Das Zimmer in das ich blickte und nie vergaß
Das Zimmer in das ich blickte und nie vergaß
"Komm nicht hierher! Bleib da wo du bist!"
Schreie die ich vernehme, aber nicht einordnen kann.
Eine Stimme, vertraut und dennoch so fremd. Ist es eine Warnung? Oder gar ein Befehl?
Mein Kopf findet nicht die Zeit um die einzelnen Stücke dieses Puzzle zu einem Ganzen zusammenzusetzen.
Schon tausendmal war ich in dieser Situation, doch nie dachte ich das es so ein Ende nimmt.
Tausendmal war da dieser Widerling, tausendmal eine Frau, tausendmal die Schreie, der Geruch von Blut und Sperma, die Angst im Gesicht des Opfers.
Warum nicht auch diesmal?
Alles wies auf eine übliche Vergewaltigung hin, jedes gottverdammtes Indiz, aber es kam anders als ich es mir vorstellen konnte.
"Beweg dich nicht! Ich komm zu dir."
Meine Stimme ist belegt. Scheisse ja, natürlich, ich habe Angst. Doch ich muss mich zusammenreissen.
Muss versuchen mich nicht zu übergeben.
Sie schafft es doch auch. Sie sieht sogar richtig gut aus. Als wenn ihr das alles nichts ausmacht.
Doch mir macht es was aus.
Es ist schlimm.
Ich hab den Türgriff immer noch in der Hand, als ich diesen Anblick sah, vergass ich alles andere.
Ich fiel in ein tiefes Loch, immer wieder und wieder, meine Zunge schmeckte Kotze, ich roch Blut, der Raum triefte ja davon.
Sie schüttelt ihren Kopf.
"Mach das nicht! Hör auf mich, Harald."
Harald? Ist das mein Name?
Ich krame in meiner Tasche und hole meinen Dienstausweis heraus. Ja sie hat recht.
Oberinspektor Harald Fussleitner.
Ich hab schon wieder vergessen was sie gesagt hat.
Und ich weiss ich kenne sie, irgendwo her, doch ich erinnere mich nicht.
Mein Hirn versagt mir den Dienst, meine Gliedmassen fühlen sich wie Gummi an, meine Zunge taub, ich höre alles wie unter Wasser, ich ertrinke, nein ich bin nicht im Wasser, nur eine Einbildung meinerseits.
Ich spüre wie Tränen meine Augen benetzen, meine Wangenmuskeln sich verkrampfen, meine Zähne knirschen.
Was hat sie gesagt?
Was habe ich gesagt?
Warum bin ich hier?
Ach ja vermutete Vergewaltigung.
Aber das hier sieht nicht nach einen Sexualdelikt aus.
Das ist ein Tor zu einer anderen Welt.
Die Hautfetzen, die an die Wand genagelt sind, stammen bestimmt nicht von ihr, sie sieht unverletzt aus.
Es sind die Knochen und Gedärme, die überall verstreut liegen, die zu den Hauttapeten gehören.
"Harald, verschwinde! Hau ab!"
Meint sie mich?
"Meinst du mich?"
Sie schaut mich sauer an.
"Wen denn sonst, mach das du hier verschwindest und zwar schnell Harald."
Sie macht mir Angst.
"Woher kennen sie meinen Namen?"
Ich kann doch nicht einfach gehen, ich bin Polizist, ich hab hier einen Job zu tun.
"Harald was soll diese Frage? Ich bin... du weisst schon."
Ich weiss nicht. Hatte ich Sex mit dieser Frau?
Nein ich bin meiner Frau immer treu gewesen.
Oder ist sie gar eine Polizisten?
"Sind sie Polizistin?"
"Du weisst wirklich nicht wer ich bin? Was ist los mit dir Harald? Schau mich genau an, denk mal nach."
"Beantworten sie mir meine Frage! Und sagen sie mir was hier passiert ist."
"Harald du sollst verschwinden, hör doch nur einmal auf deine Frau. Das ist nicht deine Sache."
Meine Frau? Bin ich wirklich so verstört, das ich meine Frau nicht wiedererkenne?
Nein ich glaube diese Verrückte versucht mich zu verarschen, will mich hier weg haben, denn sie muss noch...!
"Sind sie hierfür verantwortlich?"
"Harald, geh weg. Bitte, geh. Geh schnell weg."
Ihre Augen füllen sich mit Tränen, und sie kommt hinter dem Bett hervor, nein sie versucht es.
Sie zieht sich Stück für Stück aufs Bett hinauf, ihr Becken ist kaum noch vorhanden, ein Bein hängt halbwegs daran. Jedoch ohne ein Stück Fleisch umzu.
"Es ist zu spät Harald. Warum kannst du nicht auf mich hören?"
Ich merke wie Schweiss mir die Stirn runter läuft, Hitze schlägt mir entgegen.
Der Raum wird schlagartig in ein rotes Licht getaucht, nein kein Licht, es scheint als brenne das Zimmer.
Dann wölben sich die Wände, schlagen Wellen wie eine Wüstendüne. Alles fängt an zu flimmern, der Frau, die sich als meine ausgibt, läuft Schweiss in Strömen übers Gesicht.
Sie schaut mich mit einen Ausdruck an, der mir zu verstehen gibt, das wir beide ziemlich in der Klemme stecken.
Meine Hand geht an den Griff meiner Pistole.
Meine Angst steigert sich in Beklemmtheit, in Panik.
Was geht vor in diesen Zimmer?
Die Wände brennen wirklich, ich sehe keine Flammen, doch ich sehe wie sich Blasen an der Wand bilden, wie die Tapete in Asche zerfällt. Dann reisst das Bett in zwei Teile, ein tosendes Brüllen zerfetzt die Stille, ein gleissendes Licht strömt heraus und nimmt mir jede Sicht.
Alles ist getaucht in blendender Helligkeit. Ich schütze meine Augen indem ich meine Hand davor halte.
Schemenhaft sehe ich die Frau wie sie auf dem bett liegt und versucht wegzukriechen. Aber wovor?
Dann tritt eine andere Gestalt dazu.
Ich strenge meine Augen an um sie besser zu erkennen, doch es ist zu hell. Ein Schrei, von der Frau nehme ich an, durchdringt das Brüllen, ich ziehe meine Waffe doch sehe niemanden mehr.
Ich kann mich nicht mehr zusammenreissen, fange an zu schreien, brülle meine Angst aus mir herraus.
Ich schiesse ins Licht, leere mein Magazin ins Ungewisse.
Ein Schmerzenslaut und alles verschwindet wie es gekommen ist.
Das Zimmer ist wieder völlig in Ordnung, genauso das Bett. Kein Laut stört mehr die beruhigende Stille, kein gleissendes Licht behindert die Sicht.
Ich gehe zu dem Bett, nachdem ich einige Minuten, vielleicht auch nur Sekunden, durchgeatmet hatte. Mein Herz schlägt mir bis zur Brust, ich bin durchnässt vom Schweisse der Angst.
Die Frau liegt hinter dem Bett, völlig unverletzt, und am atmen. Und plötzlich kommt mir die Erkenntnis.
Was hat dieses Zimmer getan, das ich sie nicht erkannt habe. Das ich ihr nicht glaubte.
Ich knie mich neben ihr, leg ihr die Hand auf die Schulter und drehe sie auf den Rücken.
Sie schlägt langsam ihre Augen auf.
"Linda, geht es dir gut? Es tut mir so leid, ich wusste nicht was ich tat."
Sie öffnet ihre Augen ganz, scheint noch benommen zu sein, schaut mich dann an.
Schlagartig verändert sich ihr Gesicht.
Ihre Augen weiten sich, ihr Mund formt sich zu einen Schrei.
"Neiiiiiiiiiiiiiinnnnnnn. Das darf nicht sein. Nein. Das darf nicht sein."
Sie wiederholt das immer wieder, immer wieder, immer wieder.
Ich packe sie an den Schultern.
"Beruhige dich, alles ist gut."
Doch sie hört mich nicht, sie schreit und stammelt immer weiter. Ich kann mir nicht erklären was sie hat, ist es ein Schock oder hat sie eine Wahnvorstellung?
Verzweifelt blicke ich mich um, ein Spiegel steht in der Ecke. Ich sehe meine Frau, doch ich sehe nicht mich, doch...
Was da neben meiner Frau kniet, ihre Schultern gepackt hat und in den Spiegel starrt, voller Verständnislosigkeit, ist nicht mein Spiegelbild.
Die rote Haut und die zwei Hörner versuche ich als Einbildung zu sehen.
Doch als ich den Schwanz zuerst im Spiegel und dann neben meinen Fuss sehe, der kein Fuss sondern ein Huf ist, wird mir klar, das ich niemals in den Himmel komme.
[ 01.08.2002, 21:51: Beitrag editiert von: Bonedust ]