Der alte Reiter
Es war sein letzter Winter.Er spürte es. Sein Frühstück war das Selbe, wie immer. Eine Scheibe Pumpernickel und einen kalten Tee. Kalt, wie sein Lebensende.
Er ging aus dem Haus. Auch draußen war es kalt. Wie sich doch alles verband, dachte er. Als er an einer Straße vorbeikam, sah er einen Vogel. Er lag wohl schon länger da, und man konnte sich kaum vorstellen, das dieser mal durch die Lüfte gesegelt war. Danach erblickte er zwei Kinder. Sie spielten auf dem Gehweg und hätten ihn fast umgerannt. Der Mann ging weiter, ohne ein Wort zu sagen. Wäre er umgefallen, hätte dieses unerträgliche Leben vielleicht ein Ende gehabt.
Als er zu Hause ankam, legte er sich direkt in sein Bett. Zu müde und erschöpft war er, um noch etwas zu essen. Er starrte an die weiße Decke. Wie immer, dachte er. Als er da so lag und darüber nachdachte, wie der Vogel auf der Straße gelegen hatte, so zermatscht, da überlegte er sich wie der junge Vogel wohl geschlüpft war, umsorgt von seinen Eltern. Irgendwann hatte er sich in die Lüfte erhoben, hatte Passanten geärgert, selber Küken bekommen und war alt geworden. Er spürte schon in der Luft, dass sein Ende nahte. Wenn nicht heute, dann morgen, wenn nicht morgen, dann übermorgen. Und dann war er langsam zu Boden gesegelt und stand nicht mehr auf. Kein Krächzen mehr und auch keine geärgerten Passanten.
Ihm fiel seine eigene Kindheit ein. Er spürte die so oft vermisste Wärme. Doch dann fiel ihm auch ein, wie dies alles ein plötzliches, jähes Ende nahm. Er wollte doch nur ein kleines Feuer vor dem Hühnerstall machen, doch damit ruinierte er seine Eltern. Sie verstießen ihr eigenes Kind und so zog er hinaus in die weite Welt.
Er dachte noch lange darüber nach, wie ihn sein Schicksal durch das Leben geritten hatte. Eigentlich ein erfülltes Leben, dabei war er nie zufrieden gewesen. Jetzt wusste er dies zu schätzen. Zufrieden schloss er die Augen.
Der Mann,den man am Morgen fand,war etwa 80 Jahre alt, knorrig, zusammengekrümmt und hatte noch seine Alltagskleidung an. Das merkwürdigste war allerdings sein Gesicht. In diesem thronte ein breites, zufriedenes Grinsen.