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Der Anzug- und Krawattenmeteorologe
DER ANZUG- UND KRAWATTEN-METEOROLOGE
Uschi und Renate, beide BURNOUTler, freuten sich auf ihren bevorstehenden Urlaub.
„Und wenn wir dieses Mal nach Sardinien fliegen?“, fragte Renate.
„Ach komm, wo wir doch tagein tagaus in der Sardinenfabrik schuften! Ich kann keine Sardi-nen mehr sehen!“
„Wie wär`s mit Spanien? Mach mal den Fernseher an, Renate. Schauen wir mal, wie`s Wetter wird …“
Als Renate den Wetteransager sah, musste sie würgen – „mein Gott, der schon wieder …!“, schrie sie auf.
Wenn der Meteorologe mit dem modischen Anzug, der Krawatte und der uralten Brille auf dem Bildschirm erschien, bedeutete das Regen und Kälte, und zwar für sehr, sehr lange Zeit! Und der Krawattenmann behielt immer recht!
„Was ist mit dem?“
„Das ist der, der permanent schlechtes Wetter vorhersagt!“, sagte Renate. „Und das bleibt dann sechs Wochen so. Oder noch länger! Bei dem wird`s immer schlecht: Letztes Jahr hatte es fast den ganzen Sommer verregnet, und dann kam der Typ da und sagte: `Für diese Jahreszeit viel zu trocken!` … - so eine Schwuchtel! Ich hasse diesen Affen!“
„Hast du dich schon beim Sender beschwert?“, fragte Uschi.
„Schon mehrmals, aber ich hab` niemals eine Antwort bekommen.“
„Über Skandinavien macht sich ein Tiefdruckgebiet breit, überall in Europa weiterhin kühl und regnerisch …“, sagte der Krawattenmann jetzt: „Tja, es scheint, es wird wieder nichts mit dem Sommer …“ Dann lachte der Ansager.
„Na, was hab` ich dir gesagt?“
„Vielleicht hat er sich vertan, und meinte nur Deutschland?!“, stammelte Uschi vor sich hin
und ließ das Gesicht hängen.
„Nein, nein, der redet immer für ganz Europa. Das ist ein richtiger Schweinehund! Es macht ihm Spaß, wenn Menschen, mit geringem Einkommen, nicht in den wohlverdienten Urlaub fahren können. Sieh ihn dir an, wie er grinst …!“
„Tatsächlich, jetzt seh` ich`s auch. Dass sie solche Leute überhaupt einstellen?!“
„In der Fernsehzeitung hab` ich gelesen, dass er bereits zum vierten Mal verheiratet ist!“
„Ich dachte, der ist schwul?“
„Ach, bei Deutschen Männern weiß man das doch nie … - die sind doch alle gleich …! Die
heiraten doch alle nur wegen der Steuer!“
„Renate, wir schreiben noch einmal einen Brief, so einen ganz hundsgemeinen, und lassen alle Mitarbeiter von der Fabrik unterschreiben.“
„Meinst du, das funktioniert?“
„Na sicher! Über zweihundertfünfzig Unterschriften …! Zählen die nicht?“
„Genau, das machen wir! Auch wir Arbeiter haben ein RECHT auf einen sonnigen Urlaub! Nur gemeinsam sind wir stark!“
Renate und Uschi schrieben einen geharnischten Brief an den Sender. Am Schluss des Briefes
merkten sie, als „PS“, an: „Und wenn Sie wieder nichts von sich hören lassen, wenden wir uns an den -…- wie nennt man denn den Chef, von einem Fernsehsender?“, fragte Renate.
„Intendant, glaube ich …“
„Dann sollten wir gleich an den `Impendanten` schreiben!“
„Gut, einverstanden!“
Sie schrieben dem Intendanten, dass sie von dem Mann genug hätten, er solle diesen furchtbaren Mensch versetzten, er solle dafür sorgen, dass er „Land gewinnt!“
Die Unterschriften der Kollegen fügten sie bei. (Einige unterschrieben nicht – sie hatten
Angst vor so einem mächtigen Mann - Doktor war er auch noch!)
Es waren mehrere Wochen vergangen - der Sender schrieb ihnen nicht zwar nicht zurück, allerdings bemerkten Renate und Uschi, dass die Verantwortlichen den „Regen- und Käl-temann“ anscheinend abgesägt beziehungsweise versetzt hatten.
„Er ist weg, Renate, sieh doch! Jetzt sagt eine hübsche Frau das Wetter an!“
„Ja, und so schön warm ist es wieder! Gut, dass fast alle unterschrieben haben …!“
„Sind halt doch gute Kollegen, wenn` s drauf ankommt…!“
„Ja, wirklich … - aber was ist denn das? Das ist ja unglaublich! Da ist er ja schon wieder!“
„Na und? Lass ihn doch! Das Wetter macht er uns jedenfalls nicht mehr kaputt!“
„Uschi! Ich hab` ein paar Aktien angelegt. Zwar nicht viele, aber trotzdem! Was liest er denn da vor?“
„Ich nehme an, die Aktienkurse …“
„Ja, aber die sinken ja alle!“, klagte Renate, „das wäre die Einlage für den Spanienurlaub gewesen!“
„Soll das heißen, wir fahren nicht?“
„Ja, wie denn? … - wenn sie diesen Deppen jetzt dahin verfrachtet haben. Du kennst ihn doch, du weißt doch, dass ihn alles, was uns deprimiert, glücklich macht! Ich kann nicht in den Urlaub fahren, weil dieser Perverse alles zunichte macht …!“
Renate flennte: „… so ein gemeines Schwein …!“
„Da wär`s vielleicht doch besser gewesen, wir hätten keinen Brief geschrieben …“
„Nein, das war schon richtig, ich frag` meine Mutter wegen der Reisekosten, sonst wäre ja das Fettabsaugen ganz umsonst gewesen!“
„Genau. Der möchte uns bloß wieder ganz dick sehen, aber diesen Gefallen tun wir ihm bestimmt nicht …!“
„Nach dem Urlaub schreiben wir aber erneut dem Sender, weil ich mir nächstes Jahr einen Gebrauchtwagen anschaffen will …“
„Nein, nein, wir tun gar nichts mehr, Renate, sonst kann`s sein, dass sie ihn in die Abteilung Metalle und Gewerkschaften versetzten …“
„Ah ja, genau …!“