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- 08.04.2002
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DE OPPRESSO LIBER - Green Berets
Prolog
Bei der Truppenparade hatten sie ihre schönsten Uniformen zeigen können, aber nun hätte niemand sie so vermutet. Einige Tage war es doch erst her, seit die Abteilung von Masterson den Paradeplatz herabmarschiert war und die Menschen ihnen so begeistert zuwanken. Einige Tage trennten den Luxus vom Überleben.
Nun hockten sie hier im Dreck, stundenlang, und harrten der Dinge die da kommen mochten. Niemand liebte diese Aufgabe richtig, aber jeder war bereit sie ohne Murren durchzuführen. Es gehörte zu den Aufgaben der Einheit, jeder hatte sich freiwillig bei den Special Forces beworben. Also konnte nun auch niemand mehr einen Rückzieher machen und aussteigen. Sie waren hier und hier war es heiss. Das war doppeldeutig, denn sowohl klimatisch als auch politisch befanden sich die Soldaten in einer brisanten Situation.
Seit Stunden hatte sich Masterson keinen Milimeter mehr bewegt und seine Glieder schmerzten. Auch der Mann neben ihm in seinem Ghillie-Suit konnte die Stellung seit geraumer Zeit halten, aber langsam wurde die Haltung sehr mühsam. James sah abermals durch das Fernglas, dessen Gläser gegen Lichtreflektionen getönt waren. Er konnte dasselbe Bild sehen wie seit zwei Tagen – die einsame Landstrasse, die sich vor seinen Augen in das kleine Wäldchen schlängelte, wo er und seine Männer warteten. Der Asphalt bröckelte hier und da und von dem gestrigen Regen waren einige Flecken und Pfützen auf dem Belag verblieben. Die Uniform der Männer konnte ein Lied davon singen, denn auch sie war noch an unzähligen Stellen davon getränkt.
Plötzlich Bewegung auf der Strasse. Ein Fahrzeug kam sie entlang, ein alter Militärjeep in olivgrüner Tarnung. Zwei Männer sassen vorne, ein dritter stand an dem einzelnen Maschinengewehr auf der Ladefläche. James folgte dem Jeep mit dem Fernglas und konnte deutlich die Kennzeichen an den Seiten erkennen – Guinea.
Das Fahrzeug kam schnell die Strasse entlang und weiter hinten konnte James einen weiteren Jeep gleicher Bauart entdecken. Es war klar, dass die Führung ihren Konvoi durch dieses Gebiet schicken würde und das Wäldchen hier war der ideale Ort für den Überfall. James legte das Fernglas vorsichtig ab, als der Jeep nur zwanzig Meter an ihm vorbeifuhr. Die Besatzung des Wagens spähte zwar in den Wald, aber die dichte Blätterschicht am Boden verbarg die amerikanischen Soldaten sehr gut vor den Augen untrainierter Menschen.
Mit Getöse fuhr der Jeep die Strasse weiter und die Männer ahnten nichts von den Spezialeinsatzkräften, die jeden ihrer Schritte beobachtete.
James schwenkte ganz langsam seinen Kopf zu dem Mann neben ihm – Nick Moranis, einem inzwischen sehr Vertrauten Soldaten, den James vor einigen Wochen zum ersten Mal in Fort Bragg getroffen hatte. Er nickte und fasste vorsichtig an seinem Bein nach hinten. Er konnte das kalte Metall des Gewehrs spüren und zog es langsam nach vorne, während Nick mit dem Fernglas den anderen Jeep fokussierte. Sie hatten seit gestern Abend kein Wort mehr gewechselt und Nick blieb auch jetzt still. Solche Missionen gaben einem viel Zeit zum Nachdenken, zu viel, wie einige Angehörige der Army oft dachten. Aber wenn man nicht nachdachte brauchte man überhaupt nicht an die Bewerbung bei den Special Forces zu denken, und so konzentrierte James sich wieder auf den zweiten Jeep, der an ihnen vorbeirauschte. Die Kolonne konnte nicht mehr lange auf sich warten lassen und James machte sich auf einen schnellen Stellungswechsel fertig. Bei jeder der wenigen Bewegungen musste das Team sehr vorsichtig sein und eine Entdeckung auf jeden Fall zu vermeiden.
Plötzlich sah James durch das Glas einen Panzer auf der Strasse. Er wirbelte eine Menge Sand auf und oben aus der Luke blickten zwei Männer. Es war ein russischer T-72 Kampfpanzer, ein sehr gefährlicher Gegner, den man überall antreffen konnte. James sah zu einem Busch einige Meter neben ihnen. Dort entdeckte er Marc, der ebenfalls perfekt getarnt unter einer dicken Schicht Blättern lag. Er nickte und blickte wieder durch das Fernglas, als er sah, wie der Panzer an den Strassenrand fuhr und die Besatzung ausstieg. Entweder, sie machten Pause oder sie suchten nach etwas – oder jemandem.
James konnte weiterhin einen Lastwagen und einen Jeep erkennen, die die Strasse entlang kamen und gerade tauchte eine schwarze Limousine auf, die hier völlig fehl am Platz schien. Kleine Fähnchen wehten vorne an der Motorhaube und der Lastwagen vorne dran hielt eine exakte Geschwindigkeit ein. Das war die Chance, auf die die Soldaten gewartet hatten.
James legte das Fernglas weg und zog sein mattschwarzes CAR-15 Sturmgewehr heraus und löste die Sicherung. Jetzt kam der Moment, auf den sie seit Tagen warteten, der Moment, wo sie entdeckt werden wollten. Er signalisierte seinem Funker, die vorab ausgemachte Botschaft abzusetzen und schaute zu den Soldaten im Umkreis.
Der Lastwagen bog in den Wald ein und hielt an der Seite an – genau zwischen den amerikanischen Soldaten und dem Panzer. Also ideale Bedingungen für einen Feuerüberfall.
Hinten aus dem LKW stiegen einige Soldaten ab, die Ak-47 Sturmgewehre trugen, das meistverbreitete Gewehr der Welt.
James erkannte, als die Limousine in den Wald bog, erkannte die getönten Fenster, in denen sich die Bäume und Büsche spiegelten und wie einige Blätter von den schwarzen Reifen aufgewirbelt wurden.
James nickte und zog das CAR-15 nach vorne und warf einige Blätter über die Waffe. Er zielte über das noch freie Visier und liess die Limousine noch einige Meter näherkommen. Sie war sicherlich gepanzert, wozu die Soldaten vorher einige panzerbrechende Ladungen, Panzerminen, auf der Strasse verteilt und verkabelt hatten.
Als der Jeep über die Minen fuhr drückte Marc den Knopf auf dem kleinen Pult und sprengte die Minen in die Luft. Mit einem gigantischen Feuerball flog der Geländewagen hoch durch die Luft und wirbelte wild und unkontrolliert herum.
Da kamen die Männer aus ihren tagelangen, gut gebauten Verstecken, am Leib den Ghillie-Suit mit Blättern und Zweigen bedeckt. James riss das CAR-15 hoch und feuerte sofort eine 3er Salve auf einen der Soldaten des Lastwagens und sein Partner Nick gab einen weiteren Feuerstoss auf den anderen ab. Auch auf der anderen Strassenseite ertönte Gewehrfeuer und nach einigen Sekunden waren alle Soldaten tot, der LKW von Geschossen durchsiebt.
Die Limousine stoppte, weil sie an dem zerstörten Jeep nicht vorbei kam und der Fahrer machte den grössten Fehler überhaupt: Er öffnete die Türe und riss seine Pistole hoch, aber ein Schuss Kaliber 5,56mm liess ihn sofort zu Boden gehen.
James sprang über den kleinen Busch und rannte zur Strasse nach unten. Marc schoss eine 40mm-Nebelgranate aus seinem angesetzten M203-Werfer und einer der anderen Soldaten liess sein M-60 Maschinengewehr sprechen, mit dem er einige anrennende Soldaten niederhielt.
James kam an dem gepanzerten Fahrzeug an und holte eine kleine Ladung C4 „Plastiksprengstoff“ heraus, presste ihn an die Türe und drückte den einzigen Knopf. Er ging in Deckung und verbarg sein Gesicht, als die Explosion die Türe zerfetzte.
Er spürte deutlich seine Knochen und Gliedmassen, denn das tagelange Liegen machte sich doch sehr bemerkbar. Es schmerzte und er hoffte, dass er keinen Krampf bekam.
Er konzentrierte sich wieder und rannte an die Türe. Immernoch schallten Gewehrschüsse durch den Wald und hinter ihm sprang Nick mit seinem CAR-15 / M-4 Karabiner heran.
Der Insasse in der Limousine war völlig geschockt von der Detonation uns James riss ihn aus seinem Sitz. Natürlich war der Mann nicht angeschnallt und so war es ein leichtes ihn herauszuzerren.
Nick schoss einige Schüsse auf dessen Bodyguard auf der Rückbank, der genauso handlungsunfähig war wie sein Chef. Es war so einfach, eine solche Limousine zu knacken, obwohl ihre Sicherheit in so vielen Test immer wieder nachgewiesen werden konnte. Mit dem richtigen Werkzeug und dem nötigen Wissen aber war es den Special-Forces Soldaten kein unüberwindbares Hindernis.
Weitere Soldaten kamen von den Seiten gerannt und James übergab die „Geisel“ an einen anderen, drehte sich um und ging in die Hocke. Er konnte einige gegnerische Soldaten sehen, die vom Panzer her rannten und streckte zwei von ihnen mit Salven nieder. Marc kam gerannt, riss sein M-60er hoch und feuerte auf die Männer.
James zog eine Rauchgranate und liess sie vor sich fallen. Weiter hinten war der Panzer immernoch durch die 40mm-Nebelbombe handlungsunfähig.
Nick und Marc zogen sich sichernd zurück und James legte das M-4 über die rechte Schulter. Hinter ihm zündete die Nebelgranate und hüllte den Weg mit der Limousine in Rauch. Man konnte nicht mehr hindurchsehen, nur vage Schüsse waren möglich. Aber die amerikanischen Soldaten wollten einen Rückschlag der Gegner auf jeden Fall vermeiden.
James rannte weiter und einige Meter vor ihm lag ein Soldat mit einem M-4 hinter einem Ast und feuerte schnelle Salven auf die gegnerischen Soldaten, die durch den Rauch traten. Um ihm Deckung zu verschaffen nahm James seine Position ein und feuerte sein Magazin leer, bevor er ein neues einführte und wieder spannte.
Der Waldweg bog nun in zwei Richtungen ab, in der einen zur nächsten Stadt, die andere zu einer kleinen Lichtung, wohin die Soldaten wollten.
Marc lag zur Rückzugssicherung mit dem M-60er da und wartete auf Feinde, aber vergebens. Von hinten drohte noch Gefahr, denn die beiden Jeeps konnten zurückkommen. So beeilten sich die Soldaten und James warf noch eine Nebelgranate in die Kreuzung. Die kleine Truppe mit der Geisel nahm den Weg, der hier dicht von Blättern überwuchert war. Die Hauptstrasse wurde wohl oft geräumt, aber diese hier war unberührt. Leider entdeckte man hier leicht Fußspuren und deshalb wichen die Amerikaner auf den Waldboden aus, denn hier waren viele Hindernisse, die die Spuren verbergen konnten.
James kam an einem weiteren sichernden Soldaten mit M203 an seinem Karabiner vorbei, der hinter einem Busch auf Gegner zielte. Diese Art der Rückzugssicherung war sehr effizient und stammte von den SEALs, die sie in vielen gefährlichen Operationen erfolgreich angewandt hatten. James öffnete die Verschlüsse des sperrigen Ghillie-Suits und liess ihn auf dem Waldboden liegen. Er fiel kaum auf, denn dafür hatten die Soldaten ja mit den Blättern und Ästen gesorgt.
Über ihnen ertönte plötzlich lautes Getöse. Die angeforderten Helikopter trafen pünktlich auf die Sekunde ein und James musste lächeln. Aber noch waren sie nicht Zuhause.....
Hinten kamen einige Gestalten aus dem Nebel, die sofort in das konzentrierte Feuer von M-60 Maschinengewehren und M-4 Karabinern liefen. Die amerikanischen Soldaten wollten jetzt keine Unfälle mehr und waren trotz des langwierigen Beobachtungseinsatzes hellwach und konzentriert. Keiner konnte jetzt aufgeben oder einen Fehler machen und die Männer mit der Geisel fesselten sie mit Kabelbindern und Klebeband über dem Mund und an den Füssen.
James feuerte stehen seine Salven auf die Soldaten und erwischte einen von ihnen in die Schulter.
Er drehte sich um und klopfte Cortez auf die Schulter, der noch schnell seine Munition verschoss und dann auf den landenden HH-60 Hubschrauber zustürmte, wo einige Soldaten mit ihren Karabinern und MGs warteten. James sah, wie die Geisel in den schwarzen Hubschrauber gezogen wurde und einige seiner Soldaten bereits einstiegen. Er fürchtete nun nur noch, dass der T-72 Panzer die Spur verfolgt hatte und gleich durch die Nebelwand brach, aber das passierte zum Glück nicht, als der vollbesetzte „Pavehawk“-Helikopter wieder abhob. Einige amerikanische Soldaten blieben noch am Boden und feuerten ohne Unterlass auf die Gegner. James schoss sein zweites Magazin leer und sah, wie der noch wartende Nick eine 40mm-Granate verschoss. Diesesmal war es ein Sprenggeschoss und jagde einige Soldaten des Feindes in die Luft, als der zweite „Pavehawk“ herabkam und neben ihm aufsetzte. Die Crew wank dem Soldaten, der als letzter in die Kabine gezogen wurde, während die Crew mit den Türmontierten M-60 Maschinengewehren auf die Gegner feuerte.
James atmete auf, als die Räder den Boden verliessen und er sich schon fast in Sicherheit wog. Fast nichts konnte nun mehr passieren... .
Die beiden Hubschrauber überflogen den immer dichter werdenden Dschungel und vermieden es, weit überhalb der Baumgrenze zu fliegen. Guinea hatte zwar kein besonders gut ausgebautes Radarnetz, aber die Paramilitärs hatten genug Flugabwehrwaffen, um die einzelnen Helikopter abschiessen zu können.
Unter ihnen flogen die Bäume vorbei, deren dichte Kronen von oben undurchdringlich schienen. Generationen von Soldaten bedeutete dieser Anblick das pure Grauen, den schrecklichen Krieg in Vietnam. Die GIs in diesem Hubschrauber hatten das Land noch nie gesehen, denn sie waren alle viel zu jung, aber ihre Väter hatten es gesehen. Trotz der abschreckenden Geschichten aus Südostasien traten viele Rekruten der Army bei um die Abenteuer ihrer Väter in fremden Ländern neu zu erleben. Die Zeit der Abenteuer schien vorbei zu sein, aber eine neue Welt hielt auch neue Abenteuer bereit. Neue Politiker ersetzten alte, neue Probleme kamen hinzu. Seit der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ hatte die US Army ihre Kräfte in Europa stark reduziert und viele Soldaten mit ihren Familien mussten in die Vereinigten Staaten kommen, in ein Land, das viele der Soldatenkinder und Frauen noch nie gesehen hatten. Für die Soldaten war es ein Heimkommen, für die Angehörigen das Herausreißen aus einer vertrauten Welt.
James hatte das alles miterlebt, hatte die Tränen gesehen, die seine junge Frau und seine Tochter Lisa geweint hatten, als sie aus Bad Tölz gehen mussten. Das war vor zehn Jahren gewesen...
Mein Gott, so schnell vergeht die Zeit. Es war ein feierlicher Akt gewesen, als die Standortfahne abgezogen worden war und die ganzen Vertreter der bayerischen Regierung und der Bundeswehr anwesend waren. So viele Soldaten der Special Forces hatten sie persönlich gekannt, denn sie waren durch ihre fundierten Sprachkenntnisse den Männern aus Deutschland und der Bevölkerung der ländlichen Gegenden sehr nahe gekommen. Man wollte die amerikanischen Soldaten ja so haben – sich kaum von der zivilen Bevölkerung unterscheidend und im Besetzungsfall durch die Ostblockländer hinter den feindlichen Linien operierend.
Ja, so änderten sich die Zeiten wirklich.
James lachte seinem Gegenüber zu und stellte den Karabiner mit der Schulterstütze auf den Boden, fasste es mit dem Handschutz in Richtung Decke an. Er hatte es gesichert und wischte sich einige Schweissperlen von der Stirn. Sie war wie das ganze Gesicht mit grüner Tarnschminke bemalt und man konnte sie von der Uniform kaum unterscheiden.
Er kramte mit der Hand in einer Tasche der Uniform und zog das Kleidungsstück aus der Tasche, das den Special Forces ihren markanten Namen gegeben hatte: ein grünes Barett. Er setzte es stolz auf und rückte es etwas zurecht. Das Zeichen an der Mütze korrekt nach vorne ausgerichtet und makellos glänzend. Egal wo sie sich im Kampf befanden, stets war das Barett dabei und richtig gewienert.
Nun grinste er noch mehr, denn nun war er voll in seinem Element, er war ein Green Beret.
Die sagenumwobene Spezialeinheit der United States Army hatte wieder einen geheimen Auftrag hinter feindlichen Linien erfüllt, auch wenn sie nicht den ursprünglichen Plänen der Gründer in den 50er Jahren entsprach.
Die Pavehawk-Maschinen erreichten offene See und gingen noch tiefer, um auf jedem Fall keinem Flugzeug oder noch wichtiger, keiner Radarstation zu begegnen.
Damals wurden die US Army Special Forces aufgestellt, um den unterdrückten Völkern hinter dem Eisernen Vorhang im Falle einer Revolution beizustehen und mit Militärberatern und Spezialkommandos der Sowjetunion in deren Hinterland zu schaden. Deshalb waren in diesen frühen Jahren viele Flüchtlinge aus Deutschland oder Ostblockländern gefragt, die gute Kenntnisse in der lokalen Sprache und der Umgebung hatten und James´s Grossvater, dem im 2. Weltkrieg auf Seiten der polnischen Armee gegen Hilter-Deutschland gekämpft hatte, kam 1961 zu den Green Berets und leistete seinen Dienst zwanzig Jahre lag bis zu seiner Pensionierung ab. Dadurch bekam er die amerikanische Staatsbürgerschaft, so auch James. Er war in Knoxville geboren und kehrte mit seinem Vater nach Deutschland zurück. Er konnte kaum Deutsch, aber in den Jahren in der Flint-Kaserne in Bad Tölz, wo sein Vater arbeitete, erlernte er einige erste Eindrücke und schloss sich schliesslich auch den Army Special Forces, den Green Berets an.
„Wir treffen den Tanker um 13. 39 Uhr!“, rief der Pilot des Pavehawk, „dann werden wir nonstop nach Marokko weiterfliegen! Dort wartet eine Hercules, die sie nach Deutschland bringen wird!“. James nickte und sah durch die geschlossene Kabinentüre mit den beiden grossen Fenstern auf das tosende Wasser und die einzelnen Fischerboote auf den Wellen des stürmischen Atlantiks. Sie hatten es nicht leicht, ihren Kurs zu halten, aber die Aussicht nach reichen Fischbeständen in den Netzen liess jede Gefahr verblassen. Der Lebensunterhalt war einfach wichtiger als irgendwelche Sorgen, an einer unberechenbarer Klippe hier draussen zu zerschellen.
1
Heeresnachrichtenzentrum, Fort Huachua
Das Heer von Spezialisten im Nachrichtenzentrum der USA war in diesen Minuten von einer seltenen Hektik erfasst. Die hochmodernen Anlagen des Forts waren einmalig in der Welt und schon oft genug Stoff von internationalen Diskussionen gewesen, was der Führung der Staaten nicht gerade gefiel. Von hier aus konnte man jegliches Funk oder Telefongespräch abhören und entschlüsseln, denn es bestanden Verbindungen zu verschiedensten Satelliten und anderen Abhörstellen in der ganzen Welt. Ein regelrechter Wald von Antennen stellte einen reibungslosen Empfang sicher und machte die Anlage von weit her sichtbar.
Colonel Eric Richter las ein Blatt, das gerade von dem Laserdrucker auf der Konsole ausgespuckt worden war. Der ganz in hellem grau gehaltene Raum war gross und laut, an den Wänden liefen grosse Magnetbänder und Computersysteme entschlüsselten die Daten von allen möglichen Verbindungen auf der Welt. Die blinkenden Lichter bildeten einen Kontrast zu den dunklen Freuqenzschirmen, an denen Spezialisten die Bänder der Spürche filterten und an die restlichen Konsolen weitergaben.
Eric war am Ende der Mitteilung angekommen und runzelte die Stirn. Er spürte dieses Zucken in seiner Lippe, das immer dann auftrat, wenn etwas sehr unangenehmens passierte. So wie nun.
Das Gespräch eines Mannes mit einem bekannten, internationel gesuchten Terroristen im Kosovo wurde von dem Computersystem für „bedenklich“ eingestuft und gespeichert. Die Daten wurden entschlüsselt und ausgedrckt, von Computer sofort ins Englische übersetzt.
Es handelte sich um Frank „Berseker“ Grimes, der vor einigen Jahren dem FBI in den Staaten nur knapp entwischt war. Seitdem wusste man nichts über dessen Aufenthaltsort – bis jetzt.
Vor einigen Minuten telefonierte ein Mann mit ihm, der über eine Operation „Himmelsfaust“ redete, die von seinen Freunden organisiert werden könnte. Sie einigten sich auf einen Treffpunkt heute Abend in einem Restaurant im Kosovo und wollten sich nicht weiter über Handy unterhalten.
Eric wusste, wieso. Fort Huachua war längst kein so gut gehütetes Geheimnis mehr, wie die Regierung es sich wünschte und überall wussten die Terroristen um die von ihm ausgehende Gefahr.
„Diese Nachricht muss sofort an die NSA weitergeleitet werden. Sie sollen einen Mann herschicken!“, befahl Eric und einer der Männer nickte und nahm das Telefon ab.
Eric fummelte eine Zigarette aus der Packung und steckte sie sich an. Er rauchte für gewöhnlich nicht so viel, eine Packung hielt ihm mitunter eine Woche lang, aber er konnte seine Augen nicht von diesem Brief lassen. Das Jucken in seiner Lippe verriet ihm die Wichtigkeit und er nahm den ersten Zug der Marlboro. Wenigstens Filter, so töte ich mich nich gleich, dachte er und liess seinen Blick über die Zeilen fliegen. Der Drucker wurde langsam leer, denn er bildete Streifen beim Drucken, das fiel ihm nun auf. Solche Sachen bemerkte er immer nur sehr beiläufig und meist immer dann, wenn es sich um eine unglaublich wichtige Nachricht handelte.
Der Kosovo gehörte nicht gerade zu der Lieblingsgegend der USA, denn sie hatten viel Kritik bei ihren Angriffen 1998 einstecken müssen. Viele Nationen, vor allem der NATO, waren der Meinung dass der Angriff zu schnell und zu hart gekommen war, als das es die Bevölkerung des Staates verdient hatte. Aber die Regierung hatte an ihren Zielen festgehalten und griff stark in den Konflikt ein.
Die Bilder des Suchkopfes gingen um die Welt, der in der Spitze einer lasergelenkten Bombe sass. Man konnte in den schwarz-weissen Aufnahmen den letzten Teil eines Anfluges sehen, bevor die Sprengladung in die Gitterkonstruktion einer Brücke einschlug. Der Fluss, die Gräser und Büsche vermittelten eine idyllische Gegend, wäre da nicht die schwere Bombe, die unbeirrt herangeschossen kam. Die Brücke war frei, aber kurz bevor die Bombe einschlug schoss ein Zug ins Bild. Weiteres konnte man sich denken, denn das Bild schnitt. Die unschuldigen Opfer dieses Tages waren ein bedauernswerter Kollateralschaden, wie die Regierung es ausdrückte. Ein ziviles, aber vertretbares Opfer in einem Krieg modernster Technologien.
Eric tupfte die Asche über dem Aschenbecher ab und legte das Blatt auf den Tisch. Die Spezialisten der National Security Agency NSA würden die Spur verfolgen und andere Institutionen wie die CIA darauf ansetzen.
Nur eine Frage der Zeit, die Vereinigten Staaten bekamen irgendwann jeden Terroristen zu fassen. Früher oder später.
Einige Minuten später kamen endlich die Männer von der NSA, darunter Shepard Dougherty, ein hochgewachsener Agent, der bis vor einigen Jahren bei den Marines gekämpft hatte und während des Golfkrieges in den Staaten eine Reserveabteilung führte. Er hatte es gehasst, hier in seinem Zuhause auf seine Chance zum Kampf zu warten, während seine Kameraden dort unten ihre Köpfe hinhielten. Er hatte bereits seinen Abmarschbefehl – als der Krieg vorbei war.
Shepard nickte dem Chef der Abteilung, Eric, zu und gab ihm die Hand. Bei ihm einige unbekannte Männer, die Eric noch nie gesehen hatte. Shepard nahm sofort das Blatt in die Hand, das Eric ihm reichte und las die Zeilen zwei mal durch.
„Scheint ernst zu sein. Die NSA wird sich drum kümmern. Vielleicht können wir heute abend schon in diesem Restaurant einen Mann der CIA sitzen haben, der diesem Typen Handschellen anlegt!“.
Eric nickte und drückte die Zigarette aus. „Wir sollten mehr über diese erwähnte Operation „Himmelsfaust“ herausfinden. Eventuell ist es eine gefährliche Situation, in die wir da schlittern!“.
Shepard nickte und faltete den Zettel, bevor er ihn an einen seiner Begleiter gab.
„Ich werde mit dem Präsidenten persönlich sprechen!“.
James Masterson und sein Trupp von Green Berets war in der Kaserne in Böblingen bei Stuttgart angekommen und hatte endlich die so lange vermisste Dusche genommen. Man konnte sich gar nicht vorstellen, wie einem schon so einfache Dinge wie die Dusche nach zwei, drei Tagen draussen im Felde fehlten. Es war unterschätzt, dass man solche Situationen oft verfluchen konnte wegen solcher Kleinigkeiten.
Er trat aus der Kabine und griff nach seinem Handtuch. Er fuhr sich durch die Haare und hielt Inne. Entdeckte er in dem Spiegel etwa ein graues Haar? Das konnte doch nicht sein! Verdammt, er hasste es jetzt schon. Sofort stellte er sich mit grauer Mähne vor und wie er als Opa wirken würde. Es konnte schon ein graues Haar sein. Er verwarf den Gedanken und trocknete sich ab, bevor er in den weissen ARMY Bademantel schlüpfte. Die Wolle fühlte sich schön weich an auf seiner Haut und er fuhr mit der Bürste mehrere Male durchs Haar. Seine Frisur stellte keine besonderen Ansprüche und er wollte so schnell wie möglich Linda, seine Frau anrufen, die in Fort Bragg auf eine Nachricht ihres Mannes wartete. Seine Tochter Lisa war jetzt schon 15 und ihm wurde klar, dass er sie nur wenig im Jahr sehen konnte, ihr beim Aufwachsen zusah oder ihre Freunde kennenlernte. Er kannte wirklich keinen Freund seiner Tochter und auch keine Freundin.
Das Telefon stand auf dem kleinen Telefontischchen vor der Küche und er wählte die Nummer in Rekordzeit. Eine Woche lang durfte er sich aus Sicherheitsgründen nicht mehr melden und nun war diese Sperrezeit vorbei.
Das Freizeichen ertönte einige Male, bis mit einem knacken der Hörer abgenommen wurde. „Hier Linda Masterson.“, hörte James. Es war die sanfte Stimme seiner Frau, die einige tausend Kilometer weiter westlich in ihrem Wohnzimmer stand und das schwarze Mobiltelefon in Händen hielt.
„Hallo, Schatz, hier ist James! Wie geht es dir?“, fragte er. Wie konnte er nun nur so offiziell sein? Er sprach seit sieben Tagen wieder mit seiner weit entfernten Frau und fragte nur „wie geht es dir?“. Das war typisch für einen solchen Soldaten, denn er wurde schon fast fremd mit seiner Ehefrau. Eines stand fest, er wollte so schnell wie möglich zurück in die Staaten.
„Hallo, James! Ich habe mir solche Sorgen gemacht....zum Glück lebst du noch! Ich habe auf CNN von einer Operation der USA in irgendeinem Afrika-Staat gehört. Sag´ bloss, das wart ihr?“. James musste lächeln. Und das war typisch für seine Frau! Wahrscheinlich wussten hundert Menschen in den Staaten von dieser Mission und seine Frau war dabei! Es war unmöglich, dass CNN diese Nachrichten bereits gebracht hatte und er nickte, obwohl sie es ja nicht sehen konnte. „CNN, hm Schatz? Was hat dir der General noch gesagt?“, lachte er und konnte förmlich die Verwunderung seiner Frau spüren. Sie würde jetzt das Telefon in beide Hände nehmen und verlegen zu stottern beginnen. Zumindest tat sie das normalerweise. Nun aber musste sie auch nur lachen.
„Du hast mich durchschaut. Madison meinte, ihr würdet eine Operation in Afrika haben und frühestens morgen zurückkommen! Ist alles gut gelaufen?“, fragte sie. Etwas Beunruhigung war doch zu spüren, aber James wusste sie aus so vielen Gesprächen dieser Art zu beruhigen.
„Ja, Darling. Alles ist okay. Ich hoffe, schon morgen zurückzufliegen! Die Army muss einige Versorgungsflüge machen und wir können wahrscheinlich mitfliegen!“.
Das Gespräch zog sich über einige Minuten hin und James freute sich besonders über die Stimme seiner Tochter Lisa. Er vermisste sie wirklich, seine Frau und seine Tochter, aber dieser Beruf liess nicht viele Zugeständnisse zu. Es war eine schwierige Situation für jeden von ihnen, aber sie hielten durch. Bis zum Tag von James´ Pensionierung.
2
Sonderschule des Marine Corps, Norfolk
Der Ausbilder machte es jedes Mal mehr Freude die neuen Rekruten in der Abschlussprüfung im Übungsgelände zu beobachten. Jedes Jahr kamen junge Marines hierher nach Fort Benning und wollten die Springerschule der Air Force durchlaufen um in ihren alten Einheiten die schicken Flügelchen vorzeigen zu können. Die Ausbildung zum Freifaller war hart, gemessen an den Levels der reelen Kämpfen aber gab es kein Training, das wirklich hart genug war.
Die Männer der 3. Gruppe 2. Batallion der Aufklärungsabteilung des United States Marine Corps, kurz Marine Force Reconissance oder einfach Force Recon, wollten hier beweisen, was wirklich in ihnen steckte. Die Aufklärungsspezialisten in Uniform wurden bei Nacht über dem Übungsplatz abgesetzt und mussten sich zu ihrem Zielobjekt durchschlagen und die notwendigen Daten des Computers sichern. Das Übungsobjekt wurde von „normalen“ Marines gehalten und die Recon-Marines sollten sie so unbemerkt wie möglich ausschalten und entkommen.
Davis war der Drill Sergeant der Abteilung und sass bequem in seinem Büro, die letzten Akten studierend. Er kannte jeden der Soldaten genau und hatte nicht vor, sie nun eine ruhige Kugel schieben zu lassen. Die beste Eliteeinheit des Marine Corps sollte leise sein, unbemerkt und tödlich. SILENT, SWIFT, DEADLY lautete das Motto der Reocon-Marines und sie sollten ihm jede Ehre machen. Die Operation in Guinea war ein exzellentes Beispiel für die tauglichkeit kleiner Gruppen erfahrener Soldaten, die hinter den feindlichen Linien dem Gegner auflauerten und ihn mit der Macht der Überraschung in die Knie zwangen. Zwar waren die Männer aus Guinea keine Marines gewesen, denn diese Art von Kidnapping gehörte nicht zu den Aufgaben der Aufklärungsabteilung, sondern Army-Special-Forces-Soldaten, aber dies machte in der Regel keinen Unterschied. Die Green Berets waren es gewesen, die den Terroristenführer aus seiner Panzerlimousine geholt hatten und mit den Hubschraubern nach Europa brachten. Davis hatte es seinen Marines eingebleut, die Vorgehensweisen des Gegners zu imtieren und nun lieferte die Realität ein gutes Beispiel hierfür. Sie lernten von ihren Brüdern in der Army, wie sie diese Vorgehensweisen im Feld einsetzen konnten.
Gestern Abend wurden die Anwärter mit den Blackhawk-Hubschraubern auf den Truppenübungsplatz geflogen und sprangen aus 400 Metern Höhe mit dem Fallschirm ab. Davis hatte veranlasst, dass die bewachenden Marines in dem Komplex kein Auge zudrücken sollten. Die angehenden Reconissance-Marines durften es nicht einfach haben, nicht in einer realitätsnahen Übung, denn im Gefecht hatten sie es auch nicht leicht. Er wollte mit einem UH-1 Hubschrauber hinausfliegen und die Männer per Infrarot im Wald suchen. Er wollte einen Überblick über „seine“ Soldaten und bekam diesen nur aus der Luft. Wenn sie von ihm gelernt hatten, dann würden sie sich einige Minuten dem Zugriff der Maschinen entziehen. Es war aber normal, dass die Männer in der Übung noch nicht die Kniffe und Tricks der alten Hasen der Force Reconissance kannten.
Es war immer wieder schön, sie in diesen gespielten Szenarien auf Grund laufen zu sehen... .
Der UH-1 Hubschrauber stand bereit, als Davis aus der Baracke kam und schnell auf die Maschine zuhielt. Der einrotorige Helikopter hob sofort ab und Davis nahm auf einem Truppensitz in der geräumigen Kabine platz. Ein weiterer Mann sass darin, der Bordtechniker für die Infrarotanlage. Auf seinem Schoss hatte er den Bildschirm und einen Joystick zur Kontrolle der Kamera. Sie überflogen in 15 Metern Höhe die Baumwipfel und kamen auch eng an dem Übungsziel vorbei. Davis war gespannt, wie lange sie ihm entgehen konnen.
Die Wache schlenderte lässig über die Ballustrade des Gebäudes. Sein Sturmgewehr hing an den Achseln nach unten und er rauchte eine filterlose Zigarette. Die Uniform war schon etwas abgetragen und die Mütze sass auch nicht mehr perfekt, aber die Uniform tat ihren Dienst noch.
Das Gebäude war ein viereckiger Betonblock inmitten eines Waldes, nur etwa zehn Meter von der Baumgrenze entfernt. Angreifende Einheiten hatten es einfach, aber deshalb hatte man doppelt so viele Wachen aufgestellt, wie üblich.
Die Wache auf dem Balkon war am Ende angekommen und sah gelangweilt in den Wald hinaus. Es würde ja doch wieder Tage gehen, bis die Rekruten der Force Recon hier ankommen würden.Wieso mussten sie schon wieder heute hier den ganzen Tag herumlatschen, anstelle einfach in der Kaserne einen Drauf zu machen? Er wusste es nicht aber er war entschlossen den Neulingen so lange wie möglich Gegenwehr zu bieten. Wieso sollten diese Grünschnäbel gegen einen Haufen erfahrener Marines behaupten können? Es war meist eine Überraschung für die Aufklärungsabteilung, dass ihre ach so guten Ergebnisse nicht immer funktionierten. Und er wollte, dass es auch heute oder wann sie auch immer angriffen, so werden sollte.
In den Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Er schoss herum und riss den Karabiner hoch. Nichts zu erkennen. Sie hatten zu Darstellungszwecken Ak-47er bekommen und er spähte über Kimme und Korn hinunter in den Wald. Er konnte nichts sehen, aber er schwörte, da hatte sich etwas bewegt. Er hatte es doch ganz deutlich wahrgenommen! Langsam lockerte er seinen Griff um die Waffe und liess sie sinken. Es konnte doch nicht sein, dass er schon zu Halluzinationen neigte? Er war noch zu jung für einen solchen Scheiß und er hängte seine Waffe wieder um. Der Boden knirschte unter seinen Schritten, aber er liess den Bereich seitlich der Ballusrade nicht aus den Augenwinkeln entschlüpften, als er eine Pfeifen hörte und ein Paintball ihn in die Schulter und sofort darauf in die Hüfte traf. Er erschrak fürchterlich und wusste, dass die Übung nun für ihn vorbei war. Kein langer Widerstand, keine grossartige Gegenwehr. Er war tot, hatte sein Übungs-Leben verloren und liess sich sinken. Er wollte aber unbedingt wissen, woher die tödlichen Schüsse kamen, als sich der Busch wieder bewegte. Das waren die Recon-Marines! Sie hatten sich über Nacht hierher durchgeschlagen und griffen nun an! Das konnte er nicht glauben. Es war sehr ungewöhnlich, dass die Marines in so kurzer Zeit hierher kamen.
Der Busch stand auf und tappte einige Meter vor, hinter ihm kamen Männer mit getarnten Gesichtern und Dschungelhüten aus dem Dickicht, in denen Äste und Gräser steckten. Die Marines hatten den Wachen aufgelauert und er konnte die Waffe sehen, durch die er wohl erschossen wurde: Ein schallgedämpfter M-4 Karabiner, ausgerüstet mit einem M203 Granatwerfer und einer grossen Maglite-Taschenlampe an der Seite des Handschutzes. Es waren fünf Marines, die aus den Verstecken stiegen. Er hatte den ganzen Tag nichts bemerkt, wie sich die Marines ihre Verstecke gesucht hatten, und wenn sie es gestern Abend oder Nacht gemacht hatten, dann würde er die Wache vom Vorabend erstmal anscheissen, das stand fest.
Die Marines kamen geräuschlos aus dem Wald und gingen langsam auf das Gebäude zu. Die tote Wache verloren sie aus dem Blickfeld, denn die Ballustrade kam zwischen sie. Einer der Soldaten blieb als Rückendeckung mit einem M-4 Karabiner im Wald zurück und legte sich auf den Boden, das Gewehr auf einen Baum gestützt.
Die anderen gingen inzwischen vorwärts und die Türe kam ganz in ihre Nähe. Eine Wache patroullierte noch hier unten, das wussten sie, und der mit Schalldämpfer bewaffnete Marine hob seinen Karabiner, damit jeder um die Ecke kommende Soldat sofort getroffen werden konnte.
Er signalisierte, dass alles frei war und die Soldaten stellten sich in einer Reihe hinter der Türe auf.
Der Sicherer gab Zeichen und die Männer stürmten hinein. Die Türe wurde aufgerissen und Schüsse aus Paintballwaffen klackten, streckten die Wachen nieder.
Der Schütze im Wald blickte durch das Vierfach-vergrössernde Visier des M-4 und sah den Schützen mit dem schallgedämpften Karabiner unten an der Türe, der knieend auf die Patroullie wartete. Er wurde sofort fündig, denn der Marine bog um die Ecke. Er bekam sofort drei Farbflecken auf die schöne Uniform und der Schütze wank dem Mann im Wald sein „Okay“ zu.
Im Inneren des Gebäudes die gleiche Szene: Vier Wachen lagen am Boden und die Jungs der Aufklärungsabteilung holten sich die Disketten aus dem Schrank im Büro des Chefs. Es passte von seiner Einrichtung überhaupt nicht zu dem einfachen, einstöckigen Betonklotz. Das noble Vorzimmer mit einem Platz für eine Sekretärin war noch schlicht eingerichtet, aber das holzgetäfelte Hauptbüro schliesslich lies vergessen, wo man sich aufhielt. Schöne Bilder von Künstlern an den Wänden und die geschmackvolle Borte an den Täfelchen spiegelten den Geschmack des hier arbeitenden wieder, der aber von den Marines nicht beachtet wurde. Sie fanden die drei Datenträger mitten auf dem Tisch und schnappten sie sich.
Zwei von ihnen waren schon wieder draussen an der Türe und schweiften um das Gebäude, dass keine Wache mehr lebte und ihnen folgen konnte.
Der Anführer gab ein lautloses Zeichen und sie verliessen das Gebäude wieder. Ihre wertvolle Fracht war sicher verstaut und die Gruppe war eine Minute später im Dickicht des Waldes verschwunden.
3
CIA-Hauptquartier Langley, Virginia
Dick hatte vor einigen Minuten erst das geräumige Büro betreten. Noch vor einem Jahr hätte er es sich nicht einmal träumen lassen, jemals einen Raum dieser Grösse zu besitzen. Nun, er gehörte ihm ja nicht, aber er arbeitete täglich in ihm. Der Koordinator für Äusseres, so eine Berufsbezeichnung bei der CIA, liebte seinen Beruf. Sogar so sehr, dass er dafür seine Familie aufgegeben hatte. Die Schmerzen in den ersten Wochen waren unerträglich gewesen, aber er hatte sie in einem Meer von Arbeit ertränkt. Dies hatte ihm ironischerweise einen besseren Job gebracht, nebenbei einen wesentlich besser bezahlten. Die „Firma“ konnte sich solche Fachidioten schon leisten, so lange diese ihren Soll erfüllten und nicht grade einige wichtigen Informationen ausplapperten, wie vor einigen Jahren bei der Whiteman-Affäre passiert. Komischerweise verschwand Whiteman nach einigen brisanten Interviews plötzlich. Er sei nach Afrika gezogen, hiess es in den offiziellen Berichten. Nach Afrika war er tatsächlich gekommen – aber in einer Holzkiste mit den Füssen voraus. Die CIA konnte es gar nicht haben, wenn irgendwelche dahergelaufenen Typen wichtige Daten der New York Times preisgaben und dafür auch noch eine Menge Geld kassierten. Der Job war dreckig, und manche Typen die ihn machten auch.
Dick Yun, koreanischer Abstammung, aber in der 2. Generation Amerikaner, konnte die Welle von Arbeit auf dem Tisch gar nicht fassen. Er hatte immernoch das Foto seiner Frau Jackie auf dem Schreibtisch stehen, obwohl sie seit einem Jahr wieder verheiratet war. Sie hatte mit einem Versicherungsanwalt aus Kentucky ihr Glück gefunden, nicht mit dem CIA-Agenten, wie sie ihn immer titulierte. Er konnte nur immer wieder betonen, dass er kein Agent sondern lediglich ein Angestellter der Central Intelligence Agency war, aber es nützte nichts und nach einiger Zeit gab er es auf. Sie konnte oder wollte es nicht begreifen, welches von beiden wusste er bis heute nicht. Er hatte sie geliebt, aber als sie ihn vor die Wahl stellte musste er ihr schweren Herzens die falsche Antwort für ihre Ehe geben. Sie hatte keine Chance gehabt, auch wenn er es sich sehr gewunschen hatte.
Dick hob einen roten Ordner mit der Aufschrift WICHTIG vom Beistelltisch und öffnete ihn. Ein Sigel garantierte die Echtheit der Dokumente und er konnte die Inschrift der Bundesnachrichtenzentrale Fort Huachua erkennen. Das rote Wachs brach in der Mitte und kleine Krümelchen fielen zu Boden. Er hasste diese altertümliche Art, denn jedesmal wurden die in den Teppich gefahrenen Wachsflecken mehr.
Dem Briefkopf nach schien es ein hochoffizielles Dokument zu sein und er begann damit es zu lesen.
Protokoll eines abgefangenen Handygespräches aus dem Kosovo vom 23. 4. 2003. Der international gesuchte Terroris Frank „Berserker“ Grimes und ein unbekannter Teilnehmer sprechen über die Operation „Himmelsfaust“. Treffpunkt: Am 23. 4. 2003 in einem Lokal im Kosovo. Benötigen sofortige Aufklärungsmission zur Klärung der Lage. Grimes wird für den Mord an mindestens 50 Menschen bei dem Anschlag auf ein Bundesgebäude verantwortlich gemacht. Sicherheitsberechtigung: Alpha 2-4-0. Bitten um sofortige Handlung. Wortlaut folgt.
Dick runzelte die Stirn. Die Heeresnachrichtenzentrale hatte wohl einen dicken Fisch an Land gezogen. Grimes war kein Unbekannter für Dick Yun. Das Bundesgebäude, das Grimes sprengte war in der Nachbarstadt, in der seine Schwester wohnte und die Explosion lies sogar bei ihr alle Fensterscheiben wackeln. Die Spur von ihm war irgendwo in Europa verschwunden und erst dieses Handysignal brachte endlich genaueres. Sie konnten dem Terroristen möglicherweise die Hände binden - wenn Dick schnell handelte. Er nahm den Hörer ab und liess sich zum Büro des Direktors durchstellen. Diese Sache durfte nicht warten, auch wenn der den Direktor in irgendeinem Meeting störte.
An Bord einer C-17 Globemaster III irgendwo über dem Atlanktik
Es war inzwischen fast 18 Uhr, aber sie hatten den grossen Teich schon zur Hälfte bezwungen. Inmitten von Frachtcontainern voll mit Post und persönlichen Dingen einiger Soldaten hockte James Masterson auf einem unbequemen Sitz und las das Time Magazine. Ein relativ unterhaltsames Heftchen, wenn man nichts besseres zu lesen hatte. Ausser einem Artikel über die Silikonbrüste von Pamela Anderson aber konnte er nichts faszinierendes entdecken und so hatte er die letzte Stunde mit Schlafen verbracht, bevor er wieder zu dem Heft zurückgekommen war.
Hinter ihm konnte er Marc schnarchen hören. Den Green Berets stand die Anspannung noch im Gesicht und James musste beim Gedanken an die gelungene Operation in Guinea lächeln. Er hätte sie nie träumen lassen, dass die Soldaten der Special Forces dieses Schwein so einfach kriegen konnten. Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hatte seine Fühler schon lange nach ihm ausgestreckt und es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Truppen der NATO das Land besetzt hätten, wenn notwendig. Die Vereinigten Staaten wollten das nicht – und schickten die Special Forces Green Berets in das Gebiet. Warum mit Panzern anrücken, wenn doch eine zwölfköpfiges „A“-Team das genauso gut und viel billiger machen konnte?
James war genau aus diesen Gründen zu den Green Berets gekommen. Er war Panzercommander bei den Marines gewesen, aber die Spezialeinheiten überzeugten ihn doch mehr. Er wechselte vom Corps zur Army und bestand die knallharte Ausbildung der Berets.
Die C-17 war eine der modernsten Maschinen der US Air Force und sollte in den kommenden Jahren die Lockheed C-141 Starlifter ersetzen. Sie konnte viel mehr Fracht laden und sie über weitere Strecken befördern. Allerdings kostete sie aber auch wesentlich mehr.
James gähnte und rappelte sich auf. Er wollte auf die kleine Bordtoilette und löste die Gurte. Auch in diesen Transportmaschinen, in denen man sonst jeglichen Komfort vermisste, waren Sicherheitsgurte wie in einem Auto vorhanden. Die Maschine hatte einen sehr geräumigen Innenraum, den man von so einem Militärtransporter natürlich erwartete. Sogar der schwere M1 Abrahms-Panzer konnte mit der Globemaster befödert werden, wozu man sonst nur noch die C-5 Galaxy, das grösste westliche Transportflugzeug, heranziehen konnte.
Die kleine Chemietoilette entsprach nicht gerade der Idealvorstellung von Masterson, aber für den Notfall musste es herhalten.
19 Uhr 03, Tirana
Das kleine Lokal in der kleinen, verwinkelten Gasse in Tirana war ein idealer Treffpunkt, wenn man unbemerkt mit jemandem reden wollte. Der CIA hatte das Restaurant nach einigen Ermittlungen schnell gefunden, das in dem Handygespräch erwähnt worden war. Es war keine kleine Stadt im Kosovo, es war die Hauptstadt Tirana. Der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslavien hatte seine Spuren überall hinterlassen, zerstörte Gebäude, verwüstete Landstriche, verkommene Strassen. Die soziale Reform wurde von den Politikern viel zu lange hinausgezögert, die mehr in ihre eigene Tasche wirtschafteten, als für ihr Volk. Es war aber leider typisch für diese Art von Staatsführung. Keine internationale Organisation überwachte das Parlament mit genug Macht um den dunklen Machenschaften ein Ende zu bereiten.
Mitten in diesem Lokal hockte Sven Butler, CIA. Er nippte an dem Bier, das er vor einer halben Stunde bestellt und bisher kaum geleert hatte. Der Barkeeper sah ihn ab und zu etwas misstrauisch an, aber dem Agenten machte das nicht viel. Er wollte nur keine Probleme bekommen, vor allem nicht mit der Polizei, und so verhielt er sich einfach ruhig und wartete. Heute morgen hatte der Tag so friedlich begonnen, bis er heute um 15 Uhr die Nachricht aus Langley bekam. Dass es sich wirklich um Frank Grimes handeln sollte konnte er immer noch nicht glauben. Der weltberühmte Terrorist war hier, hier in dieser Stadt und er nahm an, dass er auch wie vereinbart sich mit seinem Freund hier treffen würde. Sven sprach perfekt mehrere slavische Sprachen, denn sein Vater kam aus dem heutigen Mazedonien, aber seine Mutter war Amerikanerin. Er wuchs die ersten Jahren in Mazedonien auf und kam mit fünf in die Staaten. Nach der Schule, er hatte einen College-Abschluss, arbeitete er einige Jahre als Kfz-Mechaniker, einem für sein Niveau viel zu dreckiger Beruf. Dann aber besann er sich auf das, was er wirklich konnte und ging zur Army. Sie boten ihm einen Lehrgang in Fort Bragg an, die ihn zu den Green Berets brachte. Er war vier Jahre lang dabei, unter anderem bei der Invasion von Grenada, und kam dann zum CIA. Nun war er 32 Jahre alt und konnte einen bewegenden Lebenslauf für dieses Alter vorweisen. Immernoch hatte er Kumpels bei den Special Forces und er hoffte auf ein baldiges Treffen mit seinen Freunden.
Aber nun hoffte er nur, dass ihn der CIA auch an den richtigen Ort geschickt hatte. Es konnte sehr langweilig sein, eine Stunde lang in dieser alten, dreckigen Spielunke zu sitzen und darauf zu warten, dass irgendwas passierte.
Doch er wurde für sein warten belohnt.
Die Türe wurde aufgestossen, da war es schon gut 19 Uhr 46. Es war eindeutig Grimes. Er hatte einen Koffer dabei, einen Samsonite Aktenkoffer. Er war elegant gekleidet, trug einen schwarzen Anzug mit einer roten Krawatte. Viel zu elegang, wenn man den Treffpunkt bedachte. Der Barkeeper musterte den Mann einige Sekunden und ging dann ins Hinterzimmer.
Grimes setzte sich an einen bisher leeren Tisch und kramte eine Pfeife aus seiner Tasche. Er suchte kurz den Tabak und ein Streichholz und steckte sie sich an. Die ersten Züge rauchte er genüsslich und sah sich skeptisch um.
Der Barkeeper kam aus dem Hinterzimmer und brachte einen Mann mit. Er war schon normaler gekleidet als der Terrorist und trug alte, abgetragene Hosen und eine Strickjacke. Er war etwas dicklich und nicht gerade sehr gross und er setzte sich sofort neben Grimes.
Darauf hatte Sven gewartet. Er nahm den kleinen Kassettenrecorder heraus und schloss ihn an ein Mikrofon an. Er liess ihn laufen und richtete das Mikrofon in Richtung der beiden Männer und verbarg es unter einer Zeitung, die er gespannt las. Er kannte alle Berichte inzwischen fast auswendig, aber er musste das Richtmikrofon ja irgendwie verstecken.
Grimes war nervös. Er blickte sich um, studierte jeden Gast im Raum, bevor er dann mit seinem Partner ins richtige Gespräch kam.
Sven konnte nichts verstehen, sie sprachen zu leise. Aber das Mikrofon unter der Zeitung konnte.
4
Weisses Haus, Washington D.C. 22 Uhr 03
Das Telefon im Oval Office hörte nicht auf zu klingeln. Der Präsident hatte den ganzen Tag über nichts anderes getan, als hinter dem schweren Schreibtisch aus edlem Holz zu sitzen und Vertreter der CIA zu empfangen. Sie hatten also endlich den Terroristen gefunden, der für den Tod so vieler verantwortlich war. Es hatte sich gelohnt, die zusätzlichen Gelder für die Abhöranlagen durchzubringen, auch wenn es viel Mühe bereitet hatte. Das Handygespräch konnte bis auf wenige hundert Meter genau geortet werden und würde vielleicht eine späte Rache für die Opfer und Angehörigen bringen.
„Mister President? Ein Gordon Sheperd von der NSA.“. Der Präsident nickte und die schweren Türen zum Oval Office gingen auf.
„Mister President? Gordon Sheperd, NSA. Wir haben uns am Telefon vor einigen Stunden unterhalten.”.
„Ja, richtig. Nehmen sie Platz, Gordon. Was gibt es neues?“, fragte der Präsident. Thomas Clancy war 54 Jahre alt und ein sehr charismatischer Mann, was ihn schnell die Karriereleiter in der Politik hochgebracht hatte. Nun war er der mächtigste Mann der Welt – und verdammt müde.
„Die CIA konnte das Gespräch zwischen Grimes und seinem Partner auf Band aufzeichnen und analysiert das im Moment. Wir wissen so viel: Operation Himmelsfaust ist gefährlich. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Putschversuch!“.
Der Präsident nickte. Putschversuche waren zur Zeit wohl in der Mode, erst vor einigen Wochen war so eine Sache in Südafrika vereitelt worden.
„Wir müsen die Regierung im Kosovo warnen!“, sagte der Präsident. Die NATO hatte Friedenstruppen im Kosovo und den umliegenden Ländern stationiert, die für die Sicherheit und politische Stabilität sorgen sollten, aber in solchen Fällen benötigte man oft mehr als einige Panzer um die Situation zu bereinigen.
„Die NSA plant einen Eingreifversuch. Wir werden sie über jede Änderung der Situation auf dem laufenden halten!“, meinte Gordon.
„Das will ich hoffen.“. Der Präsident nahm einen Schluck Kaffee und stellte die leere Tasse auf den Tisch. Er wollte endlich nach Hause zu seiner Frau.
0 Uhr 28, Regierungsgebäude in Pristina
Flavio Slabowitsch nickte dem Innenminister ernst zu. Die Sitzung im Kabinett hatte länger gedauert als er dachte und er war viel zu müde, um noch grosse Pläne mit seinem Minister zu schmieden.
„Die NATO fordert eine sofortige Änderung der Vorgehensweise!“, sagte der Innenminister.
„Andernfalls wollen sie uns Sanktionen auferlegen, wie wir unmöglich anerkennen können!“.
Flavio bejahte. „Die Währungsreform ist länsgt überfällig!“.
Seit einem Jahr regierte Flavio und sein Kabinett die Geschicke der Bevölkerung und sie hatten eine erstaunlich hohe Zustimmung unter der Bevölkerung. Er regierte eher pro-westlich, anderst als unter dem grausamen Militärregime von Milisevic. Es gab viele Menschen, die dies aber verurteilten. Der Osten war seit je her dem Land sehr zugewandt gewesen und man forderte weiterhin, in diese Richtung zu arbeiten. Es hatte eine Welle von Einwanderungen aus den umliegenden Ländern gegeben, die mit der dortigen Regierung nicht zufrieden waren. Der Kosovo war auf dem Weg ein eigenständiges Land zu werden, das vollständig unter den Fittichen der NATO entstanden war.
„Wir werden die Reformen so schnell wie möglich beginnen. Koste es, was es wolle!“.
Flavio nickte. Er schüttelte seinem Minister die Hand und verliess den Raum. Endlich konnte er in sein Bett, bevor er sich morgen mit dem Generalsekretär der UNO treffen würde.
00 Uhr 36, Fort Bragg, North Carolina
Das einzige, was die C-17 Globemaster III in der pechschwarzen Nacht für das Auge erkennbar machte waren die Positionslamen an den Flächen und dem Tragwerkskasten. Nach einem langen Flug kam die Maschine endlich an ihrem Zielflugplatz an.
Die vier Triebwerke heulten noch, als die zwölf Green Berets aus den seitlichen Luken des Grossraumfrachters stiegen.
James Masterson hatte seinen Seesack gepackt, in dem er die Wäsche gestaut hatte, die sie in Europa gebracht hatten.
„Guten Morgen, Sir. Wir haben einen Jeep für sie reserviert!“, rief ihm ein Soldat in Uniform der Air Force zu.
„Danke, Captain!“. James ging durch die gut beleuchtete Halle, in der HH-60 Pavehawk-Hubschrauber standen, die Taxis für die Spezialeinheiten. Ein kleinerer MD-500 Defender war auch da.
Der für James reservierte Hummer-Jeep stand auf einem bewachten Parkplatz und der Green Beret stieg ein, liess den Wagen an und fuhr an der Wache vorbei und auf die Strasse. Seine Frau, die ganz in der Nähe des Militärstützpunktes eine Wohnung hatte, wusste noch nichts von der Ankunft des Soldaten, seine Tochter schlief sicher. Linda konnte schon noch wach sein. Sie sah oft noch Nachrichten im Spätprogramm oder eine Talkshow. Nicht dieser billige Nachmittagsquatsch, sondern eher niveauhaltige Sendungen.
Der Jeep bog auf die South Hampton Road ein und James liess den V8 Detroit-Diesel hochschnurren und beschleunigte auf 70 km/h. Die Strass entlang bog er einige hundert Meter weiter links ein und dann hinein in die Gegend mit den Soldatenwohnblöcken, wo auch sie wohnten. Es waren einstöckige Bungalows, die für die Familien ein sehr bequemes Heim waren. Man war froh, sich nicht in Baracken in Fort Bragg einrichten zu müssen.
Der einzige Parkplatz vor dem Gebäude war mit dem Cherokee seiner Frau belegt und so stellte er den Hummer an der Strasse ab. Eigentlich war es verboten, aber er konnte es für eine Nacht schon riskieren sich hier niederzulassen. Er kam gerade aus einer riskanten Militäroperation, warum sollte er dann Zuhause nicht sein Auto hinstellen können?
Er stellte den Motor ab und nahm seine Tasche. Das grüne Barett hatte er seit ihrem Start in Europa nicht abgenommen, denn es war wie ein Teil von ihm.
Er nahm den Schlüssel unter dem Fussabtreter hervor und schloss auf. Sofort kam ihm seine Frau entgegen. Jede Sorge, jeder Kummer war verflogen und James lächelte. „Linda!“.
Er liess den Sack fallen und umarmte seine Frau. Es tat so gut nach einer Woche...
Er küsste sie heiss auf die Lippen und stiess mit dem Fuss die Türe zu. „Ich habe dich so vermisst, James! Schön, dass du an einem Stück zurückkomst!“.
Er nahm die schwere Tasche und stellte sie neben den weissen Schrank. Der weiche Teppichboden war frisch gesaugt, das konnte man sehen, und im Hintergrund lief der Fernseher. Vor ihm sass niemand, Lisa lag im Bett.
„Du must mir alles erzählen, Schatz!“, sagte sie und führte ihn an der Hand in die Küche, wo sie sofort einen Kaffee aufsetzte. „Gerne, Linda, aber zuerst will ich Lisa sehen!“. Er ging in das Zimmer seiner Tochter und sah sie in ihre Decke gehüllt auf ihrem Bett liegen. Poster hingen an der Wand und der Computer in der Ecke sah so unbenutzt aus wie bei James´ Abreise.
Lisa stöhnte und hielt sich den Arm vor das Gesicht. Die schlanke Gestalt setzte sich auf und blinzelte. „Daddy!“. Sie klang müde, aber für die Begrüssung war sie noch stark genug. Sie umarmte ihren Vater und fragte: „Wo warst du denn so lange?“. Sie unterdrückte ein Gähnen und sah ihn an. Sie konnte sein Gesicht gegen das Licht, dass vom Gang her hereinfiel, nicht erkennen.
„In Afrika, Schätzchen. Wir reden morgen- schlaf weiter.“. „Okay. Gute Nacht.“.
James ging an die Türe und warf einen letzten Blick hinein. „Gute Nacht.“.
4
6 Uhr 09, US-Botschaft in Tirana
Botschafter Miles hatte gerade sein Büro betreten, als das abhörsichere STU-3 Telefon klingelte. Der digitale Bildschirm unter dem Apparat zeigte an, wer der Anrufer war und Miles konnte ihn als Dick Yun indentifizieren, de Koordinator für Äusseres in Langley.
„Hier Miles, Botschaft in Tirana.“, meldete er sich und setzte sich auf seinen Ledersessel, schwenkte ihn herum und blickte aus dem Fenster.
„Hallo, Tim! Hier ist Dick. Du hast sicher schon von der Sache gehört?“, sagte die Stimme am anderen Ende. „Ja, habe ich. Du meinst Grimes...was kann ich für euch Jungs von der CIA tun?“. Er lächelte und schlug das gestern eingegangene Papier auf. Es beinhaltete wichtige Daten über Grimes, dessen „Karriere“ und Freunde.
„Die NSA hat ein Strategiepapier ausgearbeitet. „Himmelsfaust“ ist ein Putschversuch. Ein Spion der CIA hat Grimes gestern in dem Lokal belauscht. Wir haben es auf Band und es sieht ernst aus. Sie planen zuerst die Anwerbung von Söldnern aus den umliegenden Regionen und dann die Stürmung des Parlaments und des Regierungsgebäudes.“. Miles runzelte die Stirn. „Aha, Mister „Ich hasse Amerika“ will mal wieder eine Revolution... wieso diesesmal?“. Miles hasste es, alle paar Wochen kamen solche Dingen im Fernsehen.
„Die Regierung wurde unter dem Schutz der NATO aufgebaut. Sie ist abhängig vom Westen – und das wollen die pro-russischen Rebellen nicht. Die UCK zeigt sich bisher unangetastet, aber das könnte sich schnell ändern. Ich wollte euch in der Botschaft nur warnen: Wenn es losgeht in Tirana werden wir euch rausholen müssen. Die Marines sind mit der 26th MEU(SOC) auf USS Wasp auf einem Törn in Europa. Falls nötig werden sie eingreifen. Nur, dass ihr es wisst!“. „Klar, Danke. Wir werden uns nochmal sprechen, denke ich!“, meinte Miles. „Ja, werden wir. Bis dann, Tschüss!“.
Miles legte den Hörer auf und las das Dokument. Der CIA war also schon hinter dem Terroristen her. Das bedeutete, dass es meistens nicht mehr lange ging, bis sie sich dieses miese Schwein schnappen würden....
Er legte das Papier weg und begann mit den nächsten Akten, die sich auf seinem Tisch stapelten. Sie wurden und wurden nicht weniger.
12 Uhr 34, in einer Lagerhalle in Tirana
Frank Grimes schloss die Türe sorgfältig hinter sich und warf einen kontrollierenden Blick hinaus. Er wollte nicht, dass irgendjemand ihm folge. Die Militärpolizei konnte er gar nicht leiden und war auch nicht auf ein weiteres Treffen scharf. In dem Lagerhaus warteten schon einige Männer und spielten auf einer Pappkiste Karten. Die sonne fiel durch die Milchglasscheiben in den grossen Raum und man konnte deutlich die Staubpartikel durch die Halle fliegen sehen.
Grimes ging von der Türe weg und auf die Männer zu. Es waren vielleicht ein gutes Dutzend, die in normale, nicht auffallende Kleidung gehüllt waren. Sie blickten auf und auch der Freund von Frank war dabei, den er in dem Restaurant getroffen hatte.
„Guten Tag, Frank! Ich habe alle gefunden...Kwaliowsky, Krischnew, Ertojey.....und sie werden alle mitmachen!“. Frank nickte in die Runde. Die Männer hatten die Karten beiseite gelegt und standen vor ihm. „Freut mich, dass unsere kleine Revolte so rege Unterstützung bekommen hat, aber wir brauchen natürlich noch viel mehr Männer....ein Bekannter von mit besitzt einen Gutshof ausserhalb von Skopje. Wir können dort unsere Pläne schmieden und ihr euch mit unseren Werkzeugen vertraut machen!“. Grimes lächelte aus seinem fahlen Gesicht und ging einige Schritte um die Männer herum. „Es wird passieren, meine Freunde, und ihr werdet für eine neue Politik im Kosovo verantwortlich sein!“.
13 Uhr 54, CIA-Hauptquartier Langley, Virginia
„Sie haben was?“, fragte Dick ungläubig ins Telefon. „In einer Lagerhalle? Woher wissen sie das?“. Am anderen Ende der Leitung sprach Sven Butler, der Vor-Ort Agent. „Ich habe sie belauscht, Sir. Die Aussenhaut der Halle ist nicht gerade dick und das Richtmikrofon hört verdammt gut!“. Dick nickte und sagte : „Gut. Die NSA will sofort Ergebnisse haben. Ich habe die Botschaft bei euch angerufen und sie über die Ereignisse informiert. Wozu diese Handyabhörerei nicht alles gut ist...“.
Dick verabschiedete den Agent und beendete somit das Gespräch über das STU-3.
Er stand auf und ging aus seinem Büro heraus. Der Chef des CIA musste sofort informiert werden, und das tat er doch lieber persönlich. Wenn sich Grimes mit einigen Söldnern in Skopje verstecken wollte und für die Operation „Himmelsfaust“ übte, dann war die Geschichte wirklich wahr...er konnte nur noch den Direktor informieren und dann abwarten. Vielleicht würden sie die NATO-Friedenstruppen informieren um die Lage zu stabilisieren oder die Basis der Terroristen, den Gutshof, direkt angreifen. Man konnte durchaus davon ausgehen, dass der Direktor sofort den Präsidenten Thomas Clancy anrief. Wenn dies geschah gab es mehrere Möglichkeiten: Die unwahrscheinlichste war, dass der Präsident nichts unternahm. Wohl eher befahl er eine verdeckte Aufklärungsmission im Hinterland, denn die Stärke der Söldner musste genau festgestellt werden. Der CIA-Mann sprach von einem Dutzend, aber das konnten ja immernoch wesentlich mehr werden. Also bestand eine ernsthafte Gefahr für die Politiker in Tirana, die die USA auf jeden Fall abwehren mussten.
Dick klopfte an den Türen des Direktors, ein knappes „Ja“ erklang. Nancy, die Sekretärin, liess ihn passieren und Dick kam in das bis auf den Direktor leere Papier. Direktor Stein war hinter seinem Schreibtisch und las etwas, ein Dokument, eine Akte oder ähnliches. „Oh, Dick. Haben wir was neues?“, fragte er interessiert. „Ja, Sir, das haben wir. Grimes hat Söldner angeheuert. Sie treffen sich auf einem Hof seines Freundes bei Skopje.....warum will dieser Grimes ausgerechnet die Regierung im Kosovo? Warum, habe ich mich dauernd gefragt!“, sagte er. Dieser Terrorist hatte mit dem Land ja eigentlich nichts am Hut, also warum der Kosovo?
„Tja, vielleicht weil er weiss, dass wir die Regierung unterstützen. Er will sie schlicht loswerden, damit die USA einen Standpunkt verlieren....also wo waren wir? Wieviele Söldner?“, fragte Stein und nahm das Blatt, das Dick Yun ihm hinstreckte. „Unser Agent sprach von 12. Aber wir wissen es nicht sicher. Wahrscheinlich werden es noch mehr werden, bis sie die Regierung angreifen!“.
Der Direktor nahm das Telefon ab und drückte die Schnellwahlnummer für das Weisse Haus. Als oberster aller CIA-Agenten hatte er die direkte Nummer des Oval Office oder des Schlafzimmer des Präsidenten und die Berechtigung, jederzeit dort anzurufen.
„Mister President? Stein hier. Wir haben neues. Grimes heuert Söldner an und will ein Traininsprogramm beginnen. Wir sollten bald handeln!“. Stein räusperte sich und lauschte gebannt der Stimme des mächtigsten Mannes der Welt.
14 Uhr 00, Sonderschule des Marine Corps, Norfolk
„Lehrgang 2 / 03. Angetreten!“, rief der Zugführer aus vollem Halse. Die Marines hatten ihre schönen Paradeuniformen angelegt und marschierten den Paradeplatz hinab. Der graue Asphalt bebte unter den Schritten der Soldaten und die Angehörigen all derer Männer, die hier liefen, standen vor ihren Stühlen und applaudierten. Ihre Männer, Söhne und Geschwister liefen dort draussen voller Stolz nach einer harten Ausbildung und konnten einer Laufbahn bei den Marines entgegensehen.
Ethan Hawking war einer von ihnen, ein Marine mit Leib und Seele. Dreiundzwanzig Jahre alt, 1 Meter 95 gross, 90 Kilogramm purer Muskeln. Die Force Reconissance war genau der richtige Haufen für den Streber, der in jedem Fach immer der beste sein wollte.
„Links....um!“, schrie der Zugführer und die Abteilung folgte sofort dem Befehl. Wie von einer Hand gelenkt schwenkten die Soldaten um und sahen in die Richtung des Podestes. Sie bewegten sich keinen Milimeter mehr und machten einen ehrfürchtigen Eindruck.
„Abteilung! Ihr habt es geschafft. Willkommen bei der Marine Force Reconissance!“, rief der Ausbilder durch das Mikrofon und die Männer jubelten, warfen ihre Mützen in die Luft. Jede militärische Disziplin durfte in diesen Sekunden vergessen sein, war Nebensache. Der Ausbilder liess „seinen“ Marines diesen Spass, so lange sie sich wieder danach fassten.
„Ihr werdet zu verschiedenen Einheit innerhalb des Marine Corps kommen. Ihr werdet aber immer nur das Beste geben, und das weiss ich und verflucht – ich bin stolz auf euch!“.
Der Ausbilder trat weg und ein General der Marines machte Anstalten, die nächsten Worte zu sagen.
„Marines! Ihr werdet nun an eure Stammeinheiten übergeben! Einige von euch werden sich vielleicht schon bald irgendwo auf der Welt wiederfinden und Dienst für euer geliebtes Amerika tun! Ihr werdet ihn gut machen und ihr werdet meinem geliebten Corps keine Schande machen, ist das klar?“, fragte der General durch das Mikrofon und schlug mit der Faust auf das Podium. Die Marines antworteten in der wiedergefundenen Disziplin: „Jawohl, Sir!“. Der General hielt inne, lächelte und liess seinen Blick durch die Reihen gehen.
„Hurah“. „Hoooorrray!“, schrien die Marines und die Disziplin war wieder dahin. Sie freuten sich über die bestandenen, schweren Prüfungen und die zahllosen Test. Das Horay stand eigentlich für „Heard....Understood.....and Acknowledged“, also für „gehört, verstanden und bestätigt“. Aber inzwischen war es ein Synonym für die Marines und ihre Lebensweise, bekannt auf der ganzen Welt als harte Elitekämpfer im Dienste der Vereinigten Staaten von Amerika.
Die Recon-Marines wusste, dass der nun kommende Dienst noch härter werden konnte als die Grundausbildung, aber sie hatten nicht vor, nun den Dienst zu quittieren.
5
15 Uhr 27, Abseits von Skopje
Der Gutshof lag wirklich mitten im Nichts. Umgeben von Wiesen und in der Nähe eines Waldes war der Hof nur über eine staubige Landstrasse erreichbar, an deren Seite sich Telefon- und Stromleitungen schlängelten. Der Hof konnte ohne Äussere Unterstützung kaum auskommen, denn das nächste Geschäft war zehn Kilometer weit weg. Aber die Männer in dem Lastwagen kümmerte das nicht, die dem einzelnen Auto folgten. Die Farm war seit gestern Abend verlassen und der hier lebende Farmer mit seinen Kühen und Schweinen nach Osten gezogen, auf eine andere Weide. Er hatte den Männern seine Wohnung überlassen und diese hatten sie gerne angenommen. Frank Grimes hatte eben Beziehungen überall auf der Welt und so auch im ehemaligen Bosnien-Herzegowina.
Frank lenkte das Auto und stellte es in den Hof vor dem Haus.
Der Lastwagen hatte neben den restlichen Söldnern auch Nahrungsmittel und Waffen geladen. Diese bestanden grösstenteils aus russischen Ak-Modellen 47, 74 und 74U. Grimes hatte die Waffen selber gekauft und gelagert und sie nun auf Abruf ausgebuddelt. Er wusste, der Tag ihres Einsatzes würde kommen und so hatte er sie über die Jahre bestens gepflegt.
„Wir können uns in der Wohnung einrichten, aber es wird nicht für zwanzig reichen!“, rief Grimes den Männern auf dem Lastwagen zu. „Wieso zwanzig?“, rief einer der Männer. „Ich habe noch weitere angeheuert. Ansonsten wären wir viel zu wenige – denkt doch mal nach! Die NATO-Soldaten werden uns nicht ernst nehmen, aber sobald unser neues Parlament an der Macht ist wird sich die Bevölkerung erheben und diese aufgeblasenen Europäer und Amerikaner in hohem Boden hinauswerfen!“. Grimes schlug die Wagentüre zu und ging auf die kleine Veranda vor der Türe, der ein Fliegengitter vorgespannt war. Abgeschlossen war das Haus nicht, wieso auch? Hierher verirrte sich niemand, und wenn er es tat gehörte er zur Farm.
Grimes öffnete die Türe. „Home Sweet Home“ meinte er und trat ein. Das Zimmer war gräumig, mit einem steinernen Kamin in der einen, einem grossen Tisch in der anderen Ecke. Einer der Söldner kam hinter ihm herein und wuchtete eine Kiste mit Granaten auf den Boden. Grimes sah den Mann an, lächelte und sagte: „Wenn du nicht willst, das alles hier in die Luft fliegt, dann geh´ damit bitte vorsichtig um!“.
Grimes gefiel es hier. Vor allem aber konnte niemand sie belauschen, wenn sie hier ihre Operation planten. Glaube zumindest er.
15 Uhr 29 Uhr, 400 Kilometer über der Erde
Pathfinder VI war der modernste Spionagesatellit der Central Intelligence Ageny der USA. Er kreiste seit gerade einmal einem Monat über der Erde. Seine hochauflösenden Kameras und Infrarotsichtgeräte waren auf Europa gerichtet, heute speziell auf den Kosovo und Mazedonien. Aus dieser Höhe war es absolut kein Problem ein Nummernschild zu lesen und mit etwas Mühe konnte man auch noch die Buchstaben auf einem Blatt Papier erkennen.
Pathfinder VI war wieder auf der Bahn direkt über dem Kosovo und unten in der Leitstelle kontrollierten die Bediener die Gerätschaften.
Die Kamera zoomte näher auf ein Gehöft ausserhalb Skopjes und auf der Erde war man anderorts darüber sehr besorgt....
„Wir haben sie gefunden....Ljubanci heisst der Ort....etwa 10 Kilometer vom mazedonischen Skopje entfernt!“, sagte der Bildauswerter im CIA-Hauptquartier. Direkt hinter ihm stand Stein, der Direktor der CIA. Auch Dick Yun suchte auf dem Monitor nach Einzelheiten. Die Scheune war erkennbar, auch ein Lastwagen und ein Auto. Die Menschen davor bewegten sich nicht. Dick fragte sich warum, als er aber feststellte, dass es ein Standbild in exzellenter Qualität war. Nur Schwarzweiss, aber bestechend gut.
„Hier können sie die Männer erkennen!“, sagte der Auswerter. „Ja, sie schleppen Kisten oder so ins Haus....Waffen?“. „Wahrscheinlich. Also wenn es nach mir ginge, sollten wir denen die Armee auf den Hals schicken, Sir!“, fluchte der Auswerter. „Mal sehen, mein Junge....schalten sie die Infrarotaufnahmen hinzu, solange der Satellit noch über dem Gebiet ist!“. Der Mann folgte dem Befehl und schaltete mit einem Mausklick um. Der Touch-Screen blendete ein neues Bild ein, dass die Wärmesignaturen der Männer zeigte.
„Es sind 14.....die zwölf Söldner, Grimes und sein Freund, schätze ich!“, fiel Dick ein. „Wir müssen jetzt was unternehmen! Die werden sich ein schönes Lager aufbauen und demnächst den Regierungssitz angreifen!“. Dick richtete sich auf und streckte sich. Vom langen Sitzen taten ihm alle Knochen weh und er starrte zurück auf den Schirm.
Stein nahm das Telefon der Konsole ab und wählte auswendig die Nummer des Oval Office. Es war vielleicht die geheimste Telefonnummer der Welt und auch eine der sichersten. Es klingelte zwei Mal, bis der Präsident abnahm. „Lassen sie mich jetzt etwas gutes hören, Stein!“, sagte er sofort. „Äh.....nun ja, Sir, wie man es nimmt. Wir haben sie. Vierzehn Personen, zehn Kilometer ausserhalb von Skopje, in Mazedonien. Ein Hof, wie er gesagt hatte!“.
Der Präsident legte seinen Kopf in die Hände. „Ich werde die NSA einen Vorschlag machen lassen. Ich will keinen Zwischenfall – wir haben diese Terroristen viel zu lange als Nebensache behandelt. Ich will den Kopf dieses Kriminellen haben! Stein, holen sie ihn mir!“.
Der Präsident legte auf und Stein nickte. „Er will den Kopf des.....Kriminellen!“, lachte der CIA-Direktor. „Und ich soll ihn bringen!“.
Dick nickte. „Wir werden ihn kriegen....ich fahre ins Weisse Haus und werde den Präsidenten berichten. Er wird alles wissen wollen, was mit diesem Grimes zu tun hat. Und ich werde dann ihnen Bericht erstatten!“. Yun nahm seinen Koffer und ging aus dem Raum. Direktor Stein lächelte dem Mann ernst nach. Er konnte sich immer auf Dick verlassen, auch in den schwersten Stunden. Der Mann hatte Erfahrung mit dem Präsidenten, keine Angst vor einem so wichtigen Amt. Stein war es inzwischen auch gewohnt, Clancy anzurufen, aber er hatte ihn erst wenige Male persönlich zu treffen.
„Er wird es schon schaffen“, flüsterte Stein leise. „Wie bitte, Sir?“, fragte der Bediener mit einem irritierten Blick. „Ach nichts. Ich spreche nur mit mir selber!“.
19 Uhr 32, Haus von James Masterson
Der Pieper von James sprang urplötzlich an und riss James aus seinem Vorabendlichen Schläfchen. Er schlug die Augen auf und fasste sich an den Kopf. Er hatte schreckliches Kopfweh, das musste von dem langen Flug herrühren.
Er machte die Lampe auf seinem Nachttisch an und sah das leere Bett neben sich. Die Rollläden waren geschlossen, von draussen fiel nur noch spärliches Licht herein.
Die Nummer war eindeutig von der Zentrale in Fort Bragg. Das konnte nichts gutes heissen. Er stand auf und öffnete die Schlafzimmertüre, ging hinaus auf den Gang und musste erst einmal an seinen Kopf fassen. Er tat weh und seine Frau kam herangelaufen. „James, was ist los?“, fragte Linda.
„Die Zentrale. Ich muss anrufen!“. „Das meine ich nicht, Schatz. Hast du Schmerzen?“. Er hielt kurz inne und schüttelte den Kopf. „Nur etwas Kopfweh. Aber Bragg will wieder etwas, die Notrufnummer ist eindeutig.“.
Er wählte die Nummer der Einsatzleitung, aber sie mussten immer vorsichtig sein, was sie sagten, denn die Privattelefone waren nicht abhörsicher.
„Hier ist James Masterson. Was ist los bei euch, Jeff?“. Er legte seinen Kopf zur Seite und schloss die Augen.
„Wir haben eine Alarmierung um 19 Uhr 10 erhalten. Die CIA und die NSA haben eine bedenkliche Situation in Europa festgestellt und die Special Forces sofort alarmiert. Kommen sie umgehen vorbei, Kleidung für längeren Zeitraum!“.
Der Hummer-Jeep raste mit 80 Sachen über die Strasse auf das Tor des Forts zu. James hatte es nicht gefallen, seine Frau schon wieder zu verlassen, aber wenn es ein Ernstfall war kam der Job vor der Familie. Ein schweres Los, aber er hatte es sich ja selber ausgesucht.
Der Posten liess ihn gleich durch und er konnte im Rückspiegel die Lichter eines weiteren Autos sehen, aber eines Privatwagens. James fuhr weiter auf den breiten Strassen des Forts und bog dann zu ihrer Kaserne ein, als er eine C-141B Starlifter sah, die gerade mit Kisten aus der Kaserne beladen wurde. Verdammt, es war ernst!
Er ging hinein und sah bereits die meisten Soldaten auf den Stühlen sitzen. Nur Marc fehlte noch – es war der Wagen hinter ihm gewesen. Marc kam hereingekeucht und setzte sich wortlos.
„Meine Herren. Es ist wieder mal soweit: Die Satelliten der CIA haben das Versteck des Terroristen Frank Grimes ausfindig gemacht. Er plant laut der „Firma“ einen Putsch auf die Pro-westliche Regierung des Landes und hat Söldner auf einem Anwesen ausserhalb Skopjes versammelt. Die Marines sind in Bereitschaft, falls die Botschaft evakuiert werden muss und wir sollen als erste Welle das Haus dieses Typen angreifen! Und vor allem so viele Gefangene wie möglich zu machen. Wir starten sofort, die Crew verlädt noch unser ganzes Equipment in die C-141. Die NATO hat zwar Friedenstruppen dort unten, aber keine Spezialeinheiten wie uns. Also los, Jungs!“.
Die Gruppe stand auf und packte ihre Sachen. James ging als erster hinaus und auf das Heck des grauen Vogels zu. Jack holte ihn ein und sagte: „Man, ist das eine Scheisse....ich bin gerade mit Tracy intim geworden und dann...“. „Ich will es überhaupt nicht wissen!“, lachte James. „Du bist und bleibst ein Banause, James Masterson!“. Jack musste grinsen und stieg über die Rampe an den Containern vorbei in den Frachtraum. „Aber ich bin immer noch dein Chef!“.
Zehn Minuten später waren die Soldaten in der Luft. James hatte als einziger einen Laptop erhalten, denn als Commander war er für die Einsatzplanung zuständig. Der Pilot gab seine Zustimmung, den PC laufen zu lassen und in einigen tausend Metern Höhe fuhr er hoch.
Neben James sass Marc und kaute auf seinem Wrigley´s Spearmint herum. An seinem Gürtel hing noch sein Handy, das er aber vor dem Start abschalten musste.
„Ich habe einige Lagepläne von der Topographiebehörde bekommen!“, meinte James. Die Karte auf dem Bildschirm zeigte das Kampfgebiet, das Haus und umliegende Deckungen. Die Gruppe war auf solche Überfälle spezialisiert und gegen einige Söldner dürften sie eine gute Chace haben.
James überblickte die Gegend. Sie war alles andere als karg – Mischwälder und kleinere Sümpfe schlängelten sich an den Feldern und Masten vorbei, ein kleines Flüsschen etwa einen Kilometer entfernt wurde von einer Brücke überspannt.
„Wir können mit dem Schlauchboot bis einen Kilometer herankommen!“, sagte James laut über die Geräusche der Triebwerke.
„Oder auf dem Landweg heranschleichen. Ich denke mal, dass die Army uns einige Helikopter leihen wird. Mit denen können wir Präzisionsschützen auf die Hügel bringen!“. James blickte zu den beiden Schützen auf der anderen Raumseite. „Ja, Sir, das müsste gehen!“, meinten sie.
James vertiefte sich weiter in seinen Computer und Marc legte seinen Kopf an die Aussenhaut. Er spürte die Vibrationen der Kabinenwand, die von denTriebwerken herrührten. Die Starlifter war seit vielen Jahren ein treuer Gefährte des Airlift Commands.
Marc dachte nach. Die Operationen im Hinterland brauchten viel Mut und gaben einem Mann viel Zeit zum Nachdenken und Marc dachte zu viel. Meinte zumindest seine Frau. Er sass auf der Bank und blickte die Männer auf den anderen Seiten und neben ihm an. Sie hatten alle noch zivile Uniformen an, denn sie waren ja alle von Zuhause gekommen.
James plante den Einsatz sehr genau, so fand Marc. Er war ein sehr guter Anführer im Kampf, auch wenn frühere Mitglieder Probleme mit der Disziplin mit ihm hatten. Innerhalb der Green Berets herrschte ein lockerer Ton, in Gefechten aber genau das Gegenteil. Jeder musste selber denken, selber führen können. Der Commander konnte immer getötet werden und dann übernahm der nächsthöhere Soldat das Kommando. Ein „A“-Team der Special Forces bestand immer aus 12 Soldaten, Führern, Pionieren, Funkern und sehr gut ausgebildeten Sanitätern. Viele Menschen verdankten den männlichen Hebammen in Krankenhäusern in Afrika ihr Leben, den Ärzten irgendwo in Somalia oder Tansania.
„Hey, James. Meinst du, es lohnt sich?“, fragte er. Sein Blick schweifte hinüber zu dem Commander. „Was lohnt sich, Marc?“. „Na alles. Diese Missionen. Das Töten. Die unschuldigen Menschen. Ich meine....wir schützen sie ja, aber meinst du, dass es sich noch lohnt?“. James nahm seine Lesebrille ab. „Natürlich, man! Denk´ mal, was diese kleinen Gangster alles anrichten könnten, wenn wir nicht da wären. Denk´ doch an die Mission in Guinea. Denk´ an die Menschen, die wir vor diesem Terroregime geschützt haben!“. James legte seine Hände auf die Schenkel, mit rechts hob er den Laptop in seinem Schoß. „Wir tun das Richtige, Marc. Absolut das richtige.“.
20 Uhr 00, US-Botschaft in Tirana
Botschafter Miles legte den Telefonhörer auf. Er hatte mit dem Koordinator für Äusseres, Dick Yun, gesprochen. Die CIA hatte das Anwesen der Terroristen geortet und die Special Forces für einen Einsatz geordert. Eine Gruppe Green Berets flog in diesen Minuten nach Europa und er sollte die NATO-Zentrale hier im Kosovo kontaktieren. Die Soldaten konnten die Botschaft abriegeln, sollten diese Putschisten wirklich bis hierher kommen.
„Sir? Das war die CIA. Sie haben das Anwesen geortet, und einen Haufen Fahrzeuge davor. Sie sind inzwischen wesentlich mehr als 12! Es sind mindestens 50 oder 60. Und was vielleicht noch bedenklicher ist: Es sind Polizeiautos dabei. Kosovarische Sonderpolizeieinheiten!“. Er gab einem seiner Mitarbeiter das Dokument des CIA. „Wir sollen die NATO alarmieren. Die Marines in der Botschaft werden ebenfalls verstärkt!“.
22 Uhr 08, Abseits von Skopje
Frank „Berserker“ Grimes hatte am Kopfende eines der Biertische Platz genommen und klopfte mit der Gabel auf ein Glas. Sie hatten von einer Metzgerei mehrere Ladungen Fleisch kommen lassen und die Männer assen genüsslich in der alten Scheune.
„Hört mal alle her. Ich möchte euch danken, wirklich danken. Ohne eure Mithilfe könnten wir diesen Umbruch nicht herbeiführen. Wir freuen uns besonders über unsere Kollegen von der Polizei!“. Frank, der charismatische Führer, hob sein Glas auf Kopfhöhe. Er sah nebenbei die Lampen an der Decke, die überhaupt nicht in dieses Holzgerüst passten.
Die Gruppe horchte gespannt auf die Worte ihres Anführers, der sich inmitten seiner Kampfgefährten besonders stark und unbesiegbar fühlte.
„Wir werden mit ihrer Hilfe nicht nur die Regierung stürzen können, sondern auch die verhasste NATO-Besetzung beenden! Ihr macht das möglich! Und nun: Guten Appetit!“.
Frank setzte sich und beobachtete fröhlich das Gelächter und das Grölen der zahlreichen Männer, die er um sie gescharrt hatte. Menschen waren so einfach zu kontrollieren.
Man gebe mit eine lange Stange, und ich hebe die Welt aus ihren Angeln , hatte einst ein weiser Mann gesagt. Frank und seine Truppen waren diese Stange. Mit den Waffen, die er seit Jahren zusammengeklaubt hatte, konnten sie das Parlamentsgebäude stürmen und die Politiker, Präsidenten und Minister aus dem Lande schmeissen. Er kannte selbst den Grund nicht, warum er sich ausgerechnet im Kosovo so festbiss, aber das Land und die Leute gefielen ihm. Er liebte sie – und er hasste die NATO und vor allem die Amerikaner darin. Es war eine geschickte taktische Leistung, die Sonderpolizei zu bestechen und sie für seine Zwecke zu nutzen. Was man mit Geld alles erreichen konnte war wahnsinnig. Auf jeden Fall konnte er bei der Erstürmung des Parlaments auf die Polizeieeinheiten zählen, die ihm Rückendeckung geben konnten. Die Zufriedenheit der Bevölkerung in den Gebieten war am Boden, obwohl sich die Besatzungstruppen doch als grosse Befreier zeigten. Es war eine miese Verleumdung, so fand Frank es. Also wollte er die Situation schellstens ändern.
6
9 Uhr 03, an Bord der USS Essex (LHD-2)
Während sich die Wellen an dem Klipperbug des Trägers brachen, drückten ihn die mächtigen Turbinen weiter vorwärts. Die Schrauben wühlten das Meer hinter ihnen auf und an Deck des Schiffes herrschte ein unbarmherziger Wind. Die Flugzeuge und Hubschrauber auf ihm wurden kräftig durchgeschüttelt, zum Glück aber waren sie fest verzurrt.
Der stolze Namen dieses Schiffes kam von vielen Generationen berühmter Kriegsschiffe, die alle Essex hiessen, zuletzt der leichte Träger im Zweiten Weltkrieg. Der heutige war ungemein grösser – und ein vielfaches teuerer. Die Navy betrieb den amphibischen Landungsträger, der mit Soldaten des US Marine Corps bemannt war.
Auch Ethan Hawking, der frischgebackene Recon-Marine, war in seiner Koje im Bauch des Schiffes untergekommen. Sie hatten Norfolk bereits vor zwei Tagen, sofort nach der Abschlussfeier, verlassen. Es war einfach gewesen, denn er hatte keine Freundin im Moment. Er hatte zu viel um die Ohren, seinen Abschluss an der Naval Warfare Scool war nur ein Teil davon.
Ethan las die Washington Post von gestern, die erste Zeitung, die er seit Tagen zu Gesicht bekam. Die Reporter berichteten über einen Skandal in der Lebensmittelbranche, über irgendwelche Senatoren, die Verhältnisse mit Studenten hatten und so weiter. Die Druckerschwärze färbte auf die Finger des Soldaten ab, die Zeilen verwischten langsam. Er konnte die Poren des Blattes erkennen, die jeden Dreck der Luft ansogen wie ein Filter. Er blätterte die Seiten um und ihm fiel sofort die Überschrift der nächsten Seite auf. FINANZKRISE IN PHILADELPHIA.
Ethan warf einen vorsichtigen Blick an seiner Zeitung vorbei auf die Uhr. Es war erst neun, aber er war schon seit Stunden wach und lag auf seiner Koje. Unter ihm schnarchte einer seiner Kampfgefährten, ein ihm unbekannter Soldat der Aufklärungsabteilung, der aber schon länger dabei war und noch kein Wort mit ihm gewechselt hatte.
Die Post wurde ihm in diesem Moment zu blöde. Er mochte dieses Fachgeschwafel nicht mehr lesen und sprang aus dem Stockbett. Leise schlich er sich aus dem Zimmer und ging die Steilen Fallreep hinauf, bis er im Hangardeck wieder herauskam. Techniker warteten die Maschinen des Corps, Hubschrauber und Harrier-Senkrechtstarter.
Ethan spürte den starken Wind, der schon durch die Aufzugslöcher hereinwehte. Die riesigen Aussenplattformen konnten problemlos die Flugzeuge nach oben hieven und auch die Marines mitnehmen.
Gerade kam einer von ihnen herab, auf dem eine AH-1 Cobra stand, neben ihr kleine Wartungsfahrzeuge und Techniker. Hawking ging geradewegs auf die Plattform zu und die Reling fuhr automatisch ein. Sie war notwendig, damit keiner über Bord fiel. Die See war sehr aufgewühlt und grau, Schaumkronen schwappten auf den Wellen. Es herrschte eine stürmische Zeit in diesem Erdteil und Ethan hasste Paddeltouren mit den Schlauchbooten bei diesen Bedingungen. Die Force Recon musste leider bei jedem Wetter an den Strand – und das war das dumme daran.
Die Techniker zohen den Cobra-Kampfhelikopter herein und der Marine stellte sich auf die riesige Plattform. Der Hangar war plötzlich voller Aktivitäten, er konnte eine neue Gruppe von Technikern hereinkommen sehen, die sich über die Maschinen hermachten, sie putzten oder reparierten. Einer von ihnen packte einen grossen Schraubenschlüssel aus dem grauen Werkzeugkoffer aus und entfernte die Abdeckungen eines Avionikschachtes des CH-53 Super Stallion, des grössten Helikopters der Marines.
Der Aufzug fuhr auch prompt nach oben und der Wind wurde immer heftiger. Ethan konnte sich kaum an den Ketten der Plattform halten, die Luft wirbelte durch den grauen Pullover. Draussen auf dem Meer war nichts zu sehen, keine Insel, kein Schiff, kein Stein, garnichts.
Der Aufzug kam oben an und Ethan joggte von ihm herunter. Neben ihm wurde ein UH-1 Helikopter startklar gemacht, eine AV-8B Harrier vorbeigeschoben. Die grün-grauen Maschinen waren die hauptsächliche Luftunterstützung für die kämpfende Truppe. Die 26th MEU(SOC) war momentan noch mit der USS Wasp in der Adria im Dienst und die Truppe von Ethan Hawking sollte diese Marine Expeditionary Unit (Special Operations Capable) ablösen. Dazu waren diese Träger wie geschaffen.
Ethan sah hinaus auf die See. Das Flugdeck vibrierte unter seinen Füssen und er sah zur Kommandobrücke hoch. Es war eigentlich Zeit, für die Marines seiner Abteilung das morgentliche Jogging auf dem Deck zu machen, aber bisher war er der einzige hier. Also begann er eben alleine mit dem Training und joggte an den Maschinen vorbei zum Heck des amphibischen Angriffsträgers (LHD).
Bis die Soldaten im Kosovo vielleicht zum Einsatz kamen konnten noch einige Tage vergehen...
10 Uhr 28, CIA-Hauptquartier Langley, Virginia
Dick und der Luftbildauswerter hatten die neuesten Aufnahmen vor sich. Die Gruppe der Putschisten war grösser geworden, mindestens 50 Personen zählten sie, als die Truppe im Freien herumlief. Die Wiesen wirkten so friedlich, wenn da nicht ein Haufen herumballernder Ganoven wären.
„Die Gruppe ist eindeutig mächtiger geworden. Die NATO muss sich auf eine Abriegelung bereit machen!“, meinte Dick. Der Koordinator schrieb einige Zeilen auf den Laptop auf seinem Schreibtisch. Die feine Maserung des Holzes war an einigen Stellen schon verkrazt von dem Computer oder diversen Büchern.
Das MS Word-Programm war aktiv und Dick hämmerte auf die Tasten ein. Er konnte das Zehn-Finger System erst seit einigen Wochen, er hatte es sich selber beigebracht, wie er meinte.
„Wir suchen jetzt nach schwereren Waffen – Panzerfahrzeuge, Mörser oder sonstiges. Das wäre nicht gerade gut für die Friedentstruppen dort!“. Dick nahm das nächste Foto. „In der Scheune vielleicht. Die Infrarotaufnahmen zeigen leider nichts an. Der Motor wäre in diesem Fall schon tagelang kalt!“.
Er nahm wieder das nächste Foto. Es war genauso hochglänzend wie die anderen und von einem kleinen, weissen Rand umfasst.
Der Auswerter sass auf einem Hocker neben dem Sessel von Dick Yun und kratzte sich unentwegt. Er hatte einen juckenden Ausschlag von irgendetwas bekommen, das Dick im Moment ziemlich egal war.
„Die NSA hat sofort Kopien von den Bildern gefordert!“, sagte der Auswerter. „Pete hat sie dann auch gleich geschickt!“, fügte er hinzu. Dick nickte und tippte wieder etwas auf den Monitor. Er legte eine Vorgehensweise für den Ernstfall vor, die von den Marines der 26th MEU(SOC) durchgeführt werden sollten. Bis die Marineinfanteristen abgelöst werden würden mussten diese mit der Unterstützung durch die KFOR aushalten.
„Ich muss zum Direktor. Beim nächsten Überflug eines Satelliten wieder Aufnahmen machen!“, sagte Dick. Natürlich wusste der Auswerter um die Wichtigkeit dieser Fotos und die Erwähnung war völlig unnötig, aber Dick machte sie trotzdem. Er war Perfektionist, wollte kein Detail auslassen und auf jeden Fall diese Gruppe einige tausend Meilen westlich kriegen. Sie würden keinen Anschlag machen, nicht so lange er noch bei der CIA arbeitete.
Er schlenderte den Korridor entlang und bog am Ende in den Raum des Direktors ein. Er klopfte und trat dann ein. Der Direktor sass nicht hinter seinem Tisch sondern am gesondert gestellten Computer.
„Sir, wir haben wieder etwas!“, meint er und schloss die Türe. Der feine Teppisch gab unter seinen Schritten nach und er ging zu dem Mann hin. „Das trifft sich gut, Yun. Die NSA sitzt mir schon im Nacken.“. Dick nickte und reichte ihm die Fotos. „Sie wollen sofort angreifen, am besten mit einem Luftschlag!“, lachte der Direktor. Er sah die Fotos an und seine Mine verdunkelte sich. „Das ist ja toll....wieviel hat der Computer gezählt?“, fragte er und sah sich das nächste an. „Mindestens 50. Wenn nicht noch welche im Haus sind. Keine Fahrzeuge ausser denen vor dem Haus!“. Der Direktor nickte und sah Dick an. „Wir müssen das Papier der NSA in einer Stunde vorlegen. Der Präsident ist persönlich darin involviert und er will auf keinen Fall eine Eskalation dort unten. Wenn diese Regierung stürtzt, dann fällt die ganze Region!“. Der Direktor sah die Bilder an und legte sie neben den Computer. Er rief eine Karte der Gegend auf und sagte: „Wir werden eine Aufklärungsmission mit den Special Forces in der Gegend unternehmen, damit wir bessere Daten bekommen können. Die NATO soll sich für einen gelenkten Luftangriff bereit machen. Ich rufe den Präsidenten heute abend noch mit unseren Vorschlägen an!“.
14 Uhr 28, Flugplatz von Tirana
Die Starlifter rollte langsam auf dem Flugfeld aus und kam etwa 200 Meter vor dem Servicehangar zum stehen. Die vier Triebwerke liefen noch, als die Heckrampe abgesenkt wurde und die Green Berets mit ihren Seesäcken aus dem Frachtraum kamen. Der Wind pfiff stürmisch über das Vorfeld und James musste seine Mütze festhalten, ohne die er nie in einen Kampf ging.
„Wir finden uns drüben im Serviceraum ein!“, meinte er und lief auf die grosse Halle zu. In grossen Lettern stand dort HANGAR THREE geschrieben, er wurde wohl von den NATO-Truppen erbaut. Die Glasscheiben oben an der Decke waren dreckig und wohl noch nie seit ihrem Einbau geputzt worden.
Die Zwölfergruppe Soldaten ging in den Hangar hinein und drinnen war endlich Ruhe vor dem Sturm. James liess sein Barett los und schulterte den Seesack. In einer Ecke des Hangars waren einige Stühle und eine Tafel aufgebaut, die den Green Berets als Schulungsraum dienen konnten. Ein Soldat in einer flecktarnen Uniform kam zu ihnen gelaufen, der sichtbar nicht der amerikanischen Armee angehörte.
„Guten Tag, Sir!“, sagte er in nicht einwandfreiem Englisch. Also kein Engländer. „Ich bin Thomas Kern, Bundesluftwaffe.“. James sah den Mann an musterte ihn kurz. Ein Deutscher Soldat betreute die Halle der Air Force?
„Ich bin James Masterson, US Special Forces. Freut mich, Sir!”. James schüttelte ihm die Hand und stellte den Sack auf den Boden neben sich. Der deutsche Soldat lächelte und machte eine Geste Richtung Türe. „Wir haben Quartiere für sie in den Kasernen reserviert. Die Kommandogruppe hat sie erst für morgen angekündigt...scheint ernst zu sein, hm?“. James nickte, während sie durch den Hangar in die gleich angrenzende Kaserne liefen. Der Boden, zuerst einfacher Beton, schlug in einen roten Teppich um, der schon deutliche Spuren der vielen Soldaten zeigte, er war abgelaufen und Flecken waren darin.
Die Kaserne war ein sehr stabiler Bau aus massiven Betonwänden und Satellitenantennen auf dem Dach. James und sein Trupp wurden in den Bereitschaftsraum gebracht und er packte sofort seinen Laptop aus, suchte eine Telefondose und stöpselte ihn dort ein. Dann wählte er sich ins Internet ein und rief seine E-Mails ab. Er hatte eine vom Oberkommando der Special Forces bekommen, mit den neuesten Fotos der Kampfstelle. Sie waren schon wieder mehr geworden, die Führung schätze sie auf knappe siebzig Personen, die alle bewaffnet waren und inzwischen auch in Zelten vor den Gebäuden untergekommen. James las den Text: Wir wissen um die Gefährlichkeit der Mission – Gott möge sie schützen. Aber wir brauchen mehr als nur göttlichte Mithilfe. Sie und ihre Einheit müssen sich dem Haus nähern und sowohl Infrarotaufnahmen wie auch Ortung wichtiger Ziele durchführen. Bleiben sie vor Ort und halten sie ständigen Funkkontakt. Eventuell ist ein Angriff unumgänglich. Dazu können Verstärkungen des 2. Ranger-Battallions angefordert werden, zusätzlich Truppen der 4. Mobilen Einheit der NATO-Brigade. Sie müssen erfolgreich sein, Masterson.
„Klingt sehr überzeugend.“, sagte er. Er klappte den Laptop zu und zog das Kabel aus der Buchse. „Das Hauptquartier. Wir müssen also zu einer Aufklärungsmission raus. Nick – die Kommunikationsantennen. Marc - Minen. Robert – LAWs. Zwei Stück. Infrarotanlagen und Fotokameras. Das wird kein Zuckerschlecken. Eric, du besorgst uns Feuerunterstützung. Leichte MGs und solche Scherze!“. Die mitgebrachte Ausrüstung war sehr umfangreich und für jede Art Missionen der Green Berets einsetzbar. Sie waren Spezialisten im Nahkampf und sie brauchten nur minimale äussere Unterstützung.
„Wir brauchen nur noch die Autorisation des Präsidenten. Dann schlagen wir los!“.
7
15 Uhr 28, Weisses Haus
Präsident Clancy hatte die Unterredung mit einem seiner Gouverneure extra für die Mitarbeiter der Central Intelligence Agency unterbrochen. Den ganzen Tag lang hatte er hinter seinem Tisch gesessen und sich um die Arbeit gekümmert, jetzt stand er auf und begrüsste die beiden Agents. Er hatte natürlich von der sich anbahnenden Lage erfahren und wusste auch, dass ein Kommando aus Green Berets als Aufklärer vor Ort war.
Er setzte sich zu den beiden in ein extra Zimmer. „Kaffee?“, fragte er die beiden. „Nein Danke, Sir.“, antworteten beide sofort. Der Präsident lächelte. „Immernoch auf die korrekte Art, Leroy?“, fragte er. Er sah dabei auf die beiden Agents, die keine Mine rührten. Sie wollten sofort zur Sache kommen und keine Zeit verschwenden. Die Sache musste dringend erledigt werden.
„Sir, unsere Aufklärung hat etwa siebzig gezählt. Sie halten sich immernoch in dem Haus und darum herum auf. Es sind inzwischen auch Einheiten der Sonderpolizei dabei. Keine schweren Panzerfahrzeuge, aber immernhin viele Streifenwagen und deren Besatzungen!“. Einer der Männer reichte dem Präsidenten Bilder aus seiner ledernen Aktentasche. Er nahm sie entgegen und sah sie nacheinander kurz an. Er liess seine Blicke über sie schweifen und drehte sie einige Male. Die beiden CIA-Agenten rückten auf ihren Stühlen herum und waren wohl nicht ganz mit der Sitzlage zufrieden, liessen sich aber sonst nichts anmerken. Sie beobachteten die Reaktionen des Staatsoberhauptes.
„Die Green Berets?“, fragte er. Die beiden Agenten nickten verhalten. „Sind vor Ort. Das National Reconissance Office (NRO) hat mit den Satellitenbildern hier der CIA einen guten Standpunkt gegeben. Nun sollen die Army-Einheiten genaueres herausfinden!“. Die Agents packten das Strategiepapier aus und überreichten es dem Mann. „Wir können nach ihrem Wort in einer Stunde zuschlagen!“.
16 Uhr 56, 5km von Tirana entfernt
Das Fahrzeug der kosovarischen Sonderpolizei hielt auf einem der vielen Hügel, die Tirana umgaben. Der Fahrer stellte den Motor ab und öffnete die Türe. Die Spitze seiner Zigarre leuchtete kirschrot auf, als er einen tiefen Luftzug nahm. Unten, vor ihren Füssen, lag die Hauptstadt des Kosovo. Der Krieg war noch nicht zu Ende.
Keiner würde das einzelne Polizeifahrzeug beanstanden, das mit seinen drei Insassen auf dem Hügel stand. Die Polizei führte regelmässig solche Patroullien durch, um die Lage in den umliegenden Gebieten unter Kontrolle zu haben.
Auch der Beifahrer stieg aus, fasste aber nochmal auf den Sitz und zog ein Ak-103 Sturmgewehr mit Klappschaft heraus, das er sich über den Rücken hing. Der dritte von ihnen war Grimes. Er sah oben aus der Dachluke des Jeeps und nahm ein Fernglas an seine Augen. Er beobachtete das Treiben unten in Tirana. „Eine schöne Stadt, wenn erst einmal wieder unsere Flagge wehen wird!“. Keiner seiner Kollegen sagte ein Wort. Sie öffneten den Kofferraum und holten mehrere Koffer heraus. Grimes öffnete sie mit seinem Zahlencode und sie holten ein riesiges Infrarotvisier heraus, das einen Linsendurchmesser von 40 Zentimetern hatte. Sie setzten es auf dem Wagen zusammen und klappten schliesslich den kleinen Dreifuss auf, mit dem sie ihn auf dem Wagendach hielten. Grimes schaltete die Kamera an und warf einen Blick hindurch. Er wanderte über die Häuser, die zerstörten Strassen und kam schliesslich an dem Parlamentsgebäude an, vor dessen breiter Front die Fahne des Landes, die NATO-Flagge und schliesslich die „Stars and Stripes“ flatterten. Grimes hasste sie einfach....
Er machte einige schwarz-weiss-Fotographien, die von der Infrarotsichtweise herrührten.
„Die Politiker sitzen dort unten und schlagen sich die Bäuche an ihrem schönen Bankett voll!“, rief er voller Verachtung. „Es wird Zeit, dass wir anfangen. Morgen abend werden wir zuschlagen...zuerst werdet ihr, liebe Genossen Polizei, eine legale Strassensperrung von der US-Botschaft bis zum Gebäude der Regierung vornehmen.....dann werden wir kommen, auf Lastwägen und Autos. Wir werden nicht nur das Parlament stürmen, sondern auch die Botschaft und ein Exempel an den Yankees statuieren. Die Schutzeinheit der Amerikaner sind Marines und eine kleine Abteilung des DSS!“. Grimes liess die Kamera einige weitere Male klicken und schaltete sie dann ab. „Wir werden hier verschwinden. Zurück. Dann planen wir ein letztes Mal!“.
Der DSS (Diplomatic Security Service) war eine zivile Spezialeinheit, die in jeder US-Botschaft vertreten war. Sie sollten die Botschafter und Konsulate vor terroristischen Übergriffen schützen und konnten dank guter Ausbildung und schwerer Bewaffnung durchaus ein gefährlicher Gegner sein.
Aber die ganze Gruppe von Putschisten konnte nicht gegen diese wenigen Männer versagen.
Sie beeilten sich, die Kamera abzubauen und sie sorgfältig, aber ohne Hast, in den Koffern zu verstauen. Dann luden sie alles wieder ein und der Fahrer liess den Motor an. Langsam wendeten sie und fuhren hinab auf eine einsame Landstrasse mit Kurs auf Mazedonien.
19 Uhr 00, Kaserne in Tirana
„Hier ist Masterson. Ich höre....gut. Wir machen uns fertig!“, sagte Jamesin den Hörer des Satellitenhandys. Er beendete das Gespräch und drehte sich zu den Männern um. „Das war die Kommandostelle. Wir haben grünes Licht. Ausrücken in einer Stunde!“. Die Männer nickten entschlossen und standen von den Stühlen auf. Die Soldaten waren immernoch in zivile Kleidung gehüllt und beeilten sich, jetzt die Uniformen und die Ausrüstung anzubekommen. Jeder hatte neben seinen persönlichen Waffen – ein Kampfmesser mit sechs Zoll Klingenlänge und Sägezahnung und einer neutralen Beretta 92F Pistole, eine Langwaffe und Munition zu tragen. Mitgeführt waren genug Gewehre und Maschinenpistolen um den Trupp reichlich auszurüsten. James schaltete den Laptop an und sah gleich den gewohnten blauen Startbildschirm. Er hatte sich ins Internet eingeloggt und schrieb eine E-Mail an seine Frau. Er durfte naürlich keine Details verraten, nur dass er auf eine Operation geschickt wurde und dass es ihm gut ging. Dann beendete er die Verbindung und schaltete den Computer aus, bevor der aus seinem Seesack die Uniform kramte und sich anzog.
„Funk?“. „Check.“. „Minen?“. „Check.“. James hakte die Punkte auf der Liste an seinem Klemmbrett ab. „Wir können in einer Viertelstunde ausrücken. Also Jungs. Dies ist eine standardmässige Aufklärungsmission. Kein Grund zur Panik. Tarnschminke!“. Er griff zu der Tube schwarzer Schminke und trug sie in seinem Gesicht auf. Er machte sich völlig unkenntlich, denn das menschliche Auge war von je her darauf trainiert, einen anderen Menschen auch über grössere Entfernungen wahrzunehmen. Die Menschen konnten es einfach, ein Nebenprodukt des täglichen Zusammenseins mit vielen Personen.
James zog sich die Woodland-Kampfweste an und befestigte 3 Fragmentgranaten und 3 Nebelgranaten an ihr. Dann füllte er die 6 Magazintaschen für M-16 Magazine und noch 3 Pistolenmagazine. Er nahm als Langwaffe den M-4 Karabiner mit M203 Granatwerfer. Die Gruppe sollte sehr ausgewogen bewaffnet sein, damit jeder Aspekt gedeckt war.
Die Uniform passte prächtig zu der Gesichtsschminke und James Masterson überprüfte alle Gegenstände in seinem Rucksack. Er führte zwei Claymore-Richtsplitterminen mit, die per Kabel oder Bewegungszünder in die Luft gejagd werden konnten. Weiterhin Wechselkleidung und Rationen.
Die anderen Soldaten waren ebenso weit und schulterten die Rucksäcke, nahmen ihre Waffen zu Hand. „Alles klar, Soldaten. Wir machen diese Mission, und wir machen sie sehr gut!“.
James nahm eine MP-5N Maschinenpistole, also mit einschiebbarer Schulterstütze, und befestigte sie mit zwei Schnallen am Verschluss des Rucksackes. Eine kleine Notfallversicherung, wenn sie unter Feinfeuer lagen.
„Wir rücken ab! Alles mitkommen!“. James ging los und durch die Türe geradewegs den Gang runter und in die Hagarhalle, wo zwei UH-1 Helikopter zum Abflug bereitstand.
Die zuverlässigen „Huey“-Hubschrauber gehörten der Bundesluftwaffe, die sie bis auf wenige Kilometer an den Tatort bringen sollten. Die Kommandos nahmen jeweils zu dritt pro Türe, verteilt auf zwei Hubschrauber, platz. James sass ganz vorne an der Türangel und legte sich den Riemen der Waffe um den Kopf. Er wollte sie keinesfalls auf dem Flug verlieren!
Die Motoren des Iroqouis wurden angelassen und James konnte die Aufregung, das Adrenalin, ich sich hochkommen fühlen. Er liebte es, er liebte die Situation, wenn sie wieder in eine Operation flogen, wenn alles, was seine Zukunft und sein Leben betraf, wieder auf der Kippe stand und er sein Schicksal selber in die Hand nehmen konnte.
Die Maschinen hoben vom Boden ab und flogen Richtung Skopje los. Es war nun fast acht Uhr abends und die Dämmerung brach herein. Die richtige Zeit um in der Nähe des Zieles abgesetzt zu werden.
20 Uhr 06, in der Nähe von Skopje
Der Geschossknall übertönte sogar das Gebrüll der vielen Männer. Einer der Milizen, ein Neuling, schoss ruhig und kontrolliert aus seiner Ak-74 auf ein 20-Meter-Ziel. Jeder Schuss kam sauber und kontrolliert auf die Platte.
Neben ihm stand ein erfahrener Schütze, der Dauerfeuer aus seiner Ak-103 auf die Scheibe vor sich abgab. Trotz des heftigen ausbrechens der Waffe sassen die meisten Schüsse im Ziel. Das ganze wurde von Frank Grimes beobachtet, der an der gläsernen Hauswand des Anwesens stand. Auch wenn der ganze Bau auf den ersten Blick sehr rustikal wirkte – er war innen sehr modern ausgebaut.
„Unsere Männer machen sich gut!“, sagte einer der Polizisten stolz. „Sie können die Waffen inzwischen kontrolliert einsetzen. Sie blasen die Munition nicht einfach so raus!“. Grimes drehte sich um und schloss den Vorhang. Er setzte sich auf einen Ohrensessel vor dem Kamin, der aber nicht brannte. „Möchten sie Tee? Cognac? Einen Likör vielleicht?“. Grimes lächelte und schenkte sich einen Martini in ein kleines Glas. „Nein, Danke. Ich bin gespannt....wie wird die Operation morgen laufen?“. Grimes nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. „Ich vergesse immer, wie sehr ich das Zeug hasse!“. Er knallte das Glas auf den hölzernen Beistelltisch und goss nach.
„Sie wird perfekt laufen....wir stürmen die Botschaft und das Parlament gleichzeitig....dann erschiessen wir vor laufender Kamera das ganze Kabinett....eine schöne Nachricht für alle Amerikaner und für die NATO!“. Er schüttete den Martini herunter und stellte dann das Glas beiseite. „Ich hasse das Zeug wirklich....aber ich komme nicht davon los!“. Zum ersten mal seit langer Zeit stopfte er sich seine Pfeife wieder. „Flavio Slabowitsch, der Präsident, wird eine schöne Galgenfigur abgeben, wenn er an den Eichen vor dem Gebäude hängt. Die Nachrichten in der ganzen Welt werden die Bilder senden, wie Freiheitskämpfer des Kosovo die Unterdrückung der NATO zerschlagen!“.
Der Polizist lief langsam um den Stuhl herum. Von draussen hörte man keine Schüsse mehr.
„Wir haben in den letzten Tagen wahrscheinlich mehr Munition verschossen, als wir während der ganzen Operation brauchen werden!“, sagte er. „Ist doch auch egal!“, meinte Frank und leerte den Rest der vorher halbvollen Flasche Martini Vodka in das Glas.
„Keine Frage. Wir werden sie eintüten, und das glorreich. Und jetzt komm´ her, wir werden gemeinsam trinken!“.
8
20 Uhr 31, an Bord der USS Wasp
Auf dem grauen Flugdeck des Schiffes herrschte kurz vor einbruch der Dunkelheit noch rege Aktivität. Die Marines waren dabei, Kräfte zur Verstärkung der Botschaft und des Regierungsgebäudes nach Tirana zu bringen. Sie lagen kurz vor der Hafenstadt Durres und etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Der CH-53E Super Stallion hatte einen HMMWV mit einem Kaliber .50 M-2 Maschinengewehr als Aussenlast angehakt und hob ab, als der nächste mit einer Ladung Kisten in einem Netz unter sich folgte. Die beiden Maschinen flogen mit dem Abendrot im Rücken auf die Küste zu, vor ihnen einige ihrer Kollegen.
Auf dem Deck waren aber noch mehr Marines mit Versorgungen für den bevorstehenden Angriff beschäftig. CH-46 Sea Knight-Doppelrotorhelikopter hatten Marineinfanteristen an Bord genommen und flogen in Zweiergruppen rüber nach Tirana, um die CH-53 mit ihren Hummern zu verstärken. Wenn die Putschisten ankämen, würde eine schöne Marine-Einheit mit schweren Waffen und Fahrzeugen auf sie warten und sie in Empfang nehmen.
Die USS Essex war für morgen früh, 11 Uhr angekündigt, dann konnte die Wasp wieder ihren Heimathafen Norfolk anlaufen und den neuen Marines das Feld überlassen. Bis dahin aber mussten noch einige Hummer-HMMWVs rübergebracht werden.
22 Uhr 30, US-Botschaft in Tirana
„Schön, wieder etwas von euch zu hören!“, sagte Miles in das abhörsichere STU-3 Telefon. „Wie sieht es aus?“, kam hinterher. Er lächelte leicht, aber seine innere Anspannung unterdrückte er nur. Es war eine schwierige Lage, einerseits wollten sich die Vereinigten Staaten nicht vor der ganzen Welt bloßstellen, andererseits aber mussten sie handeln. Ansonsten würde die wackelige Demokratie in dem nun unabhängigen Land schon wieder auseinanderbrechen.
„Wann soll das starten?“, fragte er. „Wir wissen es nicht genau. Die CIA vermutet, morgen oder übermorgen. Die Amphibious Readyness Group Zwei mit der 26th MEU(SOC) auf USS Essex übernimmt ab morgen. Die Marines müssten schon erhebliche Materialien zu euch gebracht haben!“, sagte Dick Yun in Langley.
„Ja, sie haben einige Hummer und auch ein paar Soldaten hergeflogen. Die Wache ist verdoppelt worden. Ich nehme an, dass wir das hier schon überstehen werden. Ansonsten schicken wir euch einen Notruf!“, lachte er und legte auf. „Es wird schon klappen. Ich melde mich wieder – hoffentlich vor dir!“.
Miles legte auf und ging hinüber zum Fenster. Er konnte zwei HMMWV-Jeeps sehen, einer mit einem Kaliber .50 Maschinengewehr, der andere mit einem grossen Werfer für TOW-Raketen. TOW bedeutete Tube- launched, Optically tracked, Wire guided. Die hochwirksame Panzerabwehrrakete konnte die meisten üblichen Panzerungen durchschlagen und war auch auf grössere Distanzen wirksam. Wenn es die Rebellen mit Panzern versuchen sollten, dann würden sie eine böse Überraschung erleben.
Einige Marines in Gefechtskleidung stellten die Jeeps hinter das Tor, das mit goldenen Messingstäben die Strasse vom Hof trennte. Ein bulliger Marine mit seinem M16A2 Sturmgewehr stand in seinem Häuschen und spähte hinaus durch das geschlossene Tor. Bisher war die Lage noch entspannt.
23 Uhr 43, ausshalb von Skopje
Die beiden grün-schwarzen UH-1 Hubschrauber schmiegten sich eng an das hügelige Gelände, das ihnen perfekte Deckung bot. Im Inneren war das Licht gelöscht worden, die beiden Piloten benutzten Nachtsichtgeräte, die Soldaten warteten auf ihr Zeichen. James Masterson sass auf einer der Bänke im hinteren Teil der Maschine und drückte den M-4 Karabiner an sich. Sein schwerer Rucksack stand zwischen seinen Beinen und der Buschhut als Kopfbedeckung bildete den Rand der Tarnschminke im Gesicht. Die anderen Soldaten waren relativ locker, machten einige Scherzchen und starrten in die Dunkelheit. Man konnte einfach nichts erkennen, ausser manchmal einige Lichter in der Gegend. Die vielen Lichter einer Stadt kamen aber schnell in Sichtweite: Skopje. Die Hauptstadt von Mazedonien mit ihren vielen Einwohnern war auch nach dem Kriege in der Nacht noch hellwach und die Piloten der deutschen Bundeswehr waren in diesem Gelände sehr geübt.
Robert, einer der Green Berets in dem Team von Masterson, hatte eine LAW zwischen seinen Füssen, eine Light-Antitank-Weapon. Zwei davon wurden von den Soldaten mitgeführt, eine von ihm und die andere von Eric. Marc dagegen brachte einige weitere Claymore-Richtsplitterminen und zwei 200-Schuss-Kästen für das leichte M249 Maschinengewehr mit, dessen 5,56mm-Munition notfalls auch für die M-16 und M-4 Magazine entnommen werden konnte.
„Wir nähern uns dem IP!“, rief der deutsche Pilot nach hinten und verlangsamte den Flug.
James nickte und die Türen zu beiden Seiten der Kabine wurden aufgerissen. „Es geht los!“. James stieg von der Bank und ging nach vorne, wo er beim Abflug auch gesessen hatte. Der Pilot ging auf wenige Meter runter und unter ihnen war eine Wiese. Der Pilot hielt die UH-1 in 2 Metern über dem Boden in leichtem Vorwärtsflug und die Green Beretes warfen ihre Rucksäcke zuerst hinaus. Dann sprangen sie vertrauensvoll ins Ungewisse. Die Crew der Maschine musste perfekt arbeiten, um die Soldaten nicht in einen Fluss oder eine Schlucht zu werfen und suchte mit den Nachtsichtgeräten nach eventuellen Bedrohungen.
Der deutsche Mechaniker an Bord legte sein G-36 Sturmgewehr zu Boden und schloss die Kabinentüren, bevor die „hoovernde“ Maschine wieder stieg und leise mit der anderen aus dem Absetzfeld verschwand.
James lag flach im Gras. Er starrte mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit und hielt den Karabiner im Anschlag. „Ich hasse Nachteinsätze!“, flüstere Eric und hob sein M-16A2 hoch. Das Abschussrohr der LAW lag wie die Rucksäcke neben ihm.
Da sahen sie ein blinken in der Dunkelheit. Die andere Gruppe, knapp 20 Meter entfernt, signalisierte mit der Taschenlampe ihr „okay“. James zog die kleine Maglite aus der Koppeltasche und liess sie einige Male schnell aufblitzen.
„Sammeln!“, sagte er hinter sich ins Dunkle, schnappte sich seinen Rucksack und ging auf die anderen zu. Dabei leuchtete seine Taschenlampe den Weg aus, damit er über nichts stolpern konnte.
Die Operation war in vollem Gange und James würde dafür sorgen, dass sich ihr Aufwand auch lohnte.
Die beiden Gruppen trafen sich in der Mitte und James nahm den mit Leuchtfarbe beschrifteten Kompass heraus. Das Anwesen der „Banditen“ war knapp einen Kilometer östlich von ihnen und sie machten sich sofort auf den Weg. Dazu waren sie mit Nachtsichtgeräten AN / PVS-7B des Marine Corps ausgerüstet, das man mit Riemen über den Kopf stülpen konnte. Mit ihrer vielen tausend Fach erhellenden Auflösung konnte man auch in der etwas bewölkten Nacht taghell sehen.
James hatte den schweren Rucksack auf den Schultern, hinten baumelte die MP-5 Maschinenpistole. Die zusätzliche Feuerkraft konnte das Züngelchen an der Waage sein.
„Wir kommen einfach bis auf 200 Meter heran. Danach wird es schwerer!“, sagte Marc. Er hatte einen strategischen Plan an seinem Arm befestigt, der die Situation mit einem Satellitenfoto zeigte.
„Der Wald endet dann?“, fragte James. „Ja, genau. Wir werden mit dem NRO Kontakt aufnehmen, dazu haben wir ja die Anlage dabei. Ob die Terroristen morgen zuschlagen werden, ist unklar. Auf jeden Fall haben wir noch Zeit, uns in Deckung zu begeben.“.
James nickte und beschleunigte seine Schritte. Es gab einen Weg zum Haus, der aber konnte vermint sein, denn er wurde normalerweise nie benutzt. Falls die Terroristen schlau waren, konnten sie so eventuellen Angriffen aus dem Weg gehen.
Der Wald begann schon einige hundert Meter vor ihnen und in ihm ging es steil einen Berg hinauf. Felsig und morastige Böden wechselten sich fliessend ab und oben auf dem Kamm hatte man eine gute Sicht auf die Hütte, das Anwesen, der Männer.
8 Uhr 09, CIA-Centrale Langley
Ein Krisenstab mit Vertretern des National Reconissance Office, der National Security Agency und der Central Intelligence Agency war im Hauptquartier zusammengekommen. Die Federführung lag bei Dick Yun, der ja für solche Massnahmen da war. Der runde Tisch in einem gesonderten, gesicherten Raum war elfenbeinfarben, an jedem der zehn Plätze war ein STU-3 integriert. Zusätzlich konnte man an einer Steckdose und einem Telefonanschluss seinen Laptop anschliessen und somit sofort auf sich ändernde Lagen reagieren.
Dick sass mit der Türe im Rücken und blickte auf der anderen Seite auf eine grosse Weltkarte, in der die momentane Krisenlage rot umrandet war.
Der Mann von der NSA, Wayne Hammer, hatte einen kleinen, braunen Aktenkoffer mit den nötigen Unterlagen dabei, zum Beispiel den Strategiepapieren und einiger weiterer Verfügbarkeitspläne.
„Schön, dass sie alle so schnell kommen konnten!“, sagte Dick zu Beginn. Er hatte sich erhoben und seinen Kragen etwas geöffnet. Er dachte zu ersticken, wenn er nicht endlich etwas Luft bekam! Der Raum mit dicken Betonwänden war nur durch eine einzige ABC-Klimaanlage belüftbar und er hatte sie nicht höher gestellt. Er wollte es auch nicht vor allen anderen tun und ignorierte es einfach.
In den Wänden waren Drähte eingelassen, in dennen oszillierende Spannungen flossen. Wenn jemand die Signale aus dem Raum abhören wollte bekam er nur Geknister mit.
„Der Präsident hat den Einsatz einer Spezialeinheit angeordnet, wie sie ja alle wissen.“. Dick ging langsam und bedacht um den Tisch herum. Die Vertreter aller Organisationen drehten sich in ihren Sesseln mit.
„Die Army Special Forces haben sich in die Region eingeschlichen. Bisher noch kein Kontakt. Sie werden aber nur wenige hundert Meter von dem Anwesen dieser....Terroristen entfernt sein.“.
Der Mann vom NSO meldete sich zu Wort. „Die Satellitenbilder haben inzwischen keine neuen Mitglieder geortet. Es dürften also 80-90 Personen sein.“. „Achtzig bis Neunzig?“, entfuhrt es Yun. „Wir gingen bisher von Siebzig aus!“, fluchte er. Der Schweiss lief ihm inzwischen an der Stirn herunter. „Ja, das dachten wir auch, bis vor einigen Stunden. Aber dann haben die Satelliten die endgültige Zahl leider bestätigt. Die Marines haben aber inzwischen die Botschaft und das Parlament abgeriegelt. Letzteres aber bisher nur verdeckt. Sie wollen diese Terroristen dann erwischen, wenn sie am leichtsinnigsten sind: Bei ihrem Angriff.“.
8 Uhr 36, an Bord eines LCAC
Das Luftkissen-Landungsboot mit dem lautmalerischen Namen Landing Craft, Air Cushioned war mit 90 Stundenkilometern auf dem Weg zur Küste. Als sie vor einigen Minuten aus dem Welldeck der USS Essex ausgelaufen waren, gehörten sie zu den allerersten Marines dieses Schiffes. Die USS Wasp war immernoch im Hafen, die Führung der Navy und des USMC hatten befohlen, die Stellung zu halten.
Das Landungsboot hatte neben zehn Marines in den Deckshäusern noch einen festgezurrten M1A2 Abrahms-Kampfpanzer auf der Ladefläche, der in einer grünen Tarnlackierung stolz in der Mulde stand. Das Luftkissenboot war so schnell, dass kein Soldat während der Fahrt draussen stehen konnte. Jeder musste angeschnallt, wie im Flugzeug, in den Kabinen Platz nehmen, bis man an Land kam.
Bei Jube wollte man an Land gehen, sich mit weiteren Schiffen der Marines treffen und die Panzerfahrzeuge dann auf Strassen nach Tirana bringen. Ein 60-Tonnen-Kampfpanzer konnte man eben nicht per CH-53E an einem Seil als Aussenlast transportieren.
Neben diesem M1 waren auch noch zwei Abrahms und einige LAV-25 Piranha auf dem Weg zur Küte. Die Marineinfanterie würde die Botschafter und Politiker nicht einfach ins offene Messer laufen lassen. Wenn es zu viele Amerikaner zur Verteidigung waren war dies immer noch besser als zuwenige!
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6 Uhr 29, US-Botschaft in Tirana
Als Miles aus dem Fenster sah konnte er die starken Kräfte der Marineinfanterie erkennen, die vor dem Gelände patroullierten. Drei Hummer-Jeeps standen hinter dem massiven Gitter, die Mauern waren mit zusätzlichem Stacheldraht versehen worden.
„Das ist ja ein richtiger Krieg hier!“, schimpfte der Botschafter. „Ja, Sir. Die US-Regierung lässt keinen Zweifel an ihren Absichten aufkommen. Aber uns soll es nicht kümmern – nur Luftunterstützung haben wir noch keine!“, meinte einer seiner Angestellten.
Miles ging vor dem grossen Fenster umher und verzog das Gesicht. Er konnte die eindeutige, militärische Aufrüstung in diesem Bereich nicht gerade gutheissen. Natürlich war er sich der Bedrohung durch aufgebrachte Bürger klar, aber ob dafür gleich die ganze Armee anrücken musste?
„Die Marines haben einige Helikopter für den Notfall herbeordert. Wir könnten dann innerhalb einiger Minuten evakuiert werden!“, sagte der Assistent. „Sehr gut. Ich hoffe nur, dass wir diese nicht brauchen werden. Sonst können die hier was erleben!“.
Miles öffnete das E-Mailprogramm auf seinem Laptop und begann eine Nachricht für den CIA zu tippen. Es war noch früh am Morgen, aber das würde den Mailserver in der Botschaft nicht stören. Der war rund um die Uhr arbeiten, genau wie Miles. Zumindest fühlte er sich so.
Er tippte seine Buchstaben gewählt und langsam ein, als ob er sich sehr mit jedem einzelnen Atemzug mit ihnen auseinandersetzen würde.
An den Koordinator für Äusseres, Dick Yun, CIA-Zentrale. Die Situation ist sehr gespannt – die Marines haben ihre Stellungen vor der Botschaft bezogen. Wir bitten umgehend um weitere Infomationen im Falle eines wirklichen Angriffes. Aber wir werden die Lage halten, bis wieder Normalität einkehrt.
8 Uhr 02, an Bord der USS Essex
Ethan Hawking war mit seinem Zug der Marine Force Reconissance an Deck der LHD-2 Essex angetreten und wartete mit der vollen Ausrüstung der Soldaten auf ihr „Taxi“ an Land. Dieses war in Form eines CH-46 SeaKnight startklar, aber die Soldaten hörten noch den Worten ihresKommandanten.
„Also Jungs, zum ersten mal wird es ernst für euch! Wir werden vielleicht Feindkontakt haben, wenn wir im Kosovo oder aber in Mazedonien ohne Wissen des amerikanischen Parlaments Aufklärung betreiben werden. Also will ich, dass ihr alle zusammenarbeitet wie ein einzelner. Und nun beten wir zusammen!“.
Die Soldaten senkten die Köpfe, waren andächtig auf dem grauen Flugdeck des amphibischen Trägers in strammer Haltung angetreten.
„Lieber Gott“, rief der Zugführer über das Brausen des Wassers und das Schwingen der Rotoren, „beschütze uns auf unserer gerechtfertigten Mission. Wir kämpfen für Frieden und Zusammenhalt in den noch jungen Demokratien dieser Länder. Wir wissen, dass unsere Sache die Richtige ist und wir jederzeit auf dich zählen können. Deshalb: sei mit uns, Herr. Amen.“. „Amen.“, antwortete die ganze Gruppe. Der Sergeant sah auf. „Und jetzt sehen wir zu, dass wir diese Freischärler zur Strecke bringen!“. Mit Gejubel stiegen die Sondersoldaten in den Helikopter, das heisst ein Watscheln war eher die richtige Bezeichnung. Vorne hing ihnen der Packsack bis zwischen die Beine, hinten der Fallschirm. Wie die Soldaten der 82nd Airborne führten die Marines bis zu 40 Kilogramm Gepäck mit, hinzu kam noch das M-16A2 Sturmgewehr oder der M-4 Karabiner, je nachdem mit M203 Granatwerfer und Munition.
Die Soldaten kannten aber kein Murren- sie hatten Recon Marines werden wollen und jetzt waren sie es auch. Sie konnten sich jetzt bewähren, konnten sich heute in ihre erste Mission stürzen.
Anderst als die hochgeheimen Green Berets hatten die Marines eine eindeutige Uniform mit Hoheitsabzeichen an, führten aber auch die Beretta 92F, die Standardpistole des USMC. Weiterhin das berühmte Ka-Bar-Kampfmesser mit mattierter Klinge und die „Fritz-Type“-Helme.
Gerade dieser war charakteristisch für die amerikanische Armee. Er basierte auf dem Helm, der von den deutschen Streitkräften quasi das ganze Jahrhundert durch getragen wurde. Daher der eigensinnige Name!
Die Heckrampe des hellgrauen „Bullfrog“ schloss sich und sie hoben ab. Hinten kamen schon wieder die Helikopter vom Festland, die die ganze Nacht hindurch Material nach Tirana geflogen hatten. Nicht nur Jeeps und Soldaten, auch Zelte, Feldküchen, Proviant, Toilettenhäuschen, Klopapier. Ganz banale Dinge, die man erst vermisste, wenn sie einem fehlten.
Von der Brücke aus beobachtete Timothy Rimes den Abflug der Aufklärungsabteilung. Die grünen Fensterscheiben wackelten nicht bei den schweren Belastungen, denn sie waren perfekt in die Strukturen des Turmes eingelassen. Die Klimaanlage lief heute nur sehr leicht, denn das Wetter wurde zusehends schlechter. Die Marines aber liebten dieses Wetter und zogen bereitwillig in die unbekannte Mission.
„Dort, Sir.“. Der erste Offizier deutete durch die Scheiben auf ein grosses Schiff, das gerade in Sichtweite kam. „Das ist die Wasp. Die ist noch vor Ort belassen worden. Sie hat wie wir in den letzten Tagen einen ganzen Haufen Material rübergeflogen.“.
Der Captain sah durch das Fernglas und konnte das Schiff schon etwas deutlicher erkennen. Die Decksaufbauten waren spärlich, die Türme flach gehalten. Die Schornsteine stiessen nur sehr wenig Emissionen aus, was eine frühe visuelle Entdeckung vemied.
„Radarkontakt. Zwei Signale von der Wasp her. Sie kommen schnell näher!“, gab der Radaroffizier bekannt.
„Harriers. Natürlich. Sie suchen das Gebiet ab, das machen sie besser mit ihren Jets, ihren Augen am Himmel....wie steht es mit unseren Maschinen?“. Der erste Offizier blickte auf den Statusbildschirm. Er tippte auf der berührungsempfindlichen Oberfläche einen Knopf an und bekam die Position und die Lage aller Maschinen an oder unter Deck.
„Vier Maschinen innerhalb von 5 Minuten. Bewaffnung mit 2 Tanks, 2 Sidewinder und 2 Mk.83 Sprengbomben!“. Der Captain nickte. Sollten die Bodentruppen Unterstützung brauchen, konnten die Senkrechtstarter die cirka 80 Kilometer bis zur Hauptstadt in wenigen Minuten überbrücken. Also konnten sie doch auf einen Schutzschirm aus der Luft zählen.
„Wir sollten nicht überstützt handeln, Jim. Es ist noch unklar, ob diese Aufständler überhaupt angreifen!“. „Sir, das NRO hat eindeutige Fotos des Aufmarsches.....sie werden einige Zeit brauchen, bis sie in Tirana sein werden, aber es wird losgehen!“. Der erste Offizier bekam einen sturen Blick des Captains zu spüren. „Ich hoffe, dass sie nicht Recht haben, Jim.“. „Ja, das hoffe ich auch.“.
9 Uhr 23, Ausserhalb von Skopje
James konnte Marc erkennen, der hinter einem Felsbrocken lag und durch das Zielvisier des M-4 blickte. Es war ein ACOG-Reflexvisier mit 4-facher Vergrösserung und einer getönten Frontplatte. Den Rucksack hatte er hinter den Felsen gelegt, er selbst lugte etwas vorbei.
Unten lag das Anwesen der Terroristen, von denen schon viele Fahrzeuge fehlten. James wendete den Kopf hinüber zu Eric, dessen M16A2 auf einem Holzpflock lag. Er schaute durch ein Armeefernglas.
Die Soldaten verstanden sich auch ohne Worte perfekt und von hier oben aus konnte man nicht nur das Haus sondern auch die einzige Strasse zu ihm sehen.
James kroch einen Meter rückwärts und liess den Karabiner liegen. Er ging hinüber zu Robert, dem Soldaten, der eine der beiden LAWs mitgeschleppt hatte. Inzwischen hatte er sie beiseite gelegt und lag flach auf dem Boden. Er sah James an, der zu ihm gekrochen kam.
„Wir bauen den Funkkontakt jetzt auf, dann haben wir eine Rückversicherung!“, meinte der Anführer. Robert nickte und zog das flache Kästchen aus dem Rucksack, dazu die faltbare Satellitenantenne, die er direkt neben sich auf den Boden stellte, sie entfaltete und das Kabel an den Kasten anschloss.
„Wir haben in einer Minute Kontakt!“, flüsterte Robert und James kroch wortlos wieder zu seinem vorderen Posten, nahm ein Fernglas und spähte hinab.
Ein einzelner Posten mit einem Sturmgewehr des Ak-Typs marschierte vor der Veranda, ein zweiter stand auf ihr und zwei andere liefen um das Gebäude herum. „Vier....vielleicht fünf!“, sagte er zu den Soldaten hinter ihm.
Vor ihnen fiel der Wald steil, aber nicht unbezwingbar, ab und endete mit dem Fuße des Hügels. Danach kamen 200 Meter Wiese und ein Wassergraben, ein Bach.
„Wir werden die Strasse verminen!“, befahl James und gab Marc ein Zeichen, der sein M-4 nahm und hinter dem Felsen sein Rucksack öffnete. Er zog vorsichtig eine Claymore-Richtsplittermine heraus, zusätzlich eine Rolle Telefondraht, der den Zündbefehl übertrug. Es waren knappe 300 Meter Kabel, die per Zünderkasten unter Strom gesetzt wurden, damit die Minen explodierten.
Der Waldboden, belagert von herabgefallenen Blättern und Ästen, Steinen und Moos war nass und Marc kroch im Schutze von Gewächsen zum Rand des Plateaus. Zu ihrer Linken ging es hinab zur Strasse, die 100 Meter nach dem Waldende begann.
„Gebt ihm Deckung!“, befahl James und er spürte plötzlich, wie jemand ihn an den Schuh tippte. „Wir haben Funkkontakt!“, flüsterte Robert und reichte dem Kommandanten den Telefonhörer in mattem schwarz nach vorne.
Er klemmte ihn sich an den Kopf und sah weiter durchs Fernglas. „Hier Bravo 2. Wir sind in Position. Haben die Höhle des Löwen im Visier. Nur noch wenige Aktivität, Over.“.
James musste einige Sekunden warten, bis das Gespräch verschlüsselt und gesendet wurde. Dann bekam er die Antwort. „Hier Omega Commando. Wir haben verstanden. Halten sie alles im Visier. Das NRO hat neueste Bilder geliefert. Die Fahrzeuge sind gestern Abend verschwunden. Sie haben sich zerstreut und vermutlich bereiten sie sich auf einen getrennten Angriff vor!“.
James nickte und sah nach links, wo er noch die Stiefel von Marc sehen konnte, wie sie den Hügel hinabkrochen.
„Wir werden die Strasse sichern. Melden uns, sobald was passiert. Bravo 2, Over und aus!“.
James gab den Hörer zurück und erkannte nun, wie einige Männer aus dem Anwesen kamen. Es war ein in einen Anzug gekleideter Mann, zwei weitere in Armeekleidung und ein Zivilist. James konnte nicht erkennen, ob es Frank Grimes war, denn er kannte ihn nicht genau. Falls er es aber war, dann hatte er einen Fehler gemacht. Das Kommando aus Elitesoldaten sollte ihn keineswegs sofort ausschalten, sondern wenn möglich lebend gefangennehmen.
„Wir können noch zwei sehen!“, sagte Eric. Er deutete auf die Ecke des Gebäudes. Zwei Soldaten waren dort erkennbar, die eine Zigarette rauchten.
Immernoch waren genug Zelte und Fahrzeuge für mindestens 30 Mann vor dem Anwesen, auf dessen Terrasse sich die Männer unterhielten. James kroch einige Meter rückwärts und wank einige seiner Soldaten zu sich. „Ich brauche vier Mann. Ihr umgeht das Haus und sucht von der anderen Seite. Lasst euch aber nicht entdecken!“, befahl er.
Die Soldaten nickten und machten sich sofort auf den Weg. Inzwischen war Marc unten angekommen und kroch, sich in die Wiese schmiegend, durchs Gras. Die nur behelfsmässig angelegte Strassenbelag bot den Minen eine sehr gute Tarnung und Marc hatte die Position für den Sprengsatz schon ausgewählt. Die Mine hatte er in der Rechte, den M-4 Karabiner in der Linken. Am Wegesrand wurde die Vegetation etwas üppiger und so konnte er die Mine auf ihren vier Füsschen gefahrlos an die Seite stellten. Er riss etwas Gras aus, legte es über sie und tarnte sie somit vor neugierigen Blicken. Der zweite Sprengsatz sollte eigentlich auf die andere Seite, aber dies war gefährlich. Marc wägte das Risiko genau ab, aber es ging. Von dem Haus aus konnte man diesen Abschnitt nicht einsehen und so rannte er in der Hocke hinüber, klappte die Füsse aus und stellte sie, mit der Aufschrift Diese Seite zum Feind, an den Rand. Das schwarze Kabel wurde hinten eingesteckt und er führte es über den Weg zurück. Das Kabel sollte normalerweise nicht entdeckt werden, und wenn doch, dann wurde die Ladung eben gezündet. Das konnte dann aber den Hinterhalt zerstören.
Die M18A1-Claymore- hat in ihrem Inneren genau 6,8 Kilogramm C4, in das Metallstacheln eingebettet sind. Wird die Ladung per Stolperdraht oder Fernzündung ausgelöst werden die Stacheln in einem Radius von 60° freigesetzt. Jede hat dabei die Grösse einer Kugel aus einem Kugellager!
Damit konnte die Claymore als eine Art „überdimensionales Schrotgewehr“ angesehen werden.
Anschliessend fügte Marc die beiden Drähte an einem Kästchen zusammen, überprüfte, dass die linke Mine auch auf „Links“ und die rechte Mine auch auf „Rechts“ steckte. Dann nahm er die Rolle in die Hand und kroch zurück in das Waldstück, wo seine Kameraden bereits auf den Pyrotechniker / Pionier warteten.
10 Uhr 00, US-Botschaft in Tirana
Miles kehrte von dem Gespräch mit dem kosovarischen Ministerpräsident zurück. Slabowitsch hatte sich die Konferenz angesichts des bevorstehenden Angriffes gewünscht, ohne Presse und ohne Kameras. Die Journalisten berichteten in diesen Tagen aufgeregt von der Blockade des Botschaft durch eine starke Militärpräsenz, die die Amerikaner als „Übung“ bezeichneten. Es war natürlich keine Übung, denn niemand würde ein Botschaftsgelände besetzen, und so wurde es der Presse überlassen, sich ihre eigene Meinung zu bilden.
Miles liess sich auf das bequeme Sofa fallen und öffnete sich das verschwitzte Hemd. Draussen klangen lautstark die Motoren von Jeeps und Autos, die Stimmen der Marines und Wachposten. Das Tor war nun 24 Stunden am Tag verschlossen, dafür sorgten die Infanteristen.
„Wie lief es, Sir?“, fragte ihn sein Assistent.
„Slabowitsch ist überzeugt davon, dass die Aufständler keine Chance haben. Er hat Verstärkung von der Polizei angefordert, aber als ich ihm sagte, dass die vermutlich mit unter einer Decke stecken, da hat er gleich aufgehört zu wählen!“. Miles lachte und nahm danach einen Schluck aus der Wasserflasche. „Die Regierung hat eine Sonderkomission gegründet. Sie wollen die Ereignisse untersuchen lassen, wenn sie die Typen ausser Gefecht gesetzt haben!“.
Miles lehnte sich in seinen bequemen Drehstuhl mit Blickrichtung der grossen Fenster. Die Soldaten im Hof wachten aufmerksam über das Leben der Angestellten, als es plötzlich laut wurde. Es war das gedonnere der Hubschrauber, die vom Marine Corps von der Küste her kamen. Es waren schwere CH-53 Transportmaschinen, die ohne Lasten von der USS Essex kamen. Das Landungsschiff war bereit, die Mitglieder der Botschaft zu evakuieren und für die Dauer der Angriffe in Sicherheit zu bringen.
Miles sah seinen Sekretär an und kippte den letzten Rest des Wassers hinab. „Es sieht so aus, als ob wir jetzt an der Reihe wären!“, meinte er. „Packen sie die wichtigen Dokumente ein. Ich will nicht, dass sie vielleicht geklaut werden oder irgendwo verloren gehen. Dann bringen sie das Zeug zu dem Helikopter!“.
Miles stand auf und öffnete seinen Aktenkoffer. Neben dem Laptop legte er einige seiner wichtigsten Sachen rein, das Foto seiner Frau und seiner Kinder, die er seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Sie lebten in den Vereinigten Staaten, waren in Hampshire in einer schönen Villa untergebracht. Es würde ihn freuen, sie bald wiederzu sehen.
Der erste von zwei „Super Stallion“-Maschinen donnerte heran, verschwand aus dem Sichtfeld des amerikanischen Botschafters. Der graue Riese nutzte das Dach, denn der beengte Vorhof war voll mit Hummer, Lastkraftwagen und Marineinfanteristen.
Da klopfte es an der Türe. Der Botschafter machte selber auf, denn er wollte seinen Assistenten nicht beim Verstauen der Dokumente stören.
Es war ein Marine in der grünen BDU (Battle Dress Uniform), mit einem M16A2 Sturmgewehr, Koppeltaschen und dem markanten „Fritz“-Helm.
„Botschafter? Wir sind bereit, sie auszufliegen. Keine Angst, sobald das hier vorbei ist, werden sie wieder zurückgebracht!“.
Miles nickte und machte eine Geste, die dem Soldaten verdeutlichte, zu warten. Er nahm seinen Koffer und sah zu seinem Sekretär. „Wir gehen. Kommen sie nach, sobald sie alles haben!“. „Ich habe alles, Sir!“. „Gut. Lassen sie uns verschwinden!“, meinte Miles zu dem Marine.
10 Uhr 20, Ausserhalb von Tirana
In knappen 500 Metern Höhe kämpfte sich der hellgraue CH-46 Sea Knight durch das stürmische Wetter. Ein Regenschauer benetzte die Fensterscheiben und die Marines im Inneren bereiteten sich mental auf den Einsatz vor. Die Force Recon stand nicht gerade vor einem typischen Einsatz, aber er war dafür umso wichtiger.
Keine amphibische Aufklärung an einem Strand, sondern eine Mission inmitten des Landes. Sie sollten die Strasse, die nach Tirana führte und vermutlich von den Freischärlern benutzt werden würde, sichern und gegebenenfalls verteidigen. Da auch die Sonderpolizei mit den Feinden verbündet war konnten die Amerikaner nur auf sich selbst zählen.
Der Gruppenführer von Hawking, Zed Raynor, stand auf. Er schulterte den Rucksack und zog ihn so fest wie nur möglich. Er stellte sich in die Mitte des Raumes und brüllte gegen den Lärm an.
„Jetzt geht es los. Automatiksprung. Wir sammeln uns, dann wird die Gegend ersteinmal untersucht. Die Gegner sind schon unterwegs, also seid vorsichtig. Machen wir das beste daraus!“.
Die Heckklappe öffnete sich langsam und das Regenwetter war nun deutlicher zu sehen als zuvor nur durch die kleinen Bullaugen.
Zed trat zur Seite und hängte die Marines an die Leine an der Decke, die die Fallschirme auslösen sollte. Somit musste man nichts weiteres tun, als aus dem Hubschrauber zu laufen und sich dann fallen zu lassen.
„Los!“. Der erste Marine sprang aus dem Heck. „Los!“. Nun war der zweite an der Reihe. Ethan Hawking stand als letzter in der Reihe von 10 Soldaten, die sich in die Tiefe warfen. Wenigstens war es hell, nicht Nacht und auch kein Meer sondern Land unter ihnen.
Ethan hatte ein M16A1 mit M203 Granatwerfer in den Händen, der fest angebracht war. Weiterhin war der Handschutz verändert, war viereckig, hatte 22 Gasaustrittsbohrungen und oben weitere Schlitze. Somit konnte auch der Granatwerfer nicht abgenommen werden. Die Waffe wog etwas mehr als ein M-4 Karabiner, war aber noch mit dem alten Vollautomatikmodus ausgerüstet. Damit konnte man also die 30 Schuss 5, 56mm-Munition in wenigen Sekunden verschiessen.
„Los!“.
Ethan sprang aus der Rampe und fiel voll in den wirbelnden Luftstrom der Rotoren. Der Fallschirm löste auch sofort aus – und Hawking schwebte friedlich zu Boden. Unter ihm konnte er einen Fluss erkennen, Strassen, Felder und Wege sowie zahlreiche Fallschirme in weiss.
Die Marines waren auf dem Weg und Ethan war mittendrin. Alles noch unerfahrene Soldaten in dieser Rolle, obwohl sie alle schon bei Einheiten des regulären Marine Corps gedient hatten.
Ethan lockerte den Griff um die Seile über seinem Kopf und sah hoch. Über ihnen flog der „Bullfrog“ unbeirrt weiter seine Route. Niemand hatte sie entdeckt, und wenn, dann wussten sie, wer hier in der Gegend operierte.
Ethan entdeckte die Strasse. Fast senkrecht unter ihnen verlief sie cirka 400 Meter geradeaus, dabei wechselte der Strassenbelag mehrere Male von Teer zu Kieselsteinen und umgekehrt.
Die Gruppe kam dem Boden schnell näher und der erste Mann berührte schon den Boden. Hawking machte sich auf die Landung fertig, den schwierigsten Teil. Kurz vor dem Boden zog er den Griff für den Packsack und liess ihn an einer 2 Meter langen Leine gen Boden plumpsen, damit er sich nicht die Beine brach. Dann bremste er den Fall und schon stand er auf einer kurz gemähten Wiese. Er sah hoch und zog den Schirm herunter. Eine perfekte Landung, wie aus dem Lehrbuch und die Einheit konnte solz auf sich sein. Bisher lief alles nach Plan, aber bisher hatten sie auch noch kaum etwas gemacht.
„Durchzählen!“, rief der erste Soldat und jeder der Männer meldete sich in der Reihenfolge der Landung. Bis zur Nummer 11, dem Zugführer, wurde gezählt und die Fallschirme abgeschnallt. Ethan löste die Gurte und knüllte den Fallschirm zu einem Bündel und schob ihn unter einen Busch.
Die weissen Schirme benötigten eine noch bessere Tarnung als die schwarzen oder grünen und so brauchte die Einheit gute 10 Minuten, um alle Schirme samt deren Taschen zu verstecken.
„Fünf Mann auf Feldposten, der Rest sichern! Gebt Deckung!“, rief der Zugcommander und Ethan kniete nieder. Er entsicherte das M16A1 und legte es in den Anschlag. Das Visier war einfach, aber auch genau und leicht verständlich. Der Packsack lag neben ihm und Ethan schnallte ihn als Rucksack um. Dann stand er auf und ging langsam und vorsichtig über die Wiese zu einem Baum, wo er sich flach hinlegte und das freie Feld vor sich überwachte, auf das die ersten Regentropfen fielen.
10
11 Uhr 13, Ausserhalb von Skopje
Nur Frank Grimes, zwei seiner Wachen und zwei seiner Freunde von der Polizei waren noch in dem Haus versammelt. Draussen waren einige Soldaten zurückgeblieben, um das Anwesen zu bewachen. Wenn die Amerikaner hier auftauchten, sollten sie nicht ungestraft davonkommen.
Grimes schaltete gerade seinen Laptop aus und klappte ihn zu. Er war via Satellit mit seinen Männern vor Ort verbunden und hatte sie nach der Lage in der Hauptstadt befragt.
„Es sieht übel aus....die Amerikaner haben einen Haufen Soldaten eingeschleust!“, fluchte er. „Marineinfanterie mit Jeeps und Lastwagen sichert die Botschaft, ständig sind Hubschrauber in der Luft!“. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch aus massiver Eiche. „Wenn diese Yenkees Krieg wollen, dann sollen sie ihn doch haben!“, rief einer der Männer auf der anderen Seite.
„Sie Narr! Wenn die Amies von unseren Plänen wissen...“ „Quatsch, woher denn? Von meinen Männern auf jeden Fall nicht! Die Polizei steht zu mir, egal was passiert!“, stellte der Mann klar. Frank Grimes nickte bedächtig. „Wenn sie das sagen....die Botschaft ist wahrscheinlich evakuiert worden. Schwere Hubschrauber haben mehrere Male aufgesetzt, Menschen an Bord genommen und Richtung Meer geflogen. Vielleicht sind mal wieder Träger vor Ort!“, mutmaßte einer der anderen.
„Die Marines sind also hier....vielleicht schon irgendwo in unserer Nähe?“, brach eine der Wachen hervor und handelte sich einen bösen Blick von Grimes ein. Aber was sollte er tun, es waren ja nicht seine Untertanen, mehr seine Freunde.
„Nein. Verbannt diese Gedanken. Um 19 Uhr werden wir losschlagen. Wir kommen von allen Seiten gleichzeitig und brechen in das Regierungsgebäude. Angesichts dieser Marines in der Botschaft- Slobodan?“, fragte Grimes. „Ja, Frank?“. Der Terrorist lächelte. Er kniff ein Auge zusammen und legte den Kopf schief.
„Die Sonderpolizei, sie verfügt doch auch über schwerere Waffen, oder?“, fragte er leise. „Offiziell nicht!“, konterte der Chef der Polizei. „Aber inoffiziell?“, hakte Grimes nach. „Ich schaue manchmal Fernsehen, musst du wissen!“. Der Amerikaner lehnte sich vor. „Und daher kenne ich die Bilder aus dem Kosovokrieg. Kosovarische Sonderpolizei mit PT-76-Panzern rollte damals durch die Strassen und mähte mit ihren Maschinenkanonen die aufgeregten Massen nieder!“. Bei diesen Worten schlug der Hass in Grimes hoch. Auch wenn er auf der Seite des Kosovaren war – er konnte die Vorgehensweisen einiger der vorgesetzten Polizeioffiziere nicht ausstehen. Ein Menschenleben bedeutete ihm garnichts. Diese unschuldigen Menschen, die von den Panzern aus erschossen worden waren, sie waren ihm egal. Aber er konnte nicht begreifen, wie diese Panzerbesatzungen sich so offen vor den Kameras westlicher Sender präsentiert hatten, wieso sie Interviews gaben und sich mit ihren Panzern sowjetischer Bauart hatten ablichten lassen.
„Die PT-76 brauchen wir. Heute abend, 19 Uhr, müssen wir mit ihnen die Botschaft unter Beschuss
nehmen. In den engen Nebenstrassen kann die Feuerkraft der Amphibienpanzer verheerend sein!“.
Slobodan dachte nach. Er konnte die Panzerfahrzeuge vor dem Terrorist also doch nicht verbergen. Er atmete ein und holte dann aus: „Die PT-76 sind nur begrenz vorhanden, höchstens 20 Stück. Davon kann ich dir auch nur drei oder vier abstellen. Viele sind zerstört, in der Reparatur oder irgendwie sonst fahrunfähig. Aber ich sage dir eines: Ich lasse die besten Besatzungen kommen und lege dir noch einige 60mm-Mörserbatterien drauf. Damit lässt sich das Botschaftsgelände problemlos unter Feuer nehmen!“. „Sehr gut. Wir werden siegen – um jeden Preis!“. „Jawohl. Wenn du mich entschuldigst, ich muss einen meiner Männer anrufen. Dann kann ich dir schon sagen, ob wir die Amphibienpanzer herbekommen, oder nicht!“.
Der PT-76 wurde 1952 zum ersten Mal gesichtet. Die geschweisste Wanne mit einer Stärke von gerademal 14mm an den Seiten und 11mm am Bug bedeutete aber eine hohe Anfälligkeit für Panzerabwehrwaffen. Der 240-PS-Motor bringt den 14 Tonnen schweren Panzer immerhin auf 44 km/h, die Bewaffnung bestand aus einer 76,2mm und einem leichten 7,62mm-MG.
Die Sonderpolizei besass wie gesagt offiziell keine dieser Fahrzeuge. Aber die Welt hatte sie schon gesehen, ob sie sie aber auch als Polizei identifiziert haben mochte, war unklar.
10 Uhr 20, Ausserhalb von Skopje
„Gruppe 2, Gruppe 2, in Position?“, funkte James Masterson über das Funkgerät, dass er von seinem Funker überreicht bekam.
„Position eingenommen. Wir können vier zählen – einen auf dem Dach, mit Ak-Sturmgewehr, zwei weitere unten und einen im Haus. Bitte kommen!“. „Verstanden. Wir schlagen noch nicht los, die Befehle sind nicht eingegangen. Wir beobachten weiter. Melden sie sich jede halbe Stunde!“.
James reichte den Hörer zurück und nahm das Fernglas an seine Augen. Es begann schon wieder zu regnen, einzelne Tropfen fielen auf die Bäume über ihnen. Im Glas konnte er drei Personen sehen. Den auf dem Dach, das war klar, und zwei auf ihrer Seite des Hauses. Sie trugen ein Lederholster und auch eine schusssichere Weste aus Aramid-Fasern.
Die Einheit aus 12 Green Berets war ja auf langes Warten trainiert, aber so langsam begann es James zu nerven. Diese ständige Beobachtung zerrte an den Nerven der Männer.
„Rauch, Sir. Kommt vom Weg her. Ein oder....zwei Fahrzeuge!“, meldete Marc mit seinem M-4 mit ACOG-Visier.
„Position halten, keine Bewegung. Ich hoffe, sie entdecken die Claymores nicht!“. Eric sah hinter sich zu dem Wagen, der gerade angefahrenkam. Es war ein silberner Kombi, in dem nur eine einzelne Person sass. Im Kofferraum aber waren schwarze Kisten, auf dem Beifahrersitz eine weitere.
Eric richtete das M249 Squad Automatic Weapon auf die Strasse und legte den Finger um den Abzug. Die Minen kamen immer näher...und das Fahrzeug fuhr an ihnen vorbei. Auch das zweite, ein alter, rostiger Pick-Up entdeckte sie nicht.
„Alles klar. Weitermachen!“, sagte James und kroch etwas rückwärts. Da das Gelände hier etwas abfiel konnte er sich endlich mal wieder hinsetzen und nahm die olivgrüne Feldflasche aus seinem Rucksack, an dem immernoch die MP-5N hing. Eine schöne Waffe, die beste Maschinenpistole der Welt.
Der Schluck Wasser war sehr erfrischend und gab James neue Kraft. Dieser Einsatz war nicht so hart wie der letzte – auch wenn er vielleicht wichtiger war. Bei der letzten hatten sie einen Regierungschef gekidnappt, bei diesem hier mussten sie einen Top-Terroristen ausschalten. Er hatte noch nichts gesprengt, aber er war an einer Revolte beteiligt – Staatsverrat.
James wurde von Robert aus seinen Gedanken gerissen. „Sir? Das HQ. Wir haben Order bekommen, die Satellitenfotos auszuwerten und von wichtigen Teilen Nahaufnahmen zu machen. Wir sollen die Situation aufzeichnen, kartographieren und per Datalink an das Hauptquartier schicken. Wenn möglich, sofort.“. James nickte, schraubte die Flasche zu und verstaute sie wieder im Rucksack. Sie mussten also noch Journalisten spielen!
„Nun gut....Forest, nehmen sie die digitale Kamera und machen sie mir einige Bilder von dem Haus und von den Wachen, deren Ausrüstung und den Männer, die in den Autos kamen!“.
Der Soldat nickte und öffnete einen schwarzen Koffer, der die Kamera, Akkus, Kabel und Zoom-Teleskope beinhaltete.
Der Mann nahm die Position von James ein, der seinen Tropenhut absetzte. Das Wasser der Regentropfen kam in Sturzbächen von den hohen Bäumen, es war ein richtiger Wolkenbruch. Die Wachen mochten dieses Wetter offensichtlich nicht, aber das sah James nicht. Sie gingen unter das Dach des Hauses, um nicht völlig durchnässt zu werden. Da hatten es die Green Berets schon schwerer.
10 Uhr 20, CIA-Centrale Langley, Virginia
„Das sind die Fotos, die die Sondereinheit gerade übermittel hat!”, sagte Dick Yun zu seinem Vorgesetzten und hielt ihm eine Mappe mit den schwarz-weissen Fotos in exzellenter Qualität hin. „Sie haben das Haus und die Wachen, einige Fahrzeuge und die Lage aufgenommen. Was meinen sie –sollten wir Angriffsbefehl geben?“. „Wie sieht es mit den Truppen aus? Grimes wird doch immernoch Soldaten vor Ort haben?“. „Ja, aber nicht mehr viele. Die meisten sind auf dem Weg nach Tirana – oder sind bereits dort. Grimes wird uns lebend ins Netz gehen, wenn die Jungs keinen Mist bauen!“.
Dick übergab die Mappe an den Chef. Die Aufnahmen brachten ausser einem Seitenprofil nicht mehr, sie hatten durch die Satelliten des National Reconissance Office bereits einen exzellenten Überblick gehabt. „Ich denke, dass die Army-Einheit die Aufgaben beherrscht, für die sie ausgebildet wurden und dass Grimes sich nicht so einfach ergeben wird! Auch wenn wir auf den Überraschungseffekt setzen, müssen wir realistisch bleiben!“. Der Chef blätterte zum nächsten Foto.
„Sir, die Green Berets sind in Sachen Feuerkraft den wenigen Wachen weit überlegen.“. „Hört sich so an, als wollten sie diesen Frank Grimes auf jeden Fall so schnell wie möglich haben, hm?“, fragte der Chef seinen Angestellten, den Koordinator für Äusseres. „Nun, Sir....ja. Dieser Terrorist hat schon genug Übel über uns gebracht und ich kann es nicht ausstehen, dieses Geschwür mitten in der Landschaft sitzen zu haben, mit einer Schar von Bewaffneten um sich! Der einzige Platz, wo er hingehört ist ein Militärknast oder eine psychatrische Anstalt....also worauf warten wir?“, fragte Dick Yun. Er war förmlich besessen davon, diesen Mann zu holen.
„Nun gut, Dick. Wenn wir sie uns holen, dann bekommen wir sie am besten verdeckt.“.
10 Uhr 25, Ausserhalb von Tirana
Ethan Hawking stand mit dem an die Augen erhobenen Fernglas und dem umgehängten M16A1 auf einer Anhöhe. Unter ihm schlängelte sich die Strasse nach Tirana, die von Fahrzeugen bereits stark frequentiert wurde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit waren schon einige der Attentäter darunter gewesen, aber die Recon-Marines hatten noch keines von ihnen angehalten. Wenn die Terroristen die Strasse heute abend aber nehmen würden, dann durften die Amerikaner schiessen. Aber nicht nur ihre Gewehre, sondern vor allem Claymore-Minen, Granatwerfer und Panzerabwehrflugkörper bildeten das Waffenarsenal der Soldaten. Ethan konnte zwei Lastwagen sehen, die völlig mit Säcken überladen den Weg entlang kamen. Mit Hilfe der in die Linsen eingebrannten Linien konnte er die Entfernung auf 1, 2 Kilometer schätzen. „Zwei LKWs. Kommen langsam näher, keine erkennbare Bedrohung!“, rief er seinem Zugführer zu, der als Antwort ein Nicken hervorbrachte. „Wir werden sie passieren lassen. Private, beginnen sie damit, die Minen zu legen. Vier pro Seite, zwei weitere dort vorne hinter den Steinen, falls sie aus der Entfernung angreifen!“. Der Soldat bestätigte und legte seinen Rucksack ab, um mit den Minen und einigen seiner Kameraden nach unten zu gehen.
„Commander?“, fragte ihn ein anderer Marine. „Was gibt es, Private?“. „Der Javelin-Lenkflugkörper ist bereit. Wir haben ihn hinter einem Busch versteckt, aber wir können sofort losschlagen!“. „Sehr gut. Nehmen sie jetzt ihre Wachposition ein und winken sie die Lastwagen durch. Lassen sie sie passieren. Heute Abend ab....17 Uhr werden wir jedes Fahrzeug kontrollieren!“. „Aber Sir, wie sollen wir erkennen, wer einer von denen ist und wer nicht?“. Der Gruppenführer lächelte. „Die CIA, mein Sohn, die CIA. Ihre Satellitenbilder werden die Fahrzeuge verfolgen, die vom Camp dieser Typen kommen. Sie haben bereits jedes der Autos im Visier, mittels von Dutzenden von Satelliten in der Umlaufbahn. Wir werden es herausfinden!“.
An den beiden fuhren die Lastwagen vorbei und Ethan sah ihnen nach. Er liess das Glas herunterbaumeln und nahm das Schnellfeuergewehr fest in beide Hände. Er entdeckte, das die Truck kein Nummernschild hatten, aber es kümmerte ihn nicht gross.
Das Schnellfeuergwehr war relativ leicht und Ethan vergaß es für eine Sekunde, als er dem Wagen nachsah. Er schüttelte den Kopf und sah seine Kameraden, die mit Sorgfalt die Claymore-Minen anbrachten. Eine explosive Überraschung!
Oben auf dem Hügelchen hatten die Soldaten einige Zelte eingerichtet, in dem höchsten von ihnen war der Funkerstand eingerichtet. Ausser der kleinen Satellitenantenne draussen vor den Stoffbahnen liess aber nichts diesen Schluss zu. Die Funkausrüstung der Marines war auf dem neuesten Stand der Technik und auch bei schlechtem Wetter einsetzbar (frühere Modelle durften auf keinen Fall nass werden!).
Die Gewitterwolken hatten sich bei ihnen vor einigen Minuten verzogen. Es war Ethan gar nicht aufgefallen – erst jetzt bemerkte er, dass keine Tropfen mehr vom Himmel fielen. Es hatte nicht lange, aber dafür um so heftiger geregnet.
„Wir haben keine Strassensperren dabei...“, sagte einer der Soldaten. „Wir müssen „von Hand“ absperren. Zwei Marines auf der Strasse, geben Deckung, einer am Führerhaus und einer hinter dem Wagen!“, gab der Zugführer bekannt. „Wir kesseln jeden Verdächtigen einfach ein. Er wird absolut keine Chance haben, es sei denn, er sprengt sich mitsamt seines Autos in die Luft!“. „Oder es ist ein kleiner Panzer!“, lachte einer der Männer von hinten. „Nein, ich glaube nicht, dass die mit einem Panzer hier durchkommen. Glauben sie, es fährt einfach ein T-72 so des Weges, oder was?“, antwortete der Zugführer und schüttelte den Kopf. Es waren eben noch junge, unerfahrene Soldaten.
11
11 Uhr 52, Weisses Haus
Präsident Clancy hatte in dieser Sekunde den Einsatzbefehl unterzeichnet. Damit konnten die Green Berets die Anlage angreifen, die das Versteck der Terroristen war. Die meisten von ihnen wurden wirklich per Satellit über IR verfolgt, das Anwesen mit Ausnahme weniger Personen verlassen. Die Army konnte nun ihre moderne Technologie gegen den einfachen Männer einsetzen, verliess sich aber auf ihren Überraschungseffekt.
„Nun werden wir denen zeigen, dass die Vereinigten Staaten nicht mit sich Spaßen lassen. Wenn wir eine Regierung etablieren, mit grössten internationalen Vorbehalten, dann wollen wir sie auch behalten!“.
Clancy schloss den Füllfederhalter und gab die Dokumente an den Verteidigungsminister. „Na dann, viel Spaß. Zeigen wir es diesen Ganstern!“.
Der Minister nickte und ging schnurstracks aus dem Zimmer in die Kommunikationszentrale des Weissen Hauses. Die Anlagen dort hätten den endgültigen Feuerbefehl in wenigen Sekunden in Mazdonien.
Clancy war sich des Risikos bewusst. Aber er hatte gewisse Sicherheiten – würde die Mission scheitern, waren sie niemals militärsich aktiv gewesen. Anerkannte amerikanische Terminologie, die USA hielten sich offiziell aus jeder Aktion heraus. Wer das bestritt würde keine Beweise dafür finden, würde niemals auch nur einen kleinen Verweis in einer öffentlichen Akten oder Zeitung zu Gesicht bekommen. Dafür sorgte nicht zu letzt der Nachrichtendienst CIA. Dessen Agents und Angestellten auf der ganzen Welt konnten Beweise sehr gut vernichten. Obwohl, sie waren ja niemals da gewesen.
Der Präsident lehnte sich zurück und schaltete CNN ein. Das „Central News Network“ präsentierte sich heute wieder voll in ihrem Element: In Colorado Springs hatten einige Verrückte eine Bombe in einem Luftwaffendepot gezündet, die Dutzende von Verletzten verursachte. Bundespolizei FBI und die normale Polizei jagden die Täter angeblich schon seit geraumer Zeit, verfolgten ihre Spuren nach Europa. Thomas waren diese Nachrichten nicht so wichtig, er drehte sich zu seinem Schreibtisch, als er plötzlich aufhorchte.
„Das FBI vermutet hinter diesen Anschlägen den internationalen Top-Terrorist Frank Grimes, der Gerüchten zu Folge von amerikanischen Spezialeinheiten in Europ gejagd wird...“.
Da waren sie. Gerüchte, die mehr Wahrheit beinhalteten, als es manch einem Regierungsvertreter lieb war. Gejagd war vielleicht nicht der richtige Ausdruck, aber schon annähernd richtig. Die US Army Special Forces, Green Beretes, würden in wenigen Minuten zum Angriff ansetzen. Dann war die Treibjagd eröffnet. Der Verteidigungsminister würde die zuständigen Kasernen und Flugbasen rund um Skopje alarmieren, um innerhalb weniger Minuten zur Unterstützung auszurücken.
11 Uhr 59, Kaserne bei Tirana
Die auch von den Deutschen benutzte Air Force Base Tirana wurde auch heute wieder stark frequentiert. Viele Militärhelikopter mit Soldaten, Fracht, Post, Waffen und anderem flogen nach Skopje, Italien, in die Türkei. Man konnte von einem geordneten Chaos sprechen.
Auch die Flieger der Task Force 160, besser bekannt als „Night Stalkers“ waren für diese Mission hergerufen worden. Ihre drei MH-60 Black Hawk waren für diese Einsätze mit dem ESSS-System ausgestattet. Es stand für External Storage Support System und war ganz einfach ein Paar Flügel mit 4 Anschlüssen für Tanks oder Waffen. Tatsächlich konnte man bis zu 16 Hellfire-Panzerabwehrraketen anbringen, die er aber nicht lenken kann. Ein Trupp am Boden oder ein anderes Luftfahrzeug konnte ein Ziel „anmalen“ und dann konnten die MH-60 die Raketen abfeuern. Eine tödliche Kombination!
Aber für die Night Stalkers waren heute andere Waffen vonnöten: ein Kaliber 0,5“-Maschinengewehr Browning M2 im Aussenbehälter, zwei Hydra-70mm-Raketenbehälter mit je 19 Geschossen und ein 470-Liter-Tank.
Die Maschinen wurden von den Crews sofort in Bereitschaft gebracht, nachdem sie den Befehl vom Oberkommando erhalten hatten. Das Weisse Haus hatte beschlossen, diesen Grimes zu holen, und das taten die Green Berets auch. Die Army zögerte keine weitere Sekunde und die Night Stalkers, die normalerweise namensgerecht Nachts flogen, sollten den Passagier abholen. Wenn es mit der Delta-Force in Teheran geklappt hatte, warum nicht auch hier mit der Army?
Die Soldaten setzten sich in die hochmodernen Cocpits der grün-grau gefleckten Hubschrauber und liessen die Aggregate an. Nach Skopje waren es etwa 4 Stunden, wenn man die Radarsyteme unteflog und sich eng ans Gelände drückte. Da die Amerikaner ja nicht da waren mussten sie auch eine Entdeckung auf Radar verhindern. Hätten se direkt fliegen dürfen, wären sie in knapp einer Stunde am Absetzort. So liessen sie die Blackhawks an und starteten sofort mit ihren Crews Richtung Skopje.
12 Uhr 17, Ausserhalb von Skopje
James Masterson gab den Hörer zurück an Robert. „Das Verteidigungsministerium. Sie haben uns grünes Licht gegeben. Die 160sten werden uns in 3 Stunden hier abholen können – Angriffsbeginn 20 Minuten vorher. Wir verlassen uns auf den Überraschungseffekt. Noch cirka 20 Mann sind hier – kein Problem für 12 gute Green Berets!“, sagte er in die Runde seiner Männer. Er sass hinter dem bemossten Hügel und genoss es, dass der Regen vor einigen Stunden aufgehört hatte. Auf dem Waldboden eine Wohltat. Marc hatte seine MP-5N vom Rucksack genommen und schraubte gerade einen Schalldämpfer an. Die 15cm lange Metallröhre liess kaum noch Geräusche des Schusses durchdringen, verringerte aber auch die Wirkung der Waffe. Dann zog er die Schulterstütze aus und legte sie auf den Boden. Noch war sie mit den Schaltern überhalb des Pistolengriffes gesichert, man konnte aber sofort auf Einzelschuss, 3er Salven oder Vollautomatik umschalten.
„Hört mal zu. Die anderen vier Mann dort drüben werden zeitgleich angreifen. Wir schalten lautlos die Wachen aus, dann stürmen wir die Hütte und holen uns Grimes. Zeitgleich müssten dann die Blackhawks eintreffen und uns ausfliegen, während die Army Rangers die Gegend sichern!“.
Marc nickte und Robert lag mit seinem M16A2 hinter ihnen. Er gab die Nachricht sofort an die vier getrennt liegenden Soldaten weiter.
„Bravo 2 an Omega Command. Bravo 2 an Omega Command!”, funkte James im Anschluss. „Hier Omega Command. Over.”.
“Wir beginnen in 3 Stunden. Bis dahin werden wir weiter beobachten. Bitten um Kanal und Rufzeichen der Blackhawks.“. „Verstanden, Bravo 2. Rufzeichen Thunder 1-3. Kanal 2. Verschlüsselung Beta-Alpha-Limpo. Over.“.
James bestätigte den Empfang der Daten und gab Robert den Hörer. Er legte sich wieder flach hin und blickte durchs Fernglas. Eine der häufigsten Aufgaben der Green Berets. Ferngläser waren schon eine geniale Entwicklung der Technik, auch wenn sie so simpel waren. Damit konnte man eine Menge erkennen, die einem sonst verborgen blieben.
13 Uhr 34, Ausserhalb von Tirana
Ethan Hawkings stand mit gespreizten Beinen auf der staubigen Strasse. Die eine Hand am Griff seines Schnellfeuergewehrs, die andere mit ausgestreckter Handfläche in der Luft. Er bedeutete einem Lastwagenfahrer anzuhalten.
Der alte Toyota-LKW bremste quietschend und wirbelte eine Menge Dreck auf. Zed trat an die Fahrertüre und sprach auf kosovarisch mit dem Mann. Die Marine Force Recon war auf solche Einsätze nicht spezialisiert, in denen fremdsprachige Männer benötigt wurden, dafür hatte man die Green Berets, aber sie konnten von Glück sagen, dass einige Soldaten aus dieser Region stammten und mit ihrer Muttersprache hier auskamen.
„Was haben sie geladen?“, fragte Zed. Er stammte nicht von hier, er hatte in Sprachkursen gelernt, sich hier zu unterhalten, aber er machte seine Sache gut, auch wenn er mit einem Akzent sprach.
„Lebensmittel für die Stadt.“, stammelte der Mann. „Sie brauchen sich nicht zu fürchten!“, entgegnete Zed freundlich. „Wir wollen lediglich einen Blick darauf werfen!“.
Ethan ging mit beiden Händen am M16A1 um den Laster herum. Die Räder waren sehr abgefahren, das Gefährt an für sich sehr dreckig. Lange konnte dieser Truck nicht mehr durchhalten, das sah sogar ein Laie. Aber das Höchste war sowieso die Beladung: Unter dem Zeltaufbau der Ladefläche türmten sich Kisten, Dinge hingen von den Gestellen und Plastik wirbelte herum.
Zed stieg auf und zog sein Ka-Bar- Kampfmesser. Schnell war eine der Kisten offen und er sah hinein. Tatschlich, neben Wurst und Konservendosen auch andere Artikel wie Feuerzeuge und Stifte.
„Ich denke, wir können nicht alle Kisten öffnen, aber wir lassen ihn passieren!“, meinte er und sagte es dem Fahrer. Dann stieg er ab und der Laster fuhr lautstark weiter.
Ethan ging einen Meter zur Seite und liess die Schrottkarre passieren. Beinahe hätte er noch einen Fuss drunter gebracht, aber er konnte ihn noch rechtzeitig wegziehen.
„Wir haben einen Befehl über Satellit bekommen!“, rief einer der Soldaten. „CIA berichtet, eine Kolonne von 15 Fahrzeugen befindet sich auf dem Weg hierher! Entfernung 9, 5 Kilometer. Darunter ist ein....PT-76 Amphibienpanzer!“.
„Was?“, schrie der Zugführer. „Ein Panzer?“. Genau das, was er vorher kategorisch ausgeschlossen hatte, trat nun ein. Der Gegner kam mit einem Panzerfahrzeug. „Private, bringen sie den Javelin in Abschussposition. Und bereiten sie die Minen vor!“.
Ethan sah durch das Glas nur eine kleine Staubwolke hinter den Hügeln. Mit dem Javelin hatten sie auf 2 Kilometer noch eine gute Chance, den PT-76 vernichtend zu treffen. Seine leichte, aber dafür schwimmfähige Panzerung, konnte den Geschossen schon schwerer MGs nicht standhalten.
„Staub am Horizont!“, rief Ethan und sah seinen Zuführer nicken. „Im Golfkrieg hatten die Marines die berühmten „Tank-Killer“. Also werden wir auch jetzt unseren Ruf nicht ruinieren, ist das klar?“, schrie er und ein „Ja, Sir!“, hallte wie aus einer Kehle zurück. Die Fahrzeuge waren fast nur Jeeps und Autos, mit Ausnahme dieses einen.
„Sir, Zentrale meldet, sie kommen teilweise aus dem Anwesen. Ein Fahrzeug und der PT-76 kamen später hinzu!“. „Gut. Das heisst, dass diese Typen die Terroristen sind. Funken sie an die Essex, sie sollen noch einige Marines schicken. Wir brauchen möglicherweise Unterstützung!“. Der Zugführer nahm sich sein M-4 Karabiner und ging hinab auf die Strasse. Dort waren einige der Soldaten dabei, die Zünder klar zu machen. Mit dem Zündkästchen konnten sie jede Mine einzeln – oder alle zusammen – detonieren lassen. Das verschaffte einen grossen Vorteil gegenüber den ungeschützten Gegnern.
Ethan entsicherte, ohne hinzusehen, sein M16A1 auf Einzelfeuer. Das schwarze Gewehr war nun bereit, aus seinem 30 Schuss Magazin jeweils eine Patrone .223 Remington zu verschiessen und das mit einer tödlichen Präzision. Die Geschosse waren zwar kleiner als die .308 Winchester / 7,62mm NATO, aber sie konnten mehr durchschlagen. So war es kein Problem, einen 60cm dicken Baum zu durchschiessen um dahinter noch einen Menschen tödlich zu treffen.
„Noch 6 Kilometer!“, meldete Ethan und kniete sich hin. Er liess die Waffe sinken und sah seine Kameraden an, die von den vorderen Minen gerannt kamen und mit schnellen Schritten die Hügel hochstürmten. „Wir sollen sie eigentlich Gefangennehmen. Wir können CS-Gas einsetzen. Also setzt jetzt eure Gasmasken auf!“, befahl der Anführer und Hawking hasste die Masken. Aber im Falle chemischer Angriffe der gegnerischen oder eignen Seite war auch die volle MOPP-IV-Montur vorhanden. Nun hatten sie nur die Gasmasken, die unter die Helme kamen. Chlorbenzalmalondintril, besser bekannt als CS- oder Tränengas, war eine teuflische Sache. Wenn man gut geschützt in eine dieser weissen Wolken lief liebte man es, wenn man aber das Zeug in die Atemwege bekam, dann verfluchte man es.
Ethan hatte die Maske, nachdem er sie draussen hatte, innerhalb von 6 Sekunden auf und setzte dann den Helm dazu auf. So geschützt lud er eine 40mm-Granate in den Werfer, die eine Ladung CS-Gas enthielt. Mit ihr konnte man über 60 Meter hinweg das Gas zum Einsatz bringen und blieb selbst weit genug davon entfernt.
Der Funker kam aus dem Zelt und schnappte sich das M16A2, die Standardwaffe des Marine-Corps.
„Noch 4 Kilometer!“. Die Panzerkanone 76,2mm war nur auf 2 Meilen effektiv einsetzbar, aber ob die Terroristen die Marines schon gefunden hatten, war unbekannt. Auf jeden Fall würde es kein allzu schweres Gefecht werden.
Der Funker hatte sein Mikrofon an die Maske geclippt und konnte so weiterhin den Kontakt aufrecht erhalten.
„Hier Marines-1-4-5. Kolonne auf 4 Kilometer. Bestätigen Anzahl von 15 Fahrzeugen, darunter 1 Panzer. Wie sieht es mit der Unterstützung aus?“, fragte er ruhig. „Marines 1-4-5. Marines können momentan keine Truppen mehr absetzen. Aber wir haben einige britische Royal Engeneers und auch eine Abteilung deutscher Soldaten bereit. Sie kommen in etwa einer halben Stunde zu euch!“. „Verstanden. Aber wir brauchen sie so schnell wie möglich!“. „Das ist klar, Marines 1-4-5. Wir melden uns wieder!“.
Ethan schüttelte den Kopf. So hatte er sich seine erste Mission nicht vorgestellt. Die Tank-Killers 1991 waren schon auch Marines gewesen, aber eben keine von der Aufklärungsabteilung. Normalerweise unterhielten sie gar keine Javelins, höchstens mal eine AT-4 oder eine der älteren LAWs.
„Noch 3 Kilometer!“, gab einer der Soldaten durch, als man plötzlich einen Blitz sehen konnte.
„Panzerfeuer! Volle Deckung!“, schrie der Zugführer durch die Schutzmaske und warf sich zu Boden, als die Granate cirka 20 Meter vor ihnen detonierte. Sand und Dreck wirbelte durch die Luft und Brocken von Gestein plumpste auf die Soldaten nieder. „Sie haben uns entdeckt!“, stellte Ethan fest und sprang auf. Er änderte seine Positon und legte sich hinter einen relativ grossen Felsen. Das lose Buschwerk bot dem Mann gute Deckung und erlaubte es, die Waffen zu richten.
»Javelin bereit. Noch etwa 300 Meter!“, sagte der Geschützbediener. Der PT-76 kam immer näher, denn er führte den Konvoi an. „Pusten sie diesen Bastard so schnell wie möglich weg!“, befahl der Kommandeur und der Bedienet antowortete: „Ja, Sir. Ich werde es versuchen!“.
13 Uhr 49, Weisses Haus
Präsident Clancy war schon wieder seit 6 heute morgen auf den Beinen und er wünschte sich endlich eine kleine Pause, auch wenn es lediglich fünf Minuten wären. Aber nicht nur der nationale Sicherheitsberater, sondern auch der Verteidigungsminister lagen ihm auf den Ohren. Die Operation in Mazedonien und dem Kosovo hatten höchste Priorität und er hatte den Befehl ja schon längst erteilt. Die Männer warteten noch, bis die Task Force 160 an Ort und Stelle war. Man hatte die Night Stalkers erst gestern nach Tirana verlegt, um genau diese Operation zu unterstützen. Momentan aber trafen die Jungs von der Marine Force Reconissance schon auf die ersten Angreifer, die die Operationsbasis ausserhalb Skopjes verlassen hatten und das Parlament angreifen wollten. Die Marines konnten sie vielleicht aufhalten, aber eventuell brauchten sie zusätzliche Kräfte.
Daher hatten sie ausländische Soldaten, Deutsche und Briten, zur Unterstützung gerufen, die auch sofort ausrücken konnten und somit in kurzer Zeit am Kampfort eintrafen. Mit diesen vereinten Kräften musste ein Aufhalten der Terroristen doch möglich sein!
„Wie sieht der Stand der Evakuierung aus?“, fragte Clancy einen Berater. Im Weissen Haus konnten sie rund um die Uhr live via Satellit die Geschehnisse beobachten, die sich so viele Tausend Kilometer entfernt abspielten.
13 Uhr 52, Ausserhalb von Tirana
Ethan Hawking zielte sehr sorgfältig über das Visier im Tragegriff, bevor er einen Einzelschuss auf den Fahrer des ersten Wagens abgab. Die Kolonne war nur noch rund 400 Meter entfernt und die Kugel 5,56mm traf den Mann hinterm Steuer voll in die Brust. Die Marines waren exzellente Schützen, auch wenn sie nicht gerade den Ruf hatten, gut zu treffen.
„Volle Deckung! Javelin bereit zum feuern!“, rief die Besatzung der Panzerabwehrrakete und einige Sekunden später löste sich der Flugkörper und schoss auf den PT-76 Amphibienpanzer zu. Anderst als bei der älteren TOW hinterliess die Javelin keinen Lenkdraht mehr auf dem Boden und traf den PT-76 genau an der Front. Die Hohlladung durchschlug die Panzerung glatt und die Detonation im Inneren zerfetzte den Panzer komplett. Keiner der Besatzung hatte die Explosion überlebt. Es war völlig unmöglich gewesen.
Ethan grinste und gab weitere Einzelschüsse auf die Männer ab, die nun aus ihren Fahrzeugen hechteten und mit Ak-Sturmgewehren der Modelle 47, 74, 74U und 103 um sich schossen.
„Gas!“, schrie Ethan und hob sein M16A1. Der angebaute, nicht abnehmbare M203 liess mit einem trockenen „Plopp“ das 40mm- Geschoss auf das Gefechtsfeld fallen und in 15 Metern Höhe explodierte eine kleine Ladung, die das CS-Gas in Pulverform fein über den Terroristen verteilte. Jetzt hatten sie im Prinzip nichts weiteres zu tun, als zu warten.
„Der Wind ist ungünstig!“, rief der Zugführer. „Vorrücken, wir müssen noch mehr Tränengas einsetzen!“. Ethan sprang auf und blickte an sich hinab. Er öffnete beiläufig den Werfer und lud eine weitere CS-Granate hinein. Wenn er näher kam, konnte er die Geschosse gezielter auf die Autos abfeuern. Das Gelände bot keine allzu grosse Deckung, aber es reichte, um sich einige Meter heranzutasten. Hinter einigen Grasbüscheln legte sich Ethan hin und schoss die Granate in den hinteren Teil des Konvois. Wieder zerplatze sie und feiner Nebel kam auf die Fahrzeuge nieder. Hustend und keuchend kamen einige der Terroristen aus dem Qualm und gingen zu Boden. Ethan, gut geschützt durch seine Maske, tastete sich heran und die ganze Gruppe von Recon-Marines umkreiste die Wagenkolonne.
„Hier Marines 1-4-5, wir haben die ganze Gruppe auseinandergenommen! Ein Toter Gegner, keine eigenen Verluste, sonst alle mit Tränengas ausser Gefecht gesetzt!“. „Verstanden, Marines 1-4-5. Die britischen Royal Pioneers und die deutschen Panzergrenadiere sind noch cirka 10 Minuten entfernt!“.
Ethan zog gerade einen keuchenden Mann aus dem Dunst, legte ihm Plastikhandschellen an und setzte ihn auf das Gras neben dem Weg. Das M16A1 hing ihm locker über den Rücken. Er zog seine Beretta 92F 9mm-Pistole und ging wieder in den Nebel hinein und holte den nächsten heraus. DIe Gasmasken waren ein wahrer Segen für die Marines, von denen einige mit scharfen Waffen ausserhalb des Konvois standen und sicherten.
„Hier Rescue-Leader, Britisch Royal Engeneers. Bitte kommen, Marines 1-4-5!“. Ethan hörte erleichert den Funkspruch ihrer Freunde und lächelte unter seiner Gasmaske.
Oben am Horizont konnte er einige Punkte erkennen, die schnell näher kamen. Es waren englische Puma-Transporthubschrauber, die schnell zu den Amerikanern aufschlossen. Die grün-grauen Maschinen hatten Eingreiftrupps von Soldaten an Bord, die für den Abtransport vorgesehen waren.
Damit war Ethan´s Mission fürs erste abgeschlossen. Nun mussten sie lediglich warten, bis sich der Gasnebel etwas verzogen hatte und sie die Terroristen übergeben konnten.
12
15 Uhr 17, Ausserhalb von Skopje
Auf die Minute genau kam nun der Angriff der Green Berets. In dreissig Minuten sollten die Night Stalkers mit ihren MH-60 Blackhawks herausholen.
James sah durchs Fernglas die anderen vier Soldaten der Army Special Forces auf der anderen Seite und er nahm seinen M-4 Karabiner mit M203 zu sich.
„Wir greifen an. Connel, zuerst die Wachen. Funken sie ihnen einen Countdown, wir müssen zeitlich, aber lautlos, die Typen ausschalten!“.
Robert nickte und nahm den Funkhörer. Die andere Gruppe hörte es und machte sich zum Angriff bereit. Für die MP-5N waren Schalldämpfer ausgegeben worden, mit denen sie fast lautlos Schüsse abgeben konnten.
Marc kroch mit seiner Maschinenpistole nach vorne und den Abhang hinunter. Die Bäume und Buschwerkverbargen ihn gut vor den Augen der Wachen und er kniete sich unten hinter einen Felsen. Er konnte die MP-5N auflegen und zielte sorgfältig. Die Wache auf dem Dach konnte er nicht erreichen, aber die vor der Terrasse schon. Über seinen Rücken hing der M-4 Karabiner, falls er mehr Feuerkraft benötigen würde.
Er sah nach oben zu den anderen und erkannte James, der mit seinen Fingern zählte. Drei. Zwei. Eins.
Dann schwenkte Marc wieder zur MP-5N und drückte den Abzug. Lautlos löste sich der Schuss Kaliber 9mm und traf die Wache in den Kopf. Genau zur gleichen Sekunde kippte auch die Wache auf dem Dach und die beiden anderen um das Haus herum aus den Latschen.
James sprang auf, stürmte den Abhang hinunter. Nach so langer Zeit im Liegen und Hocken war das Rennen schon regelrecht entspannend und er konnte in den Augenwinkeln Marc sehen, der aus dem Wald kam und geduckt mit seinem MP-5N auf das Haus zurannte. Von der anderen Seite kamen die vier anderen Soldaten, einer von ihnen mit einer Remington 870-Schrotflinte. Mit ihr konnte man notfalls Türen und Schlösser aufschiessen und auch auf kurze Distanzen eine hohe Streuung auf menschliche Ziele erreichen.
Die beiden Gruppen näherten sich dem Haupteingang und James richtete seinen Karabiner auf die Türe. Nach einem Nicken trat Robert die Holztür ein und James stürmte als erster hindurch. Sofort hinter ihr stand ein Mann mit einem Ak-74U und sah verdutzt auf die Männer, die schwerbewaffnet und mit grün angemalten Gesichtern hereinkamen.
James schrie, er solle zu Boden gehen, aber der Mann reagierte überhaupt nicht. Er hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging und deshalb schoss James eine 3er Salve Kaliber 5,56mm aus seinem M-4 ab, die die Wache glatt in die Brust trafen.
Hinter ihm kamen die restlichen Green Berets hinein, die sofort die anliegenden Zimmer stürmten und einige Schüsse abfeuerten. James selber hielt sich hinter dem Soldaten, der der Remington Schrotflinte führte und gleich hatten sie die Türe zu dem alten Kaminzimmer gefunden. Frank Grimes musste dort drinnen sein!
James nickte und Marc trat die Türe ein. Eine Wache schoss sofort aus seiner Ak-103, traf durch die Angeln hindurch und einen der Amerikaner in die Schulter. Dieser fiel stöhnend nach hinten um und Marc schoss auf Dauerfeuer sechs Patronen aus seiner MP-5N auf die Wache ab. Dann stürmte er den Raum, direkt dahinter der Shotgun-Typ und dann James.
Zwei andere Wachen standen an der Türe, die aus dem Raum in die andere Richtung hinausführte und rissen ihre Ak-Sturmgewehre hoch, waren in den nächsten Sekunden aber schon tot am Boden, einer mit einer Kaliber 12 Schrotladung, der andere mit 3 Geschossen 5,56mm in sich.
Frank Grimes war genau zu diesem Zeitpunkt aus der Türe gestürtzt und wollte um jeden Preis aus diesem Häuschen heraus. Die Green Berets hatten aber nicht vor, ihn entkommen zu lassen und James hechtete hinterher. Sein M-4 mit Granatpistole M203 war fest in seinen Händen und er riss es hoch, als er hindurch war. Als er, ohne sich umzusehen, die Schüsse erahnte, die gleich folgten, warf er sich zu Boden. Tatsächlich schoss eine Wache mit einem Ak-74 auf ihn, die Kugeln im untypischen Kaliber 5,45mm schlugen hinter ihm in eine Wand ein.
James riss das M-4 noch im Fallen hoch und blies eine 3er-Salve in den Mann.
Hinter ihm sprang Robert mit seinem M16A2 herein und zielte in der Hocke auf den toten Wachmann.
„Den hat´s erwischt! Weiter!“, befahl James und Marc war als erster im nächsten Raum.
Grimes wollte hinausrennen, aber zu seinem Pech war die Hintertüre verriegelt. Die Wachen hatten es als besser empfunden, für den Fall, dass Gegner von hinten kamen. So drehte er sich um und blickte in die Gewehrmündung des mattschwarzen Colt-Karabiners und in die Augen des Green Beret. James´ Gesicht war grün angemalt, der Buschhut korrekt auf dem Kopf. Die Kampfweste war immernoch an einigen Stellen nass vom Regen und an seinem rechten Bein hing das Holster mit der Beretta 92F Selbstladepistole. „Im Namen der Vereinten Nationen....sie sind verhaftet!“. Hinten kamen Marc und Robert herein, auch sie waren durch die Tarnschminke ideal an Waldumgebungen angepasst. Frank Grimes lächelte. Er musterte die drei Soldaten. Vielleicht hatte er noch eine Chance....
„Hey.....ich kann euch helfen....ich wollt Geld? Ich kann euch Geld geben! Dollars, Rubel, Mark, Pfund...sagt nur was ihr wollt und ich werde es euch geben!“. Frank verstärkte sein charismatisches Lächeln. Schon so manch ein Kopfgeldjäger hatte sich dadurch umstimmen lassen. So lange, bis Grimes ihn selber eingestellt oder ihm eine Kugel in den Kopf gejagd hatte.
„Tut mir leid, Sir, aber das können wir nicht annehmen!“, rief Marc und liess seine MP-5N sinken. Robert zielte mit dem M16A2 weiter auf den Kopf des Terroristen. Er war festgenagelt und konnte den US Army Special Forces nicht mehr entgehen.
„Lieutnant, legen sie Grimes in Ketten!“, grinste James Masterson und sicherte seinen Karabiner, um ihn dann an seiner Seite herunterbaumeln zu lassen. Ein grosser Fang war den Green Berets da im Namen der Menschenrechte gelungen.
Draussen konnte man das unverkennbare Geräusch anfliegender Blackhawks hören. Drei MH-60 der Task Force 160 „Night Stalkers“ waren soeben eingetroffen und landeten auf dem Zufahrtsweg zu dem Anwesen, wo einige Green Berets die wenigen Überlebenden Wachen mit erster Hilfe versorgten und sie in den ersten der MH-60 brachten. Auch wenn es Gegner im Kampf gewesen waren, so hatten sie ein Recht auf Gnade. Schon immer hatten die Feinde der Vereinigten Staaten auf Hilfe nach dem Kriege hoffen können, das wusste vor allem die deutsche Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg oder auch Südkorea, Südvietnam und Kuwait.
James nickte Marc zu und er führte Grimes mit der Beretta im Rücken nach draussen, wo bereits die restlichen 11 Green Berets auf den Terroristen warteten, der sofort in einen Blackhawk gesetzt und mit 5 Soldaten als Wachen ausgeflogen wurde.
James blickte dem schwarzen Hubschrauber nach und blickte dann zu Robert. „Entfernt alle Minen, packt die Satellitenantennen ein und dann macht, dass ihr herkommt. Ich spreche mit der Zentrale!“.
James ging zu einem der MH-60, der den Motor abstellte und dessen Piloten auf den Commander des Kommandotrupps zugelaufen kamen.
16 Uhr 34, Kaserne bei Tirana
Die drei Blackhaws brauchten beim Rückflug nicht mehr auf eine Radarentdeckung zu achten und flogen so schnell wie möglich zurück. Die Flugsicherung hatte von dem brisanten Einsatz der Special Forces erfahren und gab den Luftraum frei.
Die Piloten waren genau wie die Soldaten hinter ihnen eine der besten Eliteeinheiten der Welt, auch wenn sie nicht direkt am Boden sondern aus den Cocpits und Kabinen ihrer Helikopfter kämpften. Während des „Tanker-Krieges“ zwischen Irak und Iran hatten die Night Stalkers mit ihren kleinen OH-6-Maschinen und unter dem Deckmantel der Nacht feindliche Patroullienboote zerstört und sogar einen Tanker geentert.
James hatte den Buschut endlich absetzen können und der Karabiner war gesichert zwischen seinen Beinen. Die Minen waren allesamt wieder entschärft worden und in den Rucksäcken der Männer verstaut. Die Tarnschminke verlief nach den Tagen und so hatten sie bereits damit begonnen, das „Make-Up“ aus dem Gesicht zu entfernen.
Die Maschinen flogen mit geschlossenen Türen in gut 400 Metern Höhe über die hügelige Landschaft Mazedoniens und nun auch des Kosovos. In einer Stunde konnten sie in ihrer Kaserne bei Tirana sein, ihren Gefangenen und die Verwundeten abliefern und dann mit den Transportmaschinen zurück in die USA fliegen. Der General, der für die Operation verantwortlich war, hatte James Masterson einen besonderen Gast angekündigt, der leider zu ihrem Einsatz nicht rechtzeitig eingetroffen war und so nicht mit ihnen den Top-Terroristen Dingfest machen konnte. Er wusste nicht, wer das sein konnte, aber er hatte genug Geduld, um den General nicht direkt zu fragen. Es würde sich in einigen Stunden ergeben. Nun, er fragte sich nur noch eines, wie die Marines sich mit den Abtrünnigen Polizisten bei der Botschaft und dem Parlament schlagen würden. Fanatische Soldaten waren immer sehr gefährlich, denn sie kämpften wirklich bis zum Tode. Keine Kapitulation, keine Aufgabe, bevor sie ihr Ziel nicht erreicht hatten – oder sie im Kugelhagel fielen.
16 Uhr 50, US-Botschaft in Tirana
Steward Jackson und Henning Plac stiessen die Türe zu dem Flachdach des Botschaftsgebäudes auf und beeilten sich, an die Dachkante zu gelangen. Während Steward einen grossen Koffer trug hatte Henning einen Rucksack im Marines-Tarnlook dabei. Die Ecke an dem Dach war ideal, man konnte die lange Strasse überblicken, einige der Häuser im Umkreis und auch das Parlament.
„Dort!“, deutete Steward und Henning holte zwei schwarze Matten hervor. Er rollte sie aus und Steward öffnete den Koffer. Fein in Schaumstoff eingelegt erblickte er sein PSG-1 Präzisionsgewehr mit einem 10-Fach-Visier und optionalem Schalldämpfer. Heute benötigten sie ihn nicht, denn es war ja keine geheime Mission, wo sie auf keinen Fall Lärm machen durften.
Das schwarze Gewehr hatte den Ruf als genaustes Scharfschützengewehr der Welt und wurde von der deutschen Waffenschmiede Heckler und Koch in Oberndorf am Neckar hergestellt.
Steward packte die Waffe aus und schnallte ein kleines Zweibein an den Vorderschaft. Somit erhöhte man die Präzision und hielt das Wackeln des Schützen in Grenzen. Die beiden Soldaten gehörten zu den Marines, waren durch die knallharte Sniper-Ausbildung gekommen und agierten nun als Sniper/Spotter-Team, wobei sie sich alle 30 Minuten als Scharfschütze und Beobachter abwechselten.
„Wenn wir etwas entdecken, dann sollten wir nicht zögern!“, meinte der Schütze und entfernte die Abdeckungen des Visiers und blickte hindurch, während Henning sich des Fernglases bediente.
Unten im Hof hatten sie die Tore geöffnet und Sandsäcke zu beiden Seiten aufgebaut. So konnten Soldaten vor den Mauern kämpfen, aber immernoch in Deckung und notfalls sofort verschwinden.
Zusätzlich stand ein Hummer HMMWV davor, dessen Crew ein Browning M-2 Maschinengewehr Kaliber 0,5“ bedienten. Das M2 konnte locker Fahrzeuge wie Lastwagen oder Jeeps zerstören und manchmal auch Panzerungen am Heck oder an den Seiten von leichten Panzern durchschlagen.
Die Marines warteten nur noch darauf, sich im Gefecht bewähren zu können.
17 Uhr 12, CIA-Centrale Langley. Virginia
Dick Yun blätterte die virtuellen Seiten auf seinem Laptop durch. Die NSA und das NRO hatten Satellitenbilder via E-Mail geschickt, die er sich nun ansah. Die Fotos zeigten PT-76 Panzer und Lastwagen, die sich langsam Tirana näherten. Drei Panzer waren es – eine schwere Nuß für einen einzelnen HMMWV mit TOW-Raketen und die Marines der Truppen dort. Die USS Essex war mit den Harriern zwar im Stande, Rückendeckung zu geben, aber für die PT-76 brauchte man genaueres. Auf dem Dach der Botschaft war durchaus Platz für einen CH-53 Super Stallion und somit auch für bis zu AH-1 Cobra-Kampfhubschrauber. Diese konnten neben der vollautomatischen 20mm-Gatling-Kanonen mit 3 rotierenden Läufen auch zwei Behälter mit je 19 ungelenkten 70mm-Hydra-Raketen und bis zu 8 TOW oder 8 Hellfire-Panzerabwehrraketen. Wenn die Cobras sie unterstützen sollten, dann müssten sie jetzt losfliegen um dort aufzutanken und der Crew eine Pause zu gönnen.
„Hier ist Dick Yun, CIA. Spreche ich mit dem Büro für Seeoperationen des Marine Corps, Camp Lejeune?“, fragte er in das abhörsichere Telefon. Eine nette Frauenstimme, vielleicht Mitte vierzig, antwortete auf der anderen Seite: „Ja, Sir, sind sie. Mit wem darf ich sie verbinden?“, fragte sie.
„Mit Eduard Nolton!“, sagte Dick in die Muschel und blätterte zur nächsten Seite, während er die Musik der Warteschleife hörte. Er kannte sie, denn allzu oft musste er hier anrufen und war deshalb mit Eduard per Du. Er hatte ihn bei einer privaten Party kennengelernt, sehr netter Typ. Seine Frau Melissa war fast zehn Jahre jünger als er und viele seiner Kollegen in Camp Lejeune, dem Hauptquartier des Marine Corps, beneideten ihn darum. Eduard hatte die 50 schon vor fünf Jahren überschritten, Melissa feierte Übermorgen ihren 41isten. Sie war immernoch eine sehr attraktive Frau, trotz der beiden Schwangerschaften ihrer Töchter Clara und Samantha. Eine typische amerikanische Familie eben.
„Nolton.“, meldete sich die Stimme. Dick setzte sich automatisch aufrecht in seinem Sessel. „Hi, Eduard. Hier ist Dick. Wir brauchen vielleicht noch etwas dort unten in Tirana!“. Nolton schaltete sofort und wollte wissen, was da eigentlich los sei.
„Kann ich dir alles erzählen, aber später. Hör´ zu. Die Essex oder die Wasp sollen eine Rotte AH-1er nach Tirana schicken. Gegner droht mit 3 PT-76 Amphibienpanzern. Ein Hummer mit TOW ist bereits vor Ort, aber die Marines haben keine weiteren Javelin oder TOW dabei!“, meinte Dick und holte erst einmal Luft. Früher hatte er solche Mammutsätze noch in einem Fort gesagt, aber das Alter machte sich bemerkbar.
„Okay. Das müsste schon gehen, denke ich. Ich will aber wissen, was genau da läuft. Man hat mir gesagt, es gäbe einen Putschversuch oder ähnliches!“, erklärte der Marine.
„Richtig. Und weißt du was? Frank Grimes. Wir haben die Green Berets geschickt, ihn aus seinem Quartier in Mazedonien zu holen, und ich glaube, sie haben ihn auch. Ich muss nochmal nachfragen!“. „Grimes? DER Frank Grimes?“, fragte Eduard ungläubig. „Ja, Edu. Der Grimes. Die Berets müssten ihn bereits da rausgeprügelt haben!“.
„Ich bekomme hier grade was rein!“, sagte Norten. Er machte eine kurze Pause. „Oh....meine Jungs von der Force Reconissance haben einen Konvoi mit CS ausser Gefecht gesetzt, der sich Tirana von hinten genähert hat. Darunter auch ein PT-76! Er trägt anscheinend Polizei-Kennzeichnungen!“, keuchte der Marine. In seinem Ton war aber ein gewisser Stolz auf „seine“ Marines zu hören, die die Terroristen mit so wenigen Verlusten wie möglich dingfest gemacht hatten – auf beiden Seiten.
„Ich werde so schnell wie möglich ausschwärmen lassen!“, hauchte Nolton und knallte den Hörer auf die Gabel, bevor er seinen Attaché rufen lies.
13
18 Uhr 24, an Bord der USS Essex
Die Rotte AH-1 Cobra kam gerade auf einem der mächtigen Aufzugsplattformen an Deck. Die Piloten sassen schon in ihren engen Cocpits und gingen die Checklisten durch, denn sie mussten sofort starten. Die Bodencrew hatte sie nur noch an die Startpositionen zu schieben, damit alles seine Ordnung hatte.
Mit Getöse wurden die beiden Turbinen der AH-1W angelassen und der vom Bell UH-1 kopierte, zweiblättrige Rotor begann sich zu drehen. Die neuen AH-1Z Versionen sollten einen Vierblatt erhalten, aber bis zu dessen Einführung in die Truppe konnten noch einige Jahre vergehen... .
Mit zwei Harriern als Vorboten starteten die Cobras um 18 Uhr 30 vom der der LHD-2 und flogen der Küste entgegen. Die Maschinen schafften nicht ganz so viel Tempo wie ihre grossen Brüder bei der Army, die AH-64 Apachen, aber sie waren für die Marines wie geschaffen.
„Hier Echo Eins an Marines 3-2-4. Empfangen sie uns?“, funkte die Pilotin des ersten Hubschraubers, Jennifer Carson. Die Frau hatte vor zwei Jahren damit begonnen, die AH-1 zu bändigen und hatte bei einigen Grossübungen geflogen. Dies hier war ihr erster Einsatz, bei dem es wirklich „heiss“ werden konnte. Die Marineinfanterie hatte sich, in Form der Force Reconissance, schon mit den Terroristen geschlagen – und gewonnen. Die Amerikaner hatten sie ohne eigene Verluste und mit nur einem Toten auf der anderen Seite kampfunfähig gemacht. Vielleicht würde jeder von den Elitesoldaten eine Medaille bekommen, wenn das hier alles vorbei war.
„Ja, hier Marines 3-2-4. Danke, dass sie kommen, Echo Eins. Wir haben von drei PT-76 gehört. Das NRO meldet ausserdem einen Haufen Trucks- und ich glaube nicht, dass die Bananen befördern!“.
„Ja, das glauben wir auch nicht. Aber jeder von uns beiden hat jeweils 8 schlagkräftige, drahtgelenkte Argumente gegen die Panzer!“, funkte Jennifer. „Wir werden das Kind schon schaukeln. Auf dem Dach der Botschaft liegt ein Präzisionsschützentrupp in Stellung. Wir melden uns, wenn es etwas neues gibt! Marines 2-3-4 Over.“.
18 Uhr 30, US-Botschaft in Tirana
Steward und Henning hatten sich inzwischen abgewechselt. Sie lagen seit cirka 17 Uhr in Lauerstellung und suchten nach eventuellen Zielen. Einer der Sekretäre der Botschaft, der noch hier geblieben war, hatte ihnen Kaffee gebracht und sie tranken ihn momentan. Er half einem, aufmerksam zu bleiben. Die Marines brauchten das noch nicht, erst wenn es mal einige Stunden gehen würde. Aber sie hatten ihn dankend angenommen und hielten weiterhin Ausschau.
Henning hockte hinter seinem PSG-1 und hatte sie gesichtert. Seine Hände waren nicht um die Waffe geschlungen, sie lag ohne Berührung am Boden. Henning sass im Schneidersitz und hielt den heissen Becher mit beiden Händen fest.
Das Funkgerät neben ihnen piepte.
„Hier Jackson/Plac.“. „Ja, wir haben Neuigkeiten. Das National Reconissanve Office hat uns Bilder der Überwachungssatelliten geschickt. Drei PT-76 Amphibienpanzer, ein Haufen Lastwagen. Wir wollen nur, dass ihr es wisst.“, funkte der Commander der Marines in der Botschaft. „Danke, Sir. Wo befinden sie sich im Moment?“. „Sie sind noch eine halbe Stunde entfernt. Dann können Sie sie unter Feuer nehmen. Ich hoffe, sie haben genug Munition dabei?“. „Ja, Sir!“.
18 Uhr 40, Kaserne bei Tirana
Die Blackhawks hatten die Green Berets vor einer Stunde abgeliefert und die Soldaten der US Army Special Forces waren sofort unter die Dusche gegangen. Die Hygiene litt eben schon, wenn man tagelang im Wald hocken musste!
James Masterson hatte seine Waffen und Rucksäcke, die Uniform und alle zurückgebrachte Ausrüstung in die Waffenkammern gebracht und trocknete sich mit seinem Handtuch ab. General Aniston, der Verantwortliche General für diese Operation, wollte ihm den geheimnissvollen Gast in einigen Minuten vorstellen, und James musste sich beeilen, um noch rechtzeitig fertig zu werden. Daher griff er sofort zum Rasierer und begann, seinen Drei-Tage-Bart zu schneiden. Wer dieser Typ wohl sein mochte? Wahrscheinlich ein Attaché der Central Intelligence Agency CIA. Das wahr sogar wahrscheinlich, denn die CIA schickte oft Beobachter oder ortskundige Spione in die Teams der Green Berets, damit sie ihnen eine Führung in fremden Regionen geben konnten.
Er hatte die Tarnschminke ja bereits im Blackhawk entfernt und Frank Grimes war nun bereits in einer C-130 auf dem Weg nach Brüssel. Er würde nicht in die USA fliegen, den das Den Haager Kriegsverbrechertribunal wollte sich diesen Terroristenführer mal genauer ansehen. Die Nachricht von seiner Festnahme war noch nicht in den Umlauf gebracht worden – man wollte seine Anhänger ja nicht vor ihrem Angriff auf die Botschaft und das Parlament warnen. Sollten sie ruhig ins offene Messer laufen. Es hörte sich zwar makaber an – aber die Jungs von der USMC Force Recon hatten die nötigen „Beweismittel“ in Form der Gefangenen Terroristen gesammelt, nun brauchte man keine weiteren Geiseln mehr. Das Marine-Corps konnte die Angreifer bedenkenlos niedermachen, wenn sie nicht vorher durch irgendeinen Zufall selbst niedergemacht werden würden. James konnte sich zwar keinen vorstellen, aber man musste ja mit allem rechnen, bis hin zu bilogischen Granaten, die man vielleicht mit den Kanonen der PT-76 auf die Botschaft abschiessen konnte. Heutzutage war einfach alles möglich.
James zog sich seine grüne Uniform, beiges Shirt mit oliver Hose, an und ging aus dem Raum. Die anderen Green Berets telefonierten mit ihren Familien oder hockten im Aufenthaltsraum und spielten Karten, sahen Fern oder sassen auf dem Klo.
„Hey James, wir gehen nachher noch auf ein Bier ins Kasino, können wir auf dich zählen?“, wollte Marc wissen. „Ich habe keine Ahnung, man!“, gab James mit einem Achselzucken zurück. Er verlangsamte seinen Gang nicht, bis er zur Türe kam. „Aniston will mir noch jemanden vorstellen. Vielleicht muss ich da schon mein Bier runterschütten!“, lachte er und ging.
Der Konferenzraum war bis auf die beiden Personen leer, die James sofort beim Hereinkommen sah. Der eine war General Aniston, 61 Jahre alt, ein typischer Infanterieoffizier. Hatte West-Point abgeschlossen und einige Jahre bei der 82nd Fallschirmjäger-Division gedient.
Der andere war ihm unbekannt. Er trug die Ausgehuniform der US Army, eine blaue Jacke, mit einigen Auszeichnungen. Auch James hatte ein paar von ihnen erhalten – aber nicht so viele wie dieser hier.
„Ah, James. Schön, sie zu sehen. Tolle Arbeit, in Skopje. Ich wusste, dass wir die Richtigen geschickt haben!“. James lächelte und schüttelte zuerst dem General die Hand, dann dem anderen. „Wir sind einfach reingegangen und dann kam er raus!“, erklärte James lachend.
„Ja, ich weiss. Es war nicht einfach, dort tagelang zu liegen, aber sie haben es geschafft. Womit wir beim Thema wären.“. James nickte dem anderen Mann zu.
„Meinen Glückwunsch, James. Ich kam leider zu spät – die Starlifter aus Fort Bragg hatte technische Schwierigkeiten und so konnte ich nicht mehr rechtzeitig eintreffen!“.
James machte ein fragendes Gesicht. „Sie erlauben, dass ich mich vorstelle? Mein Name ist Ira White.“. Masterson musterte den schnittigen Army-Soldaten. Toll, dachte er, ich kenne noch einen Ira. Ist beim vorletzten Einsatz draufgegangen und liegt jetzt unter der Erde – was solls?
Ira hatte bewusst eine Pause eingebaut, bevor er leise Luft holte und dann sagte: „Delta-Force“. Jetzt verstand James – dieser Typ war nicht nur ein einfacher Soldat, er kam von den Delta-Jungs!
„Ah, unsere Elite-Brüder bei der Army!“, stellte er begeistert fest. „Wir haben uns schon gefragt, ob die Army keinen von euch schickt, ob ihr vielleicht zu beschäftigt seid?“. „Nein, das war es nicht. Wie gesagt, ich war auf dem Weg, aber ein Triebwerksbrand hat den Abflug in letzter Sekunde verhindert!“.
Der Mann von der Delta-Force machte einen guten Eindruck bei James- besonders da er nun wusste, woher er kam und dass er den Green Berets wahrscheinlich in nichts nachstand. Das Special Forces Operational Detachmend Delta (SFOD-D), die offizielle Bezeichnung für die Delta-Force, war in Fort Bragg, North Carolina beheimatet und angeblich die einzige Spezialeinheit der Vereinigten Staaten, die auch Frauen aufnahm. Die Ausbildung war knallhart und vermutlich war die Delta Force jederzeit in irgendeinem Land der Welt im Einsatz, zur Guerilla-Unterstützung, Guerilla-Bekämpfung oder ähnlichem.
„Ich hoffe, sie haben noch Zeit für ein Bierchen?“, fragte Ira und General Aniston lächelte. „Natürlich!“, meinte James und sie gingen aus dem Besprechungsraum in das anschliessende Kasino.
19 Uhr 03, US-Botschaft in Tirana
„Hier Jackson/Plac. Wir erkennen jetzt die PT-76, zwei Lastwagen und einen Haufen Soldaten oder solche, die es sein wollen!“, funkte Steward. Er lag wieder hinter dem PSG-1, während Henning als Spotter tätig war. Das Präzisionsgewehr war entsichert und schussbereit. Die Marines kamen aus dem Gebäude und gingen hinter den Sandsäcken in Position. Ausser den Kaliber 0,5“-Maschinengewehren hatten sie nur noch die TOWs als schwere Waffen.
„Verstanden, Jackson. Die Cobras sind auf dem Weg, geht aber zehn Minuten oder so!“. „Ich hoffe, dass wir diese Panzer geknackt kriegen!“, meinte Henning. Jackson nickte leise. „Kein Problem, denke ich. Die Amphiebienpanzer sind nicht gerade wahnsinnig stabil!“.
Er legte das Visier an seine Augen und spürte den weichen Gummi des Augenschutzes, der dafür sorgte, dass er bei dem Rückschlag der Patronenzündung nicht das Glas ins Auge bekam und somit einen „Stossdämpfer“ vor dem Gesicht hatte.
„Bewaffnung: Ak-47 Sturmgewehre – vermutlich noch Versionen davon. Ich erkenne ausserdem einen Typen mit einer reaktiven RPG-7 Panzerbüchse!“, funkte Plac. „Ja, bestätigt!“, kam von der Zentrale zurück.
„Sollen wir angreifen?“, wollte Henning wissen. Die Schussposition war günstig, obwohl Mauern und Häuser, Bäume und Büsche den Weg teilweise blockierten und die beiden Scharfschützen nur ein freies Feld hatten, wenn sie weniger als 100 Meter an die Botschaft herankamen. Momentan waren es noch gute 900 Meter.
Der PT-76-Panzer war der erste, der an diesem Tage seine Waffe auf die Amerikaner abfeuerte. Die 76,2mm-Kanone feuerte ein hochexplosives Projektil auf die Barrikaden und die Marines zogen erschrocken die Köpfe ein. Das Geschoss flog knapp über den HMMWV und schlug einige Meter weiter in eine Mauer. Die Druckwelle der Detonation riss einige der Soldaten von den Füssen, sollten sie sich noch nicht zu Boden geworfen haben.
„Scheisse!“, fluchte Henning und zog instinktiv seine Beretta 92F aus dem Holster und zog den Schlitten durch.
„Hier Zentrale. Feuererlaubnis!“, kam der Funkspruch und keine Sekunde nach dessen Ende brach der Schuss des Präzisionsschüzen. Einer der gegnerischen Soldaten, der zu mutig war, fiel mit einem Kopfschuss Kaliber .308 (7,62mm). Der Mann hatte einen schlechten Tag erwischt.
Die Terroristen, falls man sie nun noch so nennen konnte, hatten aber einige Fehler in ihrer Taktik, einer davon kam jetzt zum Vorschein: Die Strasse war zu eng. Der zweite und dritte PT-76 mussten ungezielt über den ersten Feuern, während Infanteristen mit ihren Ak-Sturmgwehren das Feuer eröffneten. Aber ihre Ausbildung war schlecht und die Marines waren jetzt genug provoziert. Die M16A2 waren wesentlich genauer und jeder Soldat konnt im Schlaf damit einen Menschen auf 1000m damit treffen. Und das taten sie nun auch – ein Kugelhagel gezielter Schüsse flog durch die Luft, während die Granaten der PT-76 auf die Strasse plumpsten. Die erste traf ein Haus auf der anderen Seite der Strasse, die zweite fiel hinter der Mauer zu Boden. Der HMMWV eröffnete das M2-Feuer und die schweren .50-Kaliber-Geschosse schlugen in den Turm und in die Fußsoldaten der Freischärler. Sie kamen zwar stetig näher, aber bei 300 Metern stoppte es langsam. Die meisten lagen tot am Boden, die Marines brachten den TOW-Werfer auf dem Hummer in Position. Der PT-76 feuerte wiederrum- und traf. Das HE-Geschosse schlug knapp vor der Barriere in den Boden ein und die Druckwelle schleuderte die Marines zurück. Vier von ihnen waren sofort tot, sechs weitere verletzt und der TOW-Bediener von Splittern getroffen. Die Marines liessen sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Man hatte sie schliesslich nicht umsonst gedrillt!
Einer der anderen Soldaten hechtete auf den HMMWV und schaltete den Werfer auf den PT-76 auf, während die überlebenden Amerikaner ihre M16A2 erneut auf die anrückenden Gegner abfeuerten.
Mit einem Knall schoss der drahtgelenkte Flugörper aus der dicken Röhre, schlug in die Front des Amphibienpanzers und explodierte unterhalb des Turmes. Dieser wurde abgesprengt, der Panzer brannte sofort. Die Attentäter neben ihm warfen sich zu Boden und hielten weiterhin auf die Botschaft drauf, als einer von ihnen die RPG-7 abfeuerte. Ihre Hohlladungssprengkopf schoss über die Mauer, traf die Front des Botschaftsgebäudes und detonierte. Alle umliegenden Fenster flogen heraus und Glas regnete auf die Verteidiger herab.
Oben auf dem Dach konnte Henning einige Sanitäter sehen, die die Verwundeten hinter den Sandsäcken vorholten. Trotz des immernoch anhaltenden Feuer aus automatischen Waffen auf sie hielt Steward seine Positon und feuerte Schuss um Schuss gezielt ab. Die Freischärler, Terroristen oder wie man sie auch immer nennen wollte wurden gnadenlos gefällt, die Kaliber .50 Maschinengewehre taten ihr übriges.
Nach einigen Minuten lagen nur noch Tote neben den steckengebliebenen Panzern und die Marines bahnten sich ihren Weg an dem brennenden Wrack vorbei. Die Crew hatte keinen glücklichen Tag erwischt, aber die umherliegenden Soldaten auch nicht!
14
19 Uhr 23, Parlament in Tirana
Die kosovarische Armee, eine kleiner, aber durchaus schlagkräftige Truppe, hatte die Botschaft der Amerikaner kaum erreicht, als deren Marines die Gegner schon niedergeschlagen hatten. So waren sie zum Parlament zurückgekehrt nur um zu sehen, wie Freischärler, die offensichtlich nichts mit den Männern von Frank Grimes zu tun hatten, mit Panzerfäusten, Mörsern und Maschinengewehren auf das stolze Gebäude schossen.
Die Kosovaren konnten ihre Landsleute aus der Deckung erwischen, aber nicht verhindern, dass das Gebäude bereits Feuer gefangen hatte.
Oben auf dem Dach der Botschaft sicherte Henning hinter dem Scharfschützengewehr die Lage. Er hatte mit Steward getauscht, der die Rauchwolken entdeckte und die verbündeten Soldaten, die auf die Gegner schossen.
„Hier Jackson/Plac! Das Parlament brennt! Die Armee des Kosovo kämpft mit einigen weiteren Gegnern....schickt´ mal einen Hummer und ein paar Soldaten rüber!“. „Verstanden, Jackson. Wir sehen, was wir tun können!“.
Das Parlament war zum Glück geräumt worden, alle wichtigen Politiker waren in Ausweichgebäuden.
Jackson beobachtete die Verbündeten, die die Feinde einfach niedermachten. Und endlich konnte er das charakteristische „Flapp-flapp-flapp“ von Zweblattrotoren hören: Die beiden Cobras kamen herangeflogen und schossen mit ihren 20mm-Bugkanonen auf die wenigen Überlebenen Feinde. Für die PT-76 kamen sie zu spät, deren Besatzungen hatten aufgegeben, nachdem jeder ihrer Soldaten von den Marines getötet worden war. Die Cobras machten schliesslich kehrt und setzten auf dem Dach der Botschaft zum Tanken auf.
20 Uhr 30, Weisses Haus
Zahlreiche Reporter und Journalisten von allen namenhaften Zeitungen und Fernsehsendern waren im Presseraum des White House zusammengekommen. Der Pressesprecher Bobby Jenkins hatte seine Worte gut gewählt und verbarg seine Nervosität noch hinter einer coolen Fassade. Er stand hinter einem Vorhang und ging den Notizzettel nocheinmal durch. Währenddessen sprach sein Stellvertreter mit der Presse über die nun folgende Rede. Er konnte es kaum erwarten, bis er wieder einmal im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit stehen würde und vielleicht historische Worte sprechen durfte. Nun, diesesmal war es wohl nicht so historisch, aber dennoch interessant.
„Der Pressesprecher....“.
Bobby trat hinter dem Vorhang hervor und ging sofort hinter das eichenfarbene Pult und nickte seinem Stellvertreter zu.
„Meine Damen und Herren, sehr geehrte Leute von der Presse. Im Laufe dieses Tages hat die US Army und das Marine Corps einige Operationen im Kosovo und im angrenzenden Mazedonien im Rahmen der Friedenssicherung durchgeführt.“. Er setzte kurz ab und sah auf die Reaktionen der Menschen. Einige von ihnen blickten gespannt, anderen schien die Nachricht völlig egal zu sein.
„Die drei Zugriffe fanden einige Stunden versetzt statt und zielten auf das Camp eines Terroristen und zweier Kolonnen von Angehörigen dieses Mannes. Sie hatten die Entmachtung des jetzigen Präsidenten und dessen gesamter Regierung geplant. Die tapferen Soldaten der Marines riegelten die Botschaft ab und konnten die Angreifer aufhalten, darunter auch Panzerfahrzeuge. Zu unseren Bedauern gab es hierbei sechs Tote zu beklagen.“. Bobby setzte seine Brille ab und versuchte, die Buchstaben auch so zu erkennen. Er wollte einen souveränen Eindruck machen und keinen Standpunkt für Schwäche zeigen.
„Die Soldaten der US Army Special Forces operierten ohne Wissen des US-Senats und konnten den international gesuchten Top-Terroristen Frank Grimes, genannt „Berserker“, gefangen nehmen.“.
Jetzt ging das erwartete Raunen durch die Menge. Hektisch schrieben die Männer und Frauen auf ihre Blöcke, hielten die Diktiergeräte hin oder filmten gebannt weiter.
„Grimes befindet sich nun im Kriegsverbrechertribunal in Den Haag und wird vorerst in Haft bleiben. Wir gratulieren an dieser Stelle den Soldaten der Green Berets und der Marine Force Recon. Wir haben lange überlegt, ob wir diese Informationen preis geben sollen oder nicht, aber wir haben es getan. Die Verluste von sechs tapferen Amerikanern beziehen sich nur auf die Marines, die die Botschaft verteidigten!“.
Seine Worte gingen um die Welt wie ein Strohfeuer. Nach zwei Stunden hatte jeder Sender in den Vereinigten Staaten und viele ausländische Fernseh- und Radiostationen das Gespräch gesendet und den Menschen somit die Wahrheit über die US-Geheimoperationen verkündet. Man setzte nicht mehr auf die strike Geheimhaltung, sondern auf die Offenheit und das Verständnis der Weltbevölkerung.
21 Uhr 00, an Bord einer C-17 Globemaster III
James Masterson und sein Trupp aus Green Berets hockte auf den Sesseln im Frachtraum der Maschine. Sie waren wieder auf dem Weg nach Hause, zu ihren Familien. Die Night Stalkers hatten ihre Helikopter in die Maschine verladen, zwei Blackhawks. Der dritt blieb noch unten und sollte später mit einer anderen Maschine abgeholt werden.
Wenn James in den Staaten war, wollte er zuerst eine Stunde in die Badewanne liegen, das war sein grösster Wunsch im Moment. Natürlich freute er sich, seine Familie wiederzusehen, wie jeder verheiratete Kämpfer an Bord des Jets des Military Airlift Command, aber er fühlte sich als ganz besonders hervorgehoben.
Keiner der Soldaten trug mehr die Tarnuniform, sondern zivile Kleidung, Jeans, T-Shirts und ganz ordinäre Hemden.
Die Sonne versank hinter dem Horizont, als die Maschine gerade über den Atlantik kam. Der glühende Feuerball hüllte den Erdkreis wieder in Dunkelheit, als er versank. Der Schatten der Nacht fiel wieder wie ein Mantel über die Menschen und wenn sich die Sonne wieder erhob, brach ein neuer Tag mit neuen Aufgaben für solche Männer an, wie sie hier saßen. Nicht nur für die Experten vom Militär sondern für jeden Menschen auf der Welt, der im täglichen Leben seinen ganz persönlichen Kampf führt.
ENDE.
© by Alexander Klock, 2001
alexanderklock@yahoo.de