Der Anfang vom Ende
Der Anfang vom Ende
Es mußte ja so kommen. Genüßlich trank ich den letzten Schluck aus und wischte mir voller Zufriedenheit meinen Mund ab.
"Sind Sie soweit?"
"Natürlich bin ich soweit, seit Jahren schon."
Dies ist der Anfang vom Ende. Mit meinem Revolver und meiner Sturmmaske stehe ich nun hier im Laden. Der kleine Kassierer hält zitternd seine Arme in die Höhe. In seinen Augen kann ich seine Angst sehen. Ihm stehen die Tränen nahe, ich glaube am liebsten würde er sofort drauf los heulen und sich in die Hose machen. Mit meiner rechten Hand halte ich den Revolver auf sein Gesicht gerichtet. Mein Arm ist ausgestreckt und angespannt. Mit der linken Hand schnappe ich mir die vollgestopfte Einkaufstüte. Langsam gehe ich einen Schritt zurück. Zwei. Dann drei Schritte. Mein Arm ist immer noch angespannt und auf den kleinen Wicht gerichtet. Ich bleibe stehen. Ich komme nicht von ihm los. Ich kann es nicht. Ich kann mich nicht beherrschen, meine Hand fängt zu zittern an und der Revolver liegt nun immer unruhiger in meiner Hand. Ich weiß, ich darf mir keinen Fehler erlauben, aber es ist so verlockend. Dieses Metall, ja schau doch nur wie es mich anlächelt. "Du willst es doch auch." Nein, nicht heute. Nicht nochmal. Ich sichere meine Waffe, drehe mich um und renne hinaus. Geschafft.
Hier bin ich nun, stehe vor meinem Bett und lasse mich auf diesjenige fallen. Ich muss lachen, ich kann nicht anders. Ich freue mich über den geglückten Überfall. Immer wieder muß ich an diesen Kassierer denken und lache mich bei dem Gedanken wie er sich in seine Hose macht halb tot.
Eine kühle Brise zieht in mein kleines Apartment herein und gibt mir das Gefühl der Freiheit. In meinen Gedanken liege ich sonnebräunend in einem Liegestuhl am Strand und schaue mir die Wellen an, wie sie immer wieder unermüdlich versuchen den Strand zu erreichen.
Stunden mussten vergangen sein, ehe ich meine Augen öffnete. Es war nun nicht mehr Abend sondern Morgen. Langsam wälzte ich mich zur Seite und schwellte in Erinnerungen. Das waren noch Zeiten, dachte ich.
Ich starrte auf den Boden. Schritte näherten sich. Gleichmäßig. Sie mußten sehr nahe sein, dachte ich. Sie hielten inne. Kein Mucks, kein gar nichts. War es nun soweit? War ich auf der Liste? - Nein. - Langsam hörte ich die Schritte weiterziehen, in einen gleichmäßigen Rhytmus übergehend. Nein, die Zeit war noch nicht reif. Sie war noch nicht gekommen. Nicht heute.
Ich wache auf. Kurz und schmerzlos denke ich mir immer, als wenn man von jemanden auf brutalste Weise aus seinem Schlaf gerissen wird. Senkrecht stehe ich im Bett und kann meinen Augen kaum trauen. Die Tür - aufgebrochen. Sie hängt noch in der Verankerung, jedoch sind die oberen Schaniere abgebrochen. Entsetzt stehe ich auf und sehe mich um. Meine Blicke haschen vom Bett auf die Kommode, übers Waschbecken züruck aufs Bett. Hetzend falle ich auf meine Knie und reiße die Bettdecke weg. Unterm Bett - nichts! Verdammt! Scheiße! Man hat mich beklaut! Ich fasse es nicht. Unglaubwürdig falle ich zu Boden. Die Zigarette die ich erblicke stecke ich mir sofort in den Mund und suche mein Feuerzeug. Sofort blicke ich auf die Kommode, dort wo ich es immer ablege. Direkt neben meiner Kippenschachtel. Ja. Mit zittrigen Händen nehme ich es auf und geleite es zu meiner Zigarette. Zack! ertönt es. Langsam inhaliere ich den wunderbaren Geschmack des Tabaks und atme genüßlich aus. So eine Zigarette am Morgen ist wahrscheinlich das Schönste was es gibt. Ich drehe mich um und werde sofort aus meinen Gedanken gerissen. Hastig stampfe ich zu der Tür und schlage sie zu. Sie passt nicht, sie ist kaputt denke ich nur. Gleichgültig wende ich mich von ihr ab und erkenne meine Situation. Ich fühle mich hilflos. Ich weiß nicht was ich tuhen soll. All mein Geld, es ist weg! Verstört setze ich mich aufs Bett und rauche meine Zigarette zuende.
"Erkennen Sie den Mann der den Kassierer erschossen hat?" Oder vielleicht: "Nummer eins? Sind sie ganz sicher?" Nun, ich weiß nicht was die alte Frau gefragt wurde. Ich weiß nicht mal ob sie es überhaupt war. Es ging alles so schnell. Ich konnte nicht widerstehen - dieses Metall, ich liebe es. Zack! Ja. Genauso macht es. Nur ein bisschen lauter, aber es klingt genauso wie mein Feuerzeug. Wie in Zeitlupe schießt die Kugel aus dem Lauf. Schnell? Nein. Ich muß mir widersprechen. Langsam schnellt sie durch die Luft, durchdringt Schall und Zeit. Langsam, immer weiter Richtung Theke. Was dann passiert kann ich nur erahnen. In meinen Augenwinkeln erkenne ich eine Gestalt. Klein. Mit weissen Haaren. Ich konzentriere mich wieder auf die Kugel. Sie ist weg. Das einzige was ich sehe ist eine rote Wand. Der Kassierer lehnt an dieser Wand. Seine Augen sind verdreht und langsam fällt er zu Boden.
Ich fühle mich gut - nein. Ich fühle mich besser als gut. Glückshormone steigen in mir hoch. Mir schießen tausend Gedanken durch den Kopf. Die Sonne scheint. Ja. Sie ist schön. Sie erhellt die Wand und den Kassierer. Es ist ein schöner Anblick - ich bin zufrieden.
"Paul Jones - Sie wurden zum Tode, durch den elektrischen Stuhl, verurteilt. In wenigen Minuten werden eintausend Volt durch Ihren Körper fließen, die Ihnen einen schnellen Tod herbeiführen werden. Möge Gott Ihrer Seele gnädig sein."
Ja, dies ist der Anfang vom Ende. Ich weiß es, die Zeit ist reif. Ich sehe 20 Gesichter vor mir die mir nichts sagen. Ich sehe ihre Augen. Sie haben Angst. Sie sind mit Hass erfüllt. Ich werde ihre zornigen Augen niemals vergessen.