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Dein persönlicher Wahnsinn

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04.02.2015
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Dein persönlicher Wahnsinn

Ich bin bei Dir. Immer.

Du weißt es, denn du spürst mich. Auch wenn du das nicht willst, aber du weißt, fliehen kann man nicht. Nicht vor mir. Denn ich bin in deiner Seele. Ein kleiner Teil, ich bin der Wahnsinn, der dich manchmal überkommt und dann wirst du verrückt, die Leute schauen und flüstern über dich, wenn sie denken, du hörst sie nicht. Doch du bemerkst es und du verfluchst mich dafür, denn ich bin Schuld. Du hörst meine Stimme in deinem Kopf, nur du nimmst es wahr. Wenn du anderen von mir erzählst, gucken sie mitleidig und sagen, du seist krank und bräuchtest professionelle Hilfe. Dann bin ich bei dir, ich tröste dich mit meinen Worten und helfe dir wieder auf, wenn du am Boden bist.
Ein Teil von dir weiß, dass du mich brauchst. Sonst gehst du ein, wie ein zartes Pflänzchen im Winter, du verdurstest, wie ein harmloses, kleines Tier ohne Wasser. Denn das bin ich für dich: dein Wasser, dein lebensnotwendiger Schutz, deine Wärme. Ich bin wichtig für dich, niemand sonst interessiert sich für dich.

Nur ich.

Der andere Teil deines Körpers verachtet mich aus tiefstem Herzen, er will dass ich verschwinde und tut alles, um mich loszuwerden. Dieser Teil hört auf die Menschen, die sagen du seist krank, denn er weiß, dass ich diese Krankheit bin. Dieser Teil hasst es, wenn andere Leute über dich flüstern und dich bedauernswert erscheinen lassen, schwach. Er möchte sich wehren, mich für immer vertreiben.
Du siehst, du hast zwei Seiten, zwei komplett gegensätzliche Meinungen in dir und keiner weiß, was richtig und was falsch ist. Deine Seele ist zweigeteilt, schwarz und weiß, hell und dunkel. Doch was willst du tun? Die Wahrheit ist, du weißt es nicht und das ist das Ergebnis meiner Arbeit. Ich habe Hinterlistigkeit und Hilfe gepflanzt und was ich geerntet habe war die Spaltung deiner Persönlichkeit, deines Ichs.
Ich bin nur eine Stimme, aber ich habe die Macht über deinen Körper.
Denn egal was du unternehmen willst, es wird dir nichts bringen. Wenn du beschließt, dass ich bei dir bleiben soll um dir zu helfen, werde ich dich zerstören, ich werde dich immer näher an den Abgrund treiben, bis du irgendwann hinabstürzt. Wenn du mich aber vertreibst, bist du allein, niemand ist mehr da für dich und das wird dich umbringen. Du wirst einsam vor dich hin leben, bis du eines Tages vor lauter Einsamkeit stirbst. Es gibt keine Lösung, ich bin in jedem Fall tödlich und das weißt du. Keiner kann dir helfen, nur ich bin bei dir. Wenn du möchtest bleibe ich für immer, ich lasse dich niemals allein. Jedes Mal wenn du fällst helfe ich dir wieder auf, doch eines Tages wirst du unten bleiben, dafür sorge ich.

Denn ich bin dein Wahnsinn.

 

Hallo Alicia,
ich habe deinen Text gerne gelesen, deine Sprache ist kraftvoll, du findest poetische Bilder und die Idee den Wahnsinn sprechen zu lassen finde ich klasse.
Was mir auch gefallen hat, war die Unterteilung mit den einzelnen Sätzen dazwischen. Das macht es dramatisch.

Ein paar Sachen, die mir aufgefallen sind:

Auch wenn du das nicht willst, aber du weißt, fliehen kann man nicht.
Vielleicht besser: "Und du weißt, fliehen kannst du nicht."

Ein kleiner Teil,
weglassen ? ich finde, da stockt der Fluss.

Du hörst meine Stimme in deinem Kopf, nur du nimmst es wahr.
Nur du nimmst sie wahr.

Sonst gehst du ein, wie ein zartes Pflänzchen im Winter, du verdurstest, wie ein harmloses, kleines Tier ohne Wasser.
Beides berührende Bilder. Schön!

Ich bin wichtig für dich, niemand sonst interessiert sich für dich.
"Ich bin wichtig für dich " würde ich rausnehmen, das wirkt ein bisschen schwach, schließlich geht es um Leben und Tod!

Im zweiten Teil benennst du den Kern des Konflikts für meinen Geschmack zu oft. Beim ersten Entwurf ist das oft wichtig um sich selbst ganz klar über das Thema zu werden. Aber als Leser will man es nicht immer wieder erklärt bekommen.

Deine Seele ist zweigeteilt, schwarz und weiß, hell und dunkel.
Das zum Beispiel könnte man weglassen.

Ich habe Hinterlistigkeit und Hilfe gepflanzt und was ich geerntet habe war die Spaltung deiner Persönlichkeit, deines Ichs.
Hinterlist wäre richtig. Fast ein bisschen zu medizinisch im zweiten Teil.

Vielleicht wäre es möglich, diesen Text als Grundlage für eine Kurzgeschichte zu nehmen. So wäre es z.B. denkbar, dass die Protagonistin ein magersüchtiges Mädchen ist. Es wäre interessant über eine Situation aus dem Alltag zu lesen, in dem sich diese Persönlichkeit zeigt.
Oder du gehst noch tiefer in das Bild und lässt die Person, zu der der Wahnsinn gehört antworten. Der Wahnsinn könnte ein Gesicht bekommen, eine Gestalt.

Ich wünsche dir noch viel Spaß beim Schreiben!

Liebe Grüße von Chutney

 

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