Das Versprechen
„Gehst du?“
Sie nahm ihren makellosen Körper aus dem Bett und zog den String an den sie unter dem bett fand.
Draußen war alles weiß, grell und trüb. Alles undeutlich und irreal. Es gab keine Zeit, keine Welt, nur das Hotelzimmer und Sie.
„Willst du schon gehen?“ fragte ich wieder, meine Augen ließen sich nicht ganz öffnen. Ich sah ihre perfekte Silhouette, wie sie sich langsam anzog, ohne ein Wort, mit diesem herablassenden Blick.
„Ich fliege in zwei Stunden nach Mailand mit der Agentur!“
Sie verschwindet im Bad. Ich schaffe es meinen leblosen Körper etwas aufzurappeln und zünde mir eine Zigarette an.
Sie hasst mich. Sie wird jetzt gehen, und nie wieder kommen.
Sie hat mich wie immer zu ihrem Spaß in dieses teure Hotel gezerrt. Zu ihrem Spaß mein mickriges Geld ausgegeben. Zum Spaß hat sie das Hotelzimmer auseinander genommen, und um den Morgen noch genießen zu können zerfetzt sie jetzt meinen Stolz und meine Seele.
Mit der Agentur nach Mailand. Und danach sehe ich sie nie wieder.
Ich bin so eine erbärmliche Gestalt geworden.
Sie kommt wieder und macht sich einen Zopf.
„Wir sehen uns nicht mehr, oder?“
Sie sieht mich teilnahmslos an: „Du kannst mir von mir aus deine Telefonnummer geben, wenn ich mal wieder in der Stadt bin ruf ich dich vielleicht an.“
Das tust du nicht. Aber ich werde so tun, als ob es mir egal wäre und sie dir trotzdem geben.
Ich werde sie dir aus Verzweiflung geben.
Als ich die Nummer aufschreibe telefoniert Sie mit der Agentur, welche ihr ihren Tagesplan aufsagt. Show, Afterparty, Show, Bekanntschaft eines reichen Producers, Fotoshooting, Show, Bekanntschaft, Afterparty... etc.
Sie genießt es schon beim zuhören, diese große Party, in der sie der grinsende Dauerstar ist. Das denkt sie. Aber ich kann euch nicht sagen, ob sie es ist oder nicht. Ich weiß es nicht.
Das denkt sie.
Als sie auflegt nimmt sie den Zettel aus meiner Hand und sie sieht schwarz aus. Eine dunkle Silhouette und hinter ihr strahlt das trübe weiße Wetter aus den gigantischen Fenstern.
Ich möchte dir was versprechen.
„Ich möchte dir was versprechen!“
„WAS?“ sie verzieht das Gesicht.
„Was redest du wieder für einen Müll?“, sie zieht ihre Stiefel an, und sie kommt sich unheimlich cool vor. Sie kann mich behandeln wie Dreck. Sie kann alles.
Das denkt sie. Aber ich glaube sie hat recht.
„Ich möchte dir irgendetwas versprechen. Irgendein mickriges, kleines Versprechen. Ist das OK?“
Sie brummt irgendetwas davon, dass ich doch ein kranker Bastard sei, wie könnte ich nur so eine Scheiße laut aussprechen.
Sie ist so selbstbewusst und überlegen, dabei hat sie das IQ einer 10jährigen.
Und genau das hat mich an ihr so geil gemacht. Intelligenz verblasst vor einer lauten Stimme. Vor einem schönen Gesicht, vor einem makellosen Körper, vor einer grenzenlosen Persönlichkeit.
„Und was?“ sagt sie als ihre Stiefel fertiggeschnürt sind.
In Stiefel von Prada, Sonnenbrille von Armani, ein Mantel von Donna Karan und diesen Hauch von Nichts, das ein Kleid von Gianni Versacce ist, steht sie vor mir, und sie ist makellos, perfekt. Das denkt sie. Aber ich stimme ihr zu.
Und ich sage: „Ich verspreche dir, dich zu vergessen.“
Und sie blickt mich herablassender und mitleidender als zuvor an.
Und sagt: „Du bist so ein lächerliche, kitschiger, seniler und armseliger Mensch, ohne Zukunft!“
Harte Worte, denk ich mir. Man muss schon 1,80 sein, um einem jungen Mann der sich eine Zukunft wünscht, so was ins Gesicht zu spucken.
Sie sieht mich vollkommen entgeistert an. Ich weiß was sie denkt.
Sie denkt ich sei irgendein Träumer, der unser letztes Treffen wie eine Filmszene ins Bild setzen will. Der versucht genauso hart zu spielen wie sie. Jemand so armseliges, dass er noch denkt er könnte sie abservieren. Abservieren mit einem „Ich verspreche dir, dich zu vergessen!“
Das denkt sie.
Sie ist vollkommen betroffen von meiner Dummheit und sagt mir nun mit etwas gedämpfter Stimme: „Also dann, mach’s gut, und sag dem Portier, dass es mir Leid tut, dass ich ihm die Austern in Gesicht geschmissen hab. Ciao“
Sie geht schließt die Tür mit einem lauten Krachen hinter sich ab.
Und ich zünde mir eine weitere Zigarette an. Und sehe zur Tür.
Ich weiß was sie denkt.
Und ihr wisst es doch auch.
Sie denkt sie ist hart, und sie denkt sie hat diesen armseligen Looser jetzt irgendwo in einem zerstörtem Hotelzimmer sitzen gelassen, und ihr Leben ist voller Triumphe.
Aber sie wird wiederkommen.
Ich habe gesagt: Ich verspreche dir, dich zu vergessen.
Und sie kommt wieder.
Denn ich habe ihr etwas versprochen.
Und auch wenn sie es nicht weiß, auch wenn sie es nicht versteht, sie wird wiederkommen, weil mein versprechen uns aneinander geklebt hat.
Und ich habe versprochen sie zu vergessen.
Sie ist an mich gebunden, mit diesem Versprechen.
Sie gehört jetzt praktisch mir.
Ich wiederhole mich wie eine Schallplatte, denn sie ist nun mein erster Triumph.
Und ich habe versprochen sie zu vergessen. Ob ich es tun werde, ist eigentlich egal.
Versprechen sind letztendlich nicht dazu da um eingehalten zu werden.
Nein, sie sind hierzu da.
Menschen an sich zu binden.
Sie kommt wieder.
Denn ich habe ihr etwas versprochen.
Sie ist hart und grenzenlos. Das denkt sie. Das war sie.
Jetzt ist sie mein.
Sie kommt wieder.
Ich nehme noch einen Zug von der Zigarette und lege mich mit verschränkten Armen aufs Bett.