Was ist neu

Der alte Mann

Mitglied
Beitritt
08.02.2002
Beiträge
2

Der alte Mann

Neulich sprach mich ein alter Mann an, und fragte mich nach dem Weg in die Innenstadt.

Mit amerikanischem Akzent erzählte er mir, er sei vor dem Krieg hier aufgewachsen, dann seien seine Eltern in die USA ausgewandert, auch weil er in seiner Familie einen jüdischen Vorfahren besäße.

Heute sei er zurückgekommen, um noch einmal durch die Strassen der Stadt zu gehen, die ihm nur noch wage in Erinnerung blieb.

Doch dann gestikulierte er, ich verstand ihn recht schlecht.

Das Viertel in dem er aufwuchs wäre heute mehrheitlich von Türken und Jugoslawen bewohnt, die alten Kneipen und Wirtshäuser Thairestaurants oder Fitnesscenter, die Geschäfte genauso wie in Amerika, erzählte er mir, mit etwas wehleidigem Unterton.

Überhaupt schien ihm nur wenig übriggeblieben zu sein, von dem alten deutschen Charakter seiner Heimatstadt, der deutschen Gemütlichkeit, die er doch noch vermutete in dem Land seiner Herkunft.

Er erzählte mir, wie seine Freunde und er durch die Strassen zogen, unbeaufsichtigt von seinen Eltern, er erzählte mir vom Leben, von 10 köpfigen Familien, von Menschen die einander kannten und nicht fremd waren, von Zusammengehörigkeits- und Heimatgefühl.

Ich sagte ihm, ich könne diesen Charakter nicht nachvollziehen, da ich sehr jung sei, ich sagte ihm auch, heute ginge es nicht mehr um Heimat, sondern um Geld.

Der kalte Bürokomplex an der Ecke, ich zeigte mit dem Finger, ja dort arbeite ich.

Er verstand und wünschte mir noch einen guten Tag.

[Beitrag editiert von: brot am 08.02.2002 um 18:13]

 

"Mit amerikanischem Akzent erzählte er mir, er sei vor dem Krieg hier aufgewachsen, dann seien seine Eltern in die USA ausgewandert, auch weil er in seiner Familie einen jüdischen Vorfahren besäße."

Das ist schon richtig so, denn er weiß es nicht einmal selber, ob er einen jüdischen Vorfahren besitzt oder nicht, und ich weiß es erst recht nicht, deswegen "besäße" (besitzt legt sich hier fest).


"Heute sei er zurückgekommen, um noch einmal durch die Strassen der Stadt zu gehen, die ihm nur noch wage in Erinnerung blieb."

Hier schreibe ich "blieb" mit Absicht grammatikalisch falsch. Denn es ist hier eine faktische Definition.

"Überhaupt schien ihm nur wenig übriggeblieben zu sein, von dem alten deutschen Charakter seiner Heimatstadt, der deutschen Gemütlichkeit, die er doch noch vermutete in dem Land seiner Herkunft."

Das ist richtig, denn er "vermute" es nicht, sondern er "vermutete" es. Ich habe hier das "noch" gewählt, um die Vergangenheit noch nicht völlig abzuschließen, also könnte er gerade eben noch vermutet haben. So kann man sagen "ich vermute", "ich vermutete noch", "ich vermutete".

Man muss die deutsche Grammatik nicht immer 1:1 auslegen, dies trägt nicht zur Schönheit der Sprache bei.

Ansonsten kann ich Dir zustimmen, ich habe diesen Text ohne große Planung runtergeschrieben, im nachhinein finde ich ihn bescheuert, um es einmal so auszudrücken, es war nur eine Skizze, mehr nicht.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom