Das Zusammentreffen
Das Zusammentreffen
(c) 2002 Stephan M.Moll
Langsam streckte die Sonne ihre morgendlichen Fühler aus, die sich langsam über den Horizont hinweg aufmachten, die Landschaft abzutasten. Auf ihrem Weg durch das Land ließen sie ein Wohnmobil hell aufleuchten. Der Besitzer des Gefährts polierte es bereits seit Stunden und war deshalb morgens extra früh aufgestanden, er ließ den Polierlappen über das Blech rotieren. Seine Tochter stand in der Haustür, und winkte verhalten, er nahm es kaum war, sosehr war er damit beschäftigt, das Wohnmobil von den Beleidigungen des Alltags zu reinigen. Bald würde er die lange erwartete Tour mit seinem Wohnmobil beginnen – alleine.
Viele Stunden später...
Das Blut klebte an seinen Händen, es befleckte sein Hemd. Das Blut trocknete schnell zu einem schwarzen Fleck ein, die Hose, die aus einem dunklen Stoff bestand, ließ schwer erahnen, daß sie getränkt war mit Menschenblut. Doch was sollte er tun? Er, der die Tat begangen hatte, stand nun da, alleine mit dem Opfer, und mußte zusehen, wie er die Leiche los wurde. Er beschäftigte sich im Moment nicht mit dem Problem, wieso er diese Tat überhaupt begangen hatte, nein, vielmehr bereitete ihm das Problem der Entsorgung Kopfzerbrechen. So einen Mord zu begehen ist ja leicht, aber den toten Körper zu beseitigen, stellte sich als viel größeres Problem heraus. Er kannte sich in dieser Gegend nicht aus, er war hier hergekommen, um seine Tat, die ihn hier hin getrieben hatte, zu vollbringen, aber Gedanken über die Beseitigung hatte er sich nicht gemacht. Sein Wohnmobil stand am Waldrand und er rannte nervös auf und ab, er dachte sich, daß der Zeitpunkt, an dem das Verschwinden des Mädchens bemerkt wird, nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Bald würden die Eltern, überwältigt von der Angst um ihre minderjährige Tochter, erst einmal deren beste Freundin anrufen, um dann, wenn dies ohne Erfolg bleiben würde, die Polizei zu alarmieren. Horden von Polizisten würden dann den Wald nach dem Leichnam des Kindes suchen, das er ermordet hatte. Nun, diese Feststellung brachte ihn nicht weiter, eine Lösung mußte her. Ihm kam die Idee mit dem Messer, also das Opfer in Teile aufzulösen, es nicht mehr als Opfer sichtbar zu machen, sondern es in Bestandteile aufzuteilen. Doch das alles stellte sich als schwieriger heraus, als er dachte. Sein Wohnmobil, das vorhin noch sauber war, leuchtete nun im Angesicht der brutalen Tat, wie das Heim eines Mörders. Er dachte sich immer, wenn er vor dem Wohnmobil stand, daß jeder, der mit dem Auto hier vorbeifuhr, erkennen müßte, was hier passiert war. Doch niemand bemerkte etwas, jeder, der das Wohnmobil sah, fuhr daran vorbei und dachte sich nichts bei diesem Wohnmobil, einfach nur ein Wohnmobil. Die Situation spitzte sich zu, das Opfer war bereits mehrere Stunden tot, und die Eltern würden das Verschwinden ihrer Tochter bald bemerken, bald würden die Horden der Sicherheitskräfte über die Wälder herfallen und mit Hubschraubern jeden Winkel des Waldes aus der Luft untersuchen. Er wischte sich das Blut von den Fingern, und packte alles in einen Sack. Der Sack war klein und billig, es war ein Plastiksack, der irgendwo in einer Fabrik für Plastikartikel hergestellt wurde, um irgendwann einmal als Behälter für Schmutz und Dreck zu dienen. Er war besonders reißfest, nun, er war etwas teuerer als die ganz billigen, die nicht reißfest waren. Was für ein Wert, was tat ihm das gut, wenigstens etwas Gutes getan zu haben. Ein guter Plastiksack vermochte schon etwas zu bewirken, wie gut, daß es das gab. Er zog sich aus, und legte seine schmutzige, vom Opferblut getränkt Hose und Hemd mit in den Sack, danach nahm er einen Putzlappen und Eimer mit Wasser und reinigte sein Wohnmobil, der Schmutz, das Blut, das Signal, alles mußte weg sein - nachher, wenn er die Leiche fortgebracht hatte, sollte nichts mehr an das Opfer erinnern, alles was war, sollte nur noch in seinem Gedächtnis sein, gespeichert als Erinnerung, bis die Erinnerung wieder aufgefrischt werden mußte. Also reinigte er alles, und Nichts, bis auf den Plastiksack, der in einer Ecke lag, erinnert mehr an das Opfer. Er packte den Sack mit dem Opfer auf den Beifahrersitz und legte einen Gang ein, das Wohnmobil rollte langsam an und fuhr die lange dunkle Straße in den Wald hinein, immer tiefer und immer weiter weg von dem Punkt, an dem das Opfer, noch lebendig, den Himmel gesehen hatte. Fremde Fahrzeuge fuhren an ihnen vorbei, er sah auf den Plastiksack, der an einer Stelle gerissen war, dort trat ein Bluttropfen aus, der den Stoffbezug des Wohnmobils berührte. Er fluchte in Gedanken und drückte mit seiner Hand das Loch in dem Plastikbeutel zu, doch dann hatte er Blut an seinem Finger, das Loch vergrößerte sich, und Haare waren zu sehen. Er fluchte immer lauter, verdammte Plastiktüte, verdammtes Opfer, immer noch kämpfte das Opfer. Das Wohnmobil stoppte seine Fahrt, und rollte in einen Feldweg. Fremde Fahrzeuge rollten an dem Wohnmobil vorbei, war da was zu sehen, an diesem Wohnmobil? Er stieg aus, und nahm einen neuen Plastiksack und stopfte sein Opfer, das ihm immer kleiner und kompakter an Gewicht und Größe erschien hinein. Sicherheitshalber nahm er noch einen Plastiksack, und steckte den anderen Sack noch einmal in den neuen. Sicher ist sicher. Das Wohnmobil fuhr weiter. Er suchte noch nach einer Stelle, an dem er sein Opfer los werden könnte. Jeder Fleck im Wald wäre würdig gewesen, doch es muß ein Punkt sein, an dem er, ohne gestört zu werden, sein Last loswerden könnte. Überall könnten die Polizisten auftauchen, überall war er der Gefahr ausgesetzt, gefunden zu werden, überall könnte der Punkt sein, an dem er und seine Fracht gefunden würde. Das Wohnmobil rollte über die alte bucklige Straße immer tiefer in den Wald und sucht nach der Stelle der totalen Ruhe, so wie die Stelle, an der er sein Opfer umgebracht hatte. Doch so eine Stelle funktionierte nur einmal, nur einmal ist so ein Punkt für diese Sache nutzbar. Einmal nur, einmal für einen Mord, und der zweite Punkt einmal nur für die Beseitigung. Doch so eine Stelle zu finden, war nicht einfach, er kannte das Problem schon länger. Doch was sollte er nun tun? Es erschien so, daß immer mehr Fahrzeuge die Straßen bevölkerten, und die Luft immer dünner würde - nur diese zugewachsene Waldeinfahrt sah so aus, als ob sie jungfräulich genug wäre, ihn und sein Opfer aufzunehmen. Mit einem lauten Krachen rauschte das Wohnmobil über den Weg, herunterfallende Äste knackten unter der Last des Wohnmobils - das erinnerte ihn an die kleinen Gliedmaße des Opfers, die in der Gewalt seiner großen Hände ebenfalls diesen Ton von sich gegeben hatten. Doch daran wollte er nicht denken, er mußte sein Wohnmobil lenken und durfte nicht das Gesicht des Opfers sehen, denn er wußte genau, daß, wenn er das Gesicht des Opfers sehen würde, entweder in Gedanken oder den Kopf im Plastiksack, er auf der Stelle würde sterben wollen. Das Wohnmobil krachte durch das Unterholz, wäre es nicht Hochsommer und die Wege nicht so trocken, dann wäre sein Fahrzeug im Morast versunken. Er dachte an einen Regenschauer, der den Weg in wenigen Sekunden in einen unpassierbaren Sumpf verwandeln würde und die Falle würde zuschnappen. Nach einigen Minuten blieb das Wohnmobil auf einer Lichtung stehen, die Nachmittagsonne leuchtete mit ihren seligen Strahlen wärmend auf das weiße Wohnmobil, und die Äste der Bäume konnten den Eindruck entstehen lassen, daß sie nach dem Wohnmobil greifen würden. Er sprang aus dem Fahrzeug und ging um es herum, um die Beifahrertür zu öffnen, mit seiner linken Hand wuchtete er den Sack auf den warmen Waldboden aus Moos, danach verschloß er die Tür und drehte sich herum, er suchte den Wald mit seinen Augen ab, er suchte und suchte, wonach suchte er? Die Polizei hätte er schon gehört, was sollte ihm hier passieren? Er zog den Plastiksack hinter sich her, und suchte einen Platz, sein Opfer zu beerdigen. Erst wollte er den Sack verbrennen, doch das Feuer würde ein kilometerweit zu sehendes Signal geben. Nein, Feuer war zu gefährlich, nein, es sollte der Boden des Waldes sein, der sein Opfer aufnehmen sollte. Der Plastiksack hielt, aber in Gedanken stellte er sich vor, was passieren würde, wenn er... nein, er darf nicht an das Gesicht des Opfers denken, nein! Er blickte nach oben, hoch in den Himmel, und sah, daß sich langsam dunkle Wolken über den Bäume formierten - nach und nach verdunkelte sich der Himmel, ein Gewitter kündigte sich an. Es sollte auch nicht mehr lange dauern, bis ersten Regentropfen den Boden berührten. Schnell verwandelte sich der eben noch trockene Weg des Waldes in ein tiefes sumpfiges Etwas und alles, was mehr wog als ein Regentropfen, sackte bald ein. Nur unter dem dichten Blättermeer hielt der Boden noch eine ganze Weile seine Festigkeit.
Er zog den Sack hinter sich her, und suchte eine geeignete Stelle, ihn zu vergraben, in der anderen Hand hielt er einen Klappspaten, mit dem er das Loch graben wollte. Je weiter er von seinem Wohnmobil fortging, umso tiefer sackte er mit seiner Last im Morast des Waldes ein. Der Regen prasselte immer heftiger runter, und selbst das Dach des Waldes konnte den Regen nicht mehr aufhalten. Nun rauschte der Regen ungehemmt zu Boden und das Gewitter tanzte umher und leuchtete ihm einen kurzen Moment den Weg im Wald. Er schaute auf die Uhr, der Nachmittag verwandelte sich fix in den Abend, und die Dunkelheit ließ alles unsichtbar werden. Der Regen ließ leicht nach, und es schien ihm, daß er die passende Stelle gefunden hatte, seine Fracht zu vergraben. Er rammte den Spaten in den weichen Boden, und legte den Plastikbeutel daneben. Danach schaute er sich den Boden genauer an, das Moos schmatzte laut, als er seine Hand hineindrückte. Er drehte sich um und sah sein Wohnmobil hell leuchten, drehte sich wieder um und begann ein Loch auszuheben. Er durfte nie an das Opfer denken, nein, nicht das Gesicht, nur an nichts denken, was die Persönlichkeit dieses Menschen in irgendeiner Form hätte zeigen können. Er hob ein Meter tiefes Loch aus und stand bis zu seinem Bauch in ihm drin. Nach und nach wurde die Lagerstätte für das Opfer fertig, er hob den Plastiksack hoch und schob ihn langsam in das Erdloch. Jeden Moment rechnete er damit, daß das Opfer aus dem Sack springt und ihm Vorhaltungen macht, weil er es umgebracht hatte. Doch diese kurzen Gedankenträume dauerten nur kurz an, schnell war alles wieder vergessen, für einen kurzen Moment lang. Er schaute sich um, sein Wohnmobil stand hell leuchtend da, und wartete, aus diesem Sumpf wieder herausgefahren wird. Keine Polizei, alles klar und das perfekte Ende für einen perfekten Mord. Keine Spuren, keine Gesichter, alles klar. Bis auf dieses Geräusch, dieses Knacken im Wald, das Zerbrechen von Ästen unter schwerer Last. Er duckt sich, er schaut, wer das war! Ein Mensch? Ein Tier? Was ist er, wenn er gesehen wird, ein Mensch, ein Tier? Ein Fabelwesen, das man Menschtier nennen würde? Ein Wesen, das seine Opfer brutal zerstückelt und liebevoll im Wald vergräbt. Dann dort, ein anderer, der ihm in die Augen blickt, ein anderer, der etwas mit sich führt, ein Fremder, der nichts fremdes an sich hatte, ein anderer, der selbes mit sich führte wie er ?
„Was tun Sie da?“
„Das fragen Sie mich? Was tun Sie hier?“
„Ich arbeite hier, ich arbeite hier und grabe Löcher!“
„Warum?“
„Weshalb fragen Sie? Was machen Sie hier? Wozu benötigen Sie diesen Spaten?“
„Ich, ich grabe Löcher um etwas zu vergraben, und Sie?“
„Ich grabe auch, aber weswegen sind wir uns so ähnlich?“
„Ähnlich? Wieso?“
„Ich sehe, daß Sie eine Plastiksack mit sich führen, so einen hatte ich bis eben auch?“
„Was war drinnen in dem Sack?“
„Das sage ich nicht, das ist mein Geheimnis.“
„Ich sehe, daß Sie Blut an Ihrer Hand haben, wieso?“
„Das ist nicht mein Blut, das ist das Blut eines...“
„...eines Opfers, eines kleines Mädchens?“
„Ja!“
„Aha, so wie bei mir auch.“
„Kennen wir uns?“
„Nein, aber wieso reden wir hier, wieso haben wir uns an diesem Punkt hier getroffen, um gemeinsam unsere Opfer zu vergraben.“
„Nicht vergraben, nein, begraben.“
„Begraben? So habe ich das noch nicht gesehen.“
Der Regen setzte wieder ein, und alles wurde noch mehr durch das niederfallende Wasser in einen Sumpf verwandelt. Beide schauten sich an und sahen sich gegenseitig zu, wie sie ihre Plastiktüten ordentlich im Boden des Waldes verschwinden ließen. Nachdem beide ihre Arbeit erledigt hatten, verloren sich ihre Blicke und beiden gingen eigene Wege. Am Wohnmobil angekommen, öffnete er die Tür, und klopfte seine Stiefel ab, und setzte sich auf die Stufen seines Wohnmobils. Er schaute raus, raus in den Wald, in dem er sein Opfer vergraben hatte, und wo der andere sein Opfer vergraben hatte. Nun lagen dort zwei Opfer, einen Meter tief und eingehüllt in reißfesten Plastiktüten. Er im Wohnmobil legte sich auf sein Bett und zählte die Sekunden, die langsam durch den Wald liefen. Der Regen hatte den Weg unbefahrbar gemacht, jeder Meter, den er das Fahrzeug bewegen würde, würde den Wagen einen Meter tief in den Boden eingraben. Er mußte abwarten, bis sich der Boden wieder erholte, und seine alte feste Form zurück bekam.
Langsam kam die Morgensonne zum Vorschein und die ersten warmen Sonnenstrahlen durchbohrten den morgendlichen Nebel, der zwischen den Bäumen lag.
Er war eingeschlafen, der Tag hatte bereits die Nacht vertrieben und das helle Licht der Sonne trocknete den Weg schnell, so daß er bald mit seinem Wohnmobil wieder darüber fahren konnte. Die Uhr zeigte 10 Uhr und es wurde höchste Zeit sich aus dem Staub zu machen. Die Nacht hatte viele Gesichter, eines davon sah er kurz, er und der andere, sie standen da im Wald und vergruben ihre Opfer im Boden des Waldes. Nun lagen sie dort, vereint im feuchten und moosigen Boden des alten Waldes. Zwei Plastikbeutel, deren Inhalt jeden Menschen zum Erschaudern bringen würde, ein Inhalt, alle Eltern der Welt hätten Angst, zu glauben, daß ihr Kind darin sein könnte. Er, der mit dem Wohnmobil, drehte die Fensterscheibe seines Wohnmobils runter, um sicher auf dem frisch angetrockneten Weg zu rangieren. Bäume kratzten an dem ansonsten unversehrten Blech des Wohnmobils vorbei, beinahe so, als ob sie ihn festkrallen wollten, so als ob der Wald den Täter zum Halten zwingen wollte, ihn hier behalten wollte. Doch langsam rollte das Wohnmobil durch den Wald, um bald auf eine befestigte Straße zu kommen. Kurz stand das Fahrzeug, und der Dreck, der an dem Profil festklebte, fiel zu Boden. Er gab Gas und der Wagen rollte schnell hinaus aus dem Wald.
*****
„Wo ist meine Tochter?“
„Du meinst unsere Tochter, ich weiß es nicht, sie wollte gestern Mittag zu ihrer Freundin und dann da übernachten, das weißt Du doch.“
„Wieso ist sie dann noch nicht zu Hause?“
„Keine Ahnung, vielleicht sind sie ja nach dem Frühstück noch in die Stadt gegangen.“
„Frau, ich möchte wissen, wo sie ist?!“
„Ja, ja, ich werde gleich bei Ihrer Freundin anrufen und Fragen wo, sie ist! Aber wo warst du denn letzte Nacht?“
„Ich war mit dem Kegelclub unterwegs, du weißt doch, daß wir jeden Samstag nach dem Kegeln noch einen drauf machen.“
„So, das soll ich Dir glauben? Du fährst doch mit deinem Wohnmobil sonst nie irgendwo hin, wo es dreckig werden könnte! Schau es Dir mal an, wie der aussieht, als ob Du durch Schlamm gefahren wärst!“
„Was willst du damit sagen? Werd nicht frech!“
„Paß mal auf, Du machst mir Vorhaltungen, weil ich nicht weiß, wo unsere Tochter ist, aber Du kümmerst Dich nicht um die Erziehung!“
„Ich verdiene das Geld, und erwarte von Dir, daß Du, so lange Du Dir hier im Haus den Arsch breitsitzt, Dich um unsere Tochter sorgst! Es ist unser einziges Kind, und ist es denn zu viel erwartet, daß Du Dich um sie kümmerst?“
„Jetzt hör bitte auf, Du rennst ständig durch die Weltgeschichte, mit Deinem Wohnmobil und bist kaum zu Hause. Ich dachte, wir würden mit diesem sündhaft teuren Teil in den Urlaub fahren... aber nein, Du fährst damit Deine Touren, und wir sitzen hier rum und machen Urlaub auf Balkonien.“
„Ich gehe dafür arbeiten und habe das Recht, damit zu tun und zu lassen, was ich möchte! Jetzt ruf die Freundin an, und frag, wo unsere Tochter ist.“
Er saß alleine da, es waren bereits mehrere Stunden vergangen, seit seine Frau bei der Freundin ihrer Tochter angerufen hatte. Doch die Tatsache, daß die Tochter bereits am tag vorher nachmittags das Haus der Freundin verlassen hatte, um nach Hause zu gehen, beunruhigte ihn und seine Frau. Die Frau ging los, zu Fuß den Weg von ihrem Haus zu dem der Familie der Freundin, um zu sehen, ob sie nicht irgendwo da wäre. Sie hatte Angst, die Polizei zu rufen, sie hatte Angst, daß ihre Nachlässigkeit zu dem geführt hat, wo beide nicht dran denken mochten. Er saß da, alleine am Küchentisch und schaute zu seinem Wohnmobil rüber, er dachte nach, er dachte an die letzte Nacht und an das, was er getan hatte. Die Tochter war schon seit Stunden vermißt, und nichts deutete darauf hin, daß sie wieder auftauchen würden. Alle Zeichen deuteten auf das Schlimmste, was sich Eltern vorstellen konnten - das ihre Tochter tot wäre. Man hatte doch soviel über verschwundene Kinder gelesen. Doch seine Frau ging entlang der Straße und rief den Namen ihrer Tochter, immer und immer wieder, immer lauter und verzweifelter - nichts zu sehen. Der Weg zwischen den Orten, in denen sie und die Familie der Freundin ihrer Tochter wohnten, war nur wenige Kilometer lang, und eine Abkürzung, die durch einen Wald führte, war bei den jungen Leuten sehr beliebt. Die Tageszeitung, die er auf dem Tisch liegen hatte, deutete nicht darauf hin, daß ein Mädchen verschwunden war, das Radio und das Fernsehen waren stumm, brachten nur gewöhnliche Nachrichten, aber nicht, daß ein Mensch verschwunden war. Er dachte wieder an die Nacht zurück, an den Plastiksack und seinen Inhalt, die zerteilte Leiche eines jungen Menschen, den er vorher noch durch die Hölle hatte gehen lassen. Er dachte an das blutige Messer und an das eingetrocknete Blut, das an seinen Fingern klebte. Doch das seine Tochter verschwunden war, war das ein Zufall? Er war gestern nicht in der Nähe, er war dort, wo man ihn und sein Wohnmobil nicht kennt, dort nahm er das Mädchen mit, das am Straßenrand stand, das war nicht seine Tochter, nein, oder doch - ihm wurde übel. Er dachte nach, doch je mehr er versuchte nachzudenken, umso mehr lähmte ihn der Gedanke an das, was er letzte Nacht getan hatte. Doch wieso suchte niemand nach dem Opfer? Wieso war alles still, normalerweise müßten doch Hundertschaften von Polizeibeamten unterwegs sein und Hubschrauber müßten den Himmel bevölkern. Nichts. Ruhe auf den Straßen, nur ein Auto fuhr ab und an am Haus vorbei. Die Tür fiel zu. Seine Frau war wieder da.
„Ich finde sie nicht, ich möchte nicht mehr leben, ich kann nicht mehr, sag doch was!“
„Ich, ich soll was sagen?“
„Ja, sag was! Du beleidigst mich ansonsten ja auch immer, jetzt kannst Du mich sogar umbringen, weil ich schuld daran bin, daß wir unsere Tochter verloren haben!“
„Verloren? Wieso? Ist sie tot?“
„Ja, meine Güte, wo soll sie denn sein? Ich finde sie nicht! Den Weg, den sie normalerweise geht, wenn sie bei ihrer Freundin war, da war sie nicht! Ich habe nichts gefunden, nicht einmal einen Beweis, daß sie dort lang gegangen ist!“
„Dann müssen wir die Polizei rufen!“
„Nein, ich, ich... ich fühle mich schuldig!“
„Wieso? Du weißt doch gar nicht, ob sie tot ist, vielleicht ist sie noch unterwegs?“
„Dummes Zeug, du Ignorant! Schau mal auf die Uhr! Es ist bald Mittag! Wo soll sie denn sein? Vielleicht hat sie ein Monster in ein Auto gezerrt und, und...“
„... und was? Was macht so ein Monster mit einem jungen Mädchen!?“
„ Du müßtest das doch wissen, du bist ein Mann, und Männer sind die Monster, die junge unschuldige Mädchen benutzen und dann beseitigen!“
„Halt Deinen Mund, sonst schlag ich Dich tot! Du weißt doch gar nicht, was in Männern vor sich geht!“
„Schlag doch! Das wäre besser als die Schande, daß ich für den Tod meiner Tochter verantwortlich gemacht werde!“
Das Wohnmobil rollte langsam aus dem Hof in Richtung Landstraße. Er legte den Gang sanft ein und das schwere Mobil rollte zügig an. Wohin? Die Suche nach seiner Tochter ist ein Unterfangen, das er in die Hand nehmen muß. Was würde die Polizei sagen, wenn sie erführe, daß sie erst einen Tag später das Kind als vermißt melden, doch das würde jetzt eh keinen Unterschied mehr machen. Er mußte allein suchen, solange, bis es keine andere Möglichkeit mehr gäbe, sie zu finden, dann muß er zu der Polizei und sie als vermißt melden. Eine Ampel, er bremst - unter dem Sitz kullerte der Beutel mit den Plastiktüten hervor - zusammen mit dem blutverschmierten Messer. Es kam ihm für einen Moment lang so vor, daß der helllichte Tag wieder zur Nacht würde und er sein Opfer wieder im Wohnmobil liegen hätte, allerdings verteilt auf dem Sitz. Der Horror griff in seinem Hirn um sich - sollte er tatsächlich seine eigene Tochter umgebracht haben? Das Mädchen, das er gestern am späten Nachmittag vom Straßenrand aufgegabelt hatte, sollte das seine eigene Tochter gewesen sein? Er war sich nicht sicher, er war besoffen, er kam vom Kegeln und hätte gar nicht ans Steuer eines Fahrzeuges gehört, doch damit rechnete er, weil sein Ziel, einen Menschen zu töten, bereits vor dem Besoffensein fest stand. Er plante bereits am Vortrag das, was er tags darauf umsetzte, so mußte er es in unregelmäßigen Abständen tun. Den Trieb, einen jungen Menschen durch die Hölle zu jagen, um ihn dann am Ende in das Höllenfeuer zu werfen, hatte er schon länger - wie lange, das wußte er nicht mehr. Er wußte auch nicht mehr, wieviele Opfer er im Wald begraben hatte. Nein, diese Nacht war die Schlimmste, die er je erlebte, nicht nur, weil er sich nicht sicher sein konnte, seine eigene Tochter ermordet zu haben, nein, auch den anderen Mann, den er im Wald sah und mit dem er kurz gesprochen hatte. Was für ein Geheimnis hatte der? Das Wohnmobil kam langsam an die Stelle, an der es gestern schon einmal gewesen war, er war sich nicht sicher, aber der Wald und die Wege, sahen so aus, als ob er schon mal hier war. Gut kannte er sich hier nicht aus, dafür lebte er noch nicht lang genug hier. Daß sie umgezogen waren, paßte seiner Frau nicht, er begründete es damit, einen besser bezahlten Beruf zu bekommen, doch die Wirklichkeit, die seine Frau nicht kannte, war eine andere. Dort, wo sie früher lebten, dort war der Boden blutrotgetränkt, und überall, wo er sich bewegte, sah er die Opfer, die er bestialisch ermordet und dann in den Wäldern beseitigt hatte. Seine Frau fragte ihn immer, wieso sie nie in den Wäldern ihrer Umgebung spazieren gingen, er lehnte das ab, immer wieder mit völlig unlogischen Begründungen, immer wieder. Immer, wenn er in der Nähe eines Waldes war, in dem er ein Opfer verscharrt hatte, sah er das Opfer vor sich stehen und hörte es schreien. Die Lösung hieß wegziehen, doch die Lust zu morden war nicht in dem alten Wohnort geblieben, sie kam mit, und saß ihm auf den Schultern und lachte immer laut, wenn er etwas sah, was seinen Mordabsichten entgegenkam. Die Lust, sich an Schwachen und Unschuldigen zu vergehen kannte er erst seit einem Zeitpunkt in seinem Leben, doch diesen Punkt, den Moment, an dem der Schalter umklappte, hatte er vergessen. Die Lust zu töten war über Nacht da, einfach so, einfach so war auch der Kampf verloren, diese Lust zu überwältigen. Sein Ziel ist die Lust, und die Lust ist das Töten, und das Töten ist seine Lust, die seinem Leben den Inhalt gibt. Doch das Schlimmste war, daß er nicht wußte, weshalb er das tat. Er bremste das Wohnmobil und schaute in einen Weg, der in den Wald führte. War das der Weg, in den er in der gestern hineingefahren war? Jeder Weg konnte es sein, jede Einfahrt prüfte er, ob es die von letzter Nacht war. Die Straße war nur sehr schwach befahren, die Sonne knallte heiß auf den Asphalt und die meisten Autofahrer wollten wohl den Mittag vergehen lassen, um ihre Erledigungen zu tätigen. Kurz darauf kam er an einen kaum zu erkennenden Weg, die Einfahrt war sehr schmal und abgeknickte Äste zeugten davon, daß hier jemand mit einem hohen Gefährt reingefahren war. Das mußte der Weg sein. Langsam lenkte er sein Wohnmobil in die Einfahrt, die Äste kratzten an der Außenwand des Fahrzeugs, ja, diesen Ton kannte er von der letzten Fahrt noch, er war an der richtigen Stelle, er war dort, wo ihn kurz danach der Regen überrascht hatte. Das Wohnmobil schob sich langsam über den Weg, der Regen, der letzte Nacht noch alles in einen Sumpf verwandelt hatte, war nun getrocknet und hat gewaltige Löcher hinterlassen. Die Achsen knackten laut, und jeden Moment schien es, daß sie brechen würden. Ein Allradfahrzeug wäre hier angebrachter gewesen, doch diese Gedanken interessierten ihn nicht. Ihn plagte die Angst, daß er seine eigene Tochter mißbraucht und getötet hätte - und er hatte sich geschworen, sich das Gesicht des Opfers nicht anzusehen. Nachdem er das Mädchen umgebracht hatte, legte er sie direkt mit dem Gesicht nach unten auf den Boden des Wohnmobils, er konnte es nicht ansehen, hätte er das Gesicht des toten Mädchen noch einmal gesehen hätte, wäre er zusammengebrochen. So erging es ihm immer, wenn er seine unheilvolle Lust ausgelebt hatte, einmal, das war einer seiner ersten Morde, sah er einige Minuten, nachdem sein Opfer tot war, noch mal in die Augen der Toten und wurde prompt ohnmächtig. Wie absurd, er, der ein so scheußliches Verbrechen begangen hatte, ihm wurde schlecht? Manchmal lachte er selbst über sich, und freute sich darüber, daß er doch noch menschliche Züge besaß. Absurd! Das Wohnmobil kam an die Stelle, an der es letzte Nacht bereits gestanden hatte, tiefe Spuren im mittlerweile eingetrockneten Schlamm zeugte von der Schwere des Fahrzeugs, das hier gestanden hatte. Er schaute auf seine Uhr, es war mittlerweile später Nachmittag, der dichte dunkle Wald kleidete alles in einen dunklen Mantel, und die Sonne, die diesen Mantel mit ihren hellen Strahlen durchbohrte ließ alles lebendig erscheinen, die Sonnenstrahlen tanzten durch die Baumwipfel und die Schatten malten Phantasiegebilde auf den Waldboden. Seine Füße wandelten weich gefedert über den moosigen Waldboden, der jeden Schritt leise abfederte und jedem Schritt wieder ein wenig Auftrieb gab. Doch wo sollte er suchen? Er wußte nicht mehr genau, wo er den Plastiksack vergraben hatte, die Nacht war wild, und seine Erinnerungsgabe in dem Durcheinander des Waldes eher gering. Doch viel mehr Angst hatte er, das Gesicht zu sehen, das Gesicht des Mädchens, das er zerteilt in einer Plastiktüte dem Waldboden geschenkt hatte. Jeder Schritt den er nun tat, ließ einen Ast knacken, dieses Knacken, er hatte Angst, dieses Knacken kannte er, immer wenn er sein Opfer beseitigte... nein, es war furchtbar, wenn da nicht diese Lust war. Er haßte sich selbst, aber nicht die Lust, die ihn antrieb, er haßte sich, weil er diese lastvolle Lust in sich trug. In der rechten Hand hielt er wieder den Klappspaten, der noch den hellgetrockneten Lehm des Waldbodens am Rand kleben hatte. Dieser Spaten, er hatte seinem Besitzer schon viele gute Dienste geleistet, oft rammte er ihn in den Boden, um ein Grab für ein Opfer auszuheben, oft teilte er Körperglieder entzwei, wenn es nicht mehr anders ging. Nach und nach waren beide, er und der Spaten eine völlig symbiotische Beziehung miteinander eingegangen. Keiner der Beiden hätte ohne den anderen noch existieren können. Beide waren für einander da, der Mensch und das Werkzeug - war das nicht schon eine uralte Beziehung, die die Menschheit seit dem Beginn ihres Daseins begleitete? War der Spaten früher nicht ein Steinkeil, und ist der Spaten nicht heute am Ende der Menschheit das Glied zur totalen Verwirklichung? Wahrscheinlich nicht, aber für den, der tiefe Löcher damit graben kann, um seine Tat zu vertuschen, wohl schon. Er kletterte über umgefallene Bäume und deren Wurzeln, ein Reh erschreckte sich, als es den Eindringling bemerkte, denn hier waren selten Menschen, hier im dunkelsten Teil des Waldes. Es war müde, er setzte sich auf einen Baumstumpf, und schaute sich um, er schaute nach seinen Opfern, denn er hatte Angst, wieder eines seiner Opfer zu sehen, nicht nur tot im Erdboden, sondern auch als Erscheinung, um ihn zu mahnen, um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Um ihn herum war nur der Wald, doch was dachte der Wald schon? Was hätte die Natur getan, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, solch einen Mörder wie ihn auszuschalten? Hätte sie einen Baum auf seinen Kopf fallen lassen, oder eine Horde hungriger Wölfe auf ihn gehetzt? Wohl kaum, Wölfe waren hier schon lange ausgestorben, und das ein Baum auf den Kopf eines Massenmörders fallen würde? Eher würde ihn ein unschuldiger Wohltäter erschlagen. Ein Ast ächzte unter der Last eines Etwas, er zuckte zusammen, und drehte sich um, nichts zu sehen, und nichts mehr zu hören, Es kehrte wieder Ruhe ein. Er stand auf und ging weiter, hier mußte die Stelle sein, an der er den Plastiksack vergraben hatte. Er schaute auf den Boden, und sah mehrere Fußtritte, die im Boden gestempelt waren. Das mußte die Stelle sein, der Punkt, an dem er alles beseitigt hatte. Er kniete sich hin, und begann mit den Händen den Boden beiseite zu heben, da, der Plastiksack. Dann nahm er den Spaten, und begann um die Stelle herum alles freizulegen. Es dauerte einige Stunden, bis er alles ausgehoben hatte, der Sack war unbeschädigt. Nun zog er das Bündel aus dem Erdloch, und bereitete sich auf das vor, was ihm die meiste Angst bereitete: Er mußte nachsehen, ob es seine Tochter war. Er fummelte sich ein 4711 Tuch aus der Tasche, der Geruch war extrem, er wußte nicht, was er tun sollte, mit seinen Händen tastete er den Sack ab, um den Kopf zu finden. Er wollte sich ersparen, alles zu öffnen, nein, erst "blind" suchen, dann nachschauen. Da, das fühlte sich nach einer Nase an, es war der Kopf. Dann nahm er ein Taschenmesser raus und schnitt den Sack erst ein wenig auf, doch die Öffnung war zu klein, etwas zu sehen, aus seinem Portmonnaie nahm er ein Bild seiner Tochter und legte es neben sich. Bald würde der Moment kommen, an dem er sich am liebsten umbringen würde, der Moment, wo die Lust zu töten in den Hintergrund tritt und sagt: Hör auf damit, spring besser eine Brücke runter! Jetzt mußte alles schnell gehen, verdammt schnell. Mit beiden Händen vergrößerte er das Loch im Plastiksack - und er schaute in das Gesicht eines Mädchens, dessen blutverschmiertes Gesicht nur noch ansatzweise erkennen ließ, daß dieses Wesen einmal ein lebenslustiges Menschenkind gewesen war, das hätte alles und nichts in seinem Leben bewegen können. Ihm wurde schlecht, er ließ alles fallen und setzte sich rückwärts auf den Rücken, der Kopf rollte in das Loch und zog den Sack hinter sich her, so als ob das tote Mädchen schnell wieder in die Ruhe ihres Grabes wollte. Er mußte sich übergeben, aber ohne das sein Mund etwas ausspie, nein, es war sein inneres Ich, das sich übergab, das erste Mal in seiner langen Karriere als Mörder unschuldiger Kinder. Das erste Mal wußte er deutlich, daß das, was er tat, nicht gut war - es war allerdings zu spät. Das Mädchen in dem Sack war nicht seine Tochter, doch ehe dieser Gedanke zu Ende gedacht war, knackte wieder ein Ast im Wald, das Knacken kam immer näher, immer näher auf ihn zu. Er war gelähmt vor seelischem Streß, so daß er alles um sich herum nur wie im alkoholisierten Zustand wahrnahm, alles um ihn herum war so, wie er es nur besoffen kannte, nur mit dem Unterschied, daß er diesmal nüchtern war. Dieser Zustand hielt noch einige Sekunden an, doch er war ein Profi, und wußte, daß er das Erdloch schnell wieder schließen mußte, schnell warf er den feuchten Erdboden auf den Plastiksack, schnell war eine dünne Schicht über dem Sack verteilt. Das Knacken kam näher, und dann stand er neben ihm.
„He, Sie, was machen Sie da?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen... wer sind Sie? Was machen Sie hier?“
„Was für eine Rolle spielt das? Ich habe Sie gefragt, was Sie hier tun!“
„Das geht Sie nichts an..., ich habe was gesucht.“
„Aha, was denn? Ich glaube wir kennen uns... von letzter Nacht, wir sprachen hier kurz miteinander.“
„Nein, ich kenne Sie nicht, oder... doch stimmt, wir hatten letzte Nacht einen kurzes Gespräch miteinander.“
„Und nun sind wir beide wieder hier, ich frage mich, weshalb es so viele Zufälle gibt, was haben Sie denn letzte Nacht hier getan?“
„Das müßte ich Sie fragen, was machen Sie denn hier?“
„Ich? Ich, ich suche etwas, und ich denke, ich habe es gefunden, schließlich war das in der Nähe, wo ich mit Ihnen letzte Nacht gesprochen hatte.“
„Kann sein, aber ich finde das alles sehr merkwürdig, sehr merkwürdig. Können Sie mir nicht sagen, was Sie hier tun?“
„Ich habe da ein Gefühl, ein Gefühl, das mir sagt, das wir was... nein, das ist absurd.“
„Absurd? Ich denke, Sie denken wie ich, das wir etwas gemein haben.“
„Ich kann mich wieder erinnern, letzte Nacht, da haben Sie wie ich einen Plastiksack vergraben, also wie ich ein Opfer begraben!“
„Das stimmt, sehen Sie, wir haben etwas gemeinsam, mehr als man denkt..., aber wieso sind Sie wieder hier und graben wieder ein Loch? Haben sie wieder ein Opfer vergraben?“
„Nein, eigentlich suche ich was anderes, aber das ist eine komplexe Sache..., was machen sie hier? Suchen Sie was?“
„Ich suche, ich suche meine Tochter, ich vermisse sie seit gestern..., ich habe alles abgesucht.“
„Merkwürdig, dasselbe habe ich auch gedacht, habe nachgesehen, das Mädchen, das ich getötet habe ist nicht meine...“
„Ja, sehen Sie, diese Sicherheit muß ich eben auch haben, ich muß dort hinten hin, um das Loch zu suchen, in dem ich den Sack mit der Leiche vergraben habe. Helfen Sie mir?“
„Ja, natürlich...“
Beide gingen zur der Stelle, an der der andere sein Opfer vergraben hatte und begannen den Sack auszuheben. Der Andere hatte keinen Spaten er hob das Loch mit der Hand aus, und schnell war der Sack freigelegt. Der mit dem Spaten drehte sich um, weil er nicht noch mal in das Gesicht eines Kindes schauen wollte. Der Andere lachte laut und jubelte, er konnte sich sicher sein, daß es nicht seine Tochter war. Er legte den Kopf wieder zurück in den Sack.
„Meine Tochter hatte pechschwarzes Haar, dieses Kind hier hatte feuerrotes Haar!“
„Feuerrotes Haar? Meine Tochter hat feuerrotes Haar!!“
Er drehte sich um und sah den Kopf seiner Tochter, der gerade wieder im Sack verschwand. Wortlos gab er dem Anderen den Spaten und zeigte auf das Loch, in dem sein Opfer lag. Der Andere öffnete den Plastiksack, und sah, daß es seine Tochter war. Beide schauten sich an, und jeder griff nach einem Gegenstand um den anderen umzubringen. Doch das, was bei einem wehrlosen Kind so einfach war, dauert bei Erwachsenen viel länger.
Tage später entdeckte die Polizei in der Nähe des Wohnmobiles in einem Wald die Leichen zweier Männer und ihrer Töchter, doch was man nicht fand, war der Grund dieser Tragödie.
Ende.
(c)2002 Stephan M.Moll