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Delly, oder: Das Zucker-Konto

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13.11.2014
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Delly, oder: Das Zucker-Konto

In der kleinen Stadt, in der ich groß geworden bin und noch einige Jahre nach meinem Schulabschluss gearbeitet habe, gab es einen ziemlich zurückgebliebenen Jungen.
Sein Name war Daniel, den konnte er aber nicht aussprechen und deshalb nannte er sich selbst Delly. Seinen wirklichen Namen vergaßen die Menschen mit der Zeit und so nannten sie ihn auch alle Delly, nur seine Eltern nicht.
Die Zeit war leicht und schwer zugleich für uns, leicht, weil sich alles in eine sauber beschriftete Schublade einordnen ließ und schwer, weil es nicht viele Möglichkeiten gab, aus ebenjenen Schubladen wieder hinaus zu kriechen.
Ich arbeitete bei der winzigen Bank hinter dem Schalter, meine ältere Schwester arbeitete in der gegenüberliegenden italienischen Eisdiele und gemeinsam wohnten wir in einer bescheidenen Zweizimmerwohnung über einem Plattenladen. Wir hatten uns vorgenommen, Geld zu sparen. Belinda (so heißt meine Schwester, und der Name passt außerordentlich gut zu ihr) wollte nichts lieber, als verschwinden und in irgendeiner aufregenden Stadt Sängerin oder Schauspielerin werden. Und ich wusste nicht, was ich wollte, aber der Punkt „Verschwinden und irgendwo anders irgendwas anderes machen“ tauchte auch in meinen Zukunftsvorstellungen auf.
Bis dahin standen wir also jeden Tag, bis auf den Sonntag, gegenüber hinter dem Bankschalter beziehungsweise der Eisdielentheke und taten das, was wir immer taten.
An dieser Stelle kommt Delly ins Spiel.
Natürlich kannte ich ihn irgendwie – jeder in der Stadt kannte ihn irgendwie, er saß ständig am Marktplatz auf den Bänken und beäugte die Tauben und Marktleute oder rannte durch die Gassen und Sträßchen der Altstadt und spielte alleine Ritter oder Zauberer oder was auch immer.
Eine Zeit lang hatte es ihm der Hitlergruß angetan und er vollführte ihn, wann immer er auf einen anderen Menschen traf. Ich glaube, seine Eltern ließen ihn viel zu oft fernsehen, denn ich konnte mir nicht vorstellen, wo er so etwas sonst gelernt haben könnte – diese Zeiten waren lang vorbei und daher sorgte sein Betragen für einigen Aufruhr in der Stadt. Nicht auszudenken, was Touristen von uns denken sollen! Sagten viele, und Delly war das Klatschthema der Woche. Irgendwann verlor er das Interesse an der Geste, deren Bedeutung er ohnehin nicht verstand.
Ich hatte noch nie ein Wort mit ihm gewechselt oder dergleichen, für mich war er eben jemand, der ins Bild gehört, eine Hintergrundfigur, deren Anwesenheit nicht angezweifelt und auch nicht näher beachtet wird.
An einem sonnigen Vormittag saß ich hinter der von der Zeit eingetrübten Plastikscheibe, die die Kunden der Bank auf professionelle Distanz hielt, spähte nach draußen, Belinda stand in ihrer pistaziengrünen Schürze vor der Eisdiele und rauchte. Es war nicht viel los, auf der Straße tummelten sich Renterinnen und Postboten und ich erschrak, als der Junge vor meinem Schalter auftauchte. Ich hatte nicht bemerkt, dass er in die Bank gekommen war.
Ich überlegte kurz, ob ich den Sicherheitsdienst rufen oder den Jungen fragen sollte, was er wollte, und entschied mich für letzteres.
Er hielt sein blasses, kleines Gesicht dicht vor die Plastikscheibe und flüsterte verschwörerisch:
„Konto machen!“
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
„Du bist viel zu jung, um ein eigenes Konto zu eröffnen. Das können nur deine Eltern für dich machen,“ erklärte ich ihm langsam. Er verstand nicht.
„Du hast doch noch nicht einmal Geld,“ fügte ich hinzu, in der Hoffnung, dass er nun begreifen und weggehen würde.
Sein Gesicht rückte immer näher und er legte eine kleine Einkaufstasche auf den Tresen. Ich unterdrückte ein Seufzen und besah den Inhalt der Tasche. Es waren etwa ein Dutzend kleine Zuckerpäckchen, wie man sie in Cafés anstelle von Zuckerstreuern auf den Tischen stehen hat.
„Das sind Zuckerpäckchen,“ erklärte ich ihm, als ob er das nicht wüsste. Er nickte schnell und aufgeregt, legte seine unnatürlich dünnen und farblosen Hände auf den Tresen und lächelte mich breit an.
„Ziemlich wertvoll, was?“ rief er.
„Du möchtest ein Konto für deine Zuckerpäckchen eröffnen?“ fragte ich und bereute es im selben Augenblick. Als ob ich jetzt noch eine Chance gehabt hätte, Delly schnell wieder loszuwerden.
Er nickte und strahlte.
Eine ältere Dame betrat die Bank. Sie stellte sich hinter die auf den Boden gemalte Diskretionslinie und schaute mich auffordernd an. Ich sollte nicht mit dem behinderten Jungen plaudern, sondern echte Kunden bedienen.
Hastig zog ich die Tüte mit den Zuckerpäckchen hinter den Schalter und verstaute sie in einer Schublade.
„Ich mache dir ein Konto für deinen Zucker,“ sagte ich schnell zu Delly, „aber nur, wenn du jetzt gleich wieder nach draußen gehst und spielst, okay?“
Wieder nickte er und grinste und zeigte mir den Daumen nach oben.
„Cool!“ rief er, winkte mir zu und rannte nach draußen, und ich war insgeheim sehr erleichtert, dass er sich die Sache mit dem Hitlergruß schon vor einer Weile wieder abgewöhnt hatte, denn die ältere Frau wirkte auch so schon leicht pikiert.
In der Mittagspause ging ich rüber zu Belinda und erzählte ihr bei einem Espresso von der Begegnung, und sie erzählte mir flüsternd und kichernd von der neuen Aushilfe in der Eisdiele, einem ihrer Erzählung nach geradezu unfassbar schönen Griechen, der weder Italienisch noch Deutsch besonders überzeugend sprach.
Wir saßen auf der kleinen Terrasse und aalten uns in der Frühsommersonne und ich hatte über meinem Kaffee und Belindas Zigarettenrauch schon fast wieder vergessen, was mir eben passiert war.
Zwei Tage später war in der Bank viel zu tun, ich arbeitete konzentriert und hatte den Blick auf irgendjemandes Sparbuch geheftet, als Dellys helle, piepsende Stimme durch das Foyer schallte.
„Durchlassen, ich möcht´ an mein Konto!“ rief er und drängte sich zwischen den Wartenden hindurch zu mir. Ich hatte ihn völlig vergessen und seine Zuckerpäckchen lagen immer noch in der Schublade.
Ungerührt von der Tatsache, dass ein Mann vor dem Schalter stand und offenbar gerade im Gespräch mit mir war, stellte Delly sich wieder dicht an die Plastikscheibe und legte freudestrahlend einige lose Zuckerpäckchen und einen Frischhaltebeutel voll Zucker vor mir hin.
Irritiert sah der Mann Delly an, und ich beeilte mich, sein Anliegen zu bearbeiten. Einige der Wartenden räusperten sich hörbar. Als der Mann mit seinem Sparbuch fertig war, lächelte ich den Menschen in der Warteschlange entschuldigend zu und beugte mich zu Delly.
„Du kannst nicht einfach hier rein kommen und dich vordrängeln,“ flüsterte ich ihm zu. Seine großen hellen Augen drückten Unverständnis aus. Er schob den Zucker näher zu mir und flüsterte zurück:
„Das kommt bitte auf mein Konto.“
„Du hast hier nichts verloren,“ sagte ich etwas lauter, die Situation war mir vor den anderen Kunden sehr peinlich, sie tuschelten schon.
Ich klaubte die Papiertütchen vom Tresen und ließ sie hastig in der Schublade verschwinden, in der auch schon die andern lagen.
„Gut, aber jetzt geh, ja?“ zischte ich Delly an. Er winkte mir wieder fröhlich zu und lief raus, wobei er die anstehenden Menschen anlachte. Ein paar lächelten zurück.
Am Nachmittag, als die Bank schloss, nahm ich die Einkaufstüte mit Dellys Zuckersammlung mit nach Hause. Belinda sah mich schräg an, als ich ihr beim Abendessen davon erzählte. Sie sagte nichts, rauchte am offenen Küchenfenster und zog sich ein Kleid an. Dann ging sie los, um sich mit dem Griechen zu treffen, und ich saß am Tisch und war froh, dass Samstag war und Delly morgen nicht zur Bank gehen konnte.
Ich holte die Zuckertüten aus meiner Handtasche und sah sie an. Sie waren aus verschiedenen Cafés und Kneipen in der Stadt, aus „Kelly´s Kaffee“, der „Bar Marina“ und der Eisdiele. Offenbar wusste Belinda nicht, dass ein Zuckerdieb sich an den Tischen auf der Terrasse bediente, oder es war ihr egal, weil sie sowieso nur von dem Griechen träumte oder davon, eine berühmte Schauspielerin zu werden.
Ich suchte einen alten Schuhkarton heraus, legte Dellys Schatz darein und schrieb mit einem dicken Filzstift „Konto von Delly“ darauf. Den Karton stellte ich auf das Schränkchen im Flur, ich wollte ihn am Montag wieder mit in die Bank nehmen und Delly überreichen, falls er noch einmal auftauchte. Dann könnte er sein Konto bei sich zu Hause aufbewahren und würde nicht mehr für Unruhe sorgen.
Am Sonntagmorgen in der Dämmerung kam Belinda heim, die blonden Haare klebten an ihrem Gesicht, und wir frühstückten und redeten nur über unsere Pläne, endlich wegzuziehen.
Delly kam von da an fast jede Woche mindestens ein mal zur Bank und vertraute mir seine kostbaren neuen Errungenschaften an. Meinen Vorschlag, er könne sein eigenes Konto mitnehmen, was den Vorteil mit sich brächte, dass er seine Sammlung jederzeit würde betrachten können, hatte er nicht einmal zur Kenntnis genommen.
Also verwahrte ich den Schuhkarton mit der beständig wachsenden Ansammlung verschiedenster bedruckter Zuckerpäckchen unter meinem Tresen und hoffte ständig, keinen Ärger mit den Bankkunden oder dem Direktor zu bekommen. Wenn Delly das kleine Foyer betrat, wusste ich schon, was folgte, warnte die wartenden Kunden, entschuldigte mich, wickelte schnell das „Geschäft“ mit Delly ab und war froh, wenn nicht viel los war.
Belinda rauchte auf der anderen Straßenseite, räumte leere Eisbecher von den Tischen, knutschte heimlich mit dem Griechen, wenn ihr Chef im Hinterzimmer war und gab mir in der Mittagspause Kaffee umsonst.
Einmal kam Dellys Mutter zu mir in die Bank. Sie war eine kleine, graue Person und wirkte viel älter, als sie sein mochte. Ihr Sohn Daniel habe erzählt, er habe hier ein Konto eröffnet und sei schon sehr reich, es klang wie ein Vorwurf. Das sei Unsinn, behauptete ich. Er habe ja garkein Geld, nicht wahr?
Da verließ Dellys Mutter schulterzuckend die Bank und schlich wieder in ihr Haus und ich hörte nichts mehr von ihr.
Im Hochsommer schwitzte ich in meinen schwarzen oder dunkelblauen Kostümen und Strumpfhosen. Belinda trug bunte Kleider und ihre grüne Schürze und wollte sich von ihrem Freund nicht überreden lassen, mit ihm zurück nach Griechenland zu gehen. Also ging er alleine und Belinda heulte, während sie Eis verkaufte, während sie aus lauter Traurigkeit noch mehr rauchte und im Treppenhaus mit dem Besitzer des Plattenladens, über dem wir wohnten, über die Vergeblichkeit der Liebe redete.
Unterdessen sortierte ich die Zuckersammlung auf Dellys Konto. Nach Größe, nach Farben, nach der jeweiligen Bar, aus der der Zucker geklaut worden war. Manchmal wollte Delly sein Konto ansehen, und er freute sich über alle Maßen, wenn ich es neu sortiert hatte und ihm, falls ich sonst nichts zu tun hatte, erklärte, in welcher Reihenfolge seine Schätze nun angeordnet waren.
Er spielte mit den bunten Päckchen, brachte meine Ordnung durcheinander und war verzückt.
Meistens nahm ich den prall gefüllten Karton nach Feierabend mit nach Hause, damit der Bankdirektor und die Putzfrau ihn nicht finden und wegschmeißen konnten.
Belinda und ich sparten weiter, auch wenn meine Schwester einige Male kurz davor stand, all ihr Erspartes zu nehmen und nach Griechenland zu reisen, um ihren ehemaligen Liebsten zu finden. Ich verbot es ihr und irgendwann vergaß sie die Idee auf dem Fußboden hinter der Kasse des Plattenladens.
Der August ging vorüber wie im Traum, Belinda lackierte mir die Fingernägel, wir hörten bei geöffneten Fenstern Musik und ich fand es überaus schade, dass das ganze Geld, das täglich durch meine Hände ging, nicht Belinda und mir gehörte. Der August ging so vorüber, dass ich erst spät bemerkte, dass Delly schon seit einer ganzen Weile nicht mehr in der Bank gewesen war. Sein Zuckerkonto stand unberührt da, ich arbeitete, in der Mittagspause saß ich auf der Terrasse bei Belinda und dem Plattenladenbesitzer, der mit mir gemeinsam nach Delly Ausschau hielt.
Er sei nun auf einer speziellen Schule, wo man auf seine speziellen Bedürfnisse eingehen könne, sagten ein paar Leute. Seine Eltern haben ihn umgebracht und im Garten vergraben, behaupteten andere, ich glaubte denen, die ihn auf einer Spezialschule wähnten und nahm sein Konto mit nach Hause und verstaute es irgendwo im Schrank.
Im nächsten Frühling zog Belinda mit dem Plattenladenbesitzer nach Spanien, wo sie gemeinsam einen neuen Plattenladen eröffneten. Belinda wurde keine berühmte Sängerin oder Schauspielerin, aber es gefiel ihr in Spanien, und wir besuchten uns oft gegenseitig.
Ich hingegen suchte mir eine Wohnung am westlichsten Rand von Deutschland, weit weg von der kleinen Stadt, in der ich aufgewachsen bin, und studierte mit einem Stipendium.
Die Zeiten sind immer noch leicht und schwer, leicht, weil ich nicht mehr schwitzend in einem marineblauen Kostüm hinter der vergilbten Plastikscheibe stehen muss, schwer, weil Belinda so weit weg ist und ich immer das Gefühl habe, eine Sache nicht zu Ende gebracht zu haben. Manchmal fahre ich in das Städtchen, in dem sich nicht viel verändert hat, setze mich auf die Eisdielen-Terrasse, bestelle mir einen Espresso, für den ich dann leider bezahlen muss. Das Zuckerkonto habe ich dabei, falls Delly von seiner Spezialschule zurückgekommen ist und auf einer Bank am Marktplatz sitzt oder wie wild durch die Straßen rennt und alleine spielt oder die Touristen verschreckt. Vielleicht sehe ich seinen kleinen blonden Kopf irgendwann in der Menge und kann ihm sein Konto, seinen Schatz, wiedergeben.

 
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Liebe BodleianGhost,
das ist eine nette, herzerwärmende Geschichte, die du da geschrieben hast. Ich habe sie gerne gelesen, weil mir auch deine Erzählstimme gefällt. Sie erinnert mich an amerikanische Geschichten oder Fernsehserien aus den Sechzigern. Eigentlich geschieht ja nichts, aber dir gelingt es doch, mir diese langweilige, sommerliche Kleinstadt so nahe zu bringen, dass ich sie fast bildlich vor Augen habe. Und irgendwie hat deine Geschichte sogar eine gewisse Spannung, die mich als Leser bei der Stange hält. Zum Schluss war ich natürlich etwas enttäuscht, weil ich nicht erfuhr, was nun aus Delly geworden ist. Wie im echten Leben halt. Da fragt man sich ja auch oft, was wohl aus diesem oder jenem geworden sein mag.

Beim Lesen habe ich mir ein paar Sachen notiert, die ich mal aufliste:

Die Zeit war leicht und schwer zugleich für uns, leicht, weil sich alles in eine sauber beschriftete Schublade einordnen ließ und schwer, weil es nicht viele Möglichkeiten gab, aus ebenjenen Schubladen wieder hinaus zu kriechen (hinauszukriechen).

Ein schönes Bild. Ich hätte mir das ‚alles’ ein wenig konkreter gewünscht, ‚das ganze Leben’ oder so etwas.

Und ich wusste nicht, was ich wollte, aber der Punkt „Verschwinden und irgendwo anders irgendwas anderes machen“ tauchte auch in meinen Zukunftsvorstellungen auf.
Du liebst Anfänge und Reihungen mit ‚ und’. Überlege mal, ob sie immer nötig sind.

Bis dahin standen wir also jeden Tag, bis auf den Sonntag, gegenüber hinter dem Bankschalter beziehungsweise der Eisdielentheke und taten das, was wir immer taten.

Das ist so ein sehr umständlicher Satz. Mach zwei draus.

Ich glaube, seine Eltern ließen ihn viel zu oft fernsehen, denn ich konnte mir nicht vorstellen, wo er so etwas sonst gelernt haben könnte – diese Zeiten waren lang vorbei und daher sorgte sein Betragen für einigen Aufruhr in der Stadt.

Auch hier packst du für mein Empfinden zu viel in einen Satz. Mach es kürzer und knackiger. Der Hinweis auf die Zeiten, die lang vorbei waren, ist mMn nicht nötig.

Nicht auszudenken, was Touristen von uns denken sollen!
Hier sollte wohl der Konjunktiv stehen, denn es ist ja keine wörtliche Rede: Nicht auszudenken, … denken würden!

Ich hatte noch nie ein Wort mit ihm gewechselt oder dergleichen, für mich war er eben jemand, der ins Bild gehört, eine Hintergrundfigur, deren Anwesenheit nicht angezweifelt und auch nicht näher beachtet wird.

‚oder dergleichen’ sagt hier nichts und du solltest es weglassen.
Und was du mit ‚deren Anwesenheit nicht angezweifelt (wird)’ meinst, erschließt sich mir nicht so recht. Auch hier solltest du nach einer kürzeren und griffigeren Formulierung suchen.

die die Kunden der Bank auf professionelle Distanz hielt,(und) spähte nach draußen,(.)
Hier würde ich mit einem neuen Satz beginnen.

Zwei Tage später war in der Bank viel zu tun, ich arbeitete konzentriert und hatte den Blick auf irgendjemandes Sparbuch geheftet, als Dellys helle, piepsende Stimme durch das Foyer schallte.
’ich arbeitete konzentriert’ ist mMn redundant, weil sich das ja aus dem nächsten Teilsatz erschließt.

und legte freudestrahlend einige lose Zuckerpäckchen und einen Frischhaltebeutel voll Zucker vor mir hin.
Ich klaubte die Papiertütchen vom Tresen und ließ sie hastig in der Schublade verschwinden, in der auch schon die andern lagen.

Wo ist der Frischhaltebeutel voll Zucker?

wobei er die anstehenden Menschen anlachte.
Vielleicht besser: wartenden

Ich suchte einen alten Schuhkarton heraus, legte Dellys Schatz darein und schrieb mit einem dicken Filzstift „Konto von Delly“ darauf.
hinein

Delly kam von da an fast jede Woche mindestens ein mal zur Bank und vertraute mir seine kostbaren neuen Errungenschaften an.
einmal

Meinen Vorschlag, er könne sein eigenes Konto mitnehmen, was den Vorteil mit sich brächte, dass er seine Sammlung jederzeit würde betrachten können, hatte er nicht einmal zur Kenntnis genommen.
Auch hier ein recht umständlicher Satz. Manchmal hilft es, sich selber seinen Text laut vorzulesen. Dann fallen einem solche Satzungeheuer leichter auf.

Er habe ja garkein Geld,
gar kein

Übrigens: Warum du hier die Mutter einführst, ist mir nicht klar geworden.

Belinda trug bunte Kleider und ihre grüne Schürze und wollte sich von ihrem Freund nicht überreden lassen, mit ihm zurück nach Griechenland zu gehen.
Lieber zwei Sätze.

Seine Eltern haben ihn umgebracht und im Garten vergraben, behaupteten andere, ich glaubte denen, ..
Indirekte Rede: Seine Eltern hätten …


Wenn du einmal genau hinsiehst, so erkennst du, dass es meistens kleine sprachliche Unebenheiten sind, die ich angemerkt habe: zu lange und zu verschachtelte Sätze, Reihungen mit ‚und’ und ein paar Konjunktive bei der indirekten Rede. Das war’s schon.

Mir hat dein Debüt hier gefallen und ich begrüße dich bei den Wortkriegern. Die Überschrift würde ich ändern lassen: Delly oder das Zucker-Konto. Mit dem Komma und dem Doppelpunkt sieht das mMn nicht so gut aus. Aber das können nur die Moderatoren.

Liebe Grüße
barnhelm

Ps: Ich sehe gerade, dass du ja schon seit zwei Jahren Mitglied bist. Dann nehme ich das mit dem Debüt zurück. Aber gefallen hat sie mir trotzdem, deine Geschichte.

 
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Hallo @Bodleian Ghost,

deine Geschichte hat etwas von einen vergilbten Foto. Ich sehe darauf zwei Schwestern vor einer italienischen Eisdiele, die eine streng businessmäßig gekleidet im Kostüm, die andere im
Minirock und mit einer Zigarette. Davor ein kleiner Junge, der fröhlich grinsend den rechten Daumen in die Höhe streckt.

Es ist eine langsame Zeit, beinahe träge. Dieses Zeitgefühl hast du durch deinen Sprachstil gut eingefangen. Auch die unterschwellige Melancholie, das Warten auf Veränderung und schließlich ein Abschied von der lähmenden Kleinstadtidylle.

Ich finde deinen Schreibstil sehr klar und präzise, vielleicht kommt die Spannung dabei etwas zu kurz. Und auch ich hätte, wie barnhelm, gerne erfahren, was aus Delly geworden ist. Da wäre, wie du ja andeutest, allerhand Spannungspotential vorhanden. Vielleicht plätschert das Leben in diesem Ort gar nicht so friedlich vor sich hin.

Ich vermute mal, dass du den Fokus mindestens genau so auf die Schwestern wie auf das behinderte Kind legen wolltest. Dadurch entsteht für mich als Leserin fast eine Patt-Situation, was die Aufmerksamkeit angeht und etwas ausbremst.

Gerne gelesen
Liebe Grüße wieselmaus

 

Hallo barnhelm und wieselmaus,

vielen Dank für eure Kritik (und das Lob)!
Mein erster Impuls bei sowas ist immer, mich rechtfertigen zu wollen - aber mit euren Anmerkungen habt ihr ja durchaus recht und ich kann nur zustimmen.
Toll, was anderen auffällt - auf die meisten Sachen wäre ich von alleine nie gekommen.

Vielleicht werde ich das Ende noch ein wenig um-/ausformulieren, wenn mir etwas Gutes einfällt. Allerdings war meine Intention, den Fokus auf die Schwestern zu legen und nicht auf das Schicksal von Delly - ob man dieses überhaupt je erfahren kann, ist daher unklar. (Bzw.: Ob mir jemals ein "passender" Schluss für seinen Anteil an dieser Geschichte einfallen wird...)

Ich setz mich jedenfalls nochmal dran!

Lieben Gruß,
BodleianGhost

 

Hallo BodleianGhost!

Was ich sehr gut fand an deiner Geschichte, ist, dass die Ich-Erzählerin ehrlich rüberkommt. Da sind Vorurteile und Unsicherheiten im Umgang mit dem behinderten Jungen sichtbar, die werden nicht versteckt.

Übrigens, Erzählerin: Ich hatte sie für einen Mann gehalten, bis die Handtasche ins Spiel kam. Keine Ahnung, warum.

Da du schreibst: "Allerdings war meine Intention, den Fokus auf die Schwestern zu legen und nicht auf das Schicksal von Delly" => möchte ich kurz darauf eingehen. Ich sehe deine Intention nicht gut im Text umgesetzt. Wie barnhelm und wieselmaus möchte ich wissen, was aus Delly geworden ist, oder wenigstens ein nicht ganz so offenes Ende zu seinem Schicksal. Delly ist der Hauptdarsteller der Geschichte.
=> Was habe ich in der Geschichte über die Schwestern erfahren? Nicht viel. Die Ich-Erzählerin gibt durch ihr Verhalten einiges über sich preis, das ist richtig. (Man könnte sie neben Delly als zweite Hauptdarstellerin bezeichnen.)
Aber was erfahre ich über die Eisdielenschwester? Sie hatte einen griechischen Freund, dann zieht sie mit 'nem anderen nach Spanien. Das war es schon. Ihr Traum, dass sie Sängerin oder Schauspielerin werden wollte, ist bloß ein Traum, denn sie tut nichts, um dieses Ziel zu erreichen. Sie ist kaum mehr als ein Statist.

Grüße,
Chris

PS: Es wäre nett, wenn du auch mal was zu Texten anderer sagen würdest. Geben und nehmen, weißt du? Und außerdem lernt man sehr, sehr viel über das Schreiben, wenn man seine Meinung zu Texten ausformuliert. Probiere es!

 

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