Der Ölofentraum
Der Ölofentraum.
Der alternde Gastwirt sitzt, nach vorne gebeugt, auf der Kante seines arg zerwühlten Bettes. Sein Gesicht wüst zerknittert – faltig - blass. Die Haare unordentlich zerzaust, antennenartig. Kleine Schweissperlen die sich auf seiner Stirn gebildet haben, vermögen im schwachen Schein des abgedunkelten Nachtlichtes, wie kleine Diamanten zu glitzern. Der Mann scheint ins Leere zu starren, abwesend, noch nicht bereit dem neuen Tag entgegen zu treten. Ein Blick auf den phosphoreszierenden Wecker sagt ihm, dass es noch viel zu Früh und sinnlos wäre jetzt aufzustehen. Er registriert irgendwie, dass seine Blase eigentlich geleert werden müsste, aber er fühlt sich nicht in der Lage aufzustehen.
„Was zum Teufel war das? Ein Albtraum?“ Er versucht sich zu erinnern und tut das, was er frühmorgens niemals tut, er zündet sich eine Zigarette an. Seine Hände zittern wie zu den schlimmen Zeiten, als er vor einigen Jahren auf Entzug war. Der König oder eben Dämon Alkohol, der ihn damals beinahe hatte verrecken lassen. Bruchstückweise kommt die Erinnerung an die letzte Nacht. Kam da nicht ein altes Haus vor? Seine eigene Kneipe? Ein alter Ölofen? Irgendwo gab es einen lauten Knall. Irgendwie hatte er „Scheisse“ schreien hören. Ein dumpfes Poltern, dann obszönes fluchen, Türeschlagen. Dann war da die Stille, und mit ihr kam ein seltsam - sonderbarer Geruch, der seine empfindliche Nase entsetzlich gereizt hatte. Öl, Gas, Petroleumdämpfe, unheimlich. Er hatte vermeint eine schrille Frauenstimme die er kannte, zu vernehmen: “Weicheier, alte Säcke, Hosenscheisser, Maulhelden, mächtig Grosse Klappen führen, und dann beim geringsten Furz die Schwänze einziehen!“ So oder ähnlich hatte die Frau geschrien. Dann waren Leute panikartig aus der Kneipe gestürmt.
Der Mann trinkt jetzt aus einem halbvollen Glas einen Schluck Wasser. Es scheint ihm etwas besser zu gehen. Sein Kopf wird langsam klar, der Puls normal, die Falten glätten sich, und.......der neue Tag hat ihn .Der Anflug eines Schmunzelns huscht über sein Gesicht, und er gähnt erleichtert. “Nichts passiert,“ denkt er, „ war wohl ein wüster Albtraum. Das kommt vor, zuweilen. Da kann ich leben mit.“ Fast beschwingt sinkt er zurück in die Daunen, schaut eine Weile zur Decke, und murmelt kaum hörbar: “ Ofen – Paulchen“ wird’s schon richten. Paulchen immer.“ Der Gastwirt weiss, dass heute die neue Heizung im alten Haus installiert wird. Seine Angst vor der grossen Explosion wird dann ein Ende haben. Das vermag ihn fröhlich zu stimmen – ungemein sogar.
„Guten Morgen Pit“, vernimmt er eine schlaftrunkene Stimme neben sich. Diese Stimme kennt er – die Stimme aus dem Traum – Lilian’s Stimme. Er ist hellwach.
„Willst du Sex?“ sagt sie.
Welch ein Tag, Freunde, welch ein Tag!
Pit Staub im Januar 2002 Landquart / Schweiz