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Der Abschied

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15.09.2018
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Der Abschied

Der Abschied
Sie startete den Motor und drehte das Radio laut auf. Das Navi sagte ihr eine Ankunftszeit in 2 Stunden voraus. Angeblich kein Stau unterwegs.
Sie fuhr aus ihrer Straße hinaus. Ihrer Straße, die im letzten Jahr ihr Zuhause geworden war. Im Rückspiegel betrachtete sie das Haus, in dem sie gelebt hatte. Kein Fenster war erleuchtet. Es wirkte verlassen. Als wäre es traurig darüber, dass sie es verließ.

Auf dem Weg aus der Stadt heraus, sog sie jedes kleinste Detail in sich auf. Die Stadt, die ihr vor etwas mehr als einem Jahr noch fremd und jetzt so unglaublich vertraut war. Sie fuhr an Stellen vorbei, die bei ihr die unterschiedlichsten Erinnerungen hervorrufen. Glückliche Erinnerungen an warme Sommertage mit Eis, Freunden und Musik. Traurige Erinnerungen an … Schnell drehte sie den Kopf weg und drückte auf das Gas. Als sie aus der Stadt hinausfuhr, fühlte es sich wie Verrat an. Sie spürte Tränen. Versuchte durchzuatmen. Wie konnte sie jetzt so traurig sein, wo sie doch die letzten Wochen das Gefühl hatte, die Stadt würde sie ersticken? Wäre zu eng. Wäre zu bedrohlich.
Wie oft war sie hinaus gegangen, den Kopf eingezogen, den Blick immer auf die Menschen in ihrer Umgebung gerichtet. Voller Misstrauen. Voller Angst.
Wie oft hatte sie in der letzten Zeit mit ihrer Fassung zu kämpfen und hatte die Tage gezählt, bis sie endlich ihre Sachen packen konnte? Und doch fühlte sie sich jetzt fast noch einsamer als zuvor. Die Stadt hatte ihr nichts angetan. Es waren die Menschen in ihr.. Ein Mensch.
Sie hatte sich geschworen, nicht mehr darüber nachzudenken, doch als sie nun auf das letzte Jahr zurückblickte, wurde ihr klar, wie viel er dazu beigetragen hatte. Ein Jahr. So viele Erlebnisse. Gefühle. Momente des Glücks. Und dann der Absturz. Der Abgrund, in den sie gefallen war. Aus dem sie nicht mehr herauskam.

Nein! Sie schüttelte den Kopf und versuchte sich auf das Lied im Radio zu konzentrieren. Sie konnte nicht darüber nachdenken. Nein! Das kleine Wort, dass alles geändert hatte. Alles zerstört hatte. Ihr den Atem geraubt hatte. Nein! Vier Buchstaben und dennoch hatte dieses Wort so große Macht. Konnte ein Leben verändern. Hoffnung nehmen. Oder dafür sorgen, dass eine Stadt zum Albtraum wurde.
Nein. Hatte er zu ihr gesagt und ihr damit den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie konnte noch immer dieses Gefühl spüren. Diesen Verlust. Schmerz. Sie sah ihn vor sich stehen, wie er sie traurig ansah. Aus seinen wunderschönen blauen Augen, die sie jetzt niemals mehr sehen würde. Sie hatte seine Worte zunächst gar nicht verstanden. Oder verstehen wollen. Verständnislos hatte sie ihn angestarrt. Alles in ihr schrie „was hier gerade passiert, ist völlig falsch!“ . Aber sie konnte nicht sagen, woran es lag. Die Bedeutung des Wortes Nein war noch nicht in ihrem Gehirn angekommen.
Er hatte die Arme nach ihr ausgestreckt, wollte sie in seine Arme ziehen und sie trösten. Ihr Körper reagierte darauf mit Zurückweichen. Wieso hatte er das getan ? Sie war doch sonst seinen Berührungen verfallen, war süchtig danach? Er sagte irgendetwas zu ihr, doch sie konnte es nicht verstehen. War das gerade wirklich passiert? Nach allem, was in dem letzten Jahr vorgefallen war? Sie hatte so Angst davor, es ihm zu sagen. Über Gefühle zu reden, war noch nie ihr Ding gewesen. Doch sie hatte es ihm sagen müssen. Zu stark war das, was sie für ihn empfand.

Verliebt. Noch so ein Wort, was alles ändern konnte. Sie hatte es gesagt. Hatte sich verletzlich gemacht. Und war verletzt worden. War denn alles an ihm gelogen? Ihre Hände krallten sich ans Lenkrad, als sie daran dachte. Konnte er denn wirklich so kalt sein und ihr so ins Gesicht lügen? War er nicht derjenige gewesen, der von Gefühlen geredet hatte? Sie konnte sich an jeden Moment mit ihm erinnern. Seinen Blick. Seine Berührungen. Sie wirkten so echt. Sehnsuchtsvoll. Vertrauensvoll… Hatte sie sich so sehr in ihm getäuscht? Und seine Worte? Sie hatte ihm jedes einzelne geglaubt. Im Nachhinein erschienen sie wie eine große Lüge. Wut kochte in ihr hoch. Wie hatte er sie nur benutzen können? So umschwärmen? Und wieso war ihr nicht aufgefallen, dass alles falsch war? Verliebt. Das war die Antwort. Sie hatte sich in ihn verliebt. Wie lange hatte sie es geleugnet, aber nun konnte sie es nicht mehr. Sie hätte ihm alles geglaubt, weil sie verliebt war. Immer noch ist. Und das war ihr Untergang gewesen. Der Schmerz saß tief, war immer da. Die meiste Zeit versuchte sie ihn zu unterdrücken, doch ab und zu übernahm er die Macht und dann lag sie am Boden. Bekam keine Luft mehr. Konnte sich nicht bewegen. Konnte nicht schreien. Sie wollte nur, dass es aufhörte. Wollte dem erstickenden Gefühl entkommen. Die Welt wieder sehen.

Zeit. Das hatte ihre Freundin zu ihr gesagt. Mit der Zeit wird es besser werden. Ein kleines Wort, aber doch so weit ausdehnbar. Wie viel Zeit würde vergehen müssen, bis sie wieder frei und ungezwungen durch die Straßen laufen konnte, ohne Angst davor haben zu müssen, ihn zu sehen. Wie vor zwei Tagen… Als sie einen Moment lang lachen konnte mit Freunden. Als sie sich einen Augenblick lang befreit gefühlt hatte. Da hatte er auf einmal in ein paar Metern Abstand vor ihr gestanden. Wie ein Magnet war ihr Blick sofort auf ihn gefallen und in seine wunderschönen Augen, die sie anblickten. Zwei Wochen lang war sie ihm entkommen, hatte sich stundenlang überlegt, wie sie reagieren würde, wenn sie sich zufällig begegnen sollten. Alles weg. Ihr Kopf war leer. Das Lachen war weg. Sie fühlte den unwiderstehlichen Drang in seine Arme zu fallen und dann fühlte sie nur noch den Schmerz. Hatte nach Luft geschnappt. Die Schwärze kam zurück und sie taumelte. Versuchte sich zu halten. Die Welt verschwamm um sie herum. Alles. Nur nicht er.
Ihre Freundin hatte die Situation sofort verstanden und sie kräftig gerüttelt und mit sich gezogen. Weg von ihm. Das war falsch. Und gleichzeitig das einzig Richtige. Wie sie dann nach Hause gekommen war, wusste sie bis jetzt nicht. Alles war verschwommen.

Jetzt, einige Kilometer entfernt, war sie wütend auf sich selber. Wieso hatte sie nicht kälter auf ihn reagiert? Wieso hatte sie ihm gezeigt, wie fertig sie war? Wie viel Macht er immer noch auf sie hatte. Wo hatte sie nur ihren Stolz in den letzten Wochen gelassen? Dann wäre es gar nicht so weit gekommen.
Im Radio spielten sie einen ihrer Lieblingssongs und sie begann laut mitzusingen. Und während sie dies tat, die Kilometer dahinflossen, konnte sie sich das erste mal seit Wochen entspannen. Je weiter sie fuhr, desto freier konnte sie atmen. Sie öffnete das Fenster und ließ die kalte Luft ins Auto strömen. Alles würde wieder gut werden. Sie würde wieder lachen können. Vielleicht nicht heute. Oder Morgen. Aber irgendwann würde sie wieder lachen. Sie würde zurückkehren in diese Stadt und sich wieder zuhause fühlen. Frei fühlen. Und dann war sie stärker geworden. Hatte dazu gelernt. Und sie würde ihn nicht mehr brauchen, er würde sie nicht mehr verletzen können.
Noch einmal drückte sie auf das Gas, ließ alles hinter sich und fuhr mit einem Lächeln in ein neues Leben.

 
Zuletzt bearbeitet:

“...
Well oh, my boy Lollipop
Never ever leave me
Because it would grieve me
My heart told me so
...“
Barbie Gaye, 1956
Millie Small „My Boy Lollipop“, 1964

An die alte Rhythm & Blues-Nummer, die acht Jahre später als Ska durch die kleine Millie ein Welthit wurde fühlte ich mich erinnert, als ich Deinen kleinen Trennungs-Text las,

liebe Lollypop92,

die scheinbar konsequent in dem

Und sie würde ihn nicht mehr brauchen, er würde sie nicht mehr verletzen können
endet.

Warum scheinbar?

Weil die „würde“-Konstruktion (Konjunktiv II) alles andere als Konsequenz belegt, der Konjunktiv nix mit der Zeitenfolge zu tun hat und damit Zweifel aufkommen lässt und doch zugleich Hoffnung schürt, dass Versöhnung möglich sei. Aber dazu wissen wir zu wenig, wird doch nur das Ende – ich nenn‘s mal die Flucht – gezeigt und da auch nur, was im Kopf herummarschiert. Und da geht einem schon verdammt viel durch den Kopf. In der Regel noch verwirrender als von Dir dargstellt.

Da käme dann die Vieldeutigkeit des Titels „Abschied“ zum Tragen, ist es doch wie die Abscheidung eine Substantivierung des Verbs „abscheiden“, dessen Vieldeutigkeit die vom Duden.de aufgeführten Synonymen „ableben, abschneiden, absondern, ausdünsten, ausscheiden, dahinscheiden, davongehen, einschlafen, entschlafen, heimgehen, isolieren, sterben, versterben“ verrät.

Kurz, der Satz lässt in der zitierten Form Hoffnung aufkommen, wobei da wieder das „brauchen“ stört, dass sehr an den Verbraucher erinnert … Liebe lässt sich nicht kaufen, wohl aber das animalische Erbe in ihr.

Konkreter ist da allemal das fast vergessene Futur I, („sie wird … er wird ...“), das in der heutigen Zeit eh unbestimmt und offen genug ist. Ich weiß i. d. R. was ich nächtens tu, aber noch nicht, was geschieht, wenn ich gleich das vittuelle Lager der Wortkrieger verlasse, und damit erst einmal

herzlich willkommen hierorts!

Kommen wir zu den trivialen Dingen des Lebens,
wie den Zahlen, die üblicherweise in literarischen Texten bis zwölf ausgeschrieben werden

Das Navi sagte ihr eine Ankunftszeit in 2 Stunden voraus.
Also besser „zwei“.

Prinzipiell kannstu jede Zahl ausschreiben, aber ab 13 sind es nur noch zusammengesetzte Zahlen (drei + zehn), die zum einen langweilen und zum andern die Flüchtigkeit erhöhen und unnötig Platz fressen. Das rührt daher, weil die 12 auf ein uraltes Zahenlensystem (das wir sinnigerweise "Duodezimalsystem" nennen) zurückweist von dem nur noch die Werte elf und zwölf, aber auch das "Schock" übriggeblieben ist.

Auf dem Weg aus der Stadt heraus, …
Besser „hinaus“, das „her“ verweist an sich auf eine Position hin (so kurios das klingt, aber wenn Du jemanden zu Dir rufst, klingt es eher wie ein „komm her, zu mir“, als dass es den jemand jemand andern „hin“-schickt).
Dass Du den Unterschied kennst, beweist der folgende Satz
Als sie aus der Stadt hinausfuhr, fühlte es sich wie Verrat an.

Hier stolperstu in den Gezeitenwechsel
Sie fuhr an Stellen vorbei, die bei ihr die unterschiedlichsten Erinnerungen hervorrufen.
fuhr – hervorrufen, besser „hervorriefen“

Wie oft war sie hinaus gegangen, den Kopf eingezogen, …
„hinausgehen“ auch als Partizip ein Wort!

Es waren die Menschen in ihr.. Ein Mensch.
Weg mit dem zwoten Punkt!

Die Bedeutung des Wortes Nein war noch nicht in ihrem Gehirn angekommen.
Lass das Wort „Wort“ weg, und die Partikel „nein“ wird substantiviert zum „Nein“
Sie hatte so Angst davor, …
Lass das Füllsel wie „so“ weg ...

War denn alles an ihm gelogen?
Hm, er wird doch keine Lüge sein (das Partizip „gelogen“ wird zum Adjektiv), er existiert doch, ist real. Vllt. ist „falsch“ das bessere Wort

Vertrauensvoll…
In der Form behaupten die Auslassungsunkte, dass wenigstens ein Buchstabe am Wort zuvor fehle. Da wäre eher ein rationelerer Apostroph angesagt. Bei Auslassungspunkten immer eine Leertaste zwischen letztem Buchstaben und erstem Punkt (kommt noch mal vor mit den zwo Tagen ...)

Und das war ihr Untergang gewesen.
Aber sie lebt doch noch … Lass das „gewesen“ weg. Es stinkt schon nach verwesen ... Besser wäre allerdings "und das bedeutetes ihren Untergang"

Wie vor zwei Tagen[...]… … . Als sie sich einen Augenblick lang befreit gefühlt hatte.
In dem Fall kannstu auf die zweigliedrige Zeitangabe „gefühlt hatte“ verzichten, „wie vor zwei Tagen“ verweist ja schon auf die Vorvergangenheit. Aber – auch das muss man beim Schreiben im Hinterkopf haben – an der Schulgrammatik ist nix Falsches!

..., konnte sie sich das erste mal seit Wochen entspannen.
Das erste „Mal“!

Alles würde wieder gut werden. Sie würde wieder lachen können.
Womit wir wieder am Anfang sind – Futur!

Aller Anfang ist schwer - heißt es bekanntermaßen. Aber da musstu jetzt durch und - da bin ich mir sicher, dass es was wird!

Friedel

 

Hallo @Lollypop92 und willkommen im Forum! :)

Ich hab gerade nicht so viel Zeit, deshalb erstmal ein paar kleinere Anmerkungen zu deinem Text:

Auf dem Weg aus der Stadt heraus, sog sie jedes kleinste Detail in sich auf. Die Stadt, die ihr vor etwas mehr als einem Jahr

Wortwiederholung. Das würde ich anders lösen.

Das kleine Wort, dass alles geändert hatte.

"das" kann hier durch "welches" ersetzt werden, daher nur ein "s".

Nein. Hatte er zu ihr gesagt

Das sieht nicht so gut aus mit dem Punkt dazwischen. Vielleicht eher:

"Nein", hatte er zu ihr gesagt

Er hatte die Arme nach ihr ausgestreckt, wollte sie in seine Arme ziehen und sie trösten.

Auch hier eine Wortwiederholung. Würde ich ebenfalls anders lösen.

Ihr Körper reagierte darauf mit Zurückweichen. Wieso hatte er das getan ?

Der Abstand vor dem Fragezeichen gehört weg.

Sie war doch sonst seinen Berührungen verfallen, war süchtig danach?

Das Fragezeichen passt für meinen Geschmack hier nicht so ganz.

Wie viel Zeit würde vergehen müssen, bis sie wieder frei und ungezwungen durch die Straßen laufen konnte, ohne Angst davor haben zu müssen, ihn zu sehen.

Wortwiederholung.

Wieso hatte sie ihm gezeigt, wie fertig sie war?

"fertig" ist eher umgangssprachlich und passt für meinen Geschmack nicht zu der Sprache des restlichen Textes. Ein Tipp: Sieh dir mal auf Duden.de die Synonyme zu dem Wort an.

Wie viel Macht er immer noch auf sie hatte.

Eher "über sie"

Alles würde wieder gut werden.

Dieser Gefühlswandel geschieht mir ein bisschen zu schnell. Sie hört ihren Lieblingssong im Radio, bekommt daraufhin schlagartig bessere Laune und glaubt, dass alles wieder gut wird? Ich finde, da müsstest du noch ein bisschen mehr schreiben, damit ich als Leser verstehe, wo dieser Gefühlswandel auf einmal herkommt und auch mit deiner Prot. besser mitempfinden kann.

Vielleicht nicht heute. Oder Morgen.

"morgen" gehört hier kleingeschrieben.


LG, Markus

 

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