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Das tote Mädchen
blinde Rache
Eine Frau sprang laut schreiend aus ihrem Wagen. Sterne standen strahlend und kalt am nächtlichen Himmel. Sie rannte über den Asphalt, in den Wald hinein und betete zu Gott, dass dieses Wesen sie nicht verfolgen würde. Sie lief über Stock und Wurzelwerk und durchbrach Wände aus Blattgrün und Dornenbüschen. Schnittwunden zeichneten Sie im Gesicht. Sie stolperte über eine aus dem Erdreich ragende Baumwurzel und stürzte. Und nach dem unheilvollen Geräusch ihres Fußknöchels zu schließen hatte sie ihn sich gebrochen. Leise wimmernd hielt sie sich die Bruchstelle. Der Wald war totenstill und man hörte nach einer Weile nur noch ihren Atem, der sich stockend durch ihre Lungen presste. Ihr langes schwarzes Haar, teils in dornigem Gebüsch verfangen, glänzte trübe unter dem Nachtgestirn. Sie starrte mit glasigem Blick zwischen kahlem Geäst hindurch und in die Nacht hinauf. Eine schwarze Gestalt beugte sich über ihren Körper.
Hände packten sie am Hals und schnürten ihr die Luft ab. Sie versuchte sich mit Händen und Füßen zu wehren. Verschwommen sah sie ein überlegenes Lächeln im undurchsichtigen Schatten aufblitzen, der ihre Sicht füllte. Nur wenige Sekunden dauerte ihr Ringen. Die Augen quollen ihr blutig aus den Höhlen, bevor sie röchelnd das Zeitliche segnete.
Der Wald auf beiden Seiten der Straße ist wie ein undurchdringbarer Schatten. Äste falten sich wie Finger ineinander oder zeigen bedrohlich auf jeden, der ihre Ruhe stört.
Ich sitze im Auto und schaue genervt und übermüdet auf die Cockpit-Uhr. Gleich zwei Uhr in der Nacht. Das monotone Trommeln der Regentropfen und das Quietschen der Scheibenwischer machen mich verrückt und schläfrig zugleich.
Seit gut zweieinhalb Stunden schon sitze ich in der Karre und halte verzweifelt Ausschau nach irgendwelchen Schildern, die mir sagen, dass ich auf dem richtigen Weg bin, dass gleich hinter der nächsten Abzweigung Zivilisation ihren Einzug hält. Jede Unebenheit, jedes verfluchte Steinchen unter den Rädern meines alten Coupés beißt mir inzwischen schmerzhaft ins Steißbein und nagt an meinem Rückgrat.
Trübe sehe ich die im Lichtkegel der Scheinwerfer eingefangenen Mittelstreifen vorbeiziehen. Endlos. Ich schalte das Radio ein und stelle es laut. Limp Bizkid, yeah Baby! Das ist meine Musik, und ich drehe noch ein bisschen lauter.
<Ooooooooooh yeah, come on! ... !!>
Der Song ist zu Ende und es läuft - keine Ahnung was läuft, aber es ist Scheiße!
Ich verliere die Geduld, als ich erneut auf die leuchtenden Ziffern sehe. Zwei Uhr zwanzig. „Verflucht!! Wann komme ich endlich aus dieser Scheiß-Gegend raus?!“
Wieso musste ich auch noch auf Sophie hören? Wäre ich doch bloß den Weg gefahren, von dem ich weiß, dass er mich sicher nach Hause bringt. Ich wurde überstimmt von ´nem Haufen Teenager! Herr Gott, war ich dumm! Meine Tochter wollte, dass ich ihre Freunde akzeptiere. Das war meine erste Hürde. - Und die ist ja wohl voll in die Hose gegangen! Da fahre ich sie schon ins " Prime Rose" und dann so was! Ehrlich, ich habe genug Arbeit am Hals. Es wird mal wieder Zeit für ein Gespräch. Sie kann unmöglich bei diesen Pennern bleiben. Die haben doch nur Alk und Rauch im Hirn! Mit dem Ziel vor Augen will ich mehr denn je raus aus diesem Wald. Vielleicht drehe ich einfach um. Wäre wohl das Beste. Aber anhalten möchte ich auch nicht. Nicht in dieser Gegend. Das Gefühl, beobachtet zu werden, macht sich plötzlich in mir breit - und das bei Tempo fünfundsechzig!
Hier ist doch weit und breit niemand, du Flasche! Ich überlege mir, wie es wäre, würde ich das Lenkrad bei voller Fahrt durchziehen und möglicherweise einen Überschlag riskieren. Eine Zigarette wäre jetzt genau das richtige. Ich greife in meine Hemdtasche hinein, ziehe eine raus und stecke sie mir in den Mund. Für jemanden, wie mich, der quasi im Auto lebt, ist das die praktischste Variante seinen Nikotinhunger zu stillen. „Feuerzeug, wo ist das Feuerzeug.“ Müsste auf dem Beifahrersitz liegen. „Hab’s!“ Nebst Krümeln von Knabberzeugs, Taschentuchfetzen und einer CD Hülle ertaste ich das Edelstück aus Chrom. Qualmsschwaden steigen mir in die Nase und umspielen sich vor meinen Augen, wie fließendes Gewebe zweier Körper. Gibt es etwas Formvollendeteres? Diese Frage stelle ich mir oft. Der erste Zug ist eine Offenbahrung. Er lässt mich zurückfallen. Entspannen. KRRRSCHHH ... ZUMP.
Das Radio fällt aus. Und der Schock fährt mir in die Glieder. Nervös drücke ich den Einschaltknopf. Nichts. "Fuck-" Das Wort wäre mir fast im Hals stecken geblieben, als ich eine Gestalt am Straßenrand erspähe. Ein Tier. Nein. Herr im Himmel! Das Blut schießt mir in die Beine und ich trete reflexartig die Bremse durch. Die Zigarette fällt mir in den Schoß und hinterlässt ein Brandloch auf meiner Jeans und ein schneidender Schmerz auf meinem Schenkel. Laut fluchend wische ich ihn zu Boden. Schnell drücke ich den Türknopf zu. Der Schweiß läuft mir aus den Poren. Ich weiß nicht, wieso ich gehalten habe. Es war mit Sicherheit nur Einbildung. Ganz bestimmt. Was hat ein Mensch hier auch mitten im Nirgendwo zu suchen? Um diese Zeit?
Langsam hebe ich die Hand, als könnten mich meine Bewegungen verraten, und stelle den Spiegel so, dass ich die Person sehen könnte, würde er keine Ausgeburt meiner Fantasie sein. Ein Gesicht sieht mich an. Beschattet ist es und nur Augenpaare sehe ich im Tristen Licht der Scheinwerfer aufleuchten. Stöhnend drehe ich mich um und sehe - nichts! Schwer atmend spähe ich hinter die Sitze. Ich weiß, jemand ist da. Es muss so sein!
Nichts. Niemand war da. „Gan -ganz ruhig... Verdammter, das kann doch nicht sein. I-ich habe sie GESEHEN!“ Mit zittrigen Fingern greife ich in das Türfach und ziehe den Flachmann zu mir. Ich muss mich beruhigen. Ich bin einfach übermüdet. Dann kommt mir ein anderer, ein erschreckender Gedanke in den Sinn, der gar nicht mal so abwegig ist. Vielleicht träume ich das alles. Bin eingeschlafen und vom Weg abgekommen. Was wäre, wenn ich gegen einen Baum gefahren bin und jetzt ohnmächtig im brennenden Wrack liege, jedweder Hilfe weit entfernt! Oder man hat mich gefunden. Vielleicht bin ich ja jetzt schon im Krankenhaus irgendeines Hinterweltler-Kaffs, wegen meiner schweren Verletzungen unter Narkose gestellt. Vielleicht. Andererseits; Das alles scheint mir viel zu real. Ich meine, allein das ich an diese Alternative denke, zeigt wie wach ich bin. Oder? Der Verschluss will sich unter meinen verschwitzten Händen nicht öffnen lassen, und ich werfe die Pulle, mehr ängstlich als zornig, in die Fußkuhle. Die Krawatte schnürt mir die Luft ab und ich versuche sie zu lockern. Es klappt nicht. Einmal mehr beweist sich mein Versagen im Krawattebinden als echtes Handikap im Alltag.
"Ich bin hier, Papa." Eine zarte, singende Stimme hallt mir ins Ohr und in den Wald hinein, der aus seinem Schlaf erwacht und zurück ruft.
Mein Herz setzt viele Sekunden lang aus, um gleich darauf explosionsartig Blut zu pumpen. Ein Mädchen, das war die Stimme eines jungen Mädchens! Ich kann es nicht glauben. Der Laut kam von draußen herein geweht. Hektisch blicke ich in alle Richtungen. Inzwischen hat sich der Regen gelegt, mehr nehme ich nicht war. Bebend packe ich den Türgriff und reiße das Auto auf. Bäume flüstern und rascheln unheilvoll, etwas tappst dicht und rasch vor meinen Füßen davon und laute Eulenrufe schallen in die nächtliche Wildnis. Der Mond scheint kaum merklich hinter einem dichten Wolkenteppich hervor. Vereinzelte Grasbüschel und Unkraut schlingen sich zäh um meine Fußknöchel als ich mich einige Schritte vom Auto entferne. Panisch lasse ich meinen Blick schweifen. Da kommt mir eine Idee. Das könnten auch illegale Einwanderer sein. Das Kind lockt Vorbeifahrende, während sich der übrige Klan in den Büschen versteckt hält, um im richtigen Moment zuzuschlagen. Die alte Scheiße, wie man sie schon in vielen zweitklassigen Spielfilmen und Dokus verfolgen konnte. Dann sehe ich im roten Scheinwerferlicht meiner Heckleuchte eine Gestalt. Aus der Entfernung kann ich sie nur undeutlich erkennen. Ringsum erscheint mir der Wald, wie ein lauerndes Raubtier, das nur darauf wartet meinen Rücken zu sehen. Irgendwo da müssten die sich verkrochen haben.
Ich weiß nicht mehr was mich noch lenkt, ich weiß nur, dass meine Neugierde soeben überschattet wurde. Mein Taschenmesser habe im am Schlüsselbund befestigt und der steckt noch im Zündloch meines Coupés, drei Schritte weit fort. Wenn es ernst wird könnte ich in zwei Sekunden den Schlüssel rumdrehen und davon rauschen. Höchstens drei.
"Papa! Warum hast du das getan?" Mensch diese Stimme. Das ist doch Sophies Stimme! Aber das kann nicht sein. Meine Tochter ist im „Prime Rose“, gut hundert Kilometer weit hinter mir. Allmählich vergesse ich meine stürmischen Theorien.
"PAPA, DU MÖRDER!!!" Ich höre sie schluchzen und sehe, dass sie sich auf den Boden kauert. Das Mädchen braucht Hilfe!
"Ich ... ich bin nicht dein Papa", höre ich mich sagen. Nun, da mein Mund offen steht und ich die Sprache wieder gefunden habe, traue ich mir mehr zu.
"Hörst du, Kleines, ich bin nicht dein Vater! Aber was machst du hier? Ganz allein, mitten im Wald."
Am liebsten wäre ich zu ihr gelaufen und hätte sie getröstet. Sie in die Arme genommen und in die nächst beste Stadt gefahren. Doch die Angst hält mich zurück. Sie weint noch immer herzzerreißend und ungerührt.
"Wo ist meine Mama?! MAMA!!" Das bewegt mich gewaltig und ich renne auf sie zu. „Keine Sorge, ich bin da und helfe dir! Du musst keine Angst mehr ha … ben -“
Ich sehe diese Augen in ihrer beschatteten Gestalt aufleuchten. Nur die sehe ich.
Es sind die Augen, die ich im Rückspiegel gesehen habe. Ja, es war keine Einbildung! Kein Fantasiegebilde meiner müden, grauen Zellen. Ich war wohl soweit im Dämmerlicht, dass ich nicht bemerkte, wie sie ins Auto geschlüpft und wieder ausgebüxt ist. So muss es gewesen sein!
"Kihihihihi …" Ein kaltes, durchtriebenes Lachen durchdringt mich. Ich meine, es ist fühlbar kalt. Es ist so eisig, dass es mich schüttelt. Sie hört nicht auf zu Lachen und steigert sich in Hysterie.
Keuchend wische ich mir den Schweiß aus dem Gesicht. Mir wird schlecht und schwarz vor Augen. „Nein, was passiert hier?! Scheiße, ich sehe nichts mehr!“ Meine Stimme zittert. Ich kriege erneut panische Angst. Ist das eine Droge? Die verabreichen mir ´ne geruchlose Droge in Gasform! Jeden Moment erwarte ich, dass sie über mich herfallen. Mich umbringen und ausrauben. MICH UMBRINGEN!! Verzweifelt versuche ich mein Augenlicht wieder zu finden: Keine Nadel im Heuhaufen. Die Schwere der Finsternis erdrückt mich innerlich. Blind schlage ich um mich, doch niemand scheint auch nur in meine Nähe gekommen zu sein. Die warten bestimmt, bis sich die Droge vollends entfaltet hat. „WO SEIT IHR?! KOMMT HER, WENN IHR EUCH TRAUT!!“, schreie ich mich heiser.
Das Gelächter des Mädchens hört abrupt auf und augenblicklich verschwindet die Wirkung. Ich stehe noch immer an Ort und Stelle, die Scheinwerfer im Rücken. Aber das Mädchen ist verschwunden. Habe ich ihr und ihrer Sippschaft Angst einjagen können?
Ich falle wie gelähmt auf die Knie. Kalter Schweiß klebt und trieft. Ein böser Traum, mehr nicht.
Jäh fährt mir eine Hand an den Nacken und reißt mich brutal nach hinten. Eine kalte Hand, deren überlange Fingernägel sich in meinen Hals schneiden. Ein scharfer Schmerz lässt mich erbeben. Mir wird schwarz vor Augen und so spüre ich nur, wie sie ihre Wange an die meine presst. Ihre Haut fühlt sich rau und eingefallen an und doch weiß ich, dass sie kaum älter als zehn sein kann (Ihre Statur und Stimme sagen das zumindest). Stinkender Atem schlägt mir ins Gesicht. Eine andere Hand streichelt mir über die Brust. Dann fährt sie mir an den Hals und würgt mich. Die Starre setzt ein. Sterne explodieren vor meinen Augen und der Drang zu Atmen wird unerträglich. Reflexartig prügle ich um mich, schlage mit voller Wucht gegen ihre Seite und höre einige Rippen brechen. Doch anstatt sich vor Schmerzen aufzubäumen oder zusammenzubrechen hält sie mich weiter gepackt und drückt nur noch fester zu. „Wieso hast du mir wehgetan. Wieso hast du mich getötet.“ Ihre rauen Worte kamen völlig emotionslos über ihre Lippen. Ich konnte ihr Gesagtes nicht mehr zuordnen. . Irgendetwas, am Scheideweg zwischen Himmel und Erde sagt mir, Feuer würde helfen. Sie muss brennen. Ein Gedanke, wahrscheinlich aus den diversen Horrorstreifen, die ich mir leidenschaftlich gerne reinziehe. Ich habe keine Zeit über deren Glaubwürdigkeit zu philosophieren, denn ich weiß, dass ich in wenigen Sekunden ersticken werde. Ich packe krampfhaft und mit tauben Händen in meine Jeanstasche, reiße das Feuerzeug heraus und schlage den Deckel auf. Sofort lodert eine anderthalb Zentimeter hohe Flamme empor. Mit letzter Kraft drücke ich ihr das Feuer ins Gesicht, wo ich es zumindest vermutet habe, als ich noch drüber nachdenken konnte. Ein verirrter Gedanke, nicht mehr.
"AAAAAAAAARRR!!!" Ein gellender Schrei dröhnt mir in den Ohren. Der Schrei eines kleinen Mädchens. Sie lässt mich los und ich ziehe gewaltig Luft durch Nase und Mund, dass ich den Eindruck habe meine Lungen würden zerreißen. Sauerstoff durchströmt meinen Körper. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so lebendig gefühlt und zugleich näher am Abgrund, wie in diesem Moment. Was täte ich nur ohne dein Chromstück, meine kleine Sophie!
Allmählich lichtet sich mein Tunnelblick und ich drehe mich rasch um. Die Kleine winselt und hält sich das Gesicht. Dann richtet sie sich langsam auf und ich sehe ihre Züge zum ersten Mal deutlich vor mir. Eine graue, lederne, von tiefen Falten durchzogene Haut, glänzt aus schwarzen Haarstränen hervor. Ihre hervortretenden, liedlosen Augen, bestehen sichtlich nur aus schwarzen Pupillen, die in ihrer Tiefe selbst aus der nächtlichen Dunkelheit hervorstechen konnten. Kein Anzeichen einer Verbrennung lässt sich erkennen. Stattdessen sehe ich Knochen hervorschimmern. Blanker Knochen! Sie trägt ein zerschlissenes Kleid, was in einem anderen Leben vielleicht einmal recht hübsch ausgesehen hatte. Langsamen Schrittes geht sie auf mich zu, die Arme schützend angewinkelt und sie erinnert mich schmerzhaft an meine Tochter, wenn sie Mist gebaut hat. Ich muss meine Gefühle ignorieren. Ihr nur ins Gesicht sehen, das reicht schon um kein Ideal der Welt über meinen Selbsterhaltungstrieb zu stellen.
"Hilfe!" Sie fleht mich an, und mir steigen Tränen in die Augen.
Das Feuerzeug fest in der Hand, halte ich es ihr an das Kleid. Sofort tanzen Flammen auf.
"NEIN, NEEEIN, BITTE!! MAAMAAA!!!" Das Feuer umschließt sie und lässt nicht los. Sie wand und schrie sich die Seele aus dem Leib, als sie schließlich verstummte. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis das Feuer seinen Hunger gestillt hatte. Übrig bleibt ihr Skelett.
Wie versteinert stehe ich da. Ich sehe es vor meinen Füßen liegen. Der Schädel glänzt und ihr weit aufgerissener Unterkiefer spricht entsetzliches Leid. Gähnende Höhlen starren mich an. Undurchdringlich spiegeln sie das Pech der Hölle, welches, wie Tränen über das Gesicht zu fließen beginnt. Was habe ich getan? „Das kann doch alles nicht war sein!!“
Weiße Sonnenstrahlen lichten und ziehen den nächtlichen Wuchs des Waldes. Jedes noch so nichtige Glied gewinnt in seiner Farbentiefe und feinen Linienführung Geltung. Ein Anschein von Zartheit und Gebrechlichkeit liegt nun im Wesen der Wildnis. Der Keim reiner Schönheit.
Ich kann das erfrischende Plätschern eines kleinen Baches hören, ganz in meiner Nähe. Das Zirpen, Summen und Singen, und das Knistern und Rascheln der Äste und Blätter. Der Wind spielt mit meinem Haar und lässt meinen Mantel schlagen.
Polizeisirenen heulten laut auf. Dutzende Beamte durchkämmen den Wald und untersuchen den gesprungenen Asphalt.
„Wir müssen sie bitten, uns ins Präsidium zu begleiten, damit Sie Ihre Aussage machen können. Geht’s denn wieder?“
„Ja. Haben – haben Sie vielleicht etwas zu trinken?“ "Kein Problem." Die Frau gießt mir heißen Kaffee aus einer Thermoskanne ein. Zwei Pathologen (Zumindest glaube ich, dass sie es sind, so nah, wie sie sich an die Leiche trauen) diskutieren erregt über den Fund.
„Wie zum Teufel kann es sein, dass niemand ihren Leichnam bemerkt hat?“
„Diese Straße wird kaum befahren und hier in der Wildnis dauert der Verwesungsprozess nicht sonderlich lange an. Glauben Sie mir.“ Weitere schließen sich der Unterhaltung an. „Wissen wir schon wer das sein könnte? Hat man eine Vermisstenanzeige in dieser Gegend aufgestellt?“ „So weit ich weiß, wurde hier vor einem Jahr oder so ein junges Mädchen vermutet, das der eigene Vater getötet hatte. Erinnerst du dich noch an die Geschichte?“, rief meine Kaffeespenderin über mich hinweg. „Oh, ja. Ging durch alle Zeitungen. Nachdem ihr Vater sein Werk verrichtet hatte, ging er freiwillig ins Polizeipräsidium und gestand. Nach eigenen Angaben hatte er seine Frau und seine Tochter in diesen Wäldern ermordet. Wo genau sagte er natürlich nicht.“ „Ich weiß noch, wie wir uns den Arsch aufgerissen haben die zwei zu finden. Wochenlang haben wir gesucht; nichts, kann ich dir sagen. Nicht mal eine Hautschuppe, konnten wir finden.“ „Und da habt ihr einfach aufgegeben?“ Einige sahen mich mit aufgesetztem Mitgefühl an. Nur wenigen gelang es sich glaubhaft zu verkaufen. „Die Wälder hier sind riesig. Man hätte noch Monate suchen können und wäre noch immer zu keinem Ergebnis gekommen. Das Plato gänzlich zu durchkämmen ist unmöglich. Man bedenke, dass er die Leichen höchstwahrscheinlich verscharrt hatte. „Moment mal, das Kind wurde verbrannt! Und das vor wenigen Stunden. Aber das kann nicht sein!“ „Das Skelett … es ist warm!“ Sämtliche Köpfe drehten sich nun den beiden Männern zu. „Was sagen sie da?!“ Wie betäubt stehe ich in der Menge, und weiß nichts zu tun oder zu sagen. Der verrückte Gedanke, einfach abzuhauen schießt mir durch den Kopf. Glauben wird mir sowieso kein Mensch!
„Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“
Ein Mann steht hinter meinem Rücken und ich drehe mich zu ihm hin. `N Psychologe.
„Nein, können Sie nicht."
Er blickt mir verständnisvoll in die Augen.
„Versuchen Sie’s."