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Das Zauberbuch

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15.01.2003
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Das Zauberbuch

I n einem fernen Land, hinter den Elfenseen und dem Wald der Feen lag ein kleines, besinnliches Dorf in dem die Menschen glücklich lebten. Eine ruhige, besinnliche Stimmung lag über diesem Ort. Den Menschen dort fehlte es an nichts und wenn sich jemand doch einmal unglücklich fühlte, besuchte er Bobur, den alten Dorfmagier, der immer Rat wusste. Bobur war ein alter Mann, dessen Gesicht von tiefen Falten gezeichnet war, mit weißen Haaren und einem langen weißen Bart. Keiner im Dorf war so weise wie Bobur, darum suchte man bei Problemen, immer ihn auf.

In diesem Dorf wohnte auch ein kleines Mädchen, das von allen nur Pata Puju gerufen wurde. Sie wurde von allen sehr gemocht, weil sie ein sehr emotionales und herzliches Wesen hatte. Eines Tages spielte Pata Puju mal wieder mit ihrem Ball, den ihr ihre beste Freundin zum Abschied geschenkt hatte. Diese musste letzten Sommer mit ihren Eltern weit weg ziehen. Der Ball war das einzigste Erinnerungsstück, das Pata Puju an ihre Freundin hatte und darum bedeutete ihr dieser Ball auch unsagbar viel. Doch das Schicksal meinte es an diesem Tag nicht gut mit Pata Puju. Als sie den Ball in die Luft warf, wurde dieser von einem heftigen Windstoß erfasst und fiel in einen Brunnen, welcher sich am Rande des Dorf befand. Er wurde schon lange nicht mehr benutzt, weil die Bewohner des Dorfes sich fürchteten. Er war tief und dunkel. Man konnte den Boden nicht erkennen und warf man einen Stein hinein, so hörte man nur endlose Stille. Er musste sehr, sehr tief sein. Pata Puju erschrak sehr, als sie den Ball im Brunnen verschwinden sah. Vorsichtig, mit sehr viel Respekt näherte sie sich, beugte sich über den schmalen Brunnenrand und sah in dieses tiefe Schwarz. Der Brunnenhatte den knallroten Ball einfach verschluckt und machte nicht den Eindruck diesen jemals wieder freigeben zu wollen. Pata Puju war traurig und in ihrer Not lief sie zum Haus von Bobur, dem alten Zauberer, um ihn um Rat zu fragen.

Bobur saß am hellen Karminfeuer. Sein weißes Haar glänzte und sein Gesicht strahlte Wärme und Ruhe aus. Als Pata Puju ihm erzählte, was passiert war, dachte dieser lange nach und meinte, dass er da nur eine Möglichkeit sehen würde: "Im Wald der Feen gibt es eine Lichtung in deren Mitte sich ein Altar befindet. Auf diesem Altar liegt ein kostbares Zauberbuch, in welchem alle Weisheiten der Welt stehen." Pata Puju lauschte mit großen Augen und fiel Bobur spontan ins Wort: "Sag großer Zauberer, wenn in diesem Buch alle Weisheiten stehen, warum hat es dann noch keiner geraubt? Es muss ja unglaublich wertvoll sein". Bobur lächelte. "Nur wer reinen Herzens ist vermag den Weg zu dieser Lichtung zu finden - allen anderen bleibt dieser Ort versagt." Pata Puju lächelte hoffnungsvoll zurück und wollte sich sofort auf den Weg machen. Sie wusste, dass es für ein Mädchen in ihrem Alter ein sehr weiter Weg bis zum Wald der Feen war und sie sich beeilen musste, wenn sie am Abend wieder zu Hause sein wollte. "Danke großer Zauberer", rief sie noch und war auch schon zur Tür hinaus.

Zielstrebig ging Pata Puju in Richtung Feenwald. Der Ball, das Erinnerungsstück an ihre Freundin war ihr unglaublich wichtig, so dass sie mit großen Schritten und voller Tatendrang voran schritt. Sie ging den langen Weg, den ihr der Zauberer gewiesen hatte, vorbei an saftigen Frühlingswiesen, welche sie aber kaum wahrnahm. In ihrem Kopf war nur der eiserne Wille das Zauberbuch zu finden. Schon bald war ihr Dorf nur noch ein kleiner Punkt am Horizont. Noch nie hatte sie sich so weit vom Dorf weg gewagt und mit der Zeit verspürte sie ein Unbehagen in ihrem Bauch. Sie sprach immer wieder zu sich, dass sie das Buch unbedingt finden müsse und verdrängte die aufkommende Angst. Als sie den Waldrand des Zauberwaldes aus der Ferne sah, begann sie darauf zu zulaufen. Plötzlich aber hielt sie inne. Vor ihr tat sich eine tiefe Schlucht im Boden auf, welche vom Erdbeben im letzten Monat stammen musste. Pata Puju erschrak. Der Weg zum Zauberwald schien abgeschnitten. Ihre einzige Möglichkeit war es, der Schlucht zu folgen, in der Hoffnung, dass diese irgendwo enden musste. Als sie schon eine ganze Weile neben diesem Abgrund entlang gewandert war, sah sie auf ihrer Seite einen Baum, dessen dicke Äste über die Schlucht reichten. Mit einem abschätzenden Blick sah sie nochmals in den tiefen Abgrund und sie hatte Angst beim Überklettern dieses Astes vielleicht abzustürzen. Doch der Wille das Zauberbuch zu finden war größer und sie tastete sich auf allen Vieren den Ast entlang über die Schlucht. Mit einem beherzten Satz, lies sie sich auf der anderen Seite herab auf die Erde.

Erleichtert, aber doch zielstrebig setzte sie ihren Weg fort. Sie hatte den Waldrand schon hinter sich gelassen und drang immer tiefer ins Unterholz. Die hoch aufgeschossenen Tannen ließen nur wenig Licht hindurch, so dass eine düstere, bedrückende Stimmung die Situation beherrschte. Doch Pata Puju ließ sich davon nicht beirren. Sie hatte ihr Ziel fest im Auge und setzte ihren Weg weiter fort. Sie bemerkte nicht die beiden Augen, die sie den ganzen Weg schon beschützend beobachteten. "Ich muss dieses Buch finden - ich muss dieses Buch finden", sagte sie gerade wieder zu sich, als sie ein lautes Heulen vernahm. Sie blieb wie erstarrt stehen. "Wölfe!" schoss es ihr durch den Kopf. Panisch sah sie sich um, konnte aber keines dieser gefährlichen Tiere entdecken. Für einen Moment überlegte sie umzukehren, verdrängte diesen Gedanken aber sofort wieder und machte sich trotz großer Angst weiter auf den Weg, noch tiefer in den Wald. Das Dickicht wurde immer dichter und es war für Pata Puju mühsam voran zu kommen. Immer wieder musste sie Gebüsch und Zweige zur Seite schieben und als sie sich gerade wieder zwischen dichten Ästen hindurch zwängte erblickte sie die helle Lichtung. Mit einem Satz war sie aus dem Dickicht und spürte die warmen Sonnenstrahlen wieder auf ihrer Haut. Doch was sie auf dieser Lichtung nun erblickte, verwirrte sie. Sie sah in die Augen von Bobur, der dort auf einem Stuhl saß. "Großer Zauberer, was machst du hier - und wo ist der Altar? Wo ist das Zauberbuch? Hat es doch jemand geraubt?" Pata Puju wurde unglaublich traurig und war sehr enttäuscht. Bobur aber erhob sich, ging auf sie zu, hielt ihre Hand und sprach mit ruhiger Stimme. "Sei nicht traurig kleines Pata Puju. Das Zauberbuch wurde nicht geraubt - es ist hier, du kannst es nur nicht sehen." Pata Puju hob den Kopf und sah den Zauberer fragend an. "Wie kann ich denn Antwort auf mein Problem bekommen, wenn ich das Buch nicht sehen und somit nicht darin lesen kann?" Bobur schwieg einen Moment, setzte sich dann wieder auf den Stuhl und sah ihr erneut tief in die Augen. "Weißt du, in diesem Zauberbuch braucht man nicht lesen. Die Antworten darin muss man fühlen. Ich muss dir allerdings gestehen, dass ich dir nicht ganz die Wahrheit gesagt habe. Das Zauberbuch befindet sich nicht auf dem Altar, das Zauberbuch trägt jeder Mensch in seinem Herzen." Pata Puju blickte den Zauberer enttäuscht an. Hatte dieser alte Mann sich einen Scherz mit ihr erlaubt? " Schau kleine Pata Puju", fuhr er weiter fort, "du hast die tiefe Schlucht überwunden, du hast dich trotz des Heulens der Wölfe nicht von deinem Vorhaben abbringen lassen. Du warst unglaublich stark und sehr, sehr mutig. Du hast für diesen Ball sehr viel auf dich genommen, all deinen Mut aus deiner Willenskraft geschöpft. Doch diese ganze Kraft resultierte aus deiner Angst vor diesem Brunnen. Sein Mythos war zu mächtig für die kleine, ängstliche und schwache Pata Puju. Wie steht es aber nun um dich? Du bist nicht mehr schwach und ängstlich - du bist mutig! Wo also liegt dein Problem?" Pata Puju begann mit weit aufgerissenen Augen wieder zu lächeln. "Ja! Ich habe die tiefe Schlucht überwunden, habe auch die Angst vor den Wölfen überwunden, warum sollte ich also vor diesem Brunnen, in den mein Ball gefallen ist Angst haben?". Der alte, weise Zauberer nickte ihr zu, erhob sich wieder von seinem Stuhl und nahm sie bei der Hand. Sie gingen zusammen auf das Dickicht zu und mit einem Schnippen seiner Finger begannen sich die Bäume nach außen zu biegen, so dass eine kleine Gasse entstand, durch die sie schritten. Schon bald hatten sie den Waldrand erreicht und ein weiterer Fingerschnipp des alten, weisen Mannes lies den Abgrund verschwinden. Pata Puju war beeindruckt von der Macht der Magie, die Bobur beherrschte. "Es wäre für dich großer Zauberer doch ein Leichtes gewesen, mir den Ball aus dem Brunnen zu zaubern, oder?" Bobur schmunzelte. "Natürlich wäre es ein Leichtes für mich gewesen deinen Ball aus dem Brunnen zu zaubern aber hättest du dann entdeckt wie viel Kraft, wie viel Magie in dir steckt?" Pata Puju strahlte. Sie hatte verstanden, was ihr Bobur damit sagen wollte und sie gingen wortlos weiter. Nach einer Weile sahen sie auch schon das Dorf als kleinen Punkt wieder näher kommen und auch bald schon den Brunnen. Vor dem Brunnen angekommen lehnte sich Pata Puju selbstsicher über den Brunnenrand und sah in den vermeintlichen dunklen Abgrund. "Ich werde ein sehr langes Seil brauchen". Bobur nickte, schnippte wieder mit dem Finger und vor Pata Pujus Füßen lag ein sehr, sehr langes Seil. Sie knotete es um einen schweren Stein. Der neben dem Brunnen lag und warf das andere Ende in die dunkle Tiefe. Kein Geräusch war zu vernehmen. "Ob es noch weit vom Ende des Seiles bis zum Boden ist", fragte sie Bobur. Dieser zuckte mit den Schultern und Pata Puju nahm all ihren Mut zusammen und kletterte langsam das Seil, die schmalen Brunnenwände hinunter. Nach knapp 2 Metern erschrak sie plötzlich. Sie fühlte Boden unter den Füßen, sehr weichen Boden. Konnte sie wirklich schon den Grund des Brunnen erreicht haben. Es war sehr, sehr dunkel. Sie tastete mit ihren Händen den Boden ab und fühlte weiches Moos. Mit einem mal wurde ihr klar, dass man des Mooses wegen auch nie einen Hall gehört hatte, wenn man etwas in diese scheinbare Tiefe warf. Der weiche Moosboden hatte alles geräuschlos aufgenommen. Sie tastete weiter und im nächsten Augenblick hatte sie auch schon den Ball in Händen, der ihr so unglaublich wichtig war. Sie warf ihn nach oben, aus dem Brunnen und kletterte das Seil wieder hinauf. Bobur war verschwunden. Er musste gewusst haben, dass der Brunnen nicht tief war. Pata Puju war unglaublich stolz auf sich. Sie hatte nicht nur ihren Ball wieder sondern auch den Schlüssel zu ihrem ganz persönlichen Zauberbuch gefunden.

Jeder von uns hat ein solches Zauberbuch in sich versteckt und es bedarf auch keiner großen Zauberer dieses zu finden. Die Magie die man dazu benötigt steckt in jedem von uns selbst.

 

Moin sowas :)

Am Anfang der Geschichte dachte ich etwas enttäuscht das Du eine moderne Froschkönig Story schreiben würdes ( Ball -> Brunnen ), dann hast Du aber eine schöne Geschichte hingelegt, eine Geschichte die man, im Gegensatz zu den oft brutalen "alten" Märchen auch Kindern mit Freude vorlesen könnte, die aber auch mir als "erwachsenem" Kindskopp viel Spass gemacht hat :)

 

Hallo Jadzia :-),

also meinem Sohn gefällt sie auch sehr gut :-). Ich denke aber wie du, dass Fantasie nicht am Alter festzumachen ist.

Liebe Grüße,

sowas

 

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