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Dein Freund

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29.06.2003
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Dein Freund

Dein Freund

Ich weiß noch ganz genau, dass es an einem Sonntag war...es war ein frischer, windiger Sommertag, ein Sonntag.
Du hast bei mir angeklopft. Ich liess dich herein und ohne auch nur ein Wort zu sagen, setztest du dich auf meinen großen, runden, grünen Teppich und fingst an, zu weinen. Du hast einfach nur so dagesessen und geweint. Ich habe nicht verstanden aber ich war dein Freund. Also fragte ich nicht und nahm dich in den Arm. Du weintest und lehntest dich an mich und ich weiß nicht, wie lange wir dort saßen. Es können Ewigkeiten gewesen sein, vielleicht war es aber auch nur eine halbe Stunde. Ich weiß es nicht mehr - jegliches Gefühl von Zeit war von mir gewichen in diesem Moment. Meine Umwelt bestand lediglich aus dir, mir und deinem Weinen, was mir in der Seele wehtat. Ich hatte das Gefühl, deinen Schmerz in mir aufzusaugen, um ihn dir zu nehmen.
Wir redeten sehr wenig, als ich mit dir hinaus fuhr aus der Stadt. Du wischtest dir die letzten Tränen aus den Augen und zündetest dir eine Zigarette an. In Zeitlupe öffnetest du das Fenster und sahst zu, wie sich der blaue Rauch deiner Zigarette durch den Spalt des heruntergelassenen Fensters kräuselte - als Kulisse die verzerrte, vorbeirauschende Landschaft an diesem trüben Tag. Die Luft war nebelig, nass und schwer. Du schaltetest das Autoradio an: "Trouble, ooooh trouble move away - I have seen your face and it's too much, too much today..."
Noch immer wusste ich nicht viel über dein Problem, denn du wolltest nicht darüber reden, noch nicht, sagtest du. Und da ich dein Freund war, akzeptierte ich es...
Mit die einzigen Worte von dir waren, dass du mir sagtest, wohin ich fahren solle. Ich kannte diesen Ort nicht und du leitetest mich.
Nach längerer Zeit kamen wir an, an einer Schlucht: am Boden dieser Schlucht schlängelte sich ein kleiner Bach, viele Steine ragten heraus, rauhe Felsen umgaben den Bach.
Du standest so nah am Abgrund, dass mein Herz schneller klopfte.
Ich bildete mir ein, das Rauschen des Baches wahrzunehmen, der sich dort unten entlangwand. Doch in Wirklichkeit war es nur das Rauschen meines Blutes in meinem Kopf, welches alle anderen Geräusche zu übertönen schien.
Ich fragte dich, was du nun tun wolltest. Aber du gabst keine Antwort. Du standest da, reglos, starrtest in den Abgrund. Und als du dich kurz zu mir umdrehtest, erstarrte ich vor Schreck - nie zuvor habe ich ein Gesicht gesehen, was mit solch einer Leere erfüllt war.
Du sahst mich an. Ich starrte zurück. Und plötzlich schlich sich ein sanftes Lächeln über dein Gesicht, du sahst mich an und lächeltest. Ich war so verwirrt. Du kamst auf mich zu und sagtest keinen Ton, als ich dich fragte, was überhaupt los sei. Du gabst keine Antwort. Lange sahen wir uns in die Augen. Du hieltest deinen Finger auf meinen Mund, um mich zum Schweigen zu bringen. Ich wollte reden doch wolltest du nichts hören. Ich akzeptierte das, denn ich war ja dein Freund.
Plötzlich umarmtest du mich, und mir fiel es wie Schuppen von den Augen, als du dich kurz darauf von mir abwandtest und mit langsamen aber bestimmten Schritten auf den Abgrund zuliefst. Unaufhaltsam und entschlossen. Und ich konnte gar nichts dagegen tun, ich konnte nur zusehen, wie du plötzlich verschwunden warst. Verschwunden von hier, verschwunden aus meinem Leben. Ich wollte schreien aber es ging nicht.
Meine Tränen vergossen sich über mein ganzes Gesicht und mein Schmerz und deine Erlösung badeten darin...
Du bist damals einfach fortgegangen. Damals hattest du gesagt, du kannst es nicht mehr ertragen, du willst weg, weit weg - egal wohin, EGAL WOHIN - irgendwohin, wo keine Menschen sind...
Aber niemals wusste ich von deinem Vorhaben.
Und nun warst du plötzlich fort. Ich wagte es nicht, den Abgrund hinunter zu sehen. Ich wollte nicht sehen, was nun noch von dir übrig war - das letzte Bild von dir in meinem Kopf sollte dein sanftes Lächeln sein, das du mir zum Trost schenktest, bevor du gingst und nicht ein zerschmetterter Körper im flachen, rauschenden Bach.
Ich stand sehr lange dort. ich wollte dich hassen aber ich konnte nicht. Und ich wollte ja auch gar nicht. Mein Herz weinte, meine Seele weinte. Aber ich akzeptierte deine Tat, denn ich war schliesslich dein Freund.

 

hallo Zeitloop,

Freundschaft heißt sicherlich, die Wege des anderen als seine Wege zu akzeptieren. Das hast du in diesem extremen Beispiel sehr einfühlsam und mitreißend beschrieben.
Ein paar Probleme habe ich inhaltlich mit deiner Geschichte, denn auch wenn Freundschaft akkzeptieren bedeutet, heißt das für mich nicht, am Abgrund stehen zu bleiben, ohne zumindest den Versuch einer Rettung zu unternehmen. Aber was in diesem Falle wirkliche Freundschaft bedeutet, lässt sich ja diskutieren. Insofern ist dieses inhaltliche Problem für mich kein Negativum für die Geschichte, denn deine Lösung lässt nachdenklich zurück.

Ein schöner Text über Freundschaft.

Lieben Gruß, sim

 

Hi sim, danke für die Kritik + Lob :)

Es ging nicht um meine Ansicht von Freundschaft allgemein in diesem Text.

Dieses immer wieder auftauchende "Ich war ja dein Freund" könnte man auch als Entschuldigung des Erzählers seinem Gewissen gegenüber ansehen, WEIL er eben nichts dagegen unternommen hat......

Abgesehen davon war es so gemeint, dass der Erzähler es im Nachhinein akzeptiert, dass die Person sich umbrachte. An Ort und Stelle war er nur einfach wie gelähmt, konnte nichts dagegen tun...


Liebe Grüße zurück, Zeitloop :)

Irgendwie ein komischer Text, nicht wahr?:rolleyes:

 

Hallo Zeitloop!
Interessante Geschichte, die du da geschrieben hast.
Angenehm zu lesender Stil.
Inhaltlich fiel mir persönlich die gleiche Sache auf wie sie schon sim auffiel.
Ich will auch gar nicht anfangen mit dir zu diskutieren, was wahre Freundschaft ist.
Für mich bedeutet wahre Freundschaft eben, dass man sich immer wieder gegenseitig hochzieht, dass man immer reden kann. Dass man den Freund von sowas abhält.
Aber das ist nur meine Meinung dazu ;)

Die sache mit dem "ich war ja dein Freun", als ich die Geschichte las, dachte ich so, das hört sich wie eine Entschuldigung an. Eine Entschuldigung, dass man nichts getan hat, um es zu verhindern. Dass man nie gefragt hat, und so diese Absicht nicht erahnte.

Ein paar Bemerkungen von mir ;):

Ich habe nicht verstanden aber ich war dein Freund.
Vor 'aber' ein Komma.

Nach längerer Zeit kamen wir an, an einer Schlucht: am Boden dieser Schlucht schlängelte sich ein kleiner Bach, viele Steine ragten heraus, rauhe Felsen umgaben den Bach.
Hier hast du zweimla das Wort 'Schlucht'. Vielleicht findest du eine Formulierung, die diese Wiederholung vermeidet ;)

Und als du dich kurz zu mir umdrehtest, erstarrte ich vor Schreck - nie zuvor habe ich ein Gesicht gesehen, was mit solch einer Leere erfüllt war.
Dieses 'Gesicht gesehen, was' klingt nicht sehr schön. Mir fällt so jetzt auch nur 'welches' als Alternative ein. Ich finde 'welches' klingt doch ein wenig schöner als 'was'.

Du sahst mich an. Ich starrte zurück. Und plötzlich schlich sich ein sanftes Lächeln über dein Gesicht, du sahst mich an und lächeltest
Hier hast du kurz hintereinander das Wort 'sahst'. Du könntest eines vielleicht durch 'blicken' ersetzen.

Ich wollte reden doch wolltest du nichts hören
Nach 'reden' ein Komma.

Plötzlich umarmtest du mich, und mir fiel es wie Schuppen von den Augen, als du dich kurz darauf von mir abwandtest und mit langsamen aber bestimmten Schritten auf den Abgrund zuliefst.
Nach 'langsamen' ein Komma.

Ich wollte schreien aber es ging nicht.
Nach 'schreien' ein Komma.

Meine Tränen vergossen sich über mein ganzes Gesicht und mein Schmerz und deine Erlösung badeten darin...
"Meine Tränen vergossen sich..." dieses 'vergossen' klingt in meinen Ohren etwas seltsam. Aber mir fällt jetzt auch keine gute Alternative ein...

Ich wagte es nicht, den Abgrund hinunter zu sehen. Ich wollte nicht sehen, was nun noch von dir übrig war -
Hier hast du wieder kurz hintereinander das Wort 'sehen'. Das erste 'sehen' könntest du durch ein 'schauen' oder 'blicken' ersetzen.

ich wollte dich hassen aber ich konnte nicht.
Das erste 'ich' muss groß (Satzanfang) und nach 'hassen' ein Komma.

bye und tschö

P.S. Was meinst du mit deiner letzten Bemerkung?

Irgendwie ein komischer Text, nicht wahr?
Die irritiert mich ein wenig..

 

Hallo Zeitloop,
ich fand die Geschichte irgendwie traurig.
Hört sich fast an, als ob du es selbst erlebt hast.
Schöne Grüße Mercedes

 

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