Der Anfang ist gemacht
Es war nicht sein Tag heute, das stand fest und liebend gerne wäre er auf dem Absatz umgekehrt, hätte sein Finger nicht schon den Klingelknopf der Wohnung gedrückt; der Wohnung, in die er für lange Zeit täglich ein und aus-gegangen war und die er so lange nicht wiedersah, seit dem Tag, an dem sie ihn hinauswarf. Sie, seine Ex.
Es war schwer gewesen für ihn. Schwer, so ohne seine Tochter auszukommen. „Ich mache mir nichts aus Kindern!“ hatte er immer argumentiert, wenn Noel ihm von ihrer Freundin erzählte,
die mit den Zwillingen, der sie so oft half, weil sie immer gleichzeitig Hunger hatten, gleichzeitig die Hose voll und gleichzeitig in den Zoo gefahren wurden.
Dass sie die Pille vergessen hatte, kaufte er ihr damals nicht ab. Er kreidete ihr das als eine weibliche List an, nur dazu ersonnen, ihn zur Vaterschaft zu zwingen. Sie kannte seine Einstellung und hatte sie zu akzeptieren. Sie hätte mit ihm reden sollen, ihn nicht so überfallen.
Es war nicht der Hauptgrund für ihre Trennung gewesen, aber ein Grund mit, weshalb ihre Beziehung zerbrach im Lauf der Jahre. Das alles ging ihm durch den Kopf, während er darauf wartete von ihr eingelassen zu werden. Sie wusste, dass er kam. Zum ersten mal hatten sie ihn eingeladen, Heiligabend mit ihnen zu verbringen. Oft hatte er versucht, sein Kind zu sehen und was bekam er jedesmal zur Antwort: „Darf ich dich erinnern: Du machst dir nichts aus Kindern!“ Wie oft hatte er diesen Satz seither verflucht.
Er brachte Geschenke mit, hielt sie unter seinen Armen und nun öffnete keiner. Sollten sie sein Klingeln überhört haben. Seine Nackenhaare sträubten sich, doch kaum drückte er den Knopf zum zweitenmal, wurde auch schon die Türe aufgerissen und ungestüm ehe er es wirklich begriff packten ihn zwei Arme und ließen ihn nicht los. Er verlor fast die Geschenke, während sie ihn ins Wohnzimmer zogen.
Nun trat auch Noel ins Zimmer, lehnte sich nur an den Türrahmen und raunte ihm ein „Hallo!“ zu. Mehr war er ihr nicht wert? Keine Berührung, nichts? Er besah sich seine Tochter und sie bemusterte ihren Vater. „Sie wollten es!“ war alles, was Noel ihm zu verstehen gab.
Ein Wort nur verließ seine Kehle: „Ahja!“ und so sollte es jetzt den ganzen Abend weitergehn? Er drückte sein Kind und zeigte ihm, wie sehr er sich freute. Wenigstens sie, seine Tochter, sollte es wissen, wie er sie all die Jahre vermisst hatte. Sie kroch ihm fast in die Tasche: „Papa, mein lieber Papa!“ „Meike, meine liebe Meike!“ Der Anfang war gemacht.
Wie es weitergehen sollte, es war ihm egal. „Wird schon werden!“ sagte er sich.
