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Das Vogelhäuschen
"Was ist das", fragte ich als mein Mann am Computertisch saß und er dabei war einen kleinen Karton zu öffnen. "Ein Vogelhaus" antwortete er. "Hat nur zehn Euro gekostet!" "Wir haben doch gar keine Vögel", sagte ich. "Eben!" meinte er nur und fummelte die kleine Verpackung auf, so sorgsam er konnte. Der Karton war so groß wie zwei Hände mit gespreizten Fingern am Tisch nebeneinander gelegt und etwas höher als die flache Hand meines Mannes. Ich sah ihm zu, weil ich neugierig war, wie ein komplettes Vogelhäuschen in so einem kleinen Umschlag passen sollte. Raus kam aus der Verpackung dann nur Teile. Holzstückchen. Fertig zusammengeleimte Winkel und ein paar kurze Stöckchen, drei Platten und ein kleiner Beutel mit Schrauben und Schnur und ein kleines weißes Fläschchen. "Na, dann viel Spaß mit deinem Vogelhaus!" meinte ich schnippisch und ließ ihn in Ruhe. Vorerst!
Als Angestellter braucht man wohl als Mann ab und zu mal etwas anderes zu tun. Die handwerklichen Begabungen meines Mannes reichen grad mal für einen verstopften Ausfluss oder das anbringen einiger Bilder in unserer Wohnung im dritten Stock. In einer Wohnung im dritten Stock, sie haben richtig gelesen, wir wohnen in der Stadt. Stadtmenschen. An welchen Baum in unserem nicht vorhandenen Garten er das Vogelhaus dann hängen wollte, das ersparte ich mir für später als Frage. Man muss ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen! Abwarten!
Als ich dann zehn Minuten später wiederkam, war das kleine Häuschen schon fertig. Raffiniert! Der rechteckige Boden war so groß wie die Verpackung, eingefasst rundherum mit etwas höheren Leisten, damit wohl das Futter nicht raus fällt. Vier Stelzen ragten vom Boden aus, von jede der vier Ecken, schräg nach außen in die Höhe, wo mit etwas Leim und ein paar Schrauben das Dach daran befestigt wurde. "Muss nur noch trocknen, der Leim" sagte mein Mann und stellte das Häuschen vom Tisch weg auf einem Platz wo wir es in Ruhe stehen ließen. "Schön geworden!" sagte ich zu ihm. "Ja" meinte er. "Hat auch nicht lange gedauert." Obwohl mir die Frage wohin er das Häuschen nach dem trockenen denn hängen würde, unter den Nägeln brannte in diesem Augenblick, hielt ich mich zurück! Noch!
Am späten Nachmittag dann sah ich ihn wieder auf dem Stuhl am Computertisch, in der einen Hand das Vogelhäuschen, in der anderen Hand einen Schraubendreher. Er drehte vorsichtig und bedächtig, man merkte er mühte sich recht nichts kaputt zu machen. "Oh, ist es schon kaputt, dein neues Vogelhaus?" fragte ich, zugegebenermaßen etwas provozierend! "Nein, das Wasser!" meinte er. "Was?" fragte ich zurück. "Das Wasser. Das Häuschen ist aus Holz und wenn das Futter nicht rausfällt, rinnt auch das Wasser nicht raus und es bleibt drin und es fault dann schneller. Ich bohre kleine Löcher rein, der Boden ist recht dünn. Da reicht ein Schraubendreher!"
Und so saß er da und drehte in die vier Ecken von unten mit seinem Werkzeug durch den dünnen Boden jeweils ein kleines Loch. "Reicht da nicht eines in der Mitte?" fragte ich ihn, mit ein klein wenig Stolz auf ihn, weil er sich so viel Mühe machte wegen eines Vogelhäuschens für zehn Euro, wo wir ja gar keinen Baum haben, an dem wir es dann letztendlich aufhängen können! "Schatzilein, das Häuschen hängt an der Schnur da wackelig und wenn das Wasser in eine Ecke läuft, dann hilft kein Loch in der Mitte. In die Mitte kommen zwei Löcher, damit ich da einen Draht durchmachen kann, damit man dann von unten so Futterknödel dranhängen kann!" Da war ich baff! Intelligenz ist die Mutter des Friedens, heißt es! Beeindruckt sah ich ihm noch zu wie er die kleinen Holz-Spähnchen wegstocherte, die vom Durchstechen in den Ecken und in der Mitte hängen geblieben waren. Dann stand das Häuschen auf dem Tisch, seine Arme waren verschränkt und wir starrten beide stumm darauf. Stille!
Dann erhob er sich. "Ich glaub ich hab noch etwas Farbe." Er ging zum Schrank und suchte in seiner Ecke wo er seine wenigen Bastelsachen stehen hat. Ein- oder zweimal im Jahr brachte er recht Ungewöhnliches mit nach Hause, so wie eben jenes Vogelhäuschen. Mal war es ein 3-D Puzzle von einem europäischen Bauwerk, an dem er dann zwei Wochen bastelte oder ein kleines Schiffsmodel samt Kleber und Farbe zum zusammenbauen. Er ist wirklich kein Bastelfreund, aber ein paar Sachen hat er im Laufe der Zeit schon mitgebracht. Jetzt stellte er das kleine Töpfchen Modell-Farbe neben dem Vogelhaus auf den Tisch und holte noch einen Pinsel und machte sich an das streichen des Bodens. "Grau?" fragte ich. "Ja. Grau für den Boden. Dann habe ich noch etwas weiß und blau. Das Dach mache ich blau." Da saß er nun und ich ersparte mir das fragen wohin er das Häuschen denn nun hängen wollte.
Jetzt, da einige Wochen vergangen sind, sitze ich hier am Computertisch am gekippten Balkonfenster und schreibe euch diese kleine Geschichte und erzähle euch auch gerne noch den Schluss. Er hat am nächsten Tag das wirklich schön gewordene Vogelhäuschen am Balkon aufgehängt und zwar an jenem Eisenwinkel an der Wand, hoch oben, wo der Balkon des nächsten Stockwerkes befestigt ist. Da hängt nun, an einer Schnur, das bunt bemalte Häuschen und ich sitze hier oft am Computer und freue mich am frechen Gezwitscher der Vögel, die uns seitdem besuchen kommen. Beim einkaufen denke ich an Sonnenblumenkerne und Meisenknödel und das Gekleckere der Vögel am Balkon wische ich gerne mal weg. Manchmal muss ich das erst gar nicht machen, da verschwindet es von ganz alleine. Wer das ist, könnt ihr nun erraten! Für was so ein Mann alles zu gebrauchen ist, ist nicht einmal am Tag der Hochzeit zu erahnen!