Der Alte und der Tod
Der Tod trat eines Tages an einen Alten heran und fragte ihn, ob er ihn fürchtete. Der Alte antwortete ihm: Alter Freund, Furcht habe ich keine vor dir. Ich achte dich ob deiner schweren Bürde und habe dich sogar erwartet. Und tatsächlich, er zeigte auf einen kleinen Tisch, auf dem ein Mahl bereitet war, nur für einen. Der Tod, einigermaßen überrascht, ließ es sich jedoch nicht anmerken, setzte sich und begann zu essen. Der Alte setzte sich ihm gegenüber, vollkommen ruhig. Er schaute, er musterte den Tod genau, und dieser, der seine Neugierde nicht zügeln konnte fragte ihn: Greis, der du bist, warum fürchtest du mich nicht? Ich wird dein Leben nehmen, gleich ob du mich bewirtest oder nicht. Der Alte lächelte ihn zahnlos an, leckte sich die Lippen und entgegnete: Ich bin schon tot, ich starb schon viele Male. Aber doch sitzt du hier, antwortete der Tod ihm, du sitzt hier und sprichst mit mir, wie kommt es also das du tot sein kannst? Der Alte lächelte wiederrum und zog eine schauerliche Grimasse. Lass mich dir meine Geschichte erzählen, die Geschichte wie ich starb.
Der Tod, der in seiner Bestimmung wenig Neues fand, dachte bei sich, dass es wohl nicht schaden würde, den Alten anzuhören und sagte zu. Sogleich begann der Alte: Ich wurde geboren, vor vielen Jahren in einer kleinen Stadt, Es gab nicht viel, einige Geschäfte, einige Plätze, einige Allen. Meine Mutter sorgte sich sehr um mich, sie war geschieden. Sie zog mich auf, allein in dieser Stadt. Ich wurde älter, erst 5, dann 10, dann 15 und irgendwann lernte ich, was Liebe war. Ich lernte die Liebe kennen, nicht die Liebe wie man seine Mutter liebt, sondern die Liebe wie man eine Frau liebt. Ich traf sie in einem Geschäft für Maler und Kunstbedarf, sie suchten Farben um zu malen, ich Tapeten, wir wollten streichen. Sie fiel mir auf, ihr verlegenes Lächeln, die Zurückhaltung in ihren Bewegungen, ihre anziehende Gestalt, sodass ich sie ansprach. Wir redeten und trennten uns wieder. In der nächsten Woche, war ich wieder in dem Laden und sie auch. Wir sprachen abermals. Dies wiederholte sich ein weiteres Mal und so fragte ich sie, ob sie mit mir ausginge. Erstaunlicherweise, denn damals war ich ein Wicht, sagte sie zu und wir wurden ein Paar. Alle beglückwünschten uns, ihre Freunde, meine Freunde. Wir liebten uns, heiß und innig, bei Tag und bei Nacht. Wir beide gaben Dinge auf, für den anderen und lernten neue Dinge kennen. Eines Tages, ging ich zu ihr, die Sonnte schien und die Vögel zwitscherten und sie sagte mir, dass sie mich nicht mehr liebte. Hier starb ich. So war ich wieder alleine und wandelte umher, wie Odysseus der die Meere befuhr, auf der Suche nach dem Hafen in dem die Liebe wartete. Irgendwann, später, wohnte ich einer Konferenz bei. Eine Frau kam zu spät, lief herein und lächelte ein Lächeln der Ertappten. Die Konferenz ging einige Tage, ich redete mit ihr, schäkerte und am Ende der Tage waren wir ein Paar. Alle beglückwünschten uns, ihre Freunde, meine Freunde.
Sie war von weit her, wir sahen uns selten aber liebten und dafür umso mehr. Eines Tages trat sie an mich heran und offenbarte mir, dass sie fortging. Ich ertrug dies nicht und wir trennten uns. Auch hier starb ich. Wiederrum wandelte ich auf der Welt, alleine, wie der Geselle um zu lernen und eine Bleibe zu finden und traf eine Frau. Sie gefiel mir, ihre Art zu reden und zu denken, zu scherzen und zu lachen, ihre Wille, sich nicht erobern zu lassen. Ich erstürmte sie. Wir waren ein Paar. Alle beglückwünschten uns, ihre Freunde, meine Freunde. Es verging eine Zeit. Man merkte, dass es Unterschiede gab und eines Tages trennte man sich, trotz aller Schwüre der ewigen Liebe. Hier starb ich, ein letztes Mal. Von diesem Tag an wachte ich jeden Tag auf und war tot. Und nun kommst du zu mir, alter Freund und fragst mich ob ich dich fürchte? Ich bin tot, ich habe nicht mehr zu fürchten.
Der Tod stand auf, ging zu ihm herüber und hüllte ihn in seinen schwarzen Mantel. Als er verschwand, lag der Alte da, selig lächeln, als hätte er endlich Frieden gefunden.