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Das Wissen

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18.07.2001
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Das Wissen

Markus Klinik

Das Wissen

Auf der Welt hat sich im Laufe der Zeit soviel Wissen angesammelt, daß kein Mensch mehr in der Lage ist, alles zu wissen. Allein um alle chemischen Verbindungen auswendig zu lernen bräuchte man ein ganzes Leben. Also hat ein intelligenter Mensch, den ich sehr bewundere, vor 156 Jahren ein Projekt ins Leben gerufen. Ein Projekt zur Sammlung von Erkenntnissen der Menschheit. Er taufte es damals "Das Wissen". Nun, nach wie gesagt 156 Jahren ist es uns endlich gelungen, das Projekt in einen Status zu bringen, den man vollständig nennen kann.

Dieser schlaue Mann damals hatte die Idee, daß ein Computer, über Jahre hinweg mit Daten gefüttert, irgendwann alles Wissen der Menschheit beinhalten könnte. Nicht nur das. Ein Computer könnte alle Daten (mehr oder weniger gleichzeitig) betrachten, kombinieren und am wichtigsten: die Schlüsse daraus ziehen. Vorausgesetzt, die Geschwindigkeit der Informationsaufnahme des Computers ist größer als die Geschwindigkeit mit der neue Erkenntnisse auf der Erde entstehen. Daß auf diese Weise in kürzester Zeit eine Datenbank entsteht, die größer ist als alles bisher dagewesenen war vorherzusehen.

Seit den Anfängen des Projekts, ein zwei-Mann-Unternehmen, ist viel Zeit vergangen. Ein Großteil der Menschen auf der Erde arbeiten derzeit mit. Jeder der einen Internetzugang hat kann sich einen Account anlegen und seine Ideen, sein Wissen, seine Ausbildung, seine Kreativität hinzufügen. Viele Staaten unterstützen das Projekt mit großzügigen Spenden, auch Organisationen wie Kirchen, Wissenschaftliche Institute, ja sogar eine Menschenrechtsorganisation zeigen reges Interesse.

Im Laufe der Zeit haben wir, bzw. die Mitarbeiter vor uns, oftmals die gesamte Datenbank auf eine neue Plattform konvertiert, verbessert, die Computer wurden immer schneller, kurz gesagt es ging aufwärts. Schon vor langer Zeit tauchte die Idee auf, das "Wissen" in eine dem Menschlichen Körper ähnliche Maschine einzupflanzen. Eine Art "Data", nur viel Schneller und Intelligenter. Also wurde eine nicht kleine Gruppe gebildet, die von da an nur damit beschäftigt war, einen möglichst realistischen Nachbau des menschlichen Körpers zu realisieren. Und - bei Gott - sie haben wirklich gute Arbeit geleistet.

Ein bisschen komme ich mir vor wie Frankenstein. Auf dem Operationstisch liegt dieser Körper - die letzte Version, so warm und weich wie ein echter Mensch. Koma. Noch weiß er nichts. Doch heute ist der allesentscheidende Tag. Der Tag auf den die Menschheit gewartet hat. Nur wenige dürfen diesem ergreifenden Moment beiwohnen. Ausschluss der Öffentlichkeit, kein Fernsehen, keine Presse. Ein paar hohe Tiere aus allen Teilen der Erde sind anwesend, wie ich an Uniformen erkennen kann leider auch Militärs. Auch wenn mich das traurig stimmt, bin ich viel zu aufgeregt um mir darüber Sorgen zu machen. Kurz bleibt mein Blick an einer Gestalt hängen, die so gar nicht in die Reihe der Herausgeputzten passt. Ein heruntergekommener Mann mit Bart und schmutzigen Klamotten. Er hat eine Stofftasche dabei. Aber egal, ich muss mich um den Ablauf des Experiments kümmern.

Eine halbe Stunde später ist es soweit. Der Körper liegt vor mir, atmend, noch immer nichts wissend, männlich, muskulös. Ein Prachtexemplar. Er ist tatsächlich aus einem Material, das Fleisch und Blut verdammt ähnelt. Bestimmt funktioniert jede Nervenzelle und Schweißdrüse wie die eines richtigen Menschen. Der Rote Knopf, was bitte anderes als ein roter Knopf sollte es sonst sein, liegt vor mir. Lechzend darauf gedrückt zu werden. Fast ungeduldig starrt er mich an. Drück mich, drück mich, hallt es in meinem Kopf. Ich zögere. Sekunden angespannten Schweigens vergehen. Zweifel tauchen in mir auf. Was wird passieren, haben wir nichts übersehen? Ich beruhige mich mit dem Gedanken, daß alles hier fähige Leute sind, die keine Fehler machen. Ich atme tief ein, blicke noch einmal hilfesuchend in die Runde, zustimmendes Nicken, dann vollende ich die Arbeit von Millionen von Menschen, von Jahrzehnten intensiver Selbstaufgabe und Anstrengung, ich drücke den Knopf. Langsam und endgültig.

...dann drückt er den Knopf. Langsam und endgültig. Fast als hätte er Angst, einen riesigen Fehler zu begehen Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, angesichts der Tatsache, daß Heute der Traum meines Urgroßvaters Wirklichkeit wird. Ich sitze hier zwischen all den geschniegelten Gestalten, alleine und unerkannt wie immer. Irgendwie komme ich mir vor, als ob ich der Einzige bin der keine Erwartungen in irgendeiner Form, seien es neue Erkenntnisse, Waffentechnologien, oder weiß der Geier hat. Ich bin nur Eingeladen worden weil ich der einzige Nachkomme des Erfinders dieser Maschine bin. Ich musste nichtmal was Bezahlen, was ich sowieso nicht gekonnt hätte. Mein Urgroßvater muss schon ein sehr schlauer Mensch gewesen sein. Die Ganze Welt spielt verrückt, nur wegen seiner Erfindung. Eigentlich ist mir egal, was gleich passieren wird. Mich interessiert mehr, wie ich heute Abend an mein Essen komme. Seit die Kirchen immer mehr Geld in dieses Gerät da vorne stecken, haben sich die sozialen Leistungen extrem verschlechtert. Dann muss ich an meine Frau denken. Sie trägt einen nicht geringen Anteil der Schuld für meine jetzige Lage. Aber dennoch Liebe ich sie ohne Bedingungen. Hätte ich mich doch nur mehr zusammengenommen, mich mehr angestrengt. Alles was ich mir wünsche, ist noch mal mit ihr über alles zu reden, ganz gleich ob sie dann zu mir zurückkehrt oder nicht. Ich will nur verdammt nochmal klare Verhältnisse. Um den Schmerz in meinem Herzen etwas zu lindern, und um meines Durstes Herr zu werden wandert meine Hand in die Stofftasche zu meiner Linken und holt eine Dose Bier heraus. Die anderen sehen mich komisch an, auch der Typ vor dem roten Knopf runzelt kurz die Stirn, dann nehme ich die kühle Frische des Getränkes in mich auf. Ich schließe die Augen, das erste Bier seit langem. Ich habe es mir extra für diesen Augenblick aufgehoben, und während ich im siebten Himmel der kulinarischen Genüsse schwebe, erwacht die Maschine hinter der Scheibe zum Leben...


...Ich Lebe. Das ist das erste was mir durch den Kopf geht. Woher weiß ich was ein Kopf ist, geschweige denn daß ich einen Habe? Als ich die Augen öffne sehe ich Formen und Farben, Licht und Schatten. Obwohl das alles Neu für mich ist, habe ich das Gefühl alles zu kennen. Wie eine Erinnerung an lang vergangene Zeiten. Mehr als Eindrücke und verschwommene Gestalten kann ich noch nicht wahrnehmen, denn ich verfüge nur über das Bewusstsein (Bewusstsein???) eines Neugeborenen. Woher zum Teufel weiß ich das und wer ist dieser Teufel? Egal, langsam nehmen die Formen Gestalt an. Ich erkenne Menschen. Sie starren mich an, ich habe Angst. Ich bin naiv wie ein Kleinkind. Meine geistige Entwicklung nimmt aufgrund des Wahnsinnig schnellen Rechners, der mein Gehirn ist, eine rasante Geschwindigkeit an. Schon fühle ich mich wie ein Teenager. Ich bin verliebt in die hübsche Assistentin da drüben. Dann komme ich in die Pubertät, ganz andere Gefühle durchfließen mich plötzlich beim Anblick der Assistentin.

Ich kann alles. Ich kann Mathematik. Ich integriere erstmal ein paar Funktionen in 5 Veränderlichen, dann vollziehe ich die Relativitätstheorie nach. Einstein war ein schlauer Mensch. Psychologie kann ich auch! Der Mann, der neben meiner Liege steht hat eine Schwäche für junge Männer. Aber er weiß es nicht. Das sehe ich an seinem unsteten Blick, er will sich nicht eingestehen was sowieso schon jeder weiß. Und die junge Assistentin, ihre Gefühle sind die einer Mutter zu mir. Sie fühlt sich, als hätte sie gerade einen Sohn geboren, ihre glücklichen Augen sprechen Bände. Es ist schön, viel zu wissen und alles zu können. Ich mußte mich nicht dafür anstrengen. Geologie. Ich reise mit meinem Vorstellungsvermögen um die Ganze Welt. Ich tauche im Ozean, befinde mich Sekunden später im Inneren eines feuerspeienden Vulkans. Ich kehre zurück zu meiner Liege in diesem Raum. Wirtschaft. Ich überlege mir das perfekte Staatssystem. Warum machen das die Menschen nicht so? Es ist doch ganz einfach. Stattdessen führen sie Krieg gegeneinander. Ich verstehe die Menschen nicht. Aber verstehen sie mich? Ich kenne alles. Ich kenne ferne Länder und Kulturen, weiß über die Geschichte der Menschen Bescheid. Nach und nach mache ich alle Wissenschaften durch, bis ich jedes Wissensgebiet perfekt beherrsche. Habe die Lösung auf alle Probleme der Menschen gefunden. Sie sind so naiv, können aber nichts dafür. Ja, die Menschen. Ein komisches Völkchen. Immer in Bewegung, ständig auf der Suche. Sich selbst weiterentwickelnd. Ich soll auch so etwas wie ein Mensch sein. Die Menschen geben sich Namen. Warum heiße ich so komisch? Seit meinem Erwachen sind 10 Sekunden vergangen. Ein Körper. Ich habe einen Körper. Ich sehe meine Hände an. 5 Finger an jeder. Meine erste Bewegung. Die Leute um mich herum sind total aus dem Häuschen. "Es funktioniert!" rufen sie. Funktionieren? Ich? Ich bin verwirrt. Sie haben mich erschaffen. Sie müssten doch wissen, wie und daß ich funktioniere. Egal. Ich berühre meine Hände. Ein tolles Gefühl. Warm und Lebendig. Doch weiß ich, daß ich nur eine Maschine bin. Wenn das schon so toll ist, wie muß es dann erst sein, ein richtiger Mensch zu sein? Das weiß ich nicht. Komisch, ich weiß doch sonst alles. Meine Hände berühren mein Gesicht. Sie streicheln meine Augenbrauen, meinen Mund. Die Berührung meiner Lippen fühlt sich schön an. Wissen, das noch nicht da war. Mittlerweile hat meine Entwicklung irgendwie aufgehört, ich bin jetzt ein 25-Jähriger Mann. Ich bin vernünftig, und rationell denkend. Als meine Finger über meine Brustwarzen streicheln, erlebe ich ein tolles Gefühl. Ich weiß, daß es eine Gänsehaut ist. Nochmal streichle ich meine Brustwarzen. Die Gänsehaut wiederholt sich und ich bekomme eine Errektion. Langsam erkunde ich meinen Körper. Meine Füße fühlen sich komisch an, ich weiß dass das Kitzeln ist. Es ist ein tolles Gefühl, ein Mensch zu sein...

...ER LEBT!!! Ich kann es kaum fassen. Die flache, komaartige Atmung ist in einen entspannten Schlaf übergegangen. Seine Lider zucken. Ich trete einen Schritt zurück, lasse den Knopf los, um den sich meine Hand verkrampft hat. Es ist als träume er einen schönen Traum, er lächelt, öffnet die Augen. Jetzt beginnt die Phase der Erkenntnis. Nach und nach erschließt sich das System die Bereiche der Datenbank. Pures, reines Wissen durchflutet nun seinen Geist. Seine Augen wandern unstet umher. Ich beuge mich über ihn, starre ihn staunend an. In seinen Augen sehe ich Furcht, dann schüchterne Erkenntnis, dann Verstehen. Es ist unheimlich, aber mir kommt es vor als hätte er gerade in die innersten Tiefen meiner Seele geblickt. Dann sieht er sich um. Sein Blick bleibt an der Laborassistentin hängen, er blickt sie an. Seit meinem Knopfdruck ist eine Ewigkeit vergangen. Die Leuchtziffern im Kontrollcomputer sagen mir, daß sie 10 Sekunden gedauert hat. Meine Hände zittern vor Ungeduld, hängt doch die Zukunft der Menschen zu einem gigantischen Teil von den nächsten Minuten ab. Seine Stirn wirft Falten, als ob er über etwas nachdenkt, das er nicht versteht. Danach hebt er die Hände und betrachtet seine Finger. Das System macht sich anscheinend gerade mit den Körperlichen Fähigkeiten und Eigenschaften bekannt. "Es Funktioniert" flüstere ich überwältigt. Die Worte werden weitergetragen, bis eine euphorische Stimmung den Saal erfüllt. "Es Funktioniert!" rufen die Mitarbeiter und die Gäste. Der Mann mit dem Bart nimmt zufrieden lächelnd einen Schluck von seinem Bier. Verständnislos runzle ich die Augenbrauen, aber er ist mir eigentlich egal. Viel wichtiger ist das, was die Maschine jetzt tut. Sie fühlt ihr Gesicht. Wird sie bald zu uns sprechen? Was wird sie uns sagen? Wie wird sie ihr Wissen gebrauchen? Vielleicht erkennt sie ja, daß die Menschen böse sind und sie alle Vernichten muß? (ich muss einen Augenblick lang an Arnold Schwarzenegger denken). Hat sie etwa schon die Lösung für alle Probleme der Menschheit gefunden? Eine Möglichkeit Kriege zu vermeiden, den Hunger der 3.Welt zu stillen oder weiß sie gar, was Gott ist? Der Mund öffnet sich. Doch heraus dringt nur ein leises Seufzen, als er sich über die Brustwarzen fährt. Was ist jetzt mit den Antworten auf all unsere Fragen. Was ist nun mit der Überlegenen Weisheit, der riesigen Intelligenz und überragenden Fähigkeiten des "Wissens"? Wird er sie benutzen, zum Guten oder zum Schlechten? Welche Irrtümer wird er Aufdecken? Verdammt nochmal, sag doch was du blöder Automat!!! Hast Du nicht endlich den Sinn des Lebens erkannt? Ich taumle zurück, verständnislos, überrascht, überwältigt, kralle meine Finger in den Arm der Assistentin, kann es nicht fassen, bin schockiert. Das "Wissen", die Hoffnung der Menschheit, der Übermensch - er Onaniert.

 

Ja - auch ich bin Quentin Tarrantino - Anhänger.

Die Geschichte geistert schon seit einiger Zeit auf meiner Festplatte herum, und jetzt hab ich mir endlich mal die Muße genommen, sie zu veröffentlichen.

Lange habe ich überlegt, in welche Kategorie ich sie stellen soll. science fiction schien mir ungeeignet, weil irgendwie ja auch gar nicht klar ist, wann die Geschichte spielt (is aber auch nicht von Bedeutung). Also schien mir sonstiges am geeignetsten.

Es geht im Eigentlichen um 2 Dinge. Erstens, was würde ein Mensch tun, wenn er mit voll entwickeltem Körper zur Welt käme und zweitens, was wäre das Fazit aus allem Wissen der Menschheit. Vielleicht nicht ganz ernst zu nehmen, aber doch mal Ein, Zwei Gedanken wert.

markus

 

Hi
Die Thematik ist gut und die Umsetzung vom story-technischen finde ich auch nicht schlecht, doch nun das große Aber!
Der Schreibstil. Ich kann es nicht einmal richtig benennen, aber die Worte scheinen nicht zum Text zu passen. Die Wortwahl ist meistens zu banal, es ist beinahe so, als erzählt jemand etwas, es wirkt wie geschriebenes Wort, nicht wie ein Text. Das gefällt mir persönlich nicht, ich finde den Text vom Stil her nicht "rund".
Auch der Vergleich zu Arnold Schwarzenegger ist überflüssig, in 156 Jahren wird sich niemand mehr an Arnie erinnern.
Auch das jemand mit einer Bierdose in einen Raum gelassen wird, in dem ein so wichtiges Experiment stattfindet, ist mehr als unglaubwürdig.

Nur meine Meinung

 

Original erstellt von deMolay:
<STRONG>Die Wortwahl ist meistens zu banal, es ist beinahe so, als erzählt jemand etwas, es wirkt wie geschriebenes Wort, nicht wie ein Text.</STRONG>

Exakt erkannt. Genau das wollte ich damit ausdrücken. Es ist eine Art Monolog mit dem Leser, die Gedanken die den Personen durch den Kopf gehen einfach niedergeschrieben. So wie einem Gedanken eben einfallen. Banal und ein bisschen abgehackt. Stell Dir nach jedem Satz eine klitzekleine Denkpause vor, in der sich der nächste Satz des Denkenden formuliert.

Keine der Personen sagt ein einziges Wort. (bis auf eine Stelle) Man hört praktisch nur ihre Gedanken auf dem "Off".

 

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