Dem (Un)Glücke so nahe!
Mindestens nun schon zu Hundertsten Mal öffnete er seine Hand, die er zitternd, weit von sich gestreckt hielt und der die Schweißtropfen runterrannen, wie von einem stetig tropfenden Wasserhahn, um sich dem kleinen eisernen blitzendem Ding, das in seinen geschwollenen Handflächen lag, vollends bewußt zu werden.
Doch er konnte es nie lange ansehen, ohne das sein Magen sich auf schmerzvolle Art und WEise zusammenzog und er nahe daran war zu glauben, sein Herz würde aus seiner Brust springen.
Denn was er da hatte, könnte die Erfüllung aller seiner intimsten Träume, von denen er bis lang nicht einmal wagte sie zu träumen, sein.
Denn was er da in den Händen hielt war nichts anderes als der Schlüssel.
Natürlich nicht irgendein Schlüssel, sondern der[/I Schlüssel.
Der Schlüssel zu seinem ihm schon so lange verwehrten Glück.
Es fing alles so harmlos an, ja es war eigentlich ein ganz alltäglicher Dienstagnachmittag.
Er war gerade dabei die neugelieferten Konservendosen in der riesigen Verkaufshalle zu stapeln, als Herr Jürgens, sein Vorgesetzter, kam und ihn beorderte doch jetzt schon seine Mittagspause zu machen, da während seiner üblichen Zeit eine wichtige Lieferung erwartet wurde, die er in Empfang nehmen sollte.
Ihm war das nur Recht, so konnte er noch für ihn wichtige Unterlagen bei der Frau Panke-Meier, der Chefsekretärin, abholen.
ER klopfte gegen die große wuchtige Holztür und ohne ein Herein abzuwarten öffnete er die Tür und stand im Vorzimmer des Herrn Direktors, dem Büro der Panke-Meier.
Doch als er drin stand fiel es ihm ein, die Panke-Meier war ja krank und heute nicht da.
Gerade wollte er die Tür wieder hinter sich zuziehen, als ihm einfiel, das bestimmt eine Vertretung da sein müsste, ansonsten wäre die Tür wohl abgesperrt, denn auch der Herr Direktor war wegen einer Geschäftsreise nicht anwesend.
Also betrat er das Zimmer doch und stellte sich vor den monströsen Schreibtisch, der zu seinem großen Erstaunen aussah als hätte ein Wirbelsturm drübergefegt.
Das wunderte ihn, denn die Panke-Meier war eine Pedantin wie sie im Buche stand.
War wohl eine sehr schlampige Aushilfe.
Amüsiert ließ er seinen Blick über den chaotischen Schreibtisch wandern, als er ihn sah.
Da lag, unscheinbar und harmlos, der Schlüssel, der Schlüssel zum Safe des im Chefbüro stehenden Tresors.
Aber warum lag der da so offen auf dem Schreibtisch rum?
Er musste doch nach Benutzung immer weggesperrt werden.
Eigentlich war es ja auch egal warum er da lag, wichtig war nur das er da lag.
Anfänglich wäre es ihm gar nicht in den Sinn gekommen.
Aber dann sah er seine kleine veraltete Wohnung und sein ständig überzogenes Bankkonto und ein merkwürdiges Gefühl überfiel ihn.
Es war ein kurzer Augenblick und der Schlüssel verschwand in seiner Tasche.
Er wußte selber nicht genau was er da tat, es muss eine Art Ausnahmezustand gewesen sein, ja bestimmt sogar.
Die Versuchung war zu groß.
Dann hatte er es plötzlich sehr eilig das Zimmer zu verlassen.
Als ob nichts gewesen wäre begann er nach der Pause wieder mit der Arbeit und fürchtete jeden Moment das irgendjemand Alarm schlagen würde und ihn eine Hand von hinten auf den Rücken fasst und eine donnernde Stimme sagen würde:"Herr Schultzen, sie sind verhaftet!"
Doch es passierte nichts.
Trotzdem blieb die erwartete Erleichterung aus, als er sich zum Rückweg in seinen kleinen Fiat plumpsen ließ.
Er w´ßte, wenn er an den Tresor wollte dann heute nacht.
Wer weiß wann die was merken würden.
Ins Kaufhaus zu kommen war kein Problem, die Tür könnte er bestimmt leicht aufbrechen und er hatte ja außerdem dafür gesorgt das die Alarmanlage ihn bei seiner Nacht und Nebel Aktion nicht stören würde.
Als er zu Hause ankam war er völlig fertig.
Was tat er da eigentlich?
War er das wirklich?
Stehlen?
War er denn ein Dieb, nichts weiter als ein dreckiger gemeiner Dieb?
Aber warum verdiente er auch so wenig?
Er sah seine Mahnungen.
Wenn er nicht bald zahlen würde, würden die ihn vor die Tür setzen.
Aber rechtfertigt das das alles?
Stehlen?
War das die Lösung.
Mit zitternden und unkoordinierten Bewegungen zündete er sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, doch das half nur sehr wenig.
Angst, ja die hatte er ohne Zweifel auch.
Aber es gab kein zurück mehr, er hatte ja keine andere Wahl, er würde es tun.
Aber nein, das stimmte nicht, noch könnte er zurück.
War er eigentlich feige?
Er öffnete die Hand und sah wieder diesen Schlüssel.
Ja, alle seine Sinne waren auf den Schlüssel gerichtet und auf alles was an ihm hing.
Mit aller Kraft umschloß er den Schlüssel mit seiner Hand.
Plötzlich begannen sich seine Angstzustände zzu erhöhen, mit jeder Sekunde atmete er mit Panik verseuchte Luft ein, die sich unaufhaltsam in seinem Körper breit machte.
Noch fester drückte er den Schlüssel an sich.
Die Angst stieg ins nun ins Unermeßliche und gleichzeitig mit dem heftigen Zittern setzte nun ein starker Kopfschmerz, der ihn fast zu Boden zwang, ein.
Er war nahe dran sich zu übergeben, denn in seinem Inneren schienen Angst und Panik mit seinem Magen und der Leber Fußball zu spielen.
Er hielt es nicht mehr aus und fing an zu schreien.
Er taumelte ans Fenster, riß es auf und schrie in die nun anbrechende Dämmerung.
Kopf, Arme und Oberkörper hingen schlaff aus dem Fenster.
Er spürte den Schlüssel in seinen Handflächen.
Mit aller Gewalt versuchte er seine Hand zu öfnnen, die sich wohl dagegen zu Wehr setzen wollte, da sie sich auf einmalverkrampfte und anschwoll.
Herzrasen setzte ein.
Es gelang ihm nun die Hand einen Spaltbreit zuöffnen.
Aus dem Rasen wurden Stiche.
Plötzlich glitt der Schlüssel aus seiner Hand und als er unten auf dem betonierten Parplatz das "Pling" des heruntergefallenen Schlüssels hörte, ging ein Ruck durch seinen Körper.
Und plötzlich fühlte er sich völlig leicht und frei.
Er fiel auf die Knie und sein leises Weinen verschmolz mit dem auf einmal einsetzenden "Ding-Dong" der nahe gelegenen Kirchturmuhr.