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Das Walfischhaus

Monster-WG
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10.09.2014
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Das Walfischhaus

Sie will mich einfach nicht erhören. Mir tun die Knie weh, ich erhebe mich.
In drei Sekunden muss ich das Bittstellergesicht gegen ein triumphierendes tauschen, dann schreie ich mit durchgedrücktem Rücken: „Ehe hat auch eine materielle Seite!“ und knalle ihr Fotos wie Skatkarten auf den Tisch. Sie zuckt zusammen, hat diesen emotionalen Ausbruch nicht erwartet. Etwas Bowle schwappt über, der Strohhalm tänzelt. Nächstes Foto: „Mein Haus!“ Und bevor sie Terrasse und Pool genauer betrachten kann, schon das nächste – peng! „Mein Auto!“ Ja, diese Marke kennt sie, doch ich bombardiere weiter: „Meine Jacht!“ Der Sonnenuntergang ist zufällig. Sie schaut mich interessiert an, und jetzt ziehe ich statt eines Fotos einen Vertrag der Horizont-Invest und halte ihn in die Kamera. Cut.

Mit dem so verdienten Geld und einigen Ersparnissen landen wir endlich im Land unserer Sehnsucht – im Bordelais. Wir machen ein Table d’hôte auf, ein gastliches Haus mit kleiner Küche, und acht oder zehn Betten dazu. Bestimmen, was läuft – besonders das Tempo. Keine Hast, niemand über uns.
In einem Gutshof, der nur aus Efeu zu bestehen scheint, bringen wir die Koffer aufs Zimmer. Die Tür zur Veranda steht offen. Sanfte Hügel, Weinberge säumen den Fluss; in der letzten Abendsonne flirrt die Luft kupfern und golden. „Friede über dem Lande“, sagt Mina, ich geniere mich zu fragen, von wem das sei. Entrückt meinen wir die Weltuhr zu hören, wie das Pendel Tick macht und Tack, in großen Abständen, es kommt nicht so genau darauf an, und jedes Mal sackt der Glutballon eine Winzigkeit tiefer ins Wasser der Gironde. Das müsste aufblubbern wie Teewasser im Samowar, doch alles bleibt reglos; gebannt schauen wir zu.
Ich stehe hinter Mina, umschlinge sie und forme mit Zungenspitze und Lippen eine Raupe, die ihr immerfort den Hals hoch- und runterkriecht. Sie räkelt sich, drückt ihren Hintern gegen mich. Abrupt beenden wir unseren Zank darüber, ob die bronzenen Türme und Riesenzedern gegenüber zu Château Bourbonneau oder Le Coindrieux gehören.

Unnötig hart trete ich aufs Bremspedal. Vor uns nichts, hinter uns nichts – dennoch stehen wir in einer selbstverschuldeten Staubwolke, Mina findet meine Fahrweise ‚nicht nachvollziehbar’. Doch ich kann mich erklären: „Hören Sie, meine Liebe“, sage ich charmant, „ich habe eine Überraschung.“
„Bitte, Monsieur Udo – überraschen Sie mich!“, erwidert sie unbeeindruckt. „Was ist es dieses Mal?“
„Etwas ganz Wunderbares.“ Das sage ich oft, wenn ich nichts Genaues weiß. Ich setze etwas zurück und biege dann ab. Bin mir nicht sicher, was ich da gesehen habe, schlimmstenfalls waren es die Laubmassen der Platanen. Wir passieren zwei stattliche Pfeiler aus Sandstein, eine geschmiedete Torhälfte hängt in Brombeersträuchern.
Die Zufahrt säumen silberne Stämme wie ein Bataillon, über die Jahrzehnte von Sanddorn und Hagebutten entwaffnet. Die Baumkronen ineinander gewachsen wie ein Baldachin.
Kolossal, beherrschend mit vier Etagen und einem wuchtigen, geschwungenen Dach steht das Haus auf einer verwilderten Grünfläche. Uralte Bäume zu beiden Seiten. Alles echt, nicht etwa eine vergessene Filmkulisse – sonst gäbe es vor der Tür nicht die überwucherten Sand- und Kieshaufen.
Jäh rauscht es mir in den Ohren, das muss der Blutdruck sein. Mina ist weniger euphorisch – also reiße ich mich zusammen und mime Mister Cool. Sagt ja auch keiner, das habe nur auf uns gewartet. Dennoch: Das steht hier einfach so?
In mir baggert ein Paternoster Glücksgefühl, Schiss vor der eigenen Courage und Minas Meinung auf und ab.
Sie schaut skeptisch, wie auf ein gefaktes Foto, das als Beweismittel herhalten soll.
„Viel zu groß“, sagt sie dann. Das verstärkt meinen inneren Aufruhr, mich schmerzt, dass sie so unromantisch ist.
In den folgenden Tagen führt sie tausend Argumente an, weshalb das für uns das falsche Objekt ist, ich kontere mit tausendundeinem. Warum nicht ein richtig großes Haus mit allen Möglichkeiten für später, warum nicht klotzen statt kleckern? Muss ja nicht alles auf einmal passieren.
Schließlich gibt sie nach endlosen Debatten ihr Einverständnis – klipp und klar, jede Silbe einzeln betont: Aus - Lie - be, nicht - aus - Ver - stand. Und ich muss versprechen, die oberen zwei Etagen in ihrem Zustand zu belassen.

Den Besitzer ausfindig zu machen, ist einfach, weil das Haus Gemeindeeigentum ist.
So bleibt uns das befürchtete Feilschen erspart, und das fänden wir bei diesem Preis sogar unnötig.

„So viel Haus und Grund für dieses Geld!“, juble ich; Mina meint, der Betrag sei vermutlich nach jedem abgesprungenen Interessenten reduziert worden – und fixiert mich: „Und jetzt rate mal, warum die abgesprungen sind!“

Wir gehen zum Bauamt, zum Notar. Auch zu den Handwerkern, blitzen aber ab – keine freien Termine, keine Leute, sie würden eh nur für den Staat arbeiten. Die armen Franzosen.
Doch wir finden schnell heraus, wo sie zu Mittag essen. Wachstuch auf den Tischen, herrliche Hausmannskost. Wir bekommen langsam einen Draht zu ihnen.

Das Haus ist jetzt eingerüstet, und es ist skalpiert – nur noch ein paar Sparren ragen in den Regenhimmel.
Es gibt viel zu flicken, momentan sieht alles furchtbar aus.
Drinnen ist es ausgehöhlt. Die Räume wirken noch größer, jeder Schritt knallt wie ein Schuss.
Ich arbeite wie ein Verrückter, leider linkshändig, unbegabt, gerade gut für Hilfsarbeiten.
Meine Pluspunkte sind: Ich bin tatsächlich verrückt, verbissen und hoffe, mein Eifer zeigt den anderen, dass es hier einer ernst meint. Und es ist Therapie. Ich hinterfrage nicht mehr, ich tu’s einfach.

Draußen bildet sich eine Seenplatte zwischen Bergen von Schutt. Um überhaupt einen Fortgang zu erreichen, brauchen wir mehr Leute.
Jede Stunde verschlingt ein Heidengeld. Der Heimatverein bekundet Wohlwollen, als er von unseren Plänen erfährt, bleibt aber untätig. Nun ja, wir sind keine Franzosen.

Es regnet viel, alles ein Matsch. Der saugt einem bei jedem Schritt die Schuhe von den Füßen.
Bin voller Zweifel, ob wir finanziell durchhalten. Mein bester Freund Bernhard bewahrt seine Begeisterung für unser Vorhaben und bietet Unterstützung an, die wir gerne annehmen. Die Bank knausert.
Kaum ist das Dach repariert, gibt es eine Sturzflut. Wir wohnen in einem Wasserschloss, auch die Stimmung ist unter Wasser. Mina wird einsilbig.

Jenseits der Seenplatte winkt der Briefträger, ich stakse ihm in Gummistiefeln entgegen.
Er gibt mir ein dickes Kuvert und ich lese: Der Brandschutz verlangt eine Sprinkleranlage auf allen Etagen. Vielleicht sollten wir das Dach wieder entfernen?

Mina trinkt mehr Wein als früher. Ich will mit ihr darüber reden, als es klopft. Der Malermeister.
Sie haben in der Halle Gipsplatten entfernt, es seien Fresken zum Vorschein gekommen. Ich schieße in die Höhe, bin hellwach.
Telefonate, Formulare, Anträge, Fotos, eine Konferenz, Besucher aus Bordeaux mit Lupen, in weißen Kitteln mit Universitäts-Logo, auch Fotografen, die Presse.
Man wird mit uns in Kontakt bleiben.

Warten mit, warten ohne Hoffnung – mit Wein, mit mehr Wein, mit Streit, zuletzt mit viel Streit. Mina verlässt mich. Ich schlage mit dem Kopf gegen die Wand.
Meine wunderbare Frau. Hab ich dem Haus mehr Aufmerksamkeit geschenkt als ihr?
Ich grüble, ob ich dieses Haus wirklich brauche. Um aus dem Mittelmaß auszubrechen, wegen des großen Auftritts? Aber ich tu’s doch, um ihr zu imponieren, um sie zu behalten.
Ihr Weggang halbiert mich – mir fehlt eine Hand, der Kopf ist zur Hälfte blockiert, und mein Selbstvertrauen ist völlig dahin. Ich zerpflücke das grüne Kissen, ihre Katze hat es schon schlimm zugerichtet. Mir ist schwindlig: Mina, die Verräterin, Udo, der Idiot, die Schätze des Bordelais als Köder und Falle, Handwerker als Halsabschneider, vorschriftengesteuerte Amtsschimmel. Und viel Regen als unkooperative Geste von oben. Eine Verschwörung großen Stils.

Das Wasser versickert, die Halden werden abgetragen. Bernhard leiht mir noch etwas, das letzte Mal – für die nächsten Wochen. Dann bin ich nicht nur pleite, sondern auch hoch verschuldet. Da fängt das Leben erst richtig an.

Ein Brief vom Denkmalsamt. Ich setze mich.
Spule Jahrzehnte zurück, in die Zeit der Prüfungsangst, der totalen Unsicherheit. Erlebe noch einmal das Gefühl völligen Ausgeliefertseins, wie fremde Macht mein Leben bestimmt.
Ich spüre das Herz hoch im Hals; sehe Mina vor mir, zoome sie ran beim Öffnen des Kuverts, mit geschlossenen Augen. Hätte gern einen Schutzheiligen, eine magische Formel, um Dinge zu beeinflussen, falte das Papier auseinander und zähle bis drei – dann reiße ich die Augen auf und erfasse die fettgedruckte Summe.

Ihre Nummer ist mir in Fleisch und Blut übergegangen, sie ist auch gleich dran. „Hey“, sage ich. Sie zögert. „Mina“, winsle ich, „sag doch was. Bitte.“
Sie sagt noch nichts.
„Nun sei doch nicht so. Ich weiß, ich hab schlechte Karten, aber wir können doch nicht ...“
„Doch“, sagt sie.
„Mina, hör’ doch erst mal, was ...“
„Udo, ich hab länger ausgehalten, als gut war. Außer diesem verdammten Haus hattest du nichts mehr im Kopf. Und Familie schon gar nicht.“
„Aber ich hätte doch ...“ Ich höre, wie sie auflegt.

Ich schicke ihr eine Kopie.
Abends ruft sie an. Tja, sie habe den Bescheid gelesen, herzlichen Glückwunsch.
„Und?“
„Ehm, weiß nicht. Ist viel Geld.“
Und jetzt? Ich halte die Luft an. Knickt sie ein?
Nein. Dieses Haus sei ein Gefängnis, ob ich das denn nicht sähe? Wenn sie dort einzieht, käme sie nimmer mehr heraus. Daran würde auch unsere Liebe nichts ändern. Ihre Freiheit würde sie verlieren, jede ihrer Entscheidungen müsse das Haus berücksichtigen, doch sie will sich von ihm nicht zum Sklaven machen lassen.
Wozu so ein Riesending?
Ich werde ganz klein, doch sie sprudelt weiter: Dieses Haus sei ein Ungeheuer. Wenn sie durch die Säle gehe, fühle sie sich wie in einem Walfischbauch. Sie würde ersticken, verrecken. Ausgesaugt würde sie und verdaut, und das sei ihr letztes Wort.

Die Altertumsforscher bekommen Verstärkung, weil mein Haus – ja, ich sage jetzt bewusst ‚mein Haus’ – nach kürzlich ausgewerteten Urkunden ein ehemaliger Bischofssitz war. Auch der Papst sei hier gewesen. Das könnte weitere Zuschüsse bedeuten.


Ich gratuliere Mina zum Geburtstag, sie ist jetzt in London. Nach meinen guten Wünschen will ich noch die ‚Happy Birthday’-Melodie anstimmen, da bricht mir die Stimme. Ohne sie ist alles nix.


* * *

Als ich über einem Rezept für Gänseleberpastete und den technischen Daten eines größeren Vacuumierers brüte, macht es ‚Bling’ und mir fällt auf, dass Sonntag ist, ich nicht unter einer blütenüberwucherten Pergola sitze, die Beine hochgelegt und kühlen Clairet trinkend den Tag verstreichen lasse, sondern dabei bin, den Fortbestand meines Hauses zu sichern. Mina soll sehen, dass ich nicht nur flockige Sprüche kann. Sie ist sowieso immer dabei – ganz gleich, was ich tue, ich weiß, sie schaut zu.
Jeanette springt mir auf den Schoß. Die ist mittlerweile sechzehn, verliert viel Haar. Schleicht sich immer wieder in die Feinkostherstellung. Entenrillette mit Armagnac, Pistazien und Katzenhaar – mein Alptraum.

Ein neuer Tag. Klingeltöne, Rufe, Lieferanten. Jean-Pierre, meine rechte Hand, bringt die neuen Etiketten, Gläser, Verschlüsse. Ich entscheide schnell, wir müssen zur Verkostung der neuen Produkte.
Bin wie im Rausch, hab noch nie so intensiv gelebt.
Abends, wenn nur noch im Versand gearbeitet wird, gerate ich oft ins Grübeln. Glaube beinahe an die Vorsehung. Das Haus musste so groß sein, damit ich auf Touren komme; Mina musste gehen, damit ich nicht ihr die Schuld für meine Versäumnisse in die Schuhe schieben kann.

Ich weiß nicht, warum sie mir nach so vielen Jahren eine Karte von Trinidad schickt, Gemeinheit schließe ich jedoch aus.
Vielleicht kommt sie auf der Rückreise vorbei. Ich werde meinen Arm um sie legen, wie früher, und ihr alles zeigen.
Gerade ist der Pool fertig geworden, mit Jacuzzi und einem dicken Wal aus Granit. Der bläst eine stramme Fontäne in die Luft. Den weißen Fleck auf seinem Kopf wische ich weg, der
ist von einer Amsel. Es hupt. Und noch mal. Ich finde das blöd, hier muss man nicht hupen.
Vorm Haus steht ein Taxi, eine bunte, korpulente Frau steht neben der Fahrertür und jedes Mal, wenn sie Kopf und Strohhut ins Wageninnere steckt, hupt es. Ah so! Sie ist die Verrückte, nicht der Fahrer. Aber vor meinem Haus? Extrovertierte Kundschaft vielleicht, hoffentlich hab ich die Nerven dazu.
Ich spüre, wie mich dieses Verhalten aggressiv macht, will trotzdem höflich sein. Diese Frau in Karnevalsfarben nimmt mich plötzlich wahr, reißt die Arme auseinander und walzt mir entgegen.
Schreit meinen Namen ein ums andere Mal und will mich an sich reißen. Wie ein Torero weiche ich aus, muss sie jedoch vor dem Sturz bewahren – das Gesetz der Trägheit oder der Fülle ...
Sie strauchelt, kommt mit meiner Hilfe wieder auf die Beine. Sie ringt nach Luft und sagt dreisprachig, ich solle das Taxi bezahlen.

„Oh, mein Liebling, mein Genius!“ Sie nimmt die Sonnenbrille ab. „Das sieht ja alles wunderschön aus hier. Ich dachte, ich bereite dir mal eine Überraschung. Freust dich doch, oder?“
„Jetzt komm erst mal ins Haus und setz dich.“ Ich bezahle den Fahrer.
„Begrüßungskuss ist nicht“, sagt sie, „aber vielleicht ist die Liebe etwas abgekühlt. Oder bist du verheiratet?“ Sie sieht schlimm aus.
Das scheint auch sie zu spüren, blickt in den blinden Spiegel neben dem Kamin und sagt: „Wo geht’s zum Bad?“
„Zweite rechts“, sage ich.
Sie schaut nochmals durch die Tür: „Gibt’s denn was zu trinken bei Dir?“
„Nur wenn du Jeanette mitnimmst.“
„Wie - mitnimmst?“

 

bon soirée @josefelipe,

hast du Leerzeilen-Diarrhö, oder ist das Absicht? :D:lol:

Entrückt meinen wir die Weltuhr zu hören, wie das Pendel Tick macht und Tack, in großen Abständen, es kommt nicht so genau darauf an, und jedes Mal sackt der Glutballon eine Winzigkeit tiefer ins Wasser der Gironde. Das müsste aufblubbern wie Teewasser im Samowar, doch alles bleibt reglos; gebannt schauen wir zu.
schön geschrieben, großes Kino.

Wir passieren zwei stattliche Pfeiler aus Sandstein, eine geschmiedete Torhälfte hängt in Brombeersträuchern.
Sagt alles.

In mir baggert ein Paternoster Glücksgefühl, Schiss vor der eigenen Courage und Minas Meinung auf und ab.
Noch nie gelesen, da bin ich sicher. Cool.

Das Haus ist jetzt eingerüstet, und es ist skalpiert – nur noch ein paar Sparren ragen in den Regenhimmel.
schöne Bilder, José.

Ich hinterfrage nicht mehr, ich tu’s einfach.
Da keine wörtliche Rede, würde ich tue es schreiben.

Ihr Weggang halbiert mich – mir fehlt eine Hand, der Kopf ist zur Hälfte blockiert, und mein Selbstvertrauen ist völlig dahin. Ich zerpflücke das grüne Kissen, ihre Katze hat es schon schlimm zugerichtet. Mir ist schwindlig: Mina, die Verräterin, Udo, der Idiot, die Schätze des Bordelais als Köder und Falle, Handwerker als Halsabschneider, vorschriftengesteuerte Amtsschimmel. Und viel Regen als unkooperative Geste von oben. Eine Verschwörung großen Stils.
Der Text hat einen guten Drive, hier schön abzulesen, klasse.

„Meensch, ich weiß, ich hab schlechte Karten
verkaufe ein e.

Abends ruft sie an. Tja, sie habe (zu viel leer) den Bescheid gelesen, herzlichen Glückwunsch.

„Ehm, weiß nich. Iss viel Geld.“
Wie schmeckt es denn? :Pfeif:

Ich weiß nicht, warum sie mir nach so vielen Jahren eine Karte von Trinidad schickt, Gemeinheit schließe ich jedoch aus.
klasse.

Ich werde meinen Arm um sie legen(Komma?) wie früher(Komma?) und ihr alles zeigen.

„Jetzt komm erst mal ins Haus und setz dich“.
Muss der Punkt nicht eins nach links?

Du beschreibst die eine große Liebe, von der beide glauben, dass sie die gemeinsam in der Partnerschaft finden, bis mit dem Platzen der ersten Illusionen klar wird, dass es das Haus ist, das mit seinem Gewicht den Takt diktiert. Und so kostet die Liaison mit dem Walfischhaus den Prota die Partnerschaft, der Traum wird zum Überlebenskampf, das Haus wird zur Domina, frisst ihn mit Haut und Haaren. Bis er zu guter Letzt Oberwasser bekommt und sich alles so und doch anders fügt als gedacht. Nicht zuletzt eine Aussage über das Leben, über die Wege, die es einschlägt und den sehr unterschiedlichen Umgang damit. Während sie sich verliert, surft er oben auf dem Rücken des Walfischs und lebt so intensiv wie nie vorher. Dabei quält ihn die Sehnsucht nach der Mina von früher, die es nicht mehr gibt, weil sie in der Unmöglichkeit des Walfischbauchs verloren ging. Aber jeder kann schließlich nur einen Weg gehen und nur einen Tod sterben, nicht wahr?

So viel erstmals von mir. Guter Text.
Peace, linktofink

 

Hola @josefelipe,

ich beneide dich, wie du scheinbar so einfach und nebenbei so schöne und treffende Bilder entstehen lässt. Und immer wieder ein Schuss Humor und Ironie dabei.

Ich grübele jetzt darüber nach, was du mir mitgeben willst. Verliere dein Ziel nicht aus den Augen? Auch wenn du deine Lieben damit verlierst? Willst du mir überhaupt etwas mitgeben?
Irgendwie ist er ja auch schuld an ihrem Absturz, oder?
Aber dadurch, dass der Text mich so beschäftigt, merkst du, dass er eingeschlagen hat.

Hier noch eine Anmerkung, es hat sich ein Präteritum eingeschlichen.

Ich setzte etwas zurück

Vielen Dank für die schöne Zeit mit deinem Text

Gruß Daeron

 

Hallo Josefilipe,

Ein Haus, das zum Wasserschloss wird, zum Walfischbauch und es schafft sich zwischen die große Liebe zu drängen. Eine interessante Geschichte, sprachlich anspruchsvoll, mit einem gewissen Spannungsbogen und dazu noch Humor. Gut gemacht.

Dann fangen wir mal an.

dann schreie ich mit durchgedrücktem Rücken: „Ehe hat auch eine materielle Seite!“
>> Der erste Satz, der mich gereizt hat, weiterzulesen. Vor allem der "durchgedrückte Rücken". Da konnte ich mir gleich einen gewissen Typus Mann vorstellen. ;)
Etwas Bowle schwappt über, der Strohhalm tänzelt.
>> mir gefällt der tänzelnde Strohhalm
in der letzten Abendsonne flirrt die Luft kupfern und golden.
>> die Kombi aus kupfern und golden erzeugt wieder ein Bild, was kupfern und gold allein nicht in dieser Intensität vermögen. auf den Satz bin ich neidisch.
und jedes Mal sackt der Glutballon eine Winzigkeit tiefer ins Wasser der Gironde. Das müsste aufblubbern wie Teewasser im Samowar, doch alles bleibt reglos; gebannt schauen wir zu.
gut
forme mit Zungenspitze und Lippen eine Raupe, die ihr immerfort den Hals hoch- und runterkriecht.
Da musste ich grinsen, tolles Bild! Frech, dynamisch.
Die Zufahrt säumen silberne Stämme wie ein Bataillon, über die Jahrzehnte von Sanddorn und Hagebutten entwaffnet.
Der Satz klingt toll, auch wenn ich mir das Bild nicht dazu visualisieren kann. Wie entwaffnen Sanddorn und Hagebutten die silberne Stämme?!?
n mir baggert ein Paternoster Glücksgefühl,
klasse
Wachstuch auf den Tischen, herrliche Hausmannskost.
effizient und gelungene Beschreibung allein durch Substantive. das "herrlich" bräuchte ich nicht.
Meine Pluspunkte sind: Ich bin tatsächlich verrückt, verbissen und hoffe, mein Eifer zeigt den anderen, dass es hier einer ernst meint. Und es ist Therapie.
gefiel mir.
Kaum ist das Dach repariert, gibt es eine Sturzflut. Wir wohnen in einem Wasserschloss,
:) :)

Mir ist schwindlig: Mina, die Verräterin, Udo, der Idiot, die Schätze des Bordelais als Köder und Falle, Handwerker als Halsabschneider,
toll formuliert
Dieses Haus sei ein Ungeheuer. Wenn sie durch die Säle gehe, fühle sie sich wie in einem Walfischbauch.
:) :D

Schleicht sich immer wieder in die Feinkostherstellung. Entenrillette mit Armagnac, Pistazien und Katzenhaar – mein Alptraum.
Ist Jeannett eine Katze? Vermutlich
Der bläst eine stramme Fontäne in die Luft. Den weißen Fleck auf seinem Kopf wische ich weg, der
ist von einer Amsel.
Gibt es Amseln auch soweit südlich?
Diese Frau in Karnevalsfarben nimmt mich plötzlich wahr, reißt die Arme auseinander und walzt mir entgegen.
Schreit meinen Namen ein ums andere Mal und will mich an sich reißen. Wie ein Torero weiche ich aus, muss sie jedoch vor dem Sturz bewahren – das Gesetz der Trägheit oder der Fülle ...
Sie strauchelt, kommt mit meiner Hilfe wieder auf die Beine. Sie ringt nach Luft und sagt dreisprachig, ich solle das Taxi bezahlen.
>> gut formuliert. gelungene doppelcharakterisierung, die dickenfeindlichkeit des prot entlarvt ihn selbst, gleichzeitig wird die frau durch seine augen betrachtet, pointiert dargestellt.
„Gibt’s denn was zu trinken bei Dir?“
„Nur wenn du Jeanette mitnimmst.“
„Wie: mitnimmst?“
>> mich stört der Doppelpunkt, wüsste aber nicht ob ein Bindestrich besser wäre. ansonsten gutes Ende.

grüße, petdays

 

Hola, mein Lieber!
Deine Bedenken kann ich zerstreuen:

... hast du Leerzeilen-Diarrhö, oder ist das Absicht?
Das passierte beim Einstellen. Mit einem Mal fußballfeldergroße weiße Plätze! Ich dachte, mich kriegen se. Hat aber jut jejange. Ansonsten, lieber @linktofink, meinen besten Dank für den wohlwollenden Kommentar.
Bin sicher, da wären auch andere Anmerkungen möglich (Man weiß ja immer selbst, wo einen der Schuh drückt :cool: ).

In mir baggert ein Paternoster Glücksgefühl, Schiss vor der eigenen Courage und Minas Meinung auf und ab.
Noch nie gelesen, da bin ich sicher. Cool.
Passiert mir dann und wann: Da hab ich was im Kopf, denk zwar, es wäre mein Einfall, lass es aber, weil das im anderen Zusammenhang hängen geblieben sein könnte. Hier in diesem Fall hab ich erst mal gegugelt, ob nicht ... Ein Elefant speichert ja im Laufe seines Lebens so allerhand Zeugs.

Ich hinterfrage nicht mehr, ich tu’s einfach.
Da keine wörtliche Rede, würde ich tue es schreiben.
Korrekt auf jeden Fall. Ich will es lieber so lassen, hab’s zweimal im Text, ich find’s weniger steif.

„Meensch, ich weiß, ich hab schlechte Karten
verkaufe ein e.

No, unverkäuflich! Obwohl ich nicht weiß, wie sonst dieses langgezogene Meeensch (im Sinne von 'Nun sei doch nicht so') unter alten Bekannten bzw. Eheleuten geschrieben werden sollte.
Doch, ich weiß es: Ich schreibe 'Nun sei doch nicht so'.

„Ehm, weiß nich. Iss viel Geld.“
Wie schmeckt es denn?
Geld? Natürlich nach mehr. (Hab’s geändert.)

Ebenfalls Pünktchen, Pünktchen, Komma, Strich – danke fürs Aufzeigen.

linktofink: schrieb:
Du beschreibst die eine große Liebe, von der beide glauben, dass sie die gemeinsam in der Partnerschaft finden, bis mit dem Platzen der ersten Illusionen klar wird, dass es das Haus ist, das mit seinem Gewicht den Takt diktiert. Und so kostet die Liaison mit dem Walfischhaus den Prota die Partnerschaft, der Traum wird zum Überlebenskampf, das Haus wird zur Domina, frisst ihn mit Haut und Haaren. Bis er zu guter Letzt Oberwasser bekommt und sich alles so und doch anders fügt als gedacht. Nicht zuletzt eine Aussage über das Leben, über die Wege, die es einschlägt und den sehr unterschiedlichen Umgang damit. Während sie sich verliert, surft er oben auf dem Rücken des Walfischs und lebt so intensiv wie nie vorher. Dabei quält ihn die Sehnsucht nach der Mina von früher, die es nicht mehr gibt, weil sie in der Unmöglichkeit des Walfischbauchs verloren ging. Aber jeder kann schließlich nur einen Weg gehen und nur einen Tod sterben, nicht wahr?

Schöner und treffender kann man es nicht sagen. Wenn meine Roman-Trilogie auf den Markt kommt, musst Du unbedingt das Vorwort schreiben. Muss ja nicht für lau sein ... wenn dann die Tantiemen fließen!
Aber ernsthaft:
... eine Aussage über das Leben, über die Wege, die es einschlägt und den sehr unterschiedlichen Umgang damit.
Das ist mein Thema. Das Symbol ist die Flipperkugel. Klingt bisschen unseriös, die besteht aber aus dem gleichen Material wie der Stein der Weisen:teach:.

Du schreibst nicht nur tolle Geschichten, sondern auch fabelhafte Kommentare!*)
Danke nochmals und beste Wünsche
José

*)Das schlechte Gewissen drückt mich hernieder, aber ich hab’s schwer mit den tags Deiner beiden letzten Geschichten. Jedenfalls bewundere ich Dein Talent, auch auf diesem Instrument wirklich gut spielen zu können!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola @Daeron,

Daeron: schrieb:
... dass der Text mich so beschäftigt, merkst du, dass er eingeschlagen hat.
Ja, das Beste ist, wenn ein Text den Leser bzw. seinen Kopf beschäftigt. Das freut mich:
Daeron: schrieb:
Ich grübele jetzt darüber nach, was du mir mitgeben willst.
Soll nur Anreiz zur Reflexion sein. Und da bist Du genau der richtige Adressat. Bei Dir funktioniert es, wenn ich Dich richtig verstehe.

Verliere dein Ziel nicht aus den Augen?
Das eigentlich nicht. Ist ja nichts Falsches, aber sehr originell ist es auch nicht.
Küchenkalender halt.

Auch wenn du deine Lieben damit verlierst?
Das wäre ein hoher Preis. Ist aber auch ein Lackmus-Test: Halten zwei zusammen oder reißt es? Unser Prota-Paar hat ihn nicht bestanden. Das hat mit der allgemeinen Tendenz zu tun, lieber Single zu sein als sich zu arrangieren.

Irgendwie ist er ja auch schuld an ihrem Absturz, oder?
Ist interpretationsabhängig. Das Auf und Ab oder die Unberechenbarkeit des Lebens sozusagen. An dieser Stelle verweise ich immer mit bedeutungsvollem Blick auf die Flipperkugel:bib:.

Lieber Daeron, vielen Dank für Deine Zuschrift. Wichtig, dass der Autor erfährt, wie sein Text angekommen ist. Viele Grüße!
José
PS

... wie du scheinbar so einfach und nebenbei so schöne und treffende Bilder entstehen lässt.
Ja – scheinbar;).

 

Hallo @josefelipe,

"Ehe hat auch eine materielle Seite!“ und knalle ihr Fotos wie Skatkarten auf den Tisch.
Ich finde den Spruch spitze und auch den Skat-Vergleich, das zieht rein. Danach hängt es für mich ein bisschen wegen des Bezugs auf diese schon zigfach parodierte Werbung.

Beim ersten Lesen habe ich gedacht, das ist die Trennung und er versucht, sie so umzustimmen: Überleg mal, was wir alles zusammen erreicht haben. Was so eine Scheidung kostet!

ob die bronzenen Türme und Riesenzedern gegenüber zu Château Bourbonneau oder Le Coindrieux gehören.
Was Leute mit Geld sich so fragen. Dieses ganze Upper-Class-Ding kommt mitunter fast schon satirisch daher, wahrscheinlich auch wegen des erzählerischen Tons.

Aber was! Hinfort mit euch Zweifeln!
Der Humor ist ein wichtiger Teil deiner Stimme, aber das wäre für mich so eine Stelle, an der es droht, ins Alberne abzugleiten.

anstimmen, da bricht mir die Stimme. Ich heule lautlos. Sie sagt noch etwas, ich antworte so knapp wie möglich. Sie soll es nicht merken. Ohne sie ist alles nix.
"Ich heule lautlos", vor allem aber die letzten beiden Sätze hier würde ich weglassen. Da wird Offensichtliches ausformuliert.

Der Prot verliert seine Liebe durch etwas, das er für den ultimativen Liebesbeweis hält. Tragische Ironie und durchaus spannend, dabei zuzuschauen. Was ich auch interessant fand: Mir geht's genau wie Mina. Die Gefühle für sie nehme ich dem Protagonisten nicht ab, er redet ja nur über das Haus. Wenn er sagt, er vermisst sie, weiß ich gar nicht, was genau, weil er da nicht drüber spricht.

Der lockere Stil führt easy durch die Geschichte, aber wie gesagt, einiges ist mir zu viel, da leidet dann auch die Tragik drunter.

Grüße
JC

 

Hola @petdays,

möchte mich für Deine freundliche Beurteilung meines Textes bedanken.

Vor allem der "durchgedrückte Rücken". Da konnte ich mir gleich einen gewissen Typus Mann vorstellen.
Das glaube ich – der "durchgedrückte Rücken" geht ja nahtlos in die Lenden über:Pfeif:.

Die Zufahrt säumen silberne Stämme wie ein Bataillon, über die Jahrzehnte von Sanddorn und Hagebutten entwaffnet.

Der Satz klingt toll, auch wenn ich mir das Bild nicht dazu visualisieren kann. Wie entwaffnen Sanddorn und Hagebutten die silberne Stämme?!?

Ich wollte nicht die Stämme, sondern das Bataillon entwaffnen: Jeder Stamm ein Soldat, durch Wildwuchs um Arme und Beine entwaffnet, im Sinne von kampfunfähig.

In mir baggert ein Paternoster Glücksgefühl,

klasse

Nicht zu verwechseln mit einer Religion, bei der, wie ich hörte, auch ein Zusammenhang zwischen Paternoster und Glücksgefühl möglich ist:schiel:.

Wachstuch auf den Tischen, herrliche Hausmannskost.

effizient und gelungene Beschreibung allein durch Substantive. das "herrlich" bräuchte ich nicht.
Ich aber! Als Abgrenzung zu mittelmäßiger, liebloser Hausmannskost.

Gibt es Amseln auch soweit südlich?

Ne sais pas. Vielleicht war’s auch ein anderes Vögelchen.

„Wie: mitnimmst?“

>> mich stört der Doppelpunkt, wüsste aber nicht ob ein Bindestrich besser wäre. ansonsten gutes Ende.

Hast recht - Bindestrich!

Nochmals bedankt, wünsch Dir weiterhin viel Energie – ich gerate schon außer Atem, wenn ich bei Deinen Multi-Aktivitäten nur zuschaue:thumbsup:.

José

 

Hola @Proof,

meinen Dank für Deinen Leseeindruck. Bin ja einigermaßen ungeschoren davongekommen.

Proof: schrieb:
Beim ersten Lesen habe ich gedacht, das ist die Trennung und er versucht, sie so umzustimmen: Überleg mal, was wir alles zusammen erreicht haben. Was so eine Scheidung kostet!
Verstehe. Und deshalb – damit sich der Leser nicht veräppelt vorkommt – das klärende ‚Cut’.

Ich wollte die beiden als kleine Flippis darstellen und nicht als Realisten. Mal ein Job in der Werbung, mal im Altersheim, mal als Bedienung. Bisschen spinnert muss man sein für solche Pläne (Ich weiß, wovon ich redeschreibe :shy: ).

ob die bronzenen Türme und Riesenzedern gegenüber zu Château Bourbonneau oder Le Coindrieux gehören.

Was Leute mit Geld sich so fragen. Dieses ganze Upper-Class-Ding kommt mitunter fast schon satirisch daher, wahrscheinlich auch wegen des erzählerischen Tons.

Ja, so könnte man es auch verstehen. Doch ich hatte es eigentlich so gedacht: Wer dort durch die Gegend reist, hat meist ein oder mehrere Châteaux im Blick, die markantesten prägen sich ein. Ob man dieses neuerworbene ‚Wissen’ an die große Glocke hängt, ist Charaktersache. Statt ‚Streit’ hatte ich ‚Zank’ gewählt, was andeuten sollte, dass die Besserwisserei nicht ernst gemeint war. Und: Diese beiden Schlösser müssen erst noch gebaut werden, reine Erfindung:cool:.

José: schrieb:
Aber was! Hinfort mit euch Zweifeln!

Proof: schrieb:
Der Humor ist ein wichtiger Teil deiner Stimme, aber das wäre für mich so eine Stelle, an der es droht, ins Alberne abzugleiten.

Ich werd’ in Zukunft aufpassen – da bin ich echt gefährdet.
Nein, noch besser: Hab's gestrichen. Bedankt!

anstimmen, da bricht mir die Stimme. Ich heule lautlos. Sie sagt noch etwas, ich antworte so knapp wie möglich. Sie soll es nicht merken. Ohne sie ist alles nix.

"Ich heule lautlos", vor allem aber die letzten beiden Sätze hier würde ich weglassen. Da wird Offensichtliches ausformuliert.
Stimmt! Hast völlig recht. Hab’s jetzt so gemacht:

Ich gratuliere Mina zum Geburtstag, sie ist jetzt in London. Nach meinen guten Wünschen will ich noch die ‚Happy Birthday’-Melodie anstimmen, da bricht mir die Stimme.
Ohne sie ist alles nix.

Besten Dank für die Tipps, Mister Proof. Ich stehe tief in Deiner Schuld und bin deswegen auch bereit, zu Deiner nächsten Geschichte einen Revanche-Komm zu schreiben – aber nur, wenn’s kein Horror ist. Gehen Sie getrost bei Rot über die Kreuzung, ich verspreche Ihnen, für Sie zu bremsen. Dashcam läuft:D.

Schöne Grüße!
José

 

Hey José,

also ich finde das ist auf jeden Fall schon ein sehr guter Text. Vor allem auch stilistisch. Manchmal hast du richtige Top-Stellen drin, finde ich (und zeige dir auch mindestens eine). Da ist eine Fülle an Details. Manchmal sogar so viel, dass ich Proof in dem Punkt seiner Anmerkung auf jeden Fall gut verstehe. Aber ich finde das auch legitim. So kenne ich deine Schreibe auch.
Ich denke, um einen Schritt weiterzugehen mit dem Text bräuchte es verschiedene Dinge. Einmal finde ich das schon einfühlsam geschrieben, aber für meinen Geschmack könntest du noch öfter auch in die Gefühlswelten von Udo und Mina eintauchen. Was ich gut finde, du hast Mina wirklich schon gut zu Udos Gegenspielerin ausgebaut und das bleibt auch den ganzen Text über so. Das Walfischhaus sehe ich als wichtigen Stellvertreter-Schauplatz für die Auseinandersetzung zwischen den beiden. Was ich dafür auch noch etwas blass finde, ist Udos Haltung am Ende. Ich merke schon, dass du mir da viele Andeutungen gibst, dass sich da auch bei ihm einiges gewandelt hat, aber das ist mir noch etwas zu dünn. Eine weitere Sache, die den Text noch anheben würde, wäre eine Art Spannungselement. Ich glaube auch, dass das der Grund ist (wie so häufig) warum sich noch eher weniger LeserInnen der Geschichte angenommen haben. Dabei sehe ich hier gute Ansätze. Wird ihn das Haus ruinieren, wird Mina sich abwenden, wird er seinen Kopf aus der Schlinge kriegen? Da ist jetzt vielleicht noch nicht das Passende dabei und vielleicht muss das ja auch nicht mehr nachträglich eingeschraubt werden, aber so grundsätzlich, denke ich, wäre das auch für kommende Texte wieder gut so eine Art Spannungskurve. Ein Letztes: Ich denke, der Konflikt könnte noch etwas deutlicher gestaltet sein. Mir wird nicht so ganz klar, wogegen Udo da eigentlich ankämpft bzw. gegen wen in der Hauptsache. Der Konflikt wechselt von Mina zum Walfischhaus. Plötzlich ist das Walfischhaus ein Problem, der Konflikt da, dann ist wieder Geld auf der Bank, der Konflikt weg. Und parallel die Sache mit Mina.

Viel Gemoser und trotzdem bleibe ich dabei, dass es an sich schon ein sehr guter Text ist.

Das müsste aufblubbern wie Teewasser im Samowar

fand ich schön, auch wenn ich mich gefragt hab, warum ausgerechnet ein Samowar. Aber irgendwie passt es auch zu Udo.

selbstverschuldeten Staubwolke

sehr schön!

erklären: „Hören Sie, meine

Absatz?

Warten mit, warten ohne Hoffnung – mit Wein, mit mehr Wein, mit Streit, zuletzt mit viel Streit. Mina verlässt mich. Ich schlage mit dem Kopf gegen die Wand.

Auch super, wie du so mit wenigen Worten über einen ganzen Zeitabschnitt hinwegwischst.

Das Wasser versickert, die Halden werden abgetragen. Bernhard leiht mir noch etwas, das letzte Mal – für die nächsten Wochen. Dann bin ich nicht nur pleite, sondern auch hoch verschuldet. Da fängt das Leben erst richtig an.

Hier kommt die Tragik der Situation super zur Geltung.

Und jetzt? Ich halte die Luft an. Knickt sie ein?
Nein.

Die ironische Wendung der Geschichte.

Die Altertumsforscher bekommen Verstärkung, weil mein Haus – ja, ich sage jetzt bewusst ‚mein Haus’ – nach kürzlich ausgewerteten Urkunden ein ehemaliger Bischofssitz war. Auch der Papst sei hier gewesen. Das könnte weitere Zuschüsse bedeuten.

Die Stelle hier fand ich ganz besonders gut.

Als ich über einem Rezept für Gänseleberpastete und den technischen Daten eines größeren Vacuumierers brüte,

wie auch das.

Also José, ich habe dir gesagt, was mir an deinem Text gefällt und wo ich denke, dass es weitergehen könnte. Hoffe du kannst damit was für dich anfangen.

Liebe Grüße
Carlo

 

Hola @Carlo Zwei,

über Deinen Kommentar hab ich mich sehr gefreut. Besten Dank, auch für’s Lob.
Du hast ja eine superaktive Phase, und trotzdem empfinde ich Deinen Post nicht als nette Geste, sondern gezielt ausgerichtet auf den Text.

Der Spannungsbogen, z. B. – tja, da ist was dran! Will mich nicht rausreden, finde es aber sauschwer, die Spannung über die vielen Jahre aufrecht zu halten.

... für meinen Geschmack könntest du noch öfter auch in die Gefühlswelten von Udo und Mina eintauchen. Was ich gut finde, du hast Mina wirklich schon gut zu Udos Gegenspielerin ausgebaut und das bleibt auch den ganzen Text über so. Das Walfischhaus sehe ich als wichtigen Stellvertreter-Schauplatz für die Auseinandersetzung zwischen den beiden.

Ja, da triffst Du voll ins Schwarze. Das Haus könnte auch ein Nebenbuhler (was für ein Wort!) sein. Oder die Nagelprobe für die Liaison.

Was ich dafür auch noch etwas blass finde, ist Udos Haltung am Ende. Ich merke schon, dass du mir da viele Andeutungen gibst, dass sich da auch bei ihm einiges gewandelt hat, aber das ist mir noch etwas zu dünn.

Schade. Die Absicht war, Udo vom Loser wegen Minas Weggang zum Sieger zu verwandeln.
Er sagt fortan ‚Mein Haus’, Pool und Wal aus Granit kosten Geld, sein Laden scheint zu laufen. Fand auch die Idee reizvoll, aus naiver Frankophilie einen knallharten Knochen-Job zu machen. Und den Wechsel vom weinerlichen Telefonierer zum erfolgreichen Geschäftsmann.
Möglicherweise bisschen viel für eine Kurzgeschichte.

Mir wird nicht so ganz klar, wogegen Udo da eigentlich ankämpft bzw. gegen wen in der Hauptsache. Der Konflikt wechselt von Mina zum Walfischhaus. Plötzlich ist das Walfischhaus ein Problem, der Konflikt da, dann ist wieder Geld auf der Bank, der Konflikt weg. Und parallel die Sache mit Mina.

Das Fette trifft es. Mina ist über alle Berge, in London hat er sie noch mal erwischt. Das Haus aber bleibt und fordert ihm so viel ab wie eine fünfköpfige Familie. Doch der Entwicklung seiner Persönlichkeit hat das vermutlich gut getan.

Also José, ich habe dir gesagt, was mir an deinem Text gefällt und wo ich denke, dass es weitergehen könnte. Hoffe du kannst damit was für dich anfangen.

Und ob, mein Lieber! Danke nochmals, dass Du meinen Text so aufmerksam gelesen hast, dass mir Dein Komm seine schwächeren Seiten aufzeigt.

Schöne Grüße!
José

 

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