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Das Trauern einer Schwertmeisterin
Regen tropfte vom Himmel und lief ihre Wangen hinunter, doch war es wirklich Regen, oder waren es ihre Tränen? Ihre langen schwarzen Haare hingen nass an ihr herunter und sie war bereits durchnässt bis auf die Haut. Die vom Regen durchtränkten Kleider betonten ihren Körper und man sah, dass sie eine Frau war. Wenn die Kleider trocken waren, so konnte man fast meinen, sie sei ein schmächtig geratener Junge.
Ihr Name war Kairi, Kairi Raven, die Tochter des Katan Raven. Vater und Tochter waren als gutes Team bekannt, was ihre Schwertschule anging. Doch nun war sie allein, Katan war tot. Sie hatte ihn heute Morgen im Bett tot vorgefunden. Er war im stolzen Alter von 55 Jahren gestorben, viel zu früh, wenn es nach seiner Tochter ging.
Sie wusste, dass er sich das Leben selbst genommen hatte. Sie hätte darauf aufmerksam werden sollen, als er schwarze Dornenbeeren sammelte und sie Alkoholl in der kleinen Küche entdeckte. Er hatte sich selbst vergifftet, das konnte Kairi nicht begreifen, es war einfach undenkbar für sie. Erst fast ein halbes Jahrzehnt später sollte sie verstehen, was ihm das Leben schwer gemacht hatte und ihm den Willen zu Leben genommen hatte, aber Kairi würde dagegen kämpfen.
Im Moment jedoch war sie alles andere als stolz und stark. Sie war gebrochen, fühlte sich einsam und unverstanden. Erst vor einigen Monaten war sie 20 geworden, aber nun fühlte sie sich wieder wie ein Kleinkind, das von seinen Eltern getrennt war.
Mit langsamen, schlürfenden Schritten ging sie durch die Stadt um sich etwas abzulenken, aber es gelang ihr nicht. Etwas war anders als sonst - sie wusste, dass sie nun einsam war. Es war ein anderes Gefühl als früher, als sie mit Katan gestritten hatte und sich auch allein gefühlt hatte. Damals war sie aber nie wirklich allein, immer war ihr Vater für sie da gewesen. Die Tränen schienen keinen Halt zu kennen und rannen ungehindert die Wangen hinunter. Nach einer Weile kehrte sie wieder in ihr Haus im Seeviertel zurück. Normalerweise brannte immer ein einladendes Licht, wenn sie nach Hause kam, aber das war nun wohl vorbei. Langsam schloß sie die Tür auf um sie jedoch gleich wieder zuzuhauen und sich davor zu setzen.
Es dauerte lange, bis die Tränen an diesem Abend versiegten. Auch der Himmel schien zu weinen, es regnete die ganze Zeit. Und die ganze Zeit saß sie auf dem kalten Boden vor ihrer Haustür. Langsam fing die Frau an zu zittern. Ihre tiefblauen Augen blickten leer in die Welt hinaus. Einige Leute kamen vorbei, um ihr Beileid auszusprechen, doch sie bekam es kaum mit.
Bei dem Tod ihrer Mutter war alles anders gewesen, das Leben war für sie weiter gegangen. Es war verständlich, dass damals trauerte, aber diesmal ist es etwas was anderes gewesen.
Man fand Kairi auf der Schwelle des Hauses. Sie war eingeschlafen. Nass und zitternd. Es waren einige Bewohner des Seeviertels, die Abends noch vorbei kommen wollten, um nach ihr zu sehen. Sie brachten Kairi in ihr Haus und steckten sie in ihr Bett.
Es war eine traurige und schwere Stimmung, die zu dieser Zeit im Haus herrschte. Kairi sprach kein Wort, obwohl sie wieder aufgewacht war. In ihren Augen war ein beunruhigender leerer Ausdruck zu erkennen. Den Leuten blieb nichts anders übrig, als zu den Göttern zu beten und sie allein zu lassen