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Das Ziel

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05.02.2003
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Das Ziel

Das Ziel!

Leonie, eine junge Frau, sitzt auf der Parkbank und blättert im Lokalteil der Tageszeitung. Sie trägt ein einfaches Kostüm, welches ihre gute Figur noch unterstreicht. Ihr langes Haar, das sie heute streng zusammen gebunden hat, glänzt im hellen Sonnenlicht und es scheint, als wenn sie nichts von ihrer Umwelt mitbekäme. Die Architektin stochert ein wenig in ihrem Fastfoodgericht herum und trinkt den lauwarmen Kaffee, den sie sich vom Imbiss an der Ecke mitgebracht hat. Sie versucht einen Moment nicht an die Proklamation, die sie am Nachmittag erwartet, zu denken, aber es will ihr nicht gelingen. Leonie muss es schaffen den Vorstand von ihrem Vorschlag zu überzeugen. Es hängt sehr viel für sie davon ab, eine Beförderung in die Chefetage, ein eigenes Büro mit großen Fenstern, welche ihr den Blick über die Stadt freigeben und endlich die Aussicht auch in größere Aufträge einbezogen zu werden. Sie hatte viele Monate an diesem Projekt gearbeitet, an ihrem Projekt. Auf diese Chance hat sie lange gewartet. Es ist kein einfacher Weg den sie eingeschlagen hat, aber sie war gewohnt zu kämpfen und dafür musste sie ihr Privatleben oft zurückstellen.
Leonie ist mit drei älteren Brüdern aufgewachsen, die ihr das Leben oft schwer gemacht haben. Ihrer Familie fehlte an allen Ecken und Kanten das Geld und während sich ihre Schulfreundinnen im Cafe trafen oder gemeinsam ins Kino gingen, half das Mädchen ihrer Mutter im Haushalt. Ihr Vater, der sich mehr zum Alkohol und zu Glücksspielen hingezogen fühlte, sorgte sich wenig um seine kranke Frau und die Jungs taten es ihm gleich und trieben sich lieber mit ihrer Clique herum, als sich um das Haus zu kümmern.
Aber es war nicht immer so, es gab auch Zeiten, in denen Leonie glücklich war. Früher, als der Vater noch Arbeit hatte und die Mutter gesund war, lebten sie zwar bescheiden, aber zufrieden, miteinander. Dann, mit fast vierzig Jahren, verlor der Vater seine Arbeitsstelle, aber statt zu kämpfen, fing er an zu trinken und brachte einen großen Teil der kläglichen Einnahmen in die Spielhalle und auf die Rennbahn.
Wenig später wurde ihre Mutter krank, sie bekam Depressionen die sie so schwächten, dass sie das Bett immer nur für kurze Zeit verlassen konnte und wollte. Sie erholte sich über die Jahre nur sehr langsam.
Also krempelte Leonie die Ärmel hoch und schaffte es auch irgendwie alles unter einen Hut zu bringen. Morgens ging sie zur Schule, nachmittags kochte und putzte sie, kümmerte sich um den Garten und erledigte die Wäsche. Abends, wenn ihre Mutter schlief, machte sie ihre Schulaufgaben, manchmal bis tief in die Nacht hinein und das alles ohne sich zu beschweren. Der Lohn dafür war ein sehr gut bestandenes Abitur. Danach jobte sie in dunklen Kneipen, um ihr Studium zu finanzieren und machte ihren Abschluss an der Universität mit “summa cum laude”.
Leonie bekam eine Anstellung in einem angesehenen Architekturbüro, wo sie an der untersten Sprosse der Karriereleiter anfangen musste, um sich zu bewähren. Leider wurde sie dadurch gezwungen ihrem Heimatort zu verlassen, und somit auch ihre Mutter. In der Zwischenzeit hatte ihr Vater seine Frau verlassen, um mit einer Jüngeren zu leben. Die Geschwister hatten sich entschieden auszuwandern und führten irgendwo in der Welt ein Leben nach eigenen Vorstellungen, so das sie sich von keinem der drei Brüdern Beistand erhoffen konnte. Leonie besucht ihre Mutter, so oft sie es einrichten kann. Aber sie muss viel arbeiten, um in dieser Männerdomäne zu bestehen und bis zum heutigen Tag hat sie nicht ein einziges Mal gefehlt.

Die Kirchturmuhr schlägt zwei mal, und holt Leonie in die Realität zurück.
Sie steht auf, streicht sich ihren Rock glatt und geht in das große Gebäude mitten in der Stadt zurück. Sie fährt mit dem Fahrstuhl in den elften Stock und betritt mit erhobenem Kopf den riesigen Konferenzsaal, der mit dem großen Tisch und den mächtigen Ledersesseln, einen beängstigten Eindruck macht. Sie stellt ihr Projekt vor, als wenn sie nie im Leben etwas anderes gemacht hat, beantwortet ruhig alle Fragen der acht Männer in den maßgeschneiderten Anzügen und dunklen Krawatten. Sie lässt sich ihre Angst nicht anmerken und nachdem sie ihre Präsentation beendet hat, verlässt sie den Saal und wartet vor der schweren Eichentür.
Langsam verschwindet ihre Anspannung und Leonie merkt, wie ihr Blut warm durch ihren Körper fließt und ihr Herz endlich wieder im normalen Takt schlägt. Die Wartezeit von Minuten erscheinen ihr wie Stunden.Ihr Blick wendet sich nie von der Tür ab. Dann endlich öffnet sich diese und Leonie wird wieder hereingebeten. Es herrscht eine eisige, gespannte Stille und sie möchte am liebsten davon laufen. Dann erhebt sich der Direktor und gratuliert ihr zu ihrer herausragenden Arbeit und die neuen Kollegen schenken ihr einen kräftigen und herzlichen Applaus.

Als Leonie am späten Abend ihre kleine Wohnung aufschließt, kann sie ihr Glück noch gar nicht fassen. Sie hat unendlich viele Hände geschüttelt und Glückwünsche entgegen genommen.
Leonie streift ihre Schuhe ab und geht zum Telefon. Sie ruft ihre Mutter an, um ihr alles zu erzählen, und ihr zu sagen, dass sie endlich in der Lage ist, sich eine größere Wohnung zu nehmen. Groß genug, um ihre Mutter zu sich zu holen.

Sie ist am Ziel, aber noch lange nicht am letzten, denn sie weiß, dass noch mehr in ihr steckt und sie mit harter Arbeit und ein bisschen Glück noch viel mehr erreichen kann.

 

Hi kiwi,

es ist zweifellos eine Geschichte, die Zutrauen in die eigene Kraft weckt. Leonie habe ich ohne Abstriche gewünscht, dass sie sich mit ihrem Projekt durchsetzt.

Was mich etwas stört, ist die Art, in der Du ihre Vergangenheit aufrollst. Etwas schnell, eher erklärend, als 'erlebend'. Man könnte sich an ihrem Erfolg viel mehr freuen, wenn man auch die Verzweiflung sehen würde, die sie sicherlich ab und zu geschüttelt hat. Die harte Zeit, die sie durchlebt hat, könnte in Rückblenden auf Situationen, die sozusagen typisch für ihre Probleme damals sind, erzählt werden - um so mehr mit ihr zu fühlen. Es wirkt alles etwas distanziert und das ist schade.

Den letzten Satz kannst Du Dir sparen, denke ich. Diese Moral wird in der Geschichte deutlich und muss nicht noch extra erwähnt werden.

Lieben Gruß, baddax

 

Hallo baddax,
Okay, ich nehme alle Tipps dankbar an.Mit dem letzten Satz wollte ich nur sagen, das es noch mehr Ziele gibt, die man erreichen kann, und sie es auch für sich und nicht nur für die Mutter getan tut.
Danke und liebe Grüße
Kiwi

 

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