Der alte Ritter
Einst lebte ein alter Ritter in einem noch älteren Dorf. Seine kleine Burg stand am Rande des Ortes auf einem kleinen Hügel. Die verfallenen Mauern wurden von kahlen Sträuchern und alten Bäumen umgeben, die ihre langen Schatten in den Burghof warfen.
Dieser war von Löchern zersetzt, Unkraut wucherte. Der Geruch von Alter und Tod lag in der Luft. Gegen Süden erhob sich ein kleiner Turm, dessen Zinnen sich schon vor urdenklichen Zeiten aufgelöst hatten. Eine zerfledderte Fahne mit dem Zeichen des Ritters flatterte träge im Wind.
Es war still im Burghof. Die Stille wurde durchbrochen, als sich das große, eicherne Portal im Haupthaus öffnete. Die verrosteten Angeln knarrten, das Holz stöhnte. Staub wallte auf. Heraus trat eine Gestalt, gekleidet in einen alten, stumpf glänzenden Panzer. Die Gelenke klapperten und einige Panzerplatten lösten sich von der Brust und schepperten auf den Boden. Das Visier war hochgeklappt. Ein hageres, zerfurchtes Gesicht wurde sichtbar. Unter buschigen Augenbrauen glänzten im Gegensatz zum äußeren Erscheinen des Ritters zwei frische, wache Augen. Sie musterten die Umgebung aufmerksam und nicht mit der üblichen Gleichmütigkeit.
Heute war ein besonderer Tag. Der alte Ritter war erschienen, um in das Dorf zu gehen. Er besaß zwar ein Pferd, doch dieses war so alt, dass es kaum mehr einen Sattel tragen konnte, geschweige
denn einen Reiter.
Mit letzter Kraft öffnete der Ritter das Tor um Burghof. Auch hier knarrten die Angeln fürchterlich. Doch das nahm der Ritter schon gar nicht mehr wahr. Er schloss das Tor hinter sich.
Ein kurzer Schwächeanfall ließ Ihn gegen die brüchige Mauer stolpern, einige Steinbrocken lösten sich daraus und fielen auf den staubigen Boden. Nachdem sich der alte Ritter erholt hatte, anderte
er die schmale, sich durch das Tal windende, Straße zum Dorf hinunter. Der Ritter ging sehr langsam, vom Alter gebeugt. Ein langes Schwert baumelte an seiner Seite. Es sah aus wie neu geschmiedet.
Der Ritter brauchte lange bis Ins Dorf. Die ärmlichen Hütten standen eng beieinander. Es stank nach Unrat und nach der Ausdünstung der Lebewesen, die hier ihr Leben fristeten. Die Fenster der Hütten hatten kein Glas, gleich zahnlosen Mäulern gähnten sie den Ritter an.
Vor dem alten Brunnen in der Dorfmitte hielt er mit seinen Schritten inne. Seine klaren Augen wanderten hin und her, doch sie konnten nichts Verdächtiges entdecken. Auch hier war es still. Wie in einem Grab. Es wehte kein Wind mehr. Die Ruhe vor dem Sturm.
*
Plötzlich erhob sich ein Getöse aus himmlischen Sphären, Wind peitschte gegen die morschen Hütten und grauer, dicker Rauch schob sich durch die engen Gassen und Straßen.
Der Himmel dröhnte. Lichtblitze zuckten gen Erde und ließen die Menschen in ihren erbärmlichen
Behausungen vor Todesangst erzittern. Das Gedröhne wurde immer lauter.
Und wie ein Fels stand in allem der alte Ritter, der nur seine guten Augen und sein blitzendes
Schwert besaß.
Es war wieder soweit. Der Tag des Großen Kampfes war angebrochen. Er hatte ihn auszufechten - wie sein Vater, sein Großvater und dessen Ahnen zuvor! Er zog sein Schwert und seine Gestalt wirkte wie ein Scheinen im sich verziehenden Rauch, wie ein Schatten aus dem Nichts.
Der Himmel hielt still. Der Rauch verschwand. Der schlanke Leib des Raumschiffs erhob sich keine fünfhundert Schritte vor dem alten Ritter glänzend gegen die rote Sonne. Ein Sendbote der Götter von OBEN. Die Götter waren von den Sternen wiedergekehrt.
Des Ritters Augen wurden hart. Seine rechte Hand packte den Griff des Schwertes fester. Er würde dem stählernen Tod entgegentreten. Langsam ging er vor. Seine Bewegungen wirkten immer noch müde, doch dieses täuschte. Der alte Ritter sammelte seine allerletzten Kraftreserven und betete inbrünstig zu seinen Göttern.
Die Sonne strahlte vom Himmel und schickte ihre roten Strahlen hinunter und ließ den Brustpanzer des Ritters seltsam erleuchten. Der Ritter hob sein Schwert und hieb es auf den
stählernen Leib des Giganten. Die Wandung erzitterte, das Schwert vibrierte in den alten, aber
starken Fäusten des Ritters. Bein Panzer zerbarst nun vollends und verteilte sich in rostigen Stücken auf dem Boden. Nur noch mit dem Lendenschurz bekleidet, schlug der Alte wiederum sein Schwert gegen den Stahl. Doch nichts geschah. Immer und immer wieder hob der alte Mann sein Schwert, um die Götter zu bezwingen.
Aber er war sinnlos. Es dauerte über eine Stunde, bis der alte Ritter zusammenbrach, das Schwert fallen ließ und am Fuße des Raumschiffs an Herzversagen starb.
*
"Alle hundert Jahre kehren wir auf diesen Kolonialplaneten zurück. Und jedes mal erscheint eine solche Figur von einem prähistorischen Don Quichotte und schlägt mit seinem lächerlichen Sehwert auf unser Schiff ein. Es war nun schon der sechszehnte! Verstehst du das, Sha-Loom?"
"Nein, Kommandant. Wir werden halt nach Terra heim fliegen müssen, um dem Oberkommando zu berichten, dass sich die Menschen auf Kolonial VIII immer noch nicht zivilisiert haben. Kommen wir in hundert Jahren wieder!"
ENDE