Das Vorwort
Waldemar Schleicher
DIE VERLORENEN
Vorwort
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Also, das Vorwort. Ich habe keine Ahnung, wie Sie es sehen, aber ich persönlich glaube, dass mir mit diesem Werk etwas ganz Besonderes gelingen wird. Mein Geist ist gänzlich darauf ausgerichtet, es kann nichts schiefgehen! Ich glaube, ich werde mich selbst übertreffen. Nun, aber nehemn Sie's nicht allzu hart mit den Erwartungen, ich bin noch ein sehr junger Autor, unerfahren und so, wissen Sie. Weiß noch nicht, wie gut ich bin. Manche erwarten schon vom Titel her etwas Großes, oder eben das Vorwort macht einen... naja... scharf auf den Inhalt... Ich aber warne, wie ich schon sagte, ich bin unerfahren. Also meiner Meinung nach, ich weiß nicht, wie Sie das sehen, also, müssten die Erwartungen eines Menschen immer auf Null stehen, wenn er auf irgendetwas Neues stößt. Ein Buch, oder auch ein Film, wenn Sie es so wollen, kann ja nicht unter dem Gefrierpunkt stehen, glaube ich. So könnte man doch einer Enttäuschung entgehen, oder etwa nicht?
Sehe man sich doch einmal die Autoren an, die ein verteufelt gutes und überaus erfolgreiches Buch verfasst haben. Gut gemacht. Aber was tun die Fans? Sie schreien Fortsetzung! Die Bosse hören die Fans und schreien dasselbe. So wird der arme Autor aus der Ruhe gerissen und muss unter all dem Druck eine Fortsetzung zusammenstellen. Nun, ihm gelingt ein Etwas. Die Fans haben die Erwartungen schon in den Himmel gejagt, und als die Fortsetzung herauskommt - auch ein gutes Buch, aber nicht so gut wie das Original - verflucht jeder den armen Autor, aber mal ehrlich, können Sie unter Druck gut arbeiten? Das Buch ist gut, aber keiner liest ihn. Wieso? Weil die Erwartungen viel zu hoch waren! Würde das Volk einen guten, aber vielleicht nicht so guten wie das Original, Roman erwarten, hätten die - Gott beschütze sie - Fans glücklich. Der Autor übrigens auch. Also, selbst ein Maulesel könnte erkennen, dass ein Buch nur an den Erwartungen scheitert.
Oder auch an den Lesegewohnheiten! Aber die nehmen Sie bitte mit zu Erwartungen. Liest einer nur all die Goethes und Shakespears, findet er einen Schundroman unter aller Sau, und warum? Klar. Weil er von einem guten Buch inzwischen viel mehr erwartet. Würde er die Messslatte nach jedem Meisterwerk auf Null setzen, hätte er wohl auch ungeahnte Freuden bei einem Schundroman. Und außerddem, mach's doch besser, Eselgesicht!
A propos Schundroman - warum Ihrer Meinung nach heißen die Dinger so? Weil die Menschen von einem guten Buch viel mehr erwarten. Würden sie das nicht, könnte selbst der größte Schmutz ihre Gemüter erheitern. Sehen Sie? Habe ich es nicht bewiesen? Wenn Sie die Messlatte immer hinuntersetzen, werden Sie sehr viel mehr Unterhaltung an Büchern finden. Auch an meinem. Aber was wollte ich eigentlich schreiben? Ach, schon gut, vergessen Sie's.
Februar 2002
[ 05.06.2002, 12:57: Beitrag editiert von: Creeper ]