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Deep
Er rannte so schnell er konnte, schneller als er konnte. Auf einmal verfügte er über übermenschliche Kräfte, nichts könnte ihn aufhalten. Doch das Wesen - die Wesen -, hinter ihm konnte es. Sie waren nah, sehr nah, zu nah.
Er sah immer wieder über seine Schulter, bestrebt, Hoffnung zu sehen. Aber was er sah, veranlasste ihn nur, schneller zu laufen. Sie waren grotesk, so abscheulich, so... Er sah keinen Ausgang, kein Licht, welches wenigstens seinen Funken in ihm entflammen würde. Einen Funken, der ihm sagen würde, dass es einen Ausweg, einen Ausgang, eine Befreiung aus diesem Ort gäbe. Aber nirgends sah er so einen Ausgang - kein helles Licht, kein Funken. Überall nur das helle, schwarz-blaue Licht, dieses schreckliche Licht, das Licht, welches seine Panik und Hoffnungslosigkeit steigerte.
Das Geheule wurde lauter. Sie kamen näher, immer näher.
Nein, sie durften ihn nicht bekommen. Wenn sie ihn fingen, dann... Er lief schneller.
Wieso war er hier hingegangen? Was hat er zu finden gehofft? Reichtum? Eine Antwort? Eine Antwort auf was?
Das Laufen fiel ihn immer schwerer, es ging bergauf. Er würde hier rauskommen, er würde es schaffen.
Auf einmal befand er sich in einem schleimigen Gang. Es stank nach Verwesung und... Da war noch etwas anderes, etwas was ihm das Blut stocken ließ. Er konnte nicht hinsehen. Er war nahe dran, sich zu übergeben, es war abscheulich. Nie hatte er so etwas gesehen. Nie wollte er es wiedersehen.
Bevor es ihn erreichte, sprang er in einen anderen Gang, es konnte nicht hinterher, aber die anderen konnten. Sie hatten es bisher gekonnt, dann würden sie es auch jetzt schaffen. So schnell er konnte durchquerte er den Gang, immer bewusst, dass sie ihn verfolgen würden.
Er war in einem Raum voller Feuer und Rauch. Überall an den Wänden waren Menschen "befestigt". Er glaubte, dass es Menschen waren, aber ihre Ausgemerztheit und die Hitze machten ein genaues Erkennen unmöglich.
Da er keinen Weg aus diesem Raum sah, als den Weg, den er gekommen war, den er auf keinen Fall zurückgehen wollte, versteckte er sich.
Seine Verfolger stoben in den Raum, übersahen ihn völlig. Sie waren in heller Aufregung, alles nur wegen ihm, alles nur, weil er hier war. Eine große Gestalt kam auf sie zu, der Wächter des Raumes. Wild schrieen sie durcheinander, wie in Panik, alles wegen ihm.
Plötzlich begannen sie sich aufzuteilen und den Raum zu durchsuchen. Er geriet in Panik, da er deutlich den gurgelnden Laut des Etwas am Ende des Ganges hörte.
Der Rückweg war ihm abgeschnitten. Er konnte nicht vor und nicht zurück, er war gefangen. Gleich hatten sie ihn, er wäre dann für immer hier.
Da ertönte ein ohrenbetäubender Laut im Raum. Die große Gestalt, der Wächter, kam mit einem Karren in den Raum und fuhr ihn auf eine tief liegende Steinplatte zu. Irgend etwas hob er aus dem Karren raus, er konnte nicht sehen was. Es bewegte sich noch, zwar schwach, aber erkennbar. Es lief im kalten den Rücken runter. Es waren Mädchen, junge, nackte Mädchen, die der Wächter auf die Steinplatte legte. Sie waren zu schwach, um sich zu wehren.
Plötzlich kam Leben in die an die Wand befestigten, zerlumpten Menschengestalten. Die Ketten lösten sich, und nun schritten sie auf die daliegenden Mädchen zu.
Die eben noch so wild nach ihm gesucht hatten, mussten jetzt aufpassen, dass sie nicht von der Meute überrumpelt wurden. Sie hatten alle Hände voll damit zu tun.
Er nutzte seine Chance und ihre Unaufmerksamkeit. Er zerriss sich sein Hemd und seine Hose und sprang im Dreck herum, rieb sich den Schleim von den Wänden in seine Kleider - er stank furchtbar. Dann schlich er sich unbemerkt zu einer Gruppe der Verwesten und folgte ihren Weg auf den Stein zu. Manche hatte den Stein schon erreicht. Mit ihren Fingern grapschten sich nach den Mädchen, rissen mit ihren Fingernägeln lange, blutige Striemen in ihr Fleisch. Anscheinend waren die Mädchen davon aus ihrem Delirium gerissen worden. Sie schrieen wie von Sinnen, konnten sich aber nicht wehren.
Ein Schlag in den Rücken beförderte ihn direkt vor den Stein, vor das Mädchen. Sie sah ihn flehend an, sie hatte anscheinend selbst unter dem Dreck erkannt, dass er nicht so eine Gestalt war, die gerade ihre spitzen Zähne in ihr Fleisch gruben. Ihr Schrei endete in einem blutigen Gurgeln.
Wieder bekam er einen Schlag in den Rücken, so dass er jetzt genau mit seinem Kopf über ihn war. Ihr ganzer Körper war mit Blut bedeckt - ihrem Blut. Überall waren ihr Fleischstücke herausgerissen, legten ihre inneren Organe frei - trotzdem lebte sie noch.
Wieder traf ihn einen Schlag. Diesmal befand er sich über ihrer Brust. Eine gegenüberliegende Gestalt sah ihn blutig an. Bevor sie dem Mädchen in die Brust beißen konnte, wurde sie weggeschlagen.
Sein Kopf wurde unmittelbar über die Brust des Mädchens gedrückt. Er wusste, was sie von ihm erwarteten, er wusste, dass er auffiel. Das Mädchen sah ihn an. Er biss zu. Blut lief ihm über die Lippen, Fleisch hing ihm an den Zähnen. Der Druck an seinem Genick ließ nach. Ihm wurde übel. Er bis wieder zu, kräftig, mit Gewalt.
Er riss immer wieder Fleischstücke aus ihr heraus - nur nicht auffallen. Als er aufblickte, sah er, wie ein Zombie ein Organ aus ihr herausriss und genüsslich hineinbiss. Er musste würgen, hustete. Das Mädchen war immer noch nicht tot. Sie würde wahrscheinlich auch noch den letzten Biss spüren.
Plötzlich hielten alle inne und sahen in eine Richtung auf eine große, gehörnte Gestalt. Sie schwang sich auf den Thron, dass ihr Umhang die Luft zerschnitt.
"Lasst euch die Opfer Gottes und seines Sohnes gut ergehen, auf dass mein Reich nie einstürze und ihr ewig lebet!"
Alle brüllten auf und fuhren mit dem Gelage fort. Wieder ertönten die Schreie, das Seufzen, das Schmatzen. Alle beugten sich wieder über die Opfer, nur er kniete da, entsetzt über das Gehörte. Dies sollte das ewige Leben sein? Leben durch die Opfer? Leben durch... Er schrie auf. Das konnte nicht die Antwort sein. Nein! Das konnte nicht sein! Alles Lüge!
Das Letzte, was er hörte, war ein lachender Ruf des "Satans", des Wächters der Ewiglebenden: "Ein Gläubiger!"
Dann wurde er niedergeschlagen...
Alles war heiß. Über ihm, unter ihm. Er war zu schwach, um sich zu bewegen, und zu benommen, als dass er etwas richtiges hätte wahrnehmen können. Da hörte er den Ton. Erst jetzt bemerkte er, dass er nackt war... Er war im Körper des Mädchens.
Er sah die anderen nackten Körper. Es war real. Er war auf dem Stein.
Er versuchte sich zu bewegen, vergeblich.
Die Ketten der an die Wand Gefesselten lösten sich.
Er schrie.
Er hörte das Stöhnen der näherkommenden Gestalten.
Da sah er eine Gestalt hinter einem Felsen. Sie wälzte sich im Dreck und rieb sich den Schleim in die Kleider. Er war es. Die Gestalt war er.
Er versuchte sie zu rufen. Da waren die Gestalten bei ihm und fielen über ihn her. Finger grabschten nach ihm, Nägel bohrten sich in seine Haut, Zähne fuhren in sein Fleisch. Der Schmerz traf ihn von überall und explodierte in seinem Gehirn. Er sah sich neben sich. Er versuchte etwas zu sagen, schaffte es aber nicht. Er sah sich flehend an. Die Gestalt sah ihn an. Plötzlich beugte sie sich herunter und biss ihn in die Brust. Er sah sich entsetzt an."Du hast mir auch nicht geholfen!"
Das Mädchen, fuhr es ihm durch den Sinn. Er war im Körper des Mädchens und sie in seinem. Wieso?
Da biss sie wieder zu. Sein Schrei verhallte ungehört im Raum.