeiten, obgleich mangels Gästen, fortsetzt, oder es ist einfach nur die Radioaktivität.
Es ist zu einfach.