- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 15
Das Vorstellungsgespräch
Das Vorstellungsgespräch
Und so kam es, dass sie mir ihre glänzende Hand lächelnd vor den Bauch hielt. Ihre Hand war so unglaublich weich und glatt, sie benutzte wahrscheinlich stündlich verschiedene Lotions und Crèmes und nach jedem Toilettengang „Stiftung Ökotest“-geprüfte Desinfektionstücher aus der Box. Ihre perfekt abgerundeten Fingernägel waren nicht weniger sorgsam poliert als ihr goldener Ehering. Der leichte Händedruck löste sich und ich bemerkte, dass ihre Gesichtshaut ebenfalls von PH-neutralen Seifen und Packungen wie Seide in die schon leicht angedeuteten Falten fiel.
Ihre schmalen und akribisch mit hellrotem Stift bemalten Lippen entblößten eine Menge in Reih und Glied stehender Zähne, welche beim Sprechen von einer knallroten, feuchtschimmernden Zunge umspielt wurden. Ihre funkelnde, rahmenlose Brille saß auf der schmalen Nase, dahinter ihre strahlend blauen Augen und dezent getuschte, Spalier stehende Wimpern, die jedem Augenaufschlag etwas elegantes und majestätisches verliehen. In ihrem Blick konnte ich sehen, wie sie mich als potentiellen Schwiegersohn begutachtete und es in ihrem Hinterkopf rumorte, ob ich in das wohl sortierte und organisierte Familienbild passen würde. Insgeheim hoffte ich sie zu enttäuschen. Sie zog ihre millimetergenau gezupften Augenbrauen, welche wie die hart gezeichnete Sillouette einer steilen Klippe vor dem Horizont unter ihrer flachen und blanken Stirn lagen, etwas in die Höhe und forderte mich auf in die Küche zu kommen um nach dem weiten Weg doch „einen Happen“ , wie sie es ausdrückte, zu essen. Als sie sich herumdrehte, um mich an den Tisch zu führen, wackelte ihr vorsichtig hochgestecktes Haar, welches zwar durchgängig straßenköterblond, aber in stets gleichen Abständen mit platinumblondenen Strähnen durchsetzt war und an ihren schlanken, kleinen Ohren baumelten goldene Anhänger.
Als sie vor mir herschritt, hinterließ sie einen süßlichen, aber aggressiven Parfumgeruch, der mich zwar abstieß, jedoch zu gleicher Zeit auch auf gewisse seltsame Weise verführte, wie ein Wolf von einem saftigen Kadaver angelockt wird, und obwohl in der Küche alle vier Herdplatten mit Töpfen besetzt waren, roch es kaum nach Essen. Dies lag aber wohl daran, dass in beinah jedem silbernen Topf bloß kochendes Wasser mit ein paar Kräutern zu finden war. Einer langen Latte an Gewürzen entnahm sie mit ihren langen Fingern gezielt genau die, deren Namen mir noch nie zu Ohren gekommen sind und bestreute damit elegant ein Paar Grashalme. Sie kostete immer wieder mal am Dressing, jedoch achtete sie penibel darauf, den Löffel, den sie einmal im Mund hatte, nicht wieder einzutunken um nochmal die eh kaum wahrnembare Veränderung des nichtigen Geschmacks zu kosten.
Ich nahm also mit meiner Freundin und ihrem Vater am robusten Eichentisch Platz, der mit kleinen Tüchern und Dekoartikeln aus dem „Schöner Wohnen“-Katalog bespickt war, während meine potentielle Schwiegermutter mit Gewürzen und Vorgartengewächsen jonglierte. Der Händedruck des Vaters war ordentlich fest und er begutachtete meine Finger mit gierigen Blicken als ob er sehen wollte, wie gut mir ein goldener Ehering stehen würde. Bevor ich ihn weiter betrachten konnte, servierte die Mutter das Grünzeug auf weißem, reich verzierten Porzellan und schenkte jedem stilles Wasser ein. Wie ich es erwartet hatte schmeckte es nach gar nichts, ich nickte aber eifrig, als ich gefragt wurde, ob es mir denn schmecken würde, worauf die Mutter einen kleinen, piepsigen Ton aus ihrer schmalen Nase und dem roten Mund fahren ließ und sich mit schlendernden Ohrringen wieder ihrem Teller zuwandt. In den nächsten zehn Minuten durfte ich mir dann anhören, was ich gerade zu mir nahm und wie gesund es doch sei und wo sie das Rezept her hatte und wurde noch ungefähr drei mal gefragt, ob es denn auch wirklich lecker sei.
Während ich verzweifelt versuchte das letzte kleine Salatblatt, welches sich mit dem Dressing am Tellerrand festgeklebt hatte, auf meine Gabel zu kratzen, stand meine Freundin endlich auf und führte mich in ihr Zimmer. Ohne ihre Mutter.