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Dear Depression

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13.06.2018
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Dear Depression

Dear Depression,

Ja was soll ich dir schon groß erklären, du kennst mich vermutlich besser als ich selbst. Also frag ich dich doch mal direkt, was ist denn dein Ziel. Die Theorie, dass du ein nicht gesehener Anteil von mir bist, ja diese Theorie kann ich teilweise nachvollziehen, aber wieso musst du mir denn so viele Steine in den Weg legen? Also ich bitte dich in Zukunft irgendwie besser mit mir zu kommunizieren, denn wie in jeder Beziehung ist Kommunikation das A und O. Abgefunden habe ich mich damit, dass du wie so ein Geschwür an mir klebst und ich dich eben nicht einfach rausschneiden kann, aber wie in jeder guten Partnerschaft bin ich doch Kompromiss bereit. Und so wie andere Menschen dich Bezeichnen, als Krebs, der die Seele anfällt, oder als unüberwindbares Hindernis, so stigmatisiere ich dich doch gar nicht. Normalerweise lebst du in mir, von mir gesehen und vom Rest bemerkt. Und natürlich gibt es Tage, wo du so wirklich alles mies machst. Tage, an denen kein Licht die Dunkelheit durchdringt, aber selbst an diesen Tagen weiß ich nicht, was dich glücklich machen würde. Ich meine, wir kennen uns jetzt beide schon ein bisschen und die Taktik zu schlafen, bis wir wieder aufwachen und dann ist alles gut, probieren wir zwar öfters funktioniert aber fast nie. Klar das Schreiben, hilft uns irgendwie beiden, denn so bekommen wir ein Draht zueinander, aber auch das ist nicht immer erfolgsversprechend. Manchmal, da bin ich richtig verärgert. Wie du mich verarscht hast, als könnte ich Erfolg haben mit Geschichten Schreiben. Da bist du schon ziemlich arschig. Gibt es dir ein Gefühl von Macht und Zufriedenheit, wenn du mich scheitern siehst? Wenn ja, sollte dir doch klar sein, dass wir irgendwie fest miteinander verbunden sind und wenn ich scheitere, auch du scheiterst. Dieses konventionelle Mainstream-Leben, so mit 50000 Euro pro Jahr als studierte Fachkraft, muss ja nicht unbedingt sein, aber möchten wir wirklich unser Leben lang abhängig sein von Staat oder irgendwelchen Menschen, die es mit uns gut meinen. Das Schlimme ist ja, dass sowohl ich als auch du ziemlich beliebt sind. Ja wir werden gemocht, aber irgendwie bin ich zu doof und du zu lethargisch daraus Geld zu machen. Also sollten wir vielleicht doch mal beide in uns gehen und überlegen, was denn unsere Ziele sind, denn so wie es momentan ist, kann es uns beiden doch kein Spaß machen.
Also ich versichere dir, dich zu sehen und zu respektieren. Ich weiß ich werde vermutlich anders sein und auch anders bleiben, aber anders ist nicht gleichbedeutend mit schlecht. Vielleicht müssen wir auch erst noch erkennen, dass in unserer leistungsorientierten Gesellschaft es eben wichtigere Dinge gibt als das plumpe Funktionieren. Ich sehe immer öfters Menschen bei Facebook, die ihre Träume leben. Kluge Köpfe, die Mathe studieren könnten, aber lieber im Theater arbeiten. Faszinierende Menschen denke ich mir und frage mich, wie sie wussten, was sie wollen. Also vielleicht können wir uns irgendwie darauf einigen, dass wir vielleicht zusammen versuchen, einen Weg zu finden und nicht irgendwie immer gegeneinander zuarbeiten, denn das ist ziemlich anstrengend.

Ja vielleicht … bekommen wir beide das ja irgendwie hin, denn als Teil von mir muss und habe ich dich akzeptiert, also vielleicht können wir das mit dem Schreiben doch zusammen schaukeln. Wäre doch schade, wenn niemand unsere tollen Geschichten mit 300 Fehlern lesen dürfte. Immerhin, wenn wir beide was können, dann ist es für gute Laune sorgen. Das Volk liebt uns, würde man übertrieben behaupten, auch wenn wir uns gegenseitig manchmal nicht mal riechen können.
Also abschließend bitte ich dich darum, uns beiden die Chance zu geben, uns kennen zu lernen. Zusammen eine Lösung zu finden, um ein Leben zu führen, wo wir uns beide gesehen fühlen und vielleicht am Ende irgendwann aus zwei verschiedenen Parteien ein gemeinsames Ich werden.

Klar, das klingt alles ziemlich abstrakt, ein wenig gestört, schon fast schizophren, aber ganz ehrlich, was andere denken sollte uns beiden langsam egal sein, denn so zu leben, wie andere uns gerne hätten, versuchen wir schon zu lange erfolglos.

 

Hallo Weba!

Willkommen bei den Wortkriegern.

Ein Geschichte über Depressionen zu schreiben scheitert meistens daran, dass der Protagonist einfach nur rumjammert, und wer will so was schon lesen? Falls der Autor (also du) wirklich depressiv ist, zieht ihn so ein Kommentar vermutlich noch mehr runter (falls das noch möglich ist), aber die Wortkrieger sind halt keine Therapiegruppe.

Ich habe übrigens gerade erst ein gutes Buch über Depressionen gelesen. Tobi Katze: Morgen ist leider auch noch ein Tag - Irgendwie hatte ich mir von meiner Depression mehr erwartet.
Das Buch hat mich nicht nur unterhalten, es hat mir auch geholfen, Depressionen besser zu verstehen.

"Wie du mich verarscht hast, als könnte ich Erfolg haben mit Geschichten schreiben."
=> Die Depression sagt dem Prot tatsächlich, dass er mit irgendwas Erfolg haben wird?

Und das hier: "wenn ich scheitere auch du scheiterst" => kann ich auch nicht nachvollziehen. Die Depression gewinnt doch, und zwar hundertprozentig, wenn der Prot scheitert, nur noch im Bett rumliegt oder sich das Leben nimmt. Nichts anderes ist doch das Ziel der Depression. Siehst du das anders? Wenn ja, wie und warum?


"Ich weiß ich werde vermutlich anders sein und auch anders bleiben"
"denn so zu leben wie andere uns gerne hätten"
=> Oder ist dein Prot gar nicht depressiv, sondern nur ein bisschen deprimiert und sucht dafür 'nen Schuldigen?

"dass wir vielleicht zusammen versuchen einen Weg zu finden und nicht irgendwie immer gegeneinander zu arbeiten"
=> Wie arbeitet dein Prot denn gegen die Depression? Du schneidest nur vage eine Behauptung an, aber du zeigst und Lesern nichts. So kann leider kein Lesevergnügen entstehen.

Na ja.

Grüße,
Chris

 

Hallo Weba und willkommen bei uns!

Mir hat dein Text gefallen. Es ist zwar keine Kurzgeschichte, aber ich finde die Art, in der dein Erzähler seiner Depression einen Brief schreibt, originell. Ich als manchmal unaufmerksame Leserin habe zunächst gar nicht weiter auf die Überschrift geachtet und dachte im Folgenden, es gehe um die Beziehung mit einer Frau, denn irgendwie habe ich deinen Prota als Mann vor Augen. Von daher konnte ich einiges nicht so recht einordnen. Aber dann sprang mich die Überschrift an, und unter dem Aspekt fand ich es richtig gut. Seine, doch recht coole, fast charmante Art, dieser Zecke den Wind aus den Segeln nehmen zu wollen, sie sogar zu einem Kompromiss auffordert. Ich denke nur, du könntest mehr Absätze machen. Um den Grammatikkram kümmern sich vielleicht andere, da bin ich grad zu faul zu, sorry.

Hab's gerne gelesen.

Viele Grüße,
Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo AMW,Chris und Chai,
danke für eure Kommentare:)
Kommas sind wirklich ein Schwachpunkt,ich habe schon angefangen sie zu verbessern und werde morgen den Rest erledigen.
AMW und Chris, eure Einwände halte ich für berechtigt und werde sie überdenken.
So wie Chai es gelesen hat, hätte ich es gerne das es verstanden wird.

 

Hallo Weba,
zu formalen Sachen ist schon einiges gesagt worden. Ich schildere Dir einen inhaltlichen Eindruck. Wenn ich einen Brief lese, bin ich in der Rolle des Voyeurs, des Guckers, der in das Intimleben einer fremden Person blickt. Das ist interessant, wenn sich in einem solchen Text persönliche Dinge mit Positionen, Aussagen oder Einblicken vermischen, die von allgemeinem Interesse sind, die aber auch so geformt sind, dass sie mehr sind, als ein sehr persönliches Zeugnis. Das fehlt mir in Deinem Text, ehrlich gesagt. Dass da etwas ist, was mich wirklich überrascht, was mich vom Hocker haut. Der Text klingt für mich wie ein Selbstfindungstrip, wie es gehen könnte mit der Depression und dem Schreiber. Aber um von allgemeinem Interesse zu sein, scheint er mir zu persönlich gefärbt, ohne zu berücksichtigen, dass für die Ebene außerhalb des Persönlichen eine besondere Form, eine ungewöhnliche Sprache oder ein originelles Bild notwendig ist. Also irgendetwas, das aus dem Rahmen des Normalen fällt. Das ist im Grunde mit dem lässigen Tonfall gegeben, der für mich aber dann doch zu gleich dahinplätschert.
Herzliche Grüße
rieger

 

Hallo Weba,

dein Text ist für mich zwar eher keine richtige Kurzgeschichte, aber ich habe ihn trotzdem gern gelesen. Da schon so viel zu Formalem gesagt wurde, wollte ich dir gern eine Leseeindruck dalassen. Ich bin Psychologin und schon deshalb sehr interessiert am Thema deiner Geschichte. Ich finde die akzeptierende Haltung des Protagonisten, das Friedensangebot, sehr schön. Deine Sprache hat Abstand zur Depression, so kommt es rüber als habe der Protagonist auch genug Abstand un die Depression als das zu erkennen und anzunehmen, was sie ist. Das gefällt mir sehr.

Ich verstehe nicht ganz, warun die Anrede englisch ist, "Liebe Depression" hätte man doch auch nehmen können, oder?

Klar das klingt alles ziemlich abstrakt, ein wenig gestört, schon fast schizophren, aber ganz ehrlich was andere denken sollte uns beiden langsam egal sein, denn so zu leben wie andere uns gerne hätten, versuchen wir schon zu lange erfolglos.
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Den letzten Satz würde ich kürzen, der ist arg lang geworden.
Und ich weiß, dass "schizophren" im wörtliche Sinn "gespalten" bedeutet, würde aber dafür plädieren, dass du dir die Formulierung noch einmal überlegst. "Gestört"/"verrückt" und "schizophren" werden oft, wie auch hier, zusammen verwendet. Schizophrenie ist eine ernste Krankheit und Menschen, die darunter leiden, sind schwer stigmatisiert. Deshalb finde ich es ist es wert, sich genau zu überlegen, was man in Bezug darauf schreibt und welche Wirkung die eigenen Worte haben können.

Danke für's Teilen!
Viele liebe Grüße,
Maria

 

Ich finde den kurzen Text sehr entzückend. Wenn ich das richtig deute, spricht ein Bipolarer, der sich gerade in seiner Manie befindet, mit seiner Depression - und der Protagonist hofft, dass die nächste depressive Phase verwertbarer ausfällt. So kenne ich meine manisch-Depressiven. Sie haben immer Angst vor der nächsten depressiven Phase und sie wünschen sich, dass sich diese mit ihrem Aufbäumen Zeit lässt. Das ist sehr nah an der tatsächlichen Erkrankung und ich würde das genau so unterschreiben.

In ihrem Hoch verbringen die Erkrankten kleine Wunder und in ihrem Tief sind sie zu Tode betrübt - dein Prota scheint sich in seiner Manie zu einem Starautor zu entwickeln und er fürchtet den Verlust dieser Kreativität, den die Depression mit ihrer Teilnahmslosigkeit mit sich bringt. Da kann ich gar nicht viel hinzufügen, außer dass mir der kurze Schluck ziemlich gut gefallen hat.

Eins noch, das geht aber nicht an dich, sondern an MariaSteffens :

Und ich weiß, dass "schizophren" im wörtliche Sinn "gespalten" bedeutet, würde aber dafür plädieren, dass du dir die Formulierung noch einmal überlegst

Ich finde, dass das Wort an dieser Stelle seinen Sinn hat und bleiben kann. Der Wunsch eines Depressiven, dass seine Depression mal einen Gang zurückschalten könnte, ist schizophren - darum sehe ich da kein Problem.

Und Ja, eine Schizophrenie ist eine ernsthafte Krankheit und ich befürworte, dass man sie ernst nimmt, aber es gibt auch Depressionen, die schizophrene Wesenszüge aufweisen können. Ein Beispiel wäre eine Schizomanie, was eine Unterform der bipolaren Störung ist. In ihrer Manie entwickeln die Betroffenen einen Wahn, der anhält, bis die manische Phase abklingt. Ein Beispiel dafür wäre das sogenannte Jerusalemsyndrom. Das ist in meinen Augen noch ein Grund, um das Wort stehen zu lassen - die Krankheit wird nicht ad absurdum geführt und das ist in meinen Augen das Wichtigste.

 

NWZed
Ich meinte das gar nicht als extreme Kritik, ich finde auch, dass das Wort hier passt. Mein Gedanke war eher, dass ich "schizophren" in diesem Satz als eine Steigerung von "gestört" verstanden habe. Und das liest und hört man so oft und es trägt eben zum Stigma bei. Was natürlich auch nicht grundsätzlich heißt, dass man es so nicht verwenden sollte, ich finde es nur gut, wenn man sich der Stigmatisierung bewusst ist, wenn man über psychische Störungen schreibt.

Stimmt, es gibt einige Störungen, bei denen Wahn und affektive Symptome gemeinsam auftreten, schizoaffektive Störungen, affektive Psychosen. Ich hatte aber nicht das Gefühl, dass davon in dieser Geschichte konkret die Rede war? Und in diesem Satz würde das Beschriebene ja auch nicht wirklich auf psychotische Symptome hinweisen, sondern passt viel besser zum wörtlichen Sinne von "schizophren".

 

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