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Das verletzte V
Das verletzte V
Das verspielte V hatte beim Toben nicht aufgepasst und sich verletzt. Mit Blaulicht wurde es schnell ins Krankenhaus gebracht und genauestens untersucht. Alle anderen Buchstaben waren in heller Aufregung, weil das Alphabet nun nicht mehr vollständig war. Welch ein Schreck! Was würden sie nur machen, wenn das V länger ausfallen würde?
Zur Erleichterung aller war dem V aber nicht viel passiert. Es hatte Schrammen an der ein- oder anderen Stelle und musste für ein paar Tage Krücken tragen.
Freudig verließ das humpelnde V das Krankenhaus, bis es bemerkte, dass es nun gar kein richtiges V mehr war.
Rechts und links musste es sich an schweren Krücken festhalten und sah somit genauso aus wie das M. Das ging doch nicht! Trotzdem wollte das V seine Arbeit wieder aufnehmen und versuchte sich mit den anderen Buchstaben unauffällig in die gewohnten Wörterreihen einzufügen.
Dadurch kam jedoch die gesamte Rechtschreibung durcheinander.
Die Kinder hatten plötzlich eine Mutter und einen Mater, durch die Lüfte flogen nur noch Mögel und die Blumen standen in der Mase.
Verärgert schüttelte das V seinen Kopf und auch das M brummte grimmig. Das Alphabet brauchte kein zweites M, sondern endlich wieder das gewohnte V.
Das sah der unvorsichtige Buchstabe ein und warf kurzerhand eine seiner Krücken von sich.
Da es aber noch so wackelig auf den Beinen war und ohne zweite Krücke nicht stehen konnte, fiel es unsanft zur Seite. Die anderen Buchstaben guckten sich um und verdrehten die Augen. Dieses verrückte V war wirklich unmöglich. So auf der Seite liegend, mit einer Krücke sah es genauso aus wie ein Z. Wieder kamen alle Wörter durcheinander: nach der Drei kam auf einmal eine Zier und die Kinder spielten Zerstecken.
Das V lief rot an. Es war ihm wirklich peinlich, dass mit ihm niemand mehr einen richtigen Satz bilden konnte. Es zog sich hoch, aber stehend sah es aus wie ein N. Das Gegenteil von hinten war plötzlich norne und die Kinder spielten Fußball in einem Nerein.
Jetzt reichte es dem großen A. Es guckte das verletzte V strafend an und sprach:
„Du bringst das ganze Alphabet durcheinander. Kein Mensch kann mit Dir noch Wörter schreiben.“
„Aber was soll ich machen? Alleine stehen kann ich nicht.“, murmelte das V und blickte verschämt zu Boden.
„Du musst auch nicht alleine stehen! In den Wörtern stehst Du immer mit anderen Buchstaben zusammen, die Dich sicherlich festhalten können!“, sagte das A und rief alle wieder zur Arbeit.
Das V überlegte und merkte, dass das A Recht hatte. Mit Hilfe der anderen konnte es sicherlich auch ohne die lästigen Krücken stehen. Es warf seine letzte Stütze von sich, klammerte sich an ein kleines o und formte sich mit ihm zu einem „voll“ zusammen. Und siehe da, es klappte.
Das V war erleichtert, ruhte sich die nächsten Tage besonders gut aus und nahm sich vor, beim Spielen demnächst besser aufzupassen. So ein Durcheinander im Alphabet wollte es nicht noch einmal verursachen.