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Das Weihnachtsgeschenk
„Hoffentlich gefällt Mama das Geschenk. Ich habe mir doch wochenlang den Kopf zerbrochen und Tage lang Geschäfte durchstöbert um das schönste Geschenk für sie zu finden. Schließlich hat sie dieses Jahr schon so viel mit machen müssen.“
Ein kleines, dickes Kind saß auf dem Boden eines Kinderzimmers mit Geschenkpapier, Schere und Klebestreifen rings um sich herum verteilt. Im kleinen rundlichen Gesicht, das fast nur aus Babyspeck zu bestehen schien, hatte sich Anstrengung und höchste Konzentration breit gemacht. Denn wie man sehen konnte packte es gerade etwas in Geschenkpapier ein.
„Im Sommer haben meine Eltern beschlossen sich scheiden zu lassen, während ich an einer Sprachreise teilnahm. Als ich dann nach Hause zurückkam, wurde ich vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich hatte noch nie eine gute Beziehung zu meinem Vater, wir haben weder Hobbys noch irgendwelche Interessen gemeinsam und auch kein Bedürfnis das zu ändern, aber trotzdem sind mir beide wichtig. Meine Mutter war ganz schön deprimiert, traurig und aufgewühlt. Es konnte passieren, dass von der einen auf die andere Sekunde aus einem Lachen ein Weinen wurde und ich wusste nicht wie ich ihr helfen konnte, außer ihr zuhören und sie zu ermutigen nicht aufzugeben. Das waren einige harte Wochen nicht nur für meine Mutter, sondern auch für mich. Nur still dazusitzen wenn die eigene Mutter weint ist kein schönes Gefühl. Aber mittlerweile hat sich die ganze Situation etwas beruhigt. Das liegt bestimmt auch daran, dass sich meine Mutter ein neues Hobby ausgesucht hat: sie geht Tanzen.
„Viele Leute fragen mich, wie meine Mutter die Scheidung so schnell, noch nicht mal ein halbes Jahr, überwinden konnte. Sie habe so viel Spaß, wenn sie Woche für Woche 3- oder 4-mal ausgeht um zu Tanzen. Und ob ich da nicht zu kurz käme. Aber ich sage dann immer wie sehr sie immer noch leidet und das ich keineswegs zu kurz komme, da mich ja meine Mutter noch kennt und sich wie immer für meine Hobbys und die Schule interessiert.
Natürlich war es nicht so wie früher, als meine Mutter meinen Stundenplan noch kannte, wusste wer meine Klassenkameraden sind und auch wusste wann ich Klassenarbeiten schrieb, denn jetzt weiß sie meistens nicht wann ich heim komme und will es meistens auch nicht wissen. Aber tief in ihrem Inneren, dass weiß ich mit 100 Protzentiger Sicherheit, interessiert sie sich für mich und mein Leben genauso wie früher, sie zeigt es nur nicht.“
Mittlerweile machte sich das kleine, pummelige Mädchen daran das Packet mit einer Schleife zu verzieren.
„Zwar mag ich das Tanzen nicht, ich lese viel lieber, aber ich finde es gut, dass meine Mutter einen neuen Zeitvertreib gefunden hat und sich so vom Alltagsstress erholen kann. Obwohl ich nicht verstehe wie man sich beim Tanzen erholen kann, aber ich lege auch keinen Wert darauf, es ist einfach nicht mein Schuh. Ich glaube ich werde es bereuen, ihr Schlagertanzmusik zu schenken, denn wenn die Lieder dann durch das Haus lärmen, werde ich wahrscheinlich Kopfhörer aufsetzten müssen um meine Musik zu hören, aber was tut man nicht alles für die, die einem lieb und teuer sind. Teuer vor allem, weil mein ganzes Taschengeld für die CD drauf gegangen ist.
So nur noch das Kärtchen dran und fertig ist’s“
Nachdem Ende dieser inneren Worte stand das Pummelchen auf und verließ das Zimmer um das mit viel Liebe eingepackte Geschenk unter den Christbaum zu legen und die Bescherung abzuwarten.
Später am Abend kam das kleine Kind in sein Zimmer zurück, die Tränen zurückhaltend ließ es sich in sein Bett fallen.
„Wenigstens habe ich ihr eine Freude gemacht!“
Sie ließ etwas fallen, noch halb in Geschenkpapier eingewickelt. Es waren alte Tanzschuhe.