Das verlorene Lächeln
Das verlorene Lächeln
Ich kam mit dem Alltag nicht mehr zu recht, und erkannte keinen
Sinn mehr in dem, was die Menschen um mich herum taten,
und was ich selbst tat. Ich wollte endlich weg!
Am besten weit weit weg! Alle meine Probleme vergessen,
sie wie den Staub am Spiegel wegwischen und dann das klare
Bild genießen. Den ganzen Schmerz vergessen, und den Druck
nicht mehr spüren. Die Last, die auf meinen Schultern lag
ablegen, und die Leichtigkeit des Daseins wieder mit allen
Sinnen spüren. Endlich mal wieder Lachen.
So saß ich im Flieger, der in Richtung Afrika flog, und
dachte dabei : bei der Entfernung und dieser Geschwindigkeit
werden alle meine Probleme mich nicht einholen. Das Land,
wo die Ahnen sehr verehrt werden, wird mir vielleicht helfen.
Die Eindrücke die ich bekam, taten mir gut. Obwohl ich Dinge sah,
die nicht nur gut waren. So konnte ich aber meine Gedanken abschalten.
Ich sah so viele Masken aus Holz, und ich dachte dabei an unsichtbare
Masken, die wir anziehen um eine Rolle innerhalb der Gesellschaft
zu spielen. Ich war froh, weit weg von zu Hause zu sein.
Ein Paar Tage darauf saß ich in diesem Bus, der durch holperige
Strassen fuhr, um uns, die Touristen, zu einem abgelegenen
Ausflugsziel zu bringen. Die Hitze oder das leere Gerede meiner
Nachbarn über das Essen und Handtücher im Hotel, oder war
das doch meine Depression, die mich so schnell eingeholt hatte,
machten diese Fahrt unerträglich. Ich wollte nur raus! Raus aus
diesem alten Bus, mit verschmierten Glasscheiben, und
am besten raus aus meiner verschwitzten Haut! Dieses erdrückende Gefühl
war wieder da, und ich konnte ihn nicht mehr ertragen. Als ob
mein Wunsch wahrgenommen wurde, im nächsten Augenblick
hielt unser Bus an. Der Fahrer sagte: er habe ein Problem
mit einem Reifen. Wir sollen draußen warten. Kurz darauf
stand ich am Strassenrand, die Schuhe tief im Staub.
Ich atmete tief die trockene, heiße Luft und schaute mich um.
Ich sah eine fremde, trostlose Gegend, eine weite leere Ebene, und
es schien als ob alles was lebendig war, von der gnadenloser
Glut der Sonne ausgebrannt war. Hoffnungslose Aussichten auch
hier, dachte ich. Doch als ich mein Blick zum nahliegenden,
ausgetrockneten Gebüsch schwang, entdeckte ich
kleine, kaum erkennbaren grünen Blätter. Ich schaute nach
vorne entlang der Strasse und sah, dass etwas weit entfernt
ein paar helle Lehmziegelhäuser lagen. Etwas zog mich nach vorne
zu gehen, zu dieser, wie ich dachte, kleinen verlassenen
Siedlung. Ich ging, und nach einigen Minuten merkte ich, dass
mein Ziel nicht näher kam. Nachhinein denke ich: mein
Geisteszustand war in einem merkwürdigen Zustand. Ich war wie im
Trance, wollte weiter gehen. Jetzt spürte ich die harten,
heißen Sonnenstrahlen auf meiner hellen Haut. Dabei dachte ich:
sollen sie doch tief bis in die Knochen eindringen und alles aus
mir wegbrennen, damit ich endlich frei bin. Meine Beine
trugen mich immer weiter, und ich war beinahe
mich selbst zu vergessen. Ich wusste nicht wie weit ich
gegangen war. Voller Überraschung sah ich plötzlich vorne eine kleine
Menschengestalt. Durch die flirrende Hitze konnte
ich sie nur verschwommen sehen. Ist das jetzt ein Fata - Morgana,
fragte ich mich, und wischte mit der Hand den strömenden Schweiß
über den Augenbrauen ab. Doch, es stand jemand da!
Ich ging weiter und je näher ich kam, wurden meine Schritte
schneller. Jetzt, wo ich sehen konnte, blieb ich stehen.
Es war ein Junge! Er stand regungslos da. Als ob er auf mich hier wartete.
Sein gewelltes schwarzes Haar und große Augen glänzten in dem hellen Licht.
Er hatte fast nichts an, nur die alte braune Kurzhose, die früher
anscheinend weiß war. Barfuss stand er in dem Straßenstaub
und hielt in einer Hand ein kleines Eimerchen.
Was macht er hier? Der arme kleine Junge! Lebt er hier?
Aber wie? In dieser Gegend können doch sogar die Pflanzen
kaum überleben, wie Blitze kamen die Gedanken. In diesem
Land hat es die Kinder am schlimmsten erwischt. Sie hatten
keine Kindheit. Sie wurden als Arbeitskraft von eigenen Eltern
ausgenutzt. Schrecklich war die Tatsache, dass die Erwachsenen
hier, sie auch als Soldaten für den Krieg ausnutzten. Einen Augenblick
dachte ich, es ist nur eine Halutination. Ich beugte meine Knie
um tiefer zu kommen. Da waren unsere Gesichter auf einer Ebene.
Langsam bewegte ich meinen Arm nach vorne, um den Jungen zu berühren.
In diesem Moment war es so, als ob nur wir beide existierten,
die Haut, die brannte, die Hitze, die drückte, den Schweiß
der über mein Gesicht in Strömen floss, den Buß, der auf mich
schon vielleicht wartete, alle meine Probleme, die mich hierher
gebracht haben, die ganze Welt, habe ich auf einmal vergessen.
Er lächelte mich an. Sein Lächeln drang tief in mich hinein, und ich
spürte wie das mein Herz sanft anfasste und öffnete.
Der Blick seiner Augen durchdrang mein ganzes Wesen.
Er sagte ohne Worte:“ Ich sehe dich voll und ganz.
Ich habe mit dir mein Mitgefühl und möchte dir mein Lächeln
schenken. Du hast keinen Grund traurig zu sein.“ Er streckte zu
mir sein Arm mit dem kleinen Eimerchen entgegen. Der Junge
gab mir Wasser. Ich nahm es aus seiner Hand und trank.
Jeden Schluck, den ich machte, nahm ich bewusst war. Es kam
etwas frisches, lebendiges in mich hinein. Ich gab ihm sein Eimerchen
zurück und meine Augen sagten: herzliches Danke. Im nächsten Moment
streichelte er mit seine anderen Hand an meiner Wange schenkte mir noch
einmal sein Lächeln, das ich nie vergessen werde, drehte sich dann
um und rannte schnell weg. Ich stand da, und mein Herz strahlte.
Etwas zauberhaftes ist geschehen. Als ob ich mein wahres ich berührte...
Der Buß fuhr auf mich zu, der Fahrer hupte, und kurz darauf stieg
ich ein. Ich saß gelassen wieder auf meinem Platz und wollte
nur noch nach Hause, denn das was ich verloren hatte, hat mir
der kleine Junge aus einem fremden Land wieder gegeben.
Das innere Lächeln meines Herzens, ich wollte
das jedem, den ich begegne, weiter schenken.