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David und die Dunkelheit
1 Erwachen
Träumte er? Es war dunkel. Was war passiert? Sein Kopf schmerzte. Konnte man von Dunkelheit träumen? Wohl eher nicht. Was war da an seinem Hinterkopf? Ein nasser Fleck, die Haare waren verkrustet. War das Blut? Wieso war es dunkel? Was war passiert?
Er bemerkte, dass er am Boden lag. Er hob die Arme, als würde er schwimmen. Links knallte er gegen etwas flaches, wohl eine Wand. Rechts, gegen eine Kante. Er tastete sich an der Kante entlang, griff zu und zog sich daran hoch. Dabei dröhnte der Schmerz in seinem Kopf kurz auf, ehe er wieder in den ursprünglichen monotonen Tonfall zurück fiel.
Nun tastete David die Kante mit beiden Händen ab. Es war eindeutig ein Becken, und schlagartig fiel ihm alles wieder ein.
Er war an diesem Freitagabend der letzte in der Kanzlei gewesen. Er hatte gerade die letzten Aufräumarbeiten, die jeden Tag nach der Arbeit eine Art Abschlusszeremonie darstellten, erledigt, und wollte nur noch schnell auf die Toilette gehen, da er es nicht mehr bis nach Hause geschafft hätte. Dann ein dumpfer Schmerz am Hinterkopf. Und dann Dunkelheit, bis jetzt.
Nun, da er sich wieder entsinnen konnte, was zuletzt geschehen war, spürte er seine Blase, und plötzlich war sein einziger Gedanke der, sich zu erleichtern. Er drückte sich also an der Kloschüssel hoch und wollte gerade seinen Hosenschlitz öffnen, als ihm wieder einfiel, dass es ja dunkel war, und er die Schüssel so wohl nicht treffen würde. Das Bild des Klos, dass in seinem Kopf durch seine Erinnerungen und durch die Berührung der Schüssel entstanden war, war so klar gewesen, dass er für einen Moment vergessen hatte, dass er nichts sehen konnte.
Jetzt wusste er es wieder. Und er brauchte Licht, ganz klar. Er drehte sich um, dahin, wo die Tür sein musste. Er streckte die Hand aus, ertastete den Lichtschalter und - nichts.
Er drückte den Schalter erneut, erneut geschah nichts. Er drückte noch drei, vier Mal. Sinnlos, klar. Doch der psychologische Effekt, den das hatte, nämlich sich selbst das Gefühl zu vermitteln, alles menschenmögliche getan zu haben, stellte sich ein. Immerhin.
Das alles änderte allerdings nichts daran, dass seine Blase immer noch drückte wie wahnsinnig. Er zog sich also seine Hose bis zu den Knien und setzte sich aufs Klo. Nun konnte er es endlich laufen lassen. Was für eine Erleichterung!
2 Panik
Nach getanem Geschäft stand er vom Klo auf, betätigte die Spülung und wandte sich zum Waschbecken, dass sich momentan rechts von ihm befand. Er wusch sich die Hände, trocknete sie am Handtuch ab, und wollte nun die Dunkelheit verlassen. Doch es ging nicht.
Er versuchte den Schlüssel nochmal zu drehen, es tat sich nichts. Verschlossen konnte die Tür also nicht mehr sein. Vielleicht klemmte sie? Er warf sich dagegen, wieder nichts.
Irgendetwas stimmte eindeutig nicht, das war ihm jetzt klar. Er war sich nun auch sicher, dass er nicht etwa ausgerutscht, und sich so den Kopf gestoßen hatte, oder ähnliches. Nein, es war jetzt eindeutig, dass ihn hier jemand mit Absicht eingesperrt hatte.
>>Hallo, lasst mich wieder raus, was soll die Scheiße?<<, schrie er, während er gegen die Tür hämmerte. Niemand antwortete. >>Hallo! HAAAALLO!<< Mit jedem Schlag auf die Tür hämmerte auch der Schmerz in seinem Kopf. >>Haallo… bitte!<< Er glaubte jetzt schon nicht mehr daran, dass ihn jemand hörte. Er war ja vorhin schon alleine gewesen, die einzige Person die ihn - wenn überhaupt - hören hätte können, war die selbe, die ihn hier eingesperrt hatte. Und die würde ihn wohl nicht raus lassen. Es war offensichtlich, dass es sich hier nicht um einen Scherz handelte. Ein Scherzbold schlägt einen nicht nieder.
Er lehnte sich an die Tür und sank zu Boden. Seine Füße konnte er sitzend gerade so ausstrecken, seine Zehenspitzen berührten die Kloschüssel. Was sollte das hier? Wer würde so etwas tun?
Die Dunkelheit machte ihn nervös. Er sah sich um, suchte nach Licht, doch nicht einmal der Türspalt, den er mit seinen Händen ertastet hatte, lies Licht erahnen.
Es war völlig finster.
Er war ganz alleine.
Sein Handy! Ihm fiel sein Handy ein. Wo war es? Es sprang auf, taste sich ab, einmal, zweimal, dreimal, wo war es? Hosentasche vorne links, nichts. Hosentasche vorne rechts, nichts. Hosentaschen hinten, nichts. Wo war es?
Er musste es einsehen, es war nicht da. Wahrscheinlich hatte sein Peiniger es ihm abgenommen, als er bewusstlos war. Oder es lag noch auf seinem Schreibtisch, er wusste es nicht. Er wusste nur, es war nicht da.
David hämmerte wieder gegen die Tür, heftiger als je zuvor. Er schrie, keine bestimmten Worte, es war einfach nur Gekreische. Das machte seine Kopfschmerzen noch stärker, bis sie schließlich so schlimm waren, dass er sich mit den Handflächen an die Schläfen griff und in die Knie ging. Sein Rücken stieß am Klobecken an, seine Augen pressten Tränen heraus.
>>Das ist nicht lustig.<<, winselte er.
Er kippte zur Seite, schlug mit dem Kopf gegen die Wand, was einen erneuten Schmerzensschauer wie einen Blitz durch seinen Kopf jagen ließ. Er schrie auf. Und weinte.
3 Hass
David saß da, wusste nicht wie lange er nun schon wach war. Es war still. Es war dunkel. Theoretisch. In seinem geistigen Ohr hörte er das Dröhnen seines Kopfschmerzes. Vor seinem geistigen Auge tanzten bunte, unförmige Figuren im Takt dazu.
Er versuchte beides zu ignorieren. Er konzentrierte sich auf die Frage, wer es sein konnte, der ihn hier eingesperrt hatte. Es musste jemand aus der Kanzlei gewesen sein. Vielleicht Linda. Oder dieser neue… wie hieß er noch? Oliver? Viktor? Der hatte auf David von Anfang an einen sehr gestörten Eindruck gemacht. Wahrscheinlich war es Holger Leguk gewesen, der hatte David noch nie gemocht, weil er wusste, dass David besser war als er. Oder vielleicht war es auch Hilde Ecrus gewesen. David hatte sich letztes Jahr auf der Weihnachtsfeier von ihrem Ehemann einen blasen lassen. War es sein Problem, dass ihr Mann ihr untreu war? Sicher nicht! Oder es hätte auch Stefanie Runis sein können. Sie und David hatten erst vor einer Woche einen größeren Streit über das Vorgehen in einem Fall gehabt, und ihre Chefin Eleonora Kweibl hatte David Recht gegeben. Stefanie war immer schon sehr eitel gewesen, wer weiß? Vielleicht hatte sie das so sehr in ihrer Ehre verletzt, dass sie zu so einem Schritt bereit war.
>>Aber deswegen musst du mich doch nicht hier einsperren, du elendige Dreckskuh!<<, brüllte er und hämmerte mit der Faust nach links gegen die Tür, was seine Kopfschmerzen wieder aufflammen und die Oberhand über seine Gedanken gewinnen ließ. David stöhnte, griff sich wieder an die Schläfen.
Drei Tage. Es war sehr wahrscheinlich, dass er hier drei Tage ausharren musste. Am Wochenende kam normalerweise nie jemand in die Kanzlei. Die nächste Person, die kommen würde, war aller Voraussicht nach der Putzmann, der Montags seinen Dienst um viertel vor fünf Uhr morgens antrat. Bis dahin… nun bis dahin war David wohl hier eingesperrt.
Dieser Gedanke schnürte ihm die Kehle zu. Er hüpfte auf, blendete den erneuten Aufschrei seines Kopfes aus, drehte panisch den Wasserhahn auf und trank.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, wie das Wasser seine Speiseröhre hinunter rann. Dadurch, dass um ihn herum Dunkelheit herrschte, fühlte er jede Berührung viel intensiver. Es war fast so, als wäre er eins mit seiner Umgebung. Es war, als wäre er selbst die Dunkelheit.
Das Gefühl endete abrupt, als er das Wasser wieder abdrehte.
Er setzte sich wieder. Er fühlte sich elend. Nicht nur wegen der Schmerzen, nicht nur wegen seiner im wahrsten Sinne des Wortes beklemmenden Situation. Auch irgendwie…allgemein.
4 Hunger
Was war jetzt? David spürte, dass er die Augen geschlossen hatte. Er öffnete sie, doch nichts änderte sich. Hatte er geschlafen? Er war sich nicht sicher, wie konnte er, diese Dunkelheit hatte sein Zeitgefühl komplett durcheinander gebracht. Und das nach ziemlich kurzer Zeit… nahm er an.
Sein Magen knurrte. Es war das erste Mal, seit er hier drinnen war, dass er Hunger verspürte. Er schloss daraus, dass er noch keine vierundzwanzig Stunden eingesperrt sein konnte.
Scheiße!
Doch es gab auch gute Nachrichten! Seine Kopfschmerzen hatten deutlich nachgelassen. Glich das Pochen vor einigen Stunden (?) noch einem schweren Bass, war es nun zu dem leisen Ticken eines Metronoms geworden. Das tröstete ihn ein bisschen. Er hatte schon befürchtet, er müsse den Schmerz nun Tage lang aushalten.
Dieser Trost machte ihn jedoch kein bisschen satt. Er beschloss, Wasser zu trinken, um den Magen gefüllt zu haben und so den Hunger möglicherweise ein wenig einzudämmen. Also trank er wie ein verdurstendes Kamel, gluck-gluck-gluck-gluck.
Und nun war ihm schlecht. Er hatte zu viel und zu schnell getrunken. Er rülpste und rutschte an der Wand wieder in seine Sitzposition, die ihm schon in den Knien weh tat, weil er seine Beine nicht ganz ausstrecken konnte. Er wollte sich hinlegen, was er auch tat, doch der Boden war so hart, er hatte Angst, dass das seine Kopfschmerzen wieder verschlimmern würde. Also zog er seine Jeans aus, kalt war ihm nicht, und nutzte sie als provisorischen Polster. Er legte sich der Länge nach hin, mit dem Kopf zur Türe. Er wollte sich auf die Seite drehen und knallte mit dem Knie gegen die Kloschüssel.
>>Scheiße, du Depp!<<, sagte David zu sich selbst. Er hätte wissen können, dass die Schüssel da im Weg war.
Schnell bereute er ein zweites Mal seine Entscheidung, sich auf die Seite zu drehen - ihm wurde noch schlechter. Er drehte sich (vorsichtig!) wieder auf den Rücken, hörte und spürte wie sich das Wasser in seinem Magen bewegte. Das war ihm zu viel. Er setzte sich ruckartig auf, und war mit seinem Mund gerade rechtzeitig über der Kloschlüssel, als er sich übergab. Das ganze Wasser schoß so schnell aus ihm heraus, wie er es getrunken hatte.
Als sein Magen leer war, legte er sich wieder auf seine Jeans. Es ging ihm nun besser. Und Hunger hatte er auch keinen mehr.
>>Super zum Abnehmen!<<, sagte er und lachte wie ein Idiot.
5 Langeweile
Es verging wieder Zeit. Er wusste immer noch nicht wieviel, aber er war froh zu wissen, dass sie überhaupt verging, denn so rückte seine Befreiung näher.
Momentan war ihm verdammt langweilig. Er hatte sich an alles gewöhnt - die Dunkelheit, die Dimensionen des Raumes, das verlorene Zeitgefühl, den flüsternden Schmerz in seinem Kopf. Und zur Zeit kam er auch ganz gut mit den gegebenen Umständen klar. Wie gesagt, seine Befreiung rückte mit jedem seiner Atemzüge näher.
Er bemerkte, dass er an seinem Geschlechtsteil herum spielte. Er hatte keine Ahnung, wie lange schon, manchmal tat er das einfach so, wenn seine Hände nichts besseres zu tun wussten. Tatsache war jedenfalls, dass sein Penis halb steif war. Es gab sonst nichts zu tun, also wieso die Gelegenheit nicht nutzen?
Er öffnete die Knöpfe seiner Unterhose und packte seinen Schwanz aus. Er wichste immer mit links, mit der rechten Hand fuhr er unter sein T-Shirt und streichelte in sanften Zügen seinen Oberkörper, spielte an seinen Brustwarzen, zwickte sie leicht. Der Vorteil, der in der Dunkelheit lag, war, dass er nicht krampfhaft die Augen schließen musste um sich etwas vorzustellen. Sein geistiges Auge und sein fleischliches waren verschmolzen und er sah zwei Frauen auf einer cremefarbenen Couch dabei zu, wie sie sich genüßlich gegenseitig Schokolade von den Brüsten leckten. Als sie fertig waren, luden sie David zu sich auf die Couch ein und nun leckte er ihre Körper. Sie waren nicht mehr voller Schokolade, aber sie schmeckten immer noch süß. Sie bearbeiteten in der Zwischenzeit seinen Penis mit ihren Händen. Dann, endlich, setzte sich die eine auf seinen Schwanz, die andere setzte sich auf seinen Mund. Und genüßlich wippten sie mit ihren Hüften vor und zurück.
David stöhnte.
David zwickte seinen linken Nippel.
David spürte, wie ein warmer Saft über seine Finger floss.
Nun pochte sein Kopf wieder.
Nun war er wieder deprimiert.
Nun hatte er wieder Angst.
6 Die Stimme
David lief am Klo auf und ab - das hieß, nicht ganz drei Schritte zu machen, sich umzudrehen, und wieder nicht ganz drei Schritte zu machen. Er hatte langsam Sorge hier durchzudrehen. Er dachte, dass es eigentlich schon längst Montag Morgen sein müsste. Er hatte wieder Hunger. Er sehnte sich nach Sonnenlicht. Und Bewegungsfreiheit. Und einem Bett. Und er hatte Hunger. Er sehnte sich nach einem weichen Sitzpolster. Er sehnte sich nach Unterhaltung. Nach seinem Handy. Und er hatte Hunger. Er hatte Hunger, verdammt.
Mit beiden Fäusten hämmerte David nun wieder gegen die Tür.
>>Lasst - mich - raus - ihr - HURENKINDER!<<, keine Antwort. David gab einen Schrei von sich, der klang wie jener der Germanen, als sie die Römer aus ihrem Reich vertrieben. Wieder flammte der Schmerz in seinem Schädel auf, was interessierte es ihn? Was interessierte es ihn, der Schmerz hätte noch viel schlimmer sein können und es wäre ihm egal gewesen. Er hämmerte mit seinem Kopf so fest er konnte gegen die Tür. TUSCH-TUSCH-TUSCH. Völlig egal!
David fühlte, wie ein dünner, warmer Fluss von seiner Stirn über seinen Nasenrücken floss und an ihrer Spitze einen kleinen Tropfen bildete. Er schüttelte den Kopf wie wild.
Müsste nicht eigentlich irgendjemand nach ihm suchen? Vermisste ihn denn niemand?
Du tust fast so, als ob zu Hause jemand auf dich warten würden., sagte ich.
>>Hallo?<<, sagte David. >>Ist da jemand? Ich bin hier! Hiiiier!<<
Aber da war niemand.
Tatsächlich wartete zu Hause niemand auf ihn. Er war für dieses Wochenende auch nicht verabredet gewesen. Und es kam schon öfters vor, dass er länger nicht auf Nachrichten auf seinem Handy antwortete. Also lautete die Antwort nein, niemand suchte ihn zur Zeit.
Du bist schon eine traurige Gestalt!, lachte ich.
>>Hallo, da ist doch jemand!<<
Keine Antwort.
>>Ich glaube, ich drehe wirklich langsam durch.<<
Er bereute nun, dass er seinen Kopf gegen die Tür geschlagen hatte. Nicht nur, weil er glaubte, dass er wahnsinnig wurde, sondern auch, weil sein Schädel wieder unerträgliche Schmerzen von sich gab. Und die Wunde auf seiner Stirn brannte ein bisschen, das Blut, das langsam eintrocknete, fühlte sich unangenehm auf der Haut an.
Bist wohl doch nicht so tough wie du vorhin geglaubt hast., sagte ich im arrogantesten Tonfall, den ich zusammenbrachte.
>>Jetzt reicht’s!<<, schrie David. >>Ich hör doch, dass da jemand ist!<<
Das bildest du dir ein., sagte ich. Da bist nur du und dein Elend.
>>LASS MICH RAUS DU SAU!<<, schrie er.
Keine Antwort.
Stille.
Nur das Dröhnen des Schmerzes in seinem Kopf.
7 Wahn
Es verging wieder einige Zeit. Er versuchte des Öfteren mit dem zu kommunizieren, was er glaubte zu hören. Aber es kam nie etwas zurück. Natürlich nicht, dachte er. Er war alleine.
Nun ja, nicht ganz alleine. Wenn man eine Person mit einem freien Willen gleichsetzte, dann war er nicht alleine. Dann gab es da noch jemanden - den Hunger. Der hatte nämlich seinen eigenen Willen entwickelt. Er hatte David gedroht, würde er nicht essen, würde er ihn mit unendlichen Schmerzen bestrafen, und nun machte er diese Drohung war. Es war ihm egal, dass David einfach nichts zu essen hatte. Er war wie ein Mafia-Boss. Konntest du nicht zahlen, brachte er dich eben um.
In seiner Not und seiner beginnenden Geisteskrankheit aß er nun Klopapier. Er hielt dies für eine gute Idee um Boss Hunger hinzuhalten.
Du frisst Klopapier, du bist echt ganz unten angekommen., lachte ich ihn aus.
>>Was soll ich deiner Meinung nach… was?<< David hüpfte auf und stieß sich dabei seinen Kopf am Waschbecken. >>Wer ist da?<<
Niemand.
>>Und wer spricht dann da?<<
Ich antwortete nicht.
Davids Magen knurrte wieder. Er suchte den Boden nach dem Klopapier ab, blieb aber stehen und lauschte weiter aufmerksam, während er sich die Blätter wie Chips in den Mund stopfte.
>>Ich dreh’ gerade durch.<<, sagte er.
Sensorische Deprivation., warf ich ein.
>>Ja genau, so heißt das!<<, sagte David mampfend. >>Nach dem Begriff suche ich schon die ganze Zeit, wieso ist mir das….. das bin ja ich!<<, schrie er und warf das Klopapier weg, was nichts brachte, da es fünfzig Zentimeter vor seinem Körper von der Wand abprallte und auf den Boden fiel.
Ich lachte.
>>Lass das!<<, sagte er, und Griff sich an den Kopf. >>Nicht hinhören… oder besser noch, es gar nicht denken.<<
So wirst du mich sicher nicht los.
David schrie auf. >>Gut, du willst nicht still sein? Hm? Hm? Dann werde ich eben dafür sorgen, dass du still bist!<<
David drehte den Wasserhahn voll auf. Statt des Rauschens seines Blutes hörte und nun das Rauschen und Plätschern des Wassers.
Ich lachte ihn wieder aus. Ich kann lauter sein als das!
>>Ach ja???<<, sagte er. >>Und was ist damit?<<
Wie ein Verrückter begann er damit, die Klospülung zu betätigen. Das war zwar lauter als der Wasserhahn, aber
Ich kann trotzdem lauter sein, und die Spülung läuft nicht ewig.
David knirschte mit den Zähnen. Er nahm den Klodeckel und schmetterte ihn mit voller Wucht auf die Schüssel. Immer und immer wieder. TING-TING-TING-TING.
Ich verhielt mich ruhig, ich wollte ihn in Sicherheit wiegen.
Und es funktionierte. Er dachte, er hätte diese Stimme, woher auch immer sie kam, ruhig gestellt. Hörte aber nicht auf, diese Geräusche zu machen.
>>Na, jetzt bist du still, was? Das ist zu laut für dich, nicht?<<
Ich ließ ihn fünf Minuten, oder wer weiß wie lange, weiter machen, ehe ich sagte:
Du bist erbärmlich.
David schrie und knallte den Klodeckel so fest auf die Schüssel, dass er in dutzende Teile zersprang. Er schrie immer weiter, hörte nicht auf. Er dachte, dass würde endgültig Stille bringen.
Aber ich lachte nur.
>>HÖR AUF! HÖR AUF ZU LACHEN!<<
Ich dachte nicht daran.
8 Dunkelheit
Das Spiel spielten wir, oder besser gesagt er, eine Weile. Ich sagte ihm immer und immer wieder, dass er mich so nicht loswerden würde. Das brachte ihn dazu, zu drastischen Mitteln zu greifen.
Er zerschlug den kleinen Spiegel über dem Waschbecken mit seiner Faust. Er hatte wirklich viel Kraft, wenn er wütend war, dass erstaunt ihn. Dann ertastete er einen großen Splitter, brach ihn heraus, und hielt ihn sich drohend an den Hals.
>>Wenn du nicht still bist<<, sagte er. >>dann töte ich uns.<<
Auch so wirst du mich nicht loswerden!, beteuerte ich. Sei vernünftig.
>>Ich will nicht vernünftig sein. Ich will einfach nur, dass du still bist!<<
Tut mir Leid., sagte ich. Aber ich lasse mir von dir sicher nicht den Mund verbieten!
>>Du willst es nicht anders!<<
Er rammte sich die Spiegelscherbe in die Carotis und lachte dabei, als würde der Schmerz ihm Spaß machen.
>>Spü…spürst du es schon?<<, fragte er.
Was soll ich spüren?, ich war genervt. Er verhielt sich kindisch.
David zog die Spiegelscherbe einmal sauber von links nach rechts.
>>Jäz? Sürus jäz?<<, gurgelte er und kippte nach vorne auf die Kloschüssel. Er zuckte ein bisschen.
Du bist so dumm., sagte ich. Dumm und erbärmlich.
Normalerweise war jener Moment, den David gerade durchlebte, der im Leben eines Menschen, in dem die ruhige und schöne und einladende Dunkelheit einen holen kommt. Für gewöhnlich ist es ein schöner Moment, doch David konnte ihn nicht genießen. Er bemerkte die Dunkelheit nicht.
Mich wurde er nicht los. Ich war noch immer da.
Ich werde immer da sein.