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Diese Geschichte sprudelte einfach so aus mir raus. Ich hab keinerlei Erfahrungen mit dem Thema in jeglicher Hinsicht und hab mich vorher auch nicht hierzu belesen. Wenn ich etwas vollkommen verkehrt dargestellt habe, gebt mir bitte eine entsprechende Rückmeldung.
Das verunglückte Experiment
"Jasmin was ist denn los mit ihm", fragt Klaus- Felix etwas bedrückt als er ihn am Tisch sitzen sieht. Er und Jasmin stehen abseits und außer Hörweite von ihm. "Mit wem?", fragt sie verwirrt zurück. "Mit Stefan." "Ach so. Ja was soll mit ihm sein? Du kennst ihn doch mittlerweile länger als ich." "Länger als du vielleicht. Aber nicht besser. Er sitzt doch sonst nicht lange so ruhig an seinem Platz. Aber abgesehen davon sieht er so gezeichnet aus im Gesicht", meint der Schulleiter. "Mhh das stimmt wohl. Es ist ungewöhnlich, dass er lange so ruhig dort sitzt. Aber sonst ist mir an ihm eigentlich nichts aufgefallen. Ich horche mal nach bei ihm wenn wir zuhause sind", erklärt Jasmin.
Als sie nach dem Unterricht zuhause ankommen zieht Stefan sich schnell um, um wieder einmal laufen zu gehen. "Stefan, was hast du vor? Schon wieder laufen? Es regnet doch wie aus Eimern", fragt Jasmin skeptisch. Stefan schaut kurz raus. "Das stört mich nicht. Allerdings arbeitet es wieder in mir. Das muss ich erstmal loswerden", murmelt Stefan. "Ich bin vielleicht in 1- 1,5 Stunden wieder hier."
Schließlich kommt er wieder. "Schatz wo warst du denn überall? Warst du so lang laufen?", fragt sie besorgt. Er trinkt während er ihr antwortet: "Ich war beim Dom und hab noch eine extra Runde durch den Park gedreht." Er steht auf und geht an seine Kraftgeräte. Dort macht er zunächst Übungen für den Bauch. Sie sieht in an und fragt: "Meinst du nicht, du hast genug Sport gemacht für heute?" Er macht kurz Pause und küsst sie liebevoll. "Schatz keine Sorgen. Ich denke im Moment bloß viel nach", erklärt er. Jasmin nimmt ein Telefonat an.
Schließlich geht Stefan duschen. Dann setzt er sich mit einer Flasche Bier auf das Sofa. Jasmins Telefonat endet schließlich. Sie beobachtet Stefan kurz, der geschafft auf dem Sofa sitzt. Sie geht zu ihm und sagt. "Komm, lass uns Abendessen." Er geht mit ihr, isst allerdings nur einem bunten Salat mit Joghurtsoße. Sie fasst seine Schultern und legt sich an ihn als er den Salat zubereitet. "Du musst eigentlich noch etwas richtiges essen. Du hast den ganzen Tag schon nur kaum gegessen. Und auch noch nicht warm", meint sie besorgt. "Jasmin mach dir keine Sorgen. Ich habe heute nur kaum Hunger heute", murmelt er. "Du hast schon länger nur schlecht gegessen. Schau mal an dir runter, du hast einiges an Gewicht gelassen", meint sie. Er küsst sie liebevoll auf die Stirn und umarmt sie. "Keine Sorge. Ich möchte bloß meinen Körper etwas verändern." Sie zieht sein Shirt bis zu seinem Brustkorb hoch und sagt: "Stefan, dann sollte es so langsam wirklich gut sein. Du bist wirklich fürchterlich ausgemagert in letzer Zeit. Schau mal, deine Hüften und deine Rippen zeichnen sich schon deutlich ab. Vor ein paar Wochen hattest du noch etwas mehr an dir. Ich mache mir bloß Sorgen um dich", murmelt sie. Stefan antwortet: "5 Kilo müssen vielleicht noch runter, dann ist es wirklich gut."
Einige Zeit verstreicht. Der Schulleiter wendet sich nochmals an sie: "Mensch Jasmin, was machst du mit dem Jungen. Er verliert ja immer mehr Gewicht. Er hat so schmale, eingefallene Wangen." "Ach Klaus Felix. Ich komme nur kaum an ihn ran. Er kapselt sich mehr und mehr ab. Er macht täglich viel Sport. Immer sagt er, er müsse noch etwas verarbeiten. Ich merke ja auch, dass in ihm etwas arbeitet, aber ich glaube irgendwie er ist krank. Neulich meinte er, er müsse seinen Körper etwas verändern und bloß noch fünf Kilo verlieren", überlegt Stefans Freundin. "Das dürften mittlerweile mehr sein. So dürr wie er aussieht. Hier kniet er sich nach wie vor in alles rein. Zieht sich alle Probleme seiner Schüler an. Ich könnte mir vorstellen, dass er das ein oder andere davon mit nach Hause trägt. Aber irgendetwas muss ihn doch in soweit mitnehmen, dass er sich so radikal verändert. Manchmal denke ich, dass sein starkes Selbstbewusstsein irgendwie etwas dahin bröckelt."
"Was sagst du da? Sein Selbstbewusstsein bröckelt dahin? Eigentlich hat er ja wirklich eine tolle Figur. Er ist groß, sportlich und muskulös gebaut. Aber ich habe es in letzter Zeit schon öfters mitbekommen, als er im Bad auf der Waage stand, und ja wie soll ich sagen, fast darum gebangt hat, dass er nochmals abgenommen hat. Manchmal murmelt er bedrückt vor sich hin wo er gerne noch abnehmen möchte", stellt Jasmin schockiert fest. Klaus Felix antwortet ihr erschüttert: "Weißt du an was ich gerade denke, worauf das insgesamt hindeuten könnte? Ich vermute, dass er in die Magersucht rutscht oder sogar schon gerutscht ist." "Was? Ich bitte dich. Er ist ein erwachsener Mann. Er hat eine tolle Figur und eigentlich ein gutes Selbstbewusstsein. Wieso sollte er magersüchtig werden? Das betrifft doch normalerweise junge Mädchen", fragt sie schockiert. "Naja eben nicht nur. Es kann auch Männer betreffen. Und eben auch erwachsene Männer. Jedenfalls muss ihm da geholfen werden. Er darf nicht noch weiter aushungern. Er sieht jetzt schon so gezeichnet aus. Ich kann mir sowas so schlecht ansehen", murmelt der Schulleiter. Die junge Leherin hingegen antwortet: "Was soll ich denn machen? Ich komme doch nur kaum an ihn ran."
In einer Biologie Stunde projiziert Stefan zwei Bilder von einem Mann an die Wand, auf denen er noch normal gewichtig ist. Eins mit Kleidung und eins oberkörperfrei, allerdings zunächst so, dass man sein Gesicht nicht sieht. Noch dazu schreibt er 'Magersucht' an die Tafel.
"Also, vor ein paar Wochen habe ich ja Referatsthemen verteilt und um möglichst realistische Darstellungen bzw. Demonstrationen der Themen gebeten. Dieses Thema habe ich ganz bewusst an keinen von euch vergeben. Schaut euch die Bilder von diesem Mann an. Was denkt ihr wie viel er wiegt?"
Die Schüler schätzen ihn auf 85-90 Kilogramm. "Bingo. Genau 90 Kilogramm. Und der gleiche Mann steht gerade vor euch", erklärt Stefan.
"Herr Föllmer, Sie? Sie können mir nicht erzählen, dass sie 90 Kilo wiegen", sagt eine Schülerin erschüttert. "Genau. Sie sehen wesentlich zierlicher aus. Und sie haben viel abgenommen in letzer Zeit", meint ein anderer. "Das ist korrekt, womit wir beim Thema wären", sagt Stefan und zeigt auf die Tafel. Die Schüler schweigen kurz und müssen diese Information erst einmal verarbeiten. Schließlich sagt ein Schüler: "Magersucht? Sie?" "Aber bitte sagen Sie nicht, Sie haben davon auch Fotos. Ich kann mir dass schlecht anschauen wenn Menschen so mager sind", meint eine andere Schülerin, die eigentlich nur selten etwas sagt. Stefan streift sich sein Shirt hoch und sagt: "Da muss ich dich leider enttäuschen. Ich bin die möglichst realistische Darstellung dieser verdammten Krankheit."
Ein bedrücktes Schweigen geht durch die Klasse. "Krass", sagt ein Schüler leise. "Noch andere Wortmeldungen als 'krass'?", fragt Föllmer. "Sind das wirklich sie, der jetzt da vorne steht Herr Föllmer?", fragt ein Schüler bedrückt. "Ja wirklich. Live und in Farbe", sagt er und läuft durch die Klasse. "Was schätzt ihr wie viel Kilo wiege ich jetzt noch?", fragt er. Wieder bedrückendes Schweigen. "Mehmet, schätz mal. Du hast eben auch eine Punktlandung gemacht." "40 Kilo vielleicht?" "Exakt", sagt Föllmer.
"Das heißt ich, ich habe in den letzten 14 Wochen jede Woche etwa 3,5 Kilo verloren. Und wisst ihr wie ich das gemacht habe? (Alle schütteln den Kopf) Die ganze Zeit über habe ich täglich viel Sport getrieben. Gute 1.5 Stunden laufen. Dazu nochmal fast das gleiche an den Kraftgeräten. Am Anfang musste ich mich wirklich dazu zwingen kaum noch Nahrung zu mir zu nehmen. Bis nach 3-4 Wochen mein Hungergefühl nahezu erloschen ist. Ich bin am Anfang immer hungrig ins Bett gegangen. Es war wirklich hart für mich durchzustehen, aber nach dem ersten Monat war es ein Klacks mit wenig Nahrung aus zu kommen. Im ersten Monat habe ich schon so ziemlich 15 Kilo gelassen. Eigentlich wollte ich bis heutigen Tag nur auf etwas mehr als die Hälfte meines Gewichts fallen. Also auf 50 kg. Aber die Sucht nach dem Hunger hat mich so weit getrieben, dass ich noch weiter abnehmen wollte. Ich konnte und kann heute auch nicht einfach damit aufhören nichts mehr zu essen. Ich habe die ganze Zeit geglaubt, dass ich stark genug bin um bei 50 Kilo Schluss mit dem Experiment zu machen. Aber ich war es nicht. Da war ich schon mitten in die Sucht reingerutscht. Wisst ihr wie es mir jetzt geht?"
Die ganze Klasse ist sehr bedrückt, als sie ihrem Lehrer so zuhören.
Dann fährt er fort: "Trotz des ganzen Sports, und das sind täglich mindestens 2-3 Stunden, werde ich nicht fitter. Ganz im Gegenteil. Meine Leistungsfähigkeit nimmt ab. Die Basketballer wissen ja wie scheiße ich in den letzten Wochen gespielt habe. Ich kann kaum noch schlafen. Oft tut mir der Körper weh von dem vielen Sport. Ganz viele Leute um mich herum machen sich Sorgen um mich. Und schaut mich an. Meine Kleidung ist viel zu groß, mein Körper wird immer mehr zum Knochengestell, aber das Schlimmste ist, ich finde gefallen daran, immer weiter abzunehmen."
Eine Schülerin fragt: "Aber warum finden sie dann gefallen daran, wenn es ihnen so scheiße geht? Das ist doch paradox" "Das ist eine gute Frage", antwortet der Lehrer. "Und das nennt man Psyche. Es ist jetzt sehr gefährlich für meinen Körper. Mein Verstand weiß eigentlich, dass ich nicht weiter abnehmen darf. Aber da ist so ein wesen, dass mir ins Ohr flüstert, dass es gut ist, abzunehmen." "Aber warum sind sie sowas wie magersüchtig? Ich dachte immer, das betrifft nur junge Frauen", erklärt ein Schüler.
Stefan fährt fort: "Überwiegend ja. Es kann aber auch Erwachsene betreffen. Und eben auch Männer. Die Gründe dafür, warum jemand magersüchtig wird sind vielfältig. Darüber erkläre ich euch nach der Pause noch etwas. Aber was ich euch sagen will: Ohne Futter wird man nicht fitter. Wenn jemand tatsächlich etwas zu viel auf den Rippen hat, dann kann er Sport machen und darauf achten wie viel er ist. Aber man darf es nicht übertreiben mit beidem. Schaut mich an. Von alleine komme ich hier nicht mehr raus. Ich muss mir helfen lassen. Aber ihr seht, was es für ein Unterschied ist, zwischen dem Föllmer auf dem Foto ist, und dem Föllmer, der jetzt vor euch steht. Und es geht mir wahrhaftig nicht gut. Egal was andere zu euch sagen, dass ihr zu dick seid, passt auf euch auf. Also: Wann immer ihr selber Probleme habt, oder bei jemand anderem merkt, dass ihr Probleme habt, kommt zu einem von uns Lehrern, oder zu sonst jemandem, der euch helfen kann. Und jetzt geht erstmal in die Pause."
Die Schüler verlassen den Raum und unterhalten sich über die Stunde. Der Rektor bekommt das mit und geht zu Stefan in die Klasse. Der Schulleiter holt tief Luft und sagt erschüttert: "Stefan! Also doch Magersucht." Stefan erschreckt sich wegen des Meckers seines Chefs. "Ich würde es eher verunglücktes Experiment nennen, aber an sich hast du Recht- Magersucht."