das wahre heldendasein
Kinder.....so schnell wollen sie erwachsen werden. Ich sehe sie. Sehe, wie sie mich anstarren. Häufig Bewunderung, selten auch Neid spiegeln sich in ihren Blicken. Ich spüre, was sie geben würden, um mit mir tauschen zu können. Wie gern würde ich ihr Angebot annehmen, mehr noch, ich würde alles geben was ich habe, um einmal, nur einmal wieder Kind sein zu dürfen. Sicherlich, ich mag eine imposante Erscheinung sein, mag Kinder, Männer und natürlich auch Frauen beeindrucken. Doch ich frage mich, was bringt es mir? Was habe ich davon? Meist bringt mir der erste Eindruck Respekt, manchmal sogar Furcht ein. Will ich das? Soll dies mein Schicksal sein?
Im Schritttempo reite ich über den nur spärlich bevölkerten Marktplatz. Gleich wird es Mittag sein, die meisten Frauen sind bereits zu Hause am Herd und brutzeln etwas mehr oder weniger köstliches für ihre Männer. Viele der Händler packen schon zusammen, bald wird der Platz, bis auf ein paar Bettler natürlich, wieder leer sein. Der Bettler dort vor dem Brunnen, wie er dort auf der staubigen Straße sitzt, in seinen zerschlissenen, dreckigen Kleidern. Er und ich, scheinbar ein vollkommener Gegensatz. Ich auf meinem edlen Ross, er auf Schuhen, die einstmals eine Sohle hatten. Ich in meiner leichten, kettenverstärkten Lederrüstung, er in zerschlissenen Leinen. Vieles mehr könnte ich aufzählen, doch etwas wichtiges haben wir gemein. Im Prinzip waren wir beide Ausgestoßene, der eine mehr, der andere weniger. Wer mehr und wer weniger.... genau kann ich das nicht sagen. Sicher, er wird mit Abscheu begutachtet, ich häufig mit staunenden Augen. Zweifelsohne werde ich lieber in einer Schenke gesehen als er. Und trotzdem weiß ich nicht, welche Rolle mir besser gefällt. Denn wer weiß, vielleicht hat er irgendwo Freunde, andere Bettler, oder Tagelöhner, vielleicht hat er sogar ein Weib.
Meine Gedanken lösen sich von dem Armen und langsam treibe ich meine Stute voran. Mit gesenktem Kopf reite ich weiter, immer auf das Gasthaus am anderen Ende des Platzes zu. Es soll das Beste in der kleinen Stadt sein. Die Sonne brennt vom Himmel, was in meiner Rüstung nicht besonders angenehm ist und der Staub, der überall in der Luft liegt, machte es nicht unbedingt besser. Vor dem Gasthaus binde ich mein Pferd an, klopfe mir den Schmutz von der Rüstung und begebe mich zum Eingang. Müde öffne ich die Tür, Gelächter und Wortfetzen umfangen mich und schwerer Rauch liegt in der Luft. Ich trete ein und die Stimmen verstummen. Es ist immer das selbe, jemanden wie mich sieht man nicht alle Tage. Da ich den Leuten keine große Aufmerksam-keit schenke und zu einem der weiter hinten gelegenen Tische gehe, setzt der gewohnte Lärm wieder ein.
Nach einer Weile trauen sich einige Männer mich anzusprechen, woher ich komme, ob ich ein Abenteurer bin wollen sie wissen. Ich bin es müde. Immer die gleichen Fragen, immer der gleiche Ablauf. Wohin ich auch komme, alle sind an meinen Geschichten interessiert. Für eine kurze Zeit sehe ich in ihren Augen die gleiche Begeisterung, wie bei den Kindern. Träumerei! Nun, da sich herausgestellt hat, dass ich kein Unhold bin, kommen mehr und mehr Männer, um meinen Geschichten zu lauschen. Sie bieten mir Bier oder Wein an, auch Frauen setzen sich, werfen mir schöne Blicke zu. Ich weiß, dass ich sie haben kann. Ein Aufforderung und sie würden den ganzen Abend nicht mehr von meiner Seite weichen. Irgendwann habe ich jedoch die Lust an solchen Dingen verloren. Sicher, vor einigen Jahren war es etwas wundervolles, so viel herumzukommen. Jeden Abend eine andere Frau in den Armen, neue Menschen, neue Eindrücke. Es war eine schöne Zeit, doch nun bin erwachsen geworden. Ich sehne mich nach dem, was man Heimat nennt, nach einer Familie und einem normalen Leben. Doch was soll ich machen? So lange ich meine Geschichten erzähle, bin ich in jedem Gasthaus gern gesehen. Doch Geld verdien ich mir damit nicht, gelernt habe ich auch nichts. Als Jüngling bin ich ausgezogen um Abenteuer zu suchen und Abenteuer habe ich gefunden. Nur nützt mir das nichts. Ohne irgendein Handwerk erlernt zu haben bin ich höchstens als Tagelöhner zu gebrauchen.
Langsam verlieren die Leute das Interesse an meinen Geschichten aus fernen Ländern und verzweifelten Kämpfen. Mehr und mehr verlassen den Tisch. Wo gerade noch mehr als ein Dutzend Menschen eng gedrängt standen, bin ich nun wieder allein. Ab und zu ein geheimnisvoller Blick einer Frau, sonst nichts mehr.
Müde gehe ich nach Oben in mein Schlafgemach. Wohin wird mein Weg mich Morgen führen?