Der Anruf
Der Anruf
"Ruf an, wenn du mich brauchst. Du weißt ja, ich bin immer für dich da."
Große Worte, kleiner Abschied.
"Wir wollen als Freunde auseinandergehen" hatte er versprochen, "es tut mir leid. Ich kann doch nichts dafür. Ich kann doch nicht gegen meine Gefühle ankämpfen".
Hah.... Gefühle. Fragte er mich denn nach meinen Gefühlen.
Dreiundzwanzig Jahre lang Socken waschen, Hemden bügeln und Schweinebraten servieren, das hinterläßt eben Spuren. Da hat so ein junges Blondchen es eben leicht. Graue Schläfen und Tränensäcke unter den Augen und ein schlaffer Bauch unter dem Gürtel lassen sich so leicht zu einem Strohfeuer entfachen.
So ließ ich ihn nach seinem theaterreifen Auftritt, seinen Freundschaftsschwüren und seinem Versprechen, immer für mich da zu sein, in seinen neuen Frühling fliehen.
Als ich ihn dann das erste Mal brauchte, rief ich an. Ich brauchte ihn, weil ich allein war und nur mit jemandem reden wollte. Blondchen war am Telefon. Ich legte wieder auf.
Beim zweiten Mal, ein paar Wochen später, erklärte mir sein zweiter Frühling mit mütterlich tröstenden Worten, daß er gerade mit dem Hund um die Ecken sei und ob sie mir vielleicht helfen könne. Oh neee... danke. Entschuldigung.
Zurückgeufen hat er nie.
Beim dritten Mal hatte ich nun wirklich einen Grund anzurufen. Seit drei Monaten saß ich nun hier, ohne einen Pfennig Geld von ihm zu bekommen.
Am Telefon war Blondchen. Er sei auf Geschäftsreise. Wie sie mir helfen könne, wollte sie wissen.
Und ich ließ es sie wissen. So in aller Freundschaft, die er mir beim Abschied versicherte.
"Na das kommt nun aber doch sehr ungünstig", flötete es durch's Telefon. "Auto kaputt und teure Reparatur", alles hab ich nicht verstanden.
Die letzten Worte "rufen sie ruhig an, wenn sie Sorgen oder Probleme haben", die hab ich dann wieder gut verstanden.
Dann hab ich's gelassen, das mit der Freundschaft und so. Hab mir'n Job gesucht und neu angefangen.
Steno statt Socken waschen. Konzertbesuch statt Hemden bügeln. Pizzeria statt Schweinebraten servieren.
Tut mir gut irgendwie.
Das Telefon riß mich aus meinen Gedanken. Eine leise Stimme erinnerte mich an frühere Zeiten. An eine lange glückliche Ehe und an das Versprechen, trotz allem als Freunde auseinanderzugehen.
Blondchen hatte ihn verlassen. Nach nur zwei Jahren. Ein Jüngerer. Ach .... er tat mir ja sooo leid.
So ganz in aller Freundschaft hab ich ihn zum Kaffee und zum Ausheulen eingeladen. Und nur dazu. Seine Socken und Hemden, die nimmt er wieder mit.
Monika A. E. Klemmstein