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Das Warum
«Ich war vorher kein besonders glaeubiger Mensch gewesen. Nicht einmal zu Weihnachten hatte es mich in die Kirche gezogen. Aber so ein Erlebnis veraendert einen. Ich glaube, wer so etwas durchgemacht hat, sieht die Welt mit anderen Augen.
Ich weiss, es klingt verrueckt, aber ich hab ihn wirklich getroffen. Er hatte einen langen weissen Bart, eine dicke Knollnase und kluge aufmerksame Augen, hinter einem altmodischen Zwicker.
Ich hatte mir Gott zwar immer anders vorgestellt, aber da sass er vor mir.
Es mag unglaublich klingen, aber unter all den Menschen in der Fussgaengerzone bat er ausgerechnet mich, ich solle mich doch zu ihm setzen. Ich tat es. Und dann fing er an zu erzaehlen. Er hat mir alles ganz genau erklaert: Das Wie, das Warum und den ganzen Rest.
Ich weiss nicht, wie lange wir dort sassen. Zeit hatte jede bedeutung verloren. Ich wagte nicht, ihn zu unterbrechen.
Am Anfang, sagte er, war nichts. Da erschuf er das Universum. Nicht in sieben Tagen, wie in der Bibel beschrieben, sondern in neun Stunden.
Auf der Erde lebte der Mensch friedlich neben Tier und Natur. Gier und Neid existierten nicht. Es gab keinen Kampf, fuer Kriege fehlte jedes Motiv.
Kurz um: Es herrschte eine Langeweile, wie man sie heute nicht einmal mehr beim Musikantenstadl nacherleben kann.
Da erschuf Gott den Neid, die Gier und als Kroenung: Die Gewalt.
Die Menschen fingen an sich zu beneiden. Gier auf Besitztuemer anderer, gepaart mit dem neuen Weg, der Gewalt, fuehrten zu epischen Schlachten in schier endlosen Kriegen. Das Leben der Menschen hatte einen Sinn bekommen.
Er erfand immer maechtigere Waffen. Von Speeren, die aus einfachen, angespitzten Stoecken bestanden, bis zu Schusswaffen, Bomben, Kampfgasen, Granaten...
Es ist die Bestimmung des Menschen zu kaempfen, zu toeten, Leid und Elend zu verbreiten.
Und nun bin ich bereit meiner Bestimmung nachzukommen. Ich werde erfuellen, wozu ich auserwaehlt bin. Ich...»
«Ich glaube Sie sollten lieber gehen.»
Als Peter aus dem Gebaeude tritt, wird er schon von Joachim erwartet.
«Und, wie ist es gelaufen?»
Peter kann sich ein grinsen nicht verkneifen.
«Ausgemustert, was dachtest du denn?»